Es gibt sehr gut geschriebene Nachrufe über Menschen, die durchaus lesenswert sind.
Der Nautilus Verlag trauert um Pierre Gallissaires, den neben Lutz Schulenburg und Hanna Mittelstädt dritten Verlagsgründer des MaD-Verlags, später Edition Nautilus. Pierre starb im Alter von 88 Jahren am 10. August 2020 in Toulouse.
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Pierre Gallissaires
Das Paris der Surrealisten, Fotos und Texte, von ihm zusammengestellt und ausgesucht, mit dem wir uns vorwitzig auf den Kunstbuchmarkt wagten. Die Autobiographien von Charles Mingus und Billie Holiday, von Jacques Mesrine (damals Staatsfeind Nr. 1 Frankreichs). Die Dadaisten, Isidore Ducasse, Jacques Vaché, Arthur Cravan, das geschriebene Werk Francis Picabias … all das kannten wir anarchistischen Lümmel Lutz und ich ja gar nicht, jung wie wir waren. Pierre war, was man heute unseren Mentor nennen würde. Für uns war er ein Genosse und enger Freund, der sich auskannte und dessen literarischem und politischem Geschmack wir vertrauten.
Wir praktizierten das Verlagsprogramm (diskutierten, übersetzten, suchten nach Geld, entwarfen Strategien) und daneben experimentierten wir eine politische Praxis in der Folge der Situationisten: Poesie, Alltagsleben, Politik in einer Tätigkeit vereint. „Seid Wasser“ sagte man damals noch nicht, aber wir waren gegen jede Verfestigung.
Pierre wurde in Frankreich ein angesehener Übersetzer, er übersetzte Werke wunderbarer Autoren aus dem Deutschen: Max Stirner, Arthur Schnitzler, Oscar Panizza, Alfred Döblin, Hugo Ball, Karl Kraus, Joseph Roth, Hans-Magnus Enzensberger u.v.a. Für gemeinsame Lyrik-Übersetzungen mit Jan Mysjkin aus dem Niederländischen erhielten die beiden 1995 und 2009 jeweils einen Lyrik-Preis. Pierre hasste Preise, aber es war doch verdient.