Cold War Reloaded - Der neue Ost-West Konflikt

  • Der Vergleich mit der DDR ist aber auch gewagt. Den Leuten im deutsche Osten ging es materiell auch besser als denen in Russland oder in irgendeiner anderen Sowjetrepublik - inklusive der Ukraine.


    Der Punkt ist nicht, dass die Menschen in Osteuropa, die das alles noch miterlebt haben, keinen Grund hätten, gegenüber dem was damals vor allem im Westen unter "Kommunismus" firmierte - und eigentlich ein totalitärer Staatskapitalismus war - Misstrauen zu hegen, sondern dass der Westen zur Bekämpfung der geopolitischen Konkurrenz in den Ostblockländern nationalistische Bewegungen befördert hat, weil die - genau wie die ganzen Ex-Nazis, die in der BRD lustig weiter Ämter bekleiden durften - nicht nur stramm antikommunistisch waren, sondern auch antirussische Ressentiments pflegten.


    In der Ukraine wurde der Bandera-Kult ja nicht umsonst zuerst von den fanatisch antikommunistischen Nazis und später dann von den kaum weniger fanatisch antikommunistischen Amerikanern und Briten für die eigenen Zwecke vereinnahmt und gegen die Sowjets in Stellung gebracht.

  • Stand with Ukraine-Goverment


  • Der Vergleich mit der DDR ist aber auch gewagt. Den Leuten im deutsche Osten ging es materiell auch besser als denen in Russland oder in irgendeiner anderen Sowjetrepublik - inklusive der Ukraine.

    Ja, aber daraus (nicht nur aber auch) lässt sich vielleicht erklären warum aus DDR-Bürgern keine Anti-Russen wurden. Man wusste natürlich warum die Russen generell vor Ort waren und dass dies selbst verschuldet war, klar. Aber man konnte in der DDR trotz dieser Geschichte noch einen Lebensstandard erlangen, der nicht unbedingt von Hunger und kalten Wohnungen geprägt war... sondern sich global betrachtet, sogar noch in der Komfortzone aufhielt.

    Stichwort: "Es war nicht alles schlecht"


    Der Punkt ist nicht, dass die Menschen in Osteuropa, die das alles noch miterlebt haben, keinen Grund hätten, gegenüber dem, was damals vor allem im Westen unter "Kommuismus" firmierte - und eigentlich ein totalitärer Staatskapitalismus war - Misstrauen zu hegen, sondern dass der Westen zur Bekämpfung der geopolitischen Konkurrenz in den Ostblockländern nationalistische Bewegungen befördert hat, weil die - genau wie die ganzen Ex-Nazis, die in der BRD lustig weiter Ämter bekleiden durften - nicht nur stramm antikommunistisch waren, sondern auch antirussische Ressentiments pflegten.

    Aber welchen Einfluss konnte der Westen tatsächlich auf die Köpfe der Polen, Esten, Litauer und Ukrainer nehmen bzw. wann wurden die Osteuropäer tatsächlich zu den Anti-Russen, die sie heute sind? Eine freie Presse gab es damals nicht. Wenn Westpropaganda erfolgreich durchgeführt werden konnte, dann ja wohl in der ehemaligen DDR über West-Radio und West-Fernsehen. Und trotzdem haben die Russen ihre treuesten Sympathisanten westlich von Minsk wahrscheinlich erst wieder in Leipzig und Dresden, also genau dort. wo die Einflussnahme des Westens innerhalb des Ostblocks am größten war. Inwieweit die Einflussnahme nach 1990 in Osteuropa stattfand oder gegriffen hat, kann ich eher schlecht beurteilen. Ich bin mir nur ziemlich sicher, dass die Polen auch damals schon, vor 1990, ziemliche Antirussen gewesen sein müssen. All die Aufstände, Auswanderungswellen und Papst-Verehrungen lassen kaum einen anderen Schluss zu als dass sie die damalige "Volksrepublik Polen" ziemlich ablehnten. (Selbst dieses Detail: polnischer Adler ohne Krone, wurde schon zum 1.Januar 1990 revidiert)

    .... mit einem westlich intendierten Anti-Kommunismus allein, lässt sich das in meinen Augen nicht abschließend erklären. Man mag sich nur mal die Geschichte polnisch russischer Kriege vor Augen führen:


    polnisch- russische Kriege


    ... alle 50Jahre haben die sich gegenseitig eins auf die Mütze gegeben. Selbst ein gemeinsamer Kampf gegen den Faschismus konnte sie nicht "versöhnen"... Gut, die Russen haben sie ja auch gemeinsam mit den Deutschen verarscht. 1939 haben die halt auch nicht vergessen.


    In der Ukraine wurde der Bandera-Kult ja nicht umsonst zuerst von den fanatisch antikommunistischen Nazis und später dann von den kaum weniger fanatisch antikommunistischen Amerikanern und Briten für die eigenen Zwecke vereinnahmt und gegen die Sowjets in Stellung gebracht.

    ... was ist mit dem sog. Holodomor? Das spielte doch auch eine Rolle. Auch hier glaube ich nicht, dass die antirussischen Haltungen am Ende das Produkt einer westlich intendierten Anti-Russen-Propaganda gewesen sind.


    Was ich mir hingegen vorstellen kann ist, dass eine wirkliche "Versöhnung" zwischen Russland und den osteuropäischen Ländern, in der W.Putins wichtigste geopolitische und historische Aufgabe in meinen Augen gelegen hat (Jelzin war wohl eher weniger in der Lage dazu), nicht im westlichen Interesse lag und nach Möglichkeit verhindert wurde. Hier könnte man vielleicht ansetzen und schauen ob es Versuche von Moskau in diese Richtung gab und wie diese Versuche verhindert wurden. Ich bin mir aber nicht sicher ob Putin hier wirklich einmal ernsthafte Versuche unternommen hat. Aus heutiger Sicht hätte er sich weniger mit Schröder als mit seinen osteuropäischen Amtskollegen treffen müssen. Eine Rede im Bundestag, auf deutsch, schön und gut. Aber er hätte das Gleiche in Prag, Warschau oder Tallin tun sollen. Ich glaube, er hätte heute mehr davon.

  • Aber welchen Einfluss konnte der Westen tatsächlich auf die Köpfe der Polen, Esten, Litauer und Ukrainer nehmen bzw. wann wurden die Osteuropäer tatsächlich zu den Anti-Russen, die sie heute sind?

    Ich sage ja nicht, dass es da nicht vorher schon Animositäten gegeben hätte. Aber warum hassen wir Deutschen heute nicht die Franzosen, oder warum hassen die Franzosen nicht die Engländer? In Europa habe sich alle möglichen Nationen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder gegenseitig überfallen und übelst bekriegt, aber nach dem 2. Weltkrieg hat man sich das in Westeuropa dennoch abgewöhnt - sogar gegenüber Deutschland, trotz der Mordaktionen der deutschen Faschisten.


    Andrij Melnyk hat im interview mit Tilo eigentlich ganz offen erzählt, wie das in der Ukraine lief. Natürlich hat die sowjetische Führung dort die Presse kontrolliert und alles versucht, um die UdSSR von westlichen Einflüssen abzuschotten, aber in der Diaspora in den USA und Kanada wurde der antirussiche Antikommunismus der Exil-Ukrainer natürlich ganz besonders stark betrieben und sickerte dann nach der Wende auch schnell wieder zurück in die Heimat ein.

    Stepan Bandera selbst lebte nach dem Ende des Krieges in München im Exil und betrieb von dort aus weiter die OUN-B als Widerstandsgruppe, bis er dann vom KGB ermordet wurde.

    was ist mit dem sog. Holodomor? Das spielte doch auch eine Rolle. Auch hier glaube ich nicht, dass die antirussischen Haltungen am Ende das Produkt einer westlich intendierten Anti-Russen-Propaganda gewesen sind.

    Der Westen hat das Anti-Russentum nicht erfunden, das hat schon lägere Tradition, die auch weit vor die Gründung der Sowjetunion zurück reicht - was ebefalls gegen die von Hans aufgetischte Story vom "kollektiven Gedächtnis" an die bösen Bolschwisten spricht.

    Aber man hat es sich westlicherseits eben zu Nutze gemacht, um den Atikommunismus zu fördern, und damit dazu beigetragen, dass Russen und Kommunisten heute in Teilen Osteuropas als ein und das selbe angesehen werden, und sich auch im Westen solche aberwitzige Theorien wie Timothy Snyders Geschichte von der Nazi-Kollaboration der osteuropäischen Nationalisten als quasi-Notwehr gegen den brutalen "Imperialismus" der russischen Sowjets festgesetzt haben.


    Auch die Nazis haben den Antisemitismus in Europa nicht erfunden, ihn sich aber trotzdem sehr effizient zu Nutze gemacht, um ihre Mordaktionen als Verteidigung gegen die "jüdisch-bolschewistische" Weltverschwörung zu legitimieren.

    Das ist alles der selbe Dreck. Auch Putin macht sich das zu nutze, nur eben umgekehrt, indem er sein heutiges, erzkapitalistisches Russland mit dem Kampf der Sowjets gegen den Faschismus assoziiert, um seine verlustreichen Großmachtambitionen gegenüber der russischen Bevölkerung zu rechtfertigen.


    Der Punkt ist, dass dieser ganze Irrsin von heiligen Nationen und Vaterländern, die es unbedingt um jede Preis gegen fürchterliche äußere Feinde zu verteidigen gilt, mit denen man dann ewige Blutfehden und Erbfeindschaften pflegt, schon immer nichts als ein Mittel der Mächtigen war, um die Ohnmächtigen für ihren Machterhalt in die Schlacht zu schicken.

    Wenn die Polen und die Balten diesen Wahn jetzt wieder aufleben lassen, ist das einfach nur noch mehr ins brennende Feuer gegossenes Benzin.


  • Das kommt aber beides überwiegend von den Ukrainern. Wobei sie sich zur Eliminierung der "russischen Kultur" in der Ukraine nicht nur bekennen, sondern das auch immer mehr als Notwendigkeit eingefordert wird. Zusätzlich dazu behaupten sie die Russen würden das gleiche tun.


    Ich erinnere mich nur, dass auf russischer Seite über die Umstellung der Lehrpläne in den besetzten, dann annektierten Gebieten gesprochen wurde, was sehr wahrscheinlich mit einem Austausch von Lehrbüchern einher ging. Darüberhinaus wurde solche Maßnahmen denke ich nicht erwähnt. Also mal wieder offen, wieviel davon nun stimmt und was Propaganda ist.


    Eine Möglichkeit, wenn etwa solche Buchentnahmen wirklich stattfinden, ist, dass es weniger von den Russen ausgeht und mehr von ihren ukrainischen Kollaborateuren spezifisch diejenigen, die sich als in welchem Sinne auch immer russisch verstehen und nach Revolution und Beginn des Bürgerkriegs Repressionen ausgesetzt waren. Könnte ich mir als Gegenreaktion gut vorstellen. Die Russen selbst betonen immer die ukrainische Kultur zu wahren - also eine bereinigte Version, davon kann man schon ausgehen.


    Die Vorgeschichte von vor den Intervention Russlands:


    https://www.bbc.com/news/world-europe-33863697


    Zitat

    Ukraine bans 38 Russian 'hate' books amid culture war


    11 August 2015


    Ukraine has banned 38 books published in Russia, alleging that they spread "hate ideology" and "separatism".


    https://www.theguardian.com/bo…inst-ban-on-russian-books


    Zitat

    Tue 14 Feb 2017 15.14 GMT


    Ukraine publishers speak out against ban on Russian books


    Latest skirmish in conflict with hostile neighbour will threaten domestic book trade, say leading figures from the industry


    Neben dem Kulturkampf ging es da übrigens auch um den Deutungskampf über die Geschichte, dieses Buch von einem schwedischen Autor war auch ein Ziel:


    https://www.timesofisrael.com/…itical-of-pogroms-leader/



    https://twitter.com/andersrydell/status/1074026916896825344


  • Also mal wieder offen, wieviel davon nun stimmt und was Propaganda ist.

    Jap, mehr Ergebnis kann man aus dem erstmal nich nehmen, aber es war doch Inhaltsvoller als Schillis Rotz. Aber immerhin hast du nun noch etwas mehr "nix gewiss weiß man nicht" oben drauf gepackt.


    Eigentlich ist das für mich wesentliche, beide Seiten begehen Schweinereien und vor allem ne Menge Kriegsverbrechen. Jeder beschuldigt den anderen das größere Schwein zu sein. Das geht schon die ganze Zeit so und wird immer immer schlimmer. Und dabei geht mir die Kacke hier dann auch immer mehr auf den Zeiger und vor allem dann auch noch das einseitige hinnehmen bis verteidigen und unkommentierte und einseitige Verbreiten der russischen Propaganda.

  • Eine Rede im Bundestag, auf deutsch, schön und gut. Aber er hätte das Gleiche in Prag, Warschau oder Tallin tun sollen. Ich glaube, er hätte heute mehr davon.


    Naja, den Versuch gab es schon:


    https://www.n-tv.de/politik/Pu…-Katyn-article811650.html


    Zitat

    Die Regierungschefs von Russland und Polen, Wladimir Putin und Donald Tusk, haben erstmals gemeinsam des Massakers von Katyn vor 70 Jahren gedacht. Beide Politiker legten am Mahnmal für tausende vom sowjetischen Geheimdienst NKWD ermordete polnische Offiziere und Intellektuelle Kränze nieder. Danach reichten sich Tusk und Putin in einer historischen Versöhnungsgeste die Hand.


    Der Artikel ist vom 7. April 2010. Drei Tage später war der Flugzeugabsturz bei Smolensk.

  • Es ist wirklich irritierend, dass die ständig mit einer neuen Offensive um die Ecke kommen.


    https://www.cnbc.com/2023/02/1…offensive-in-ukraine.html


    Zitat

    A renewed Russian offensive in the east of Ukraine is underway.


    It began last week with a renewed push by Moscow's forces on the outskirts of Bakhmut in Donbas, and a wave of attacks on Ukrainian infrastructure in Kharkiv and Zaporizhzhia.


    Letzte Woche.


    Klar, wenn man sich mal zum Beispiel die Karte von Readovka ansieht von heute (oben) und letzter Woche (unten) im Vergleich ansieht, gibt es einige Fortschritte:



    Aber vor einem Monat sah es halt so aus (roter Rahmen entspricht dem Bildausschnitt der anderen Karten):



    Das fällt natürlich alles auf das hier zurück:


    Zitat

    "Russia needs something to show [for the war]," Yuriy Sak, an advisor to Ukraine's defense ministry, told CNBC. "During the last six months, the only thing they were able to gain control of are the ruins of the city of Soledar, which is a village.


    Vermutlich wird aber auch für den Jahrestag gelten, dass sie das nicht brauchen.

  • "Intelligente Stadtplanung"


    Baerbock schwärmt für finnische Bunker

    Wir sind mitten in einem forcierten Paradigmenwechsel. Krieg und Militarismus werden in die Gesellschaft getragen, Wehrdienst soll wieder salonfähig sein. Kriegsbegeisterung mit nachdenklichem Gesicht ist die Devise. Die #Narrativopfer sind laut, es sind aber noch lange nicht genug!



    Der brutale Angriff auf die Gehirne geht weiter.

  • Das war er eigentlich immer, ausserhalb einer kleinen linken Sonderbubble...

    In deiner subjektiven Wahrnehmung vllt, die Frage ist nur wie repräsentativ die ist, will jetzt aber auch nicht mit meiner Wahrnehmung dagegen argumentieren, so führt es halt zu nichts.


    Aber wenn man sich mal die Zahlen von Umfragen anguckt kann deine Wahrnehmung und darauf basierende Behauptung nicht wirklich korrekt sein, bei folgender Civey Umfrage sind es zB 57% die wieder für eine Wehrpflicht sind, 36% dagegen und 7% unentschieden, da kann man also nicht von einer "kleinen linken Sonderbubble" sprechen...

    Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online hat ergeben, dass 57 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine allgemeine Wehrpflicht für Frauen und Männer bei der Bundeswehr für sinnvoll halten. 36 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Sieben Prozent der Deutschen sind in der Frage unentschieden.

    Und bei dieser Yougov Umfrage zur Kampfbereitschaft sieht das Ergebnis noch deutlicher aus...

    Umfrage zur Kampfbereitschaft der Deutschen

    ...

    Nur elf Prozent der Deutschen sind bereit, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen.

    Im Falle eines militärischen Angriffs auf Deutschland wäre laut einer Umfrage gut jeder zehnte Bundesbürger darauf eingestellt, sein Land mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Freiwillig würden sich in so einem Fall allerdings lediglich fünf Prozent der Deutschen zum Kriegsdienst melden, wie die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigen.

    Und anscheinend basiert die hohe Zustimmung auch vorallem auf den älteren Generationen welche in Deutschland die demografische Mehrheit sind, irgendwie logisch, selber müssen/können die auch nicht mehr kämpfen, aber die eigenen Kinder im Krieg gegen ihren Willen zu verheizen geht deren Meinung nach anscheinend wohl klar...

    Im Angriffsfall würde fast jeder vierte Deutsche das Land verlassen

    Einer Umfrage zufolge würden mehr jüngere als ältere Deutsche flüchten, wenn sich ein militärischer Angriff auf Deutschland abzeichnet. Freiwillig zum Kriegsdienst melden würden sich fünf Prozent der Befragten.

    ...aber so ähnlich funktioniert es in der Ukraine und Russland ja auch, da werden massenhaft Menschen zwangsrekrutiert und gegen ihren Willen als Kanonenfutter an die Front geschickt, so funktioniert Krieg offensichtlich in der Realität, verständlicherweise hat keiner Bock drauf, man muss die Menschen daher dazu zwingen.


    Und selbstverständlich spielen die Medien dabei auch eine große Rolle, denn...

    Wir sind mitten in einem forcierten Paradigmenwechsel. Krieg und Militarismus werden in die Gesellschaft getragen, Wehrdienst soll wieder salonfähig sein. Kriegsbegeisterung mit nachdenklichem Gesicht ist die Devise. Die #Narrativopfer sind laut, es sind aber noch lange nicht genug!

    ...

    Der brutale Angriff auf die Gehirne geht weiter.

    ...ohne die massive Propaganda der Medien hätten viele Menschen eine andere Meinung, da bin ich mir sicher.


    ZB Chomskys - über 30 Jahre altes - Propagandamodell beschreibt dieses Problem auch ganz gut:

    Das medienwissenschaftliche Modell ist Teil eines gesellschaftskritischen Konzeptes der Politischen Soziologie, nach dem die öffentliche Meinung in formal demokratischen Gesellschaften manipuliert wird, um einen gesellschaftlichen Schein-Konsens bezüglich ökonomischer, sozialer und politischer Entscheidungen zu erzielen, von dem letztlich nur eine kleine Minderheit der Gesellschaft profitiere, die wirtschaftliche und politische Machtelite. Dieses Konzept steht in der Tradition des Sozialismus und der Kritischen Theorie.

    Das Propagandamodell geht davon aus, dass bereits die Struktur der heutigen Massenmedien in kapitalistischen Gesellschaften eine objektive Berichterstattung von vornherein verhindere, insofern private Medien, die in Konkurrenz zueinander stehen und auf Werbeeinnahmen oder staatliche Teilfinanzierung angewiesen sind, in einem Interessenkonflikt stehen. Das primäre Interesse privater Massenmedien könne nicht darin bestehen, die Bevölkerung möglichst umfassend und objektiv zu informieren.

    ...

    Die Theorie stellt die These auf, dass große Medienkonzerne ein nicht-verschwörerisch agierendes Propagandasystem bilden könnten, das fähig sei, ohne zentrale Steuerung einen Konsens im Interesse einer von den Autoren beschriebenen gesellschaftlichen Oberschicht herzustellen und die öffentliche Meinung über agenda setting und framing entsprechend den Perspektiven dieser Oberschicht zu formen, während gleichzeitig der Anschein eines demokratischen Prozesses der Meinungsbildung und der Konsensfindung gewahrt bleibe.

  • Ich sage ja nicht, dass es da nicht vorher schon Animositäten gegeben hätte. Aber warum hassen wir Deutschen heute nicht die Franzosen, oder warum hassen die Franzosen nicht die Engländer? In Europa habe sich alle möglichen Nationen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder gegenseitig überfallen und übelst bekriegt, aber nach dem 2. Weltkrieg hat man sich das in Westeuropa dennoch abgewöhnt - sogar gegenüber Deutschland, trotz der Mordaktionen der deutschen Faschisten.

    In der Tat... Es war ein gewaltiger Fortschritt. Aber wie kam es zu diesem Wandel? Lag es an dem Projekt "EU", oder daran, dass Nationalismen im Rahmen dieser Erfahrung hüben wie drüben etwas eingedampft wurden? Es lag mit Sicherheit nicht daran, dass ein Klassenbewusstsein einem nationalen Bewusstsein vorangestellt wurde. Vielleicht einigte man sich nach 1945 auf einen gemeinsamen Feind im Osten? Vielleicht führte ein etwas internationalerer Lebensstil, der Schüleraustausch in Frankreich, das lange Wochenende in Paris oder der Urlaub an der Normandie einfach dazu, dass Krieg mit Frankreich wirklich unvorstellbar wurde. Man genießt dieses Land vielleicht lieber, als es zu zerschießen? So gesehen führte mehr Konsum paradoxerweise zu mehr Frieden... sosehr das einem Kapitalismuskritiker wie Dir auch nicht schmecken mag. (Man kann das auch auf England oder die USA übertragen)


    Im Umkehrschluss gab es mit Russland nicht annähernd soviel Austausch. Wir kennen kaum russische Produkte und flogen wohl auch nicht nach Moskau. Über russische Touristen wurden eher Witze gemacht und man hörte hier und da Geschichten darüber was diese Besucher mit einem üblichen Hotelbuffet so anzustellen vermögen. Das ist in Deinen Augen eine vielleicht wirklich sehr oberflächliche Ebene und natürlich denke auch ich anders über diese Dinge nach. Trotzdem halte ich es für nicht abwegig von gemeinsamen Erlebnissen der letzten 30 bis 50Jahre auszugehen und von da aus auf eine Kriegsbereitschaft innerhalb der Bevölkerung zu schließen. Aber auch da zeigt sich ja: Die Ossis lehnen einen Krieg mit Russland in aller Regel ab. Hier greifen vielleicht wirklich noch kollektive Erinnerungen an gemeinsame, friedlichere Tage in denen es Austausch gab.


    IAndrij Melnyk hat im interview mit Tilo eigentlich ganz offen erzählt, wie das in der Ukraine lief. Natürlich hat die sowjetische Führung dort die Presse kontrolliert und alles versucht, um die UdSSR von westlichen Einflüssen abzuschotten, aber in der Diaspora in den USA und Kanada wurde der antirussiche Antikommunismus der Exil-Ukrainer natürlich ganz besonders stark betrieben und sickerte dann nach der Wende auch schnell wieder zurück in die Heimat ein.

    Ja, das habe ich auch gehört. Als er erzählte, dass er in den USA war und sinngemäß bemerkte: "Das war so ein Austausch, dem ich jetzt nicht viel Bedeutung zuschreiben würde".... dachte ich mir nur: Du lügst. Ich glaube es war die wichtigste Reise seines Lebens. Das kann man natürlich nicht belegen, nur behaupten, genau wie die Sache mit den Freunden, als er behauptete, er hätte nie russische Freunde gehabt und kenne "diese Leute" nicht. Sei es drum. Trotzdem kann man, wenn man will, ja mal den Vergleich ziehen zum Zerfall Jugoslawiens und die Rolle der USA in diesem Prozess. Wenn man sich einfach nur mal mit der Figur Franjo Tudjman beschäftigt, bekommt man tatsächlich interessante Informationen. Auch er reiste nach Kanada oder die USA und kam letztlich beim Ultranationalismus an. Die Vorgänge im damaligen Jugoslawien und die Strippenzieher dahinter geben Dir da schon recht.


    Wenn die Polen und die Balten diesen Wahn jetzt wieder aufleben lassen, ist das einfach nur noch mehr ins brennende Feuer gegossenes Benzin.

    Japp. Das versuche ich den Polen, die ich kenne, auch immer zu erklären. "Euer Hass auf Russland" wird zu nichts anderem als einen großen Krieg, vielleicht sogar zum III.WK, führen. Mehr ist davon nicht zu erwarten. Wir müssen hoffen, dass die PiS abgewählt wird. Diese ultranationalistische Partei ist im laufe der letzten Monate zur für mich gefährlichsten Partei Europas geworden. Ich traue es denen zu sogar eigene Truppen in die Ukraine zu entsenden und dasselbe dann, analog zu den Kampfpanzern, von Deutschland zu fordern. Und da steht dann unsere Presse: Kynast, Golod, Eigendorf... "Gewehr bei Fuß". Die werden das dann genauso mitmachen. "Cooking the frog" ist nicht nur ein Prinzip, dass allein auf Putin angewendet wird nein liebe Kinder, der Frosch, der in diesem Topf schwimmt, sind wir!

  • Wurde die Wehrpflicht nicht unter Merkel (CDU) resp. v.u.z. Guttenberg (CSU) ausgesetzt?

    In deiner subjektiven Wahrnehmung vllt, die Frage ist nur wie repräsentativ die ist, will jetzt aber auch nicht mit meiner Wahrnehmung dagegen argumentieren, so führt es halt zu nichts.


    Aber wenn man sich mal die Zahlen von Umfragen anguckt kann deine Wahrnehmung und darauf basierende Behauptung nicht wirklich korrekt sein, bei folgender Civey Umfrage sind es zB 57% die wieder für eine Wehrpflicht sind, 36% dagegen und 7% unentschieden, da kann man also nicht von einer "kleinen linken Sonderbubble" sprechen...

    Grundlegendes zuerst: Wehrdienst ≠ Wehrpflicht

    Dem gegenüber, dass andere ihre Verteidigung übernehmen spricht sich kaum jemand aus, ausser den von mir als "linke Sonderbubble" Bezeichneten.

    Persönlich bin ich pro Wehr-/Dienstpflicht, kommt sehr auf die Ausgestaltung an, auch an Danton 1.1 würde ich da einige Abstellen um die Energiewende bissi voranzubringen. Die 57% Zustimmung find ich ned schlecht, soll Regierungen mit weniger Zustimmung geben ;-)


    Zitat

    Nur elf Prozent der Deutschen sind bereit, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen.

    Das wären gute 7 Millionen!

    Zitat

    Im Angriffsfall würde fast jeder vierte Deutsche das Land verlassen

    Einer Umfrage zufolge würden mehr jüngere als ältere Deutsche flüchten, wenn sich ein militärischer Angriff auf Deutschland abzeichnet. Freiwillig zum Kriegsdienst melden würden sich fünf Prozent der Befragten.

    b.z.w. gute 3,5 Millionen das reicht dicke, die bekommen wir so schnell weder angezogen noch bewaffnet.

  • Also so von dem was ich höre sind echt viele Leute pro Wehrpflicht - nur das man jetzt eben für eine Pflicht von Männlein/Weiblein/Undefined Battle Object ist...

    Ich sehe das durchaus mit gemischten Gefühlen. Diese Debatte hattenen wir damals übrigens während der Grundausbildung tatsächlich in einem parlamentarischen Planspiel geführt.


    Zudem bin ich der Meinung, dass persönliche Betroffenheit hilft, die falsche Richtung einzuschlagen, sei es nun direkt selbst, oder im Familien- und Bekanntenumfeld. Die Ausgestaltung der Pflicht steht auf einem anderen Blatt. Eine echte Wehrpflicht war es ja zuletzt auch schon nicht mehr.

  • ...b.z.w. gute 3,5 Millionen das reicht dicke, die bekommen wir so schnell weder angezogen noch bewaffnet.

    Du vernachlässigst an der Stelle nur die bereits erwähnte Demografie, unter diesen 3,5 Millionen dürften eine Menge alte Säcke sein, mit einer Rentner Armee kämpfen zu wollen halte ich für wenig erfolgsversprechend.


    Die Frage ist also, wieviele junge Menschen dazu bereit sind sich als Kanonenfutter für die Interessen einer kleinen und reichen/mächtigen Minderheit töten zu lassen, aber die Medien würden vermutlich ausreichend Propaganda betreiben um den - für die Kriegs und Kampfbereitschaft notwendigen - Nationalismus heranzuzüchten, siehe Chomskys Propagandamodell.

  • Ich halte die Wehrpflicht und die daraus resultierenden Konsequenzen, nämlich im Zweifelsfall für den Staat kämpfen zu müssen, für den falschen Weg.


    Eine Grundausbildung im militärischen, aber auch im sozialen Bereich halte ich für absolut sinnvoll. Im militärischen Sinne sehen wir das gerade in der Ukraine. Dort ist es aber auch mit der Pflicht verbunden, notfalls in den Tod zu gehen, auch wenn man andere Interessen hat oder einfach nicht will. Das sollte für mich nicht das Ziel einer solchen Reform sein. In dem Krieg gegen die Ukraine sehen wir aber auch, zu was solche "Massenarmeen" im Stande sind und die Resultate sind traurig in vielerlei Hinsicht.


    Ich weiß auch nicht, wie das in der Praxis genau umgesetzt werden soll und am besten lässt man es wohl. Niemand sollte gezwungen werden, eine Waffe zu tragen, um Menschen zu erschießen. Nur um Interessen durchzusetzen, die im Zweifel nicht einmal die eigenen sind.


    Dies sind aber größtenteils nur moralische Kategorien. Aus einem rein realpolitischen Kalkül kann der Zwang zur Waffe oder zum Sozialen Dienst natürlich sinnvoll sein, die Frage ist für wen. Begreifen wir uns selbst als souveränes Staatsvolk kann ebenfalls ein Pflicht zu Verteidigung abgeleitet werden.


    (Es gibt zahlreiche Pro- und Contrapunkte, die durchaus abzuwägen sind. Ein Zurück zur alten Wehrpflicht würde ich definitiv ablehnen. Mein Vorschlag wäre es, wenn der Dienst für die Gesellschaft generell besser entlohnt oder/und belohnt werden würde.)

  • Vielleicht lohnt es auch den Fokus wieder etwas mehr auf Lehren der Krisenprävention, Völkerverständigung und Diplomatie zu lenken, anstatt - in einer Art selbstverfüllender Prophezeiung - eine Gesellschaft gedanklich und praktisch zu militarisieren, die dann in Kriegen durch den Fleischwolf gejagt wird, die es ohne eine militante Gesellschaft gar nicht gegeben hätte?


    Die Kriege, die unseren „Strategen” im Kopf rumgeistern, sind Kriege, die niemals geführt werden dürfen und die niemand überleben wird. Wir waren da als Gesellschaft schonmal intellektuell weiter.

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