#682 - Maja Göpel über die Macht der Reichen, Systemwandel & das "Delta of Doom"

  • Don't call it capitalism!



    Letzte Folge aus Hamburg vom 37.Chaos Communication Congress mit Maja Göpel, Politikökonomin sowie Expertin für Nachhaltigkeitspolitik und Transformationsforschung.


    Wir sprechen über Majas Premiere beim 37c3, Akkumulation von Kapital, Korrekturen bei der Messung von Wertschöpfung, "verbeamtete" Geschäftsmodelle, Entschädigung von Konzernen, fossile Rekordgewinne, Verbot von fossilen Investments, erneuerbare Energien im Überfluss, das Ergebnis der Weltklimakonferenz 2023, Wut und Mut, die Macht der Reichen und die Krise der Demokratie, das "Delta of Doom" sowie den Energiehunger durch Digitalisierung


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  • Ich habe starke Zweifel daran, dass man einfach nur zu den Politikern und Unternehmern gehen muss und sie ganz ganz freundlich darum bittet muss, dass sie sich von dem destruktiven Kurs abwenden. Das ist einfach nur naiv.

    Let's be honest:

    Die Reichen müssen bis auf ihr letztes Hemd geplündert und enteignet werden und der Staat mit seiner politischen Klasse muss gestürzt werden. Anders sehe ich keine Lösung der Probleme.

  • Ich habe starke Zweifel daran, dass man einfach nur zu den Politikern und Unternehmern gehen muss und sie ganz ganz freundlich darum bittet muss, dass sie sich von dem destruktiven Kurs abwenden. Das ist einfach nur naiv.

    Let's be honest:

    Die Reichen müssen bis auf ihr letztes Hemd geplündert und enteignet werden und der Staat mit seiner politischen Klasse muss gestürzt werden. Anders sehe ich keine Lösung der Probleme.

    Das hat sie doch auch nicht behauptet? :/
    Sie hat, und da verweise ich mal an einen alten Klassiker von Georg Schramm

    , darauf angespielt, dass man z. B. den "Familienunternehmern" vielleicht noch ins Gewissen reden könnte. Einige von denen kommen ja inzwischen selbst auf den Trichter, dass absurder Reichtum bei wenigen und die Verelendung von Massen vielleicht nicht auf Dauer mit Gated Communities aufrecht erhalten werden können wird. Wenn der Pöbel nichts mehr zu verlieren hat, könnten die Laternen nämlich auch ganz schnell mal wieder umfunktioniert werden (die Superreichen bauen sich deshalb ja auch schon Bunker).

    Bei Aktienunternehmen, bei denen es keine "menschlichen" Eigner in dem Sinne mehr gibt, geht das natürlich nicht, die haben weder eine Seele (gut, die hat niemand) noch Angst ums Seelenheil (das haben die Familienunternehmer im Fall der Fälle eben vielleicht schon noch in Ansätzen).


    Das Problem, und auch das spricht sie ja explizit an, ist doch, dass man für eine Politik die den Massen nützt von eben diesen Massen keine demokratische Legitimierung bei Wahlen bekommt, sondern eher die Angst grassiert und die Sündenböcke herhalten müssen, seien es Juden, Neger oder Muselmänner (edit) oder Grüne natürlich.


    Ganz ehrlich, ich muss jedes Wort unterschreiben, dass sie in diesem Interview gesagt hat und da sei Tilo und seiner insistierenden Art des naiven Nachfragens Dank ausgesprochen, dass sie ihre Standpunkte auch ausführlich dargelegt hat.


    Hervorragendes Interview!

  • "Green economy", "Nachhaltigkeit". "Grüner Kapitalismus", "Post-Finanzkapitalismus". Wie auch immer man es nennt, es braucht vor allem endlich mal wieder eine richtige Marktwirtschaft.


    Ja Privatisierung von Gewinn und Sozialisierung von Kosten ist schon blöd. Dabei brauchen wir doch viel mehr "soziale Wertschöpfung". Die Unternehmer müssen endlich mehr an das Gemeinwohl denken, als an ihr eigenes!


    Und überhaupt: "-ismen" mag sie eigentlich nicht so gerne, weil da zu viele Scheuklappen auf- und zugehen.


    Damit, dass die Unternehmer das Produktivkapital der sozialen Wertschöpfungskette als ihr privates Eigentum ansehen, dass sie DasGuteRecht™ dazu auch von der Staatsgewalt und ihrer Gesetzgebung in Verfassungen und Gesetzbüchern verbrieft, und gegebenenfalls von bewaffneten Staatsdienern durchgesetzt bekommen, dass der Staat sich aktiv, fordernd und fördernd, darum kümmert, dass dem konstanten Maschinenkapital das zu seiner profitablen Verwertung nötige variable Kapital der menschlichen Ressourcen nicht ausgeht - an all dem kann es wohl nicht liegen, dass diese gottlosen Sozial-, Kommun-, Anarch- und sonstigen "-isten" mit ihren Scheuklappen der Auffassung sind, dass man dieses, der ganzen sozialökologischen Marktwirtschaft und der Produktion der materiellen Grundlagen moderner Zivilisationen fundamental zugrunde liegende Prinzip als einen "-ismus" des Kapitals bezeichnen müsse, und dass jeder noch so unermüdliche Aktivismus der diesen Kapital-ismus nicht überwinden will, dazu verdammt sei, an den Sachzwängen der herrschenden (Eigentums- und Macht-)Verhältnisse zu scheitern und am Ende selbst zum profitablen Marketingtrend zu werden, den man dann als grünes Nachhaltigkeitslabel auf die Ware klebt.


    Wir brauchen eben einfach mehr junges "wertvolles Unternehmer*innentum", mehr "wirre Allianzen", mehr Haltung™, und mehr bessere Moral. Und da müssen dann halt alle mitmachen.

  • Hi Utan, ich kann es mal wieder nicht lassen, aber:


    Was wäre denn an einem Sozialismus oder Kommunismus (alternativ: sonstige Wirtschaftsformen mit vergemeinschafteten Produktionsmitteln) soviel anders und besser? Auch hier würden am Ende im Zweifel immer Bürokraten entscheiden müssen wer welche Ressourcen zu welchem Zweck nutzen darf. Das soll nun aber soviel besser sein weil? Das dann bestimmt bessere Menschen sind? Mit einem besseren und anderem Bewusstsein? Sobald hier irgendein Mangel auftritt, werden auch diese Figuren am Ende ganz "menschlich", bzw. bezahlbar.

  • Deine als Fragen verkleideten Prämissen von den "besseren Menschen" und Bürokraten mit einem "besseren" Bewusstsein die das dann zu entscheiden hätten, halte ich schon für falsch, weil sie mir genau das vorhalten, was ich eigentlich an Leuten wie Frau Dr. Göpel und ihren moralischen Apellen für mehr junges "wertvolles Unternehmer*innentum", mehr "wirre Allianzen" und mehr Haltung™" kritisiere, weil dabei immer nur auf moralischer Ebene als ideelles, bzw. ideologisches Symptom behandelt wird, was eigentlich als eine materielle Ursache behandelt werden müsste, die mit richtiger oder falscher Moral, und mit "besserem" oder schlechterem Bewusstsein insofern nichts zu tun hat, als diese Zuschreibungen und Bewertungen selbst schon mit dem Maßstab daher kommen, den diese kapitalistische bürgerliche Gesellschaft erst zum wesentlichen Teil des von ihr geformten gesellschaftlichen Bewusstseins und der bürgerlichen Kritik an ihren Fehlfunktionen gemacht hat.


    Aber ich stelle einfach eine Gegenfrage: was, glaubst Du, werden Frau Göpels Apelle an die bessere Haltung und Moral bewirken, wo schon unzählige Apelle anderer WissenschaftlerInnen nichts bewirkt haben?

  • Du hast den entscheidenden Punkt in ihrer Argumentation halt mal wieder übergangen, aber an der Stelle waren wir ja auch schon 10000 Mal.

    Wo sind die revolutionären Massen?

    Ach, aktuell keine da?

    Doch, die wählen nur irgendwie lieber Nazis.

    Na dann ziehen wir uns eben weiter auf Zynismus zurück.

    *shrug*


    Wenn es Dir persönlich reicht, hinterher allen sagen zu können, siehste, habe ich euch doch gesagt, schön, das ist Dein gutes Recht. An der Situation und der Entwicklung hin zum Schlechteren ändert das nur halt genau gar nichts. Das dicke Bankkonto, um die Politiker in der Demokratur zu kaufen, hast Du vermutlich auch nicht. Firmeneigentümer, der mit der Demokratisierung seiner eigenen Firma ein leuchtendes Beispiel abgeben könnte, bist Du vermutlich auch nicht. Tja, und diese Umstände kombinieren wir jetzt mal mit einer munter fortschreitenden Klimaapokalypse und fragen uns, worin genau jetzt eigentlich Dein progressiver Ansatz besteht? Preaching to the choir scheint mir jedenfalls nicht zu funktionieren.


    Tilo hat es ja richtigerweise angeprangert, die große Wende, die das Klima (oder die Gesellschaft) retten wird, ist das nicht. Aber sie hat eben die leider einzig richtige Gegenfrage gestellt: Was sonst?


    Und sie hat doch vollkommen Recht damit, wenn sie meint, dass man, sobald man überhaupt von Kapitalismus spricht, zu viele schon dicht machen, sich gegen eine ergebnisoffene Diskussion abschotten und wir nunmal in einer Demokratie leben. Was macht man jetzt mit diesem Umstand angesichts einer immer lauter tickenden Klimauhr?


    Sie sagt: das aktuell mögliche.

    Du sagst: ...

  • Deine als Fragen verkleideten Prämissen von den "besseren Menschen" und Bürokraten mit einem "besseren" Bewusstsein die das dann zu entscheiden hätten, halte ich schon für falsch, weil sie mir genau das vorhalten, was ich eigentlich an Leuten wie Frau Dr. Göpel und ihren moralischen Apellen für mehr junges "wertvolles Unternehmer*innentum", mehr "wirre Allianzen" und mehr Haltung™" kritisiere...

    Ja, genau darauf zielten meine Fragen auch ab. Es geht in jedem Wirtschaftssystem (egal in welchem) im Kern um die wichtige Aufgabe begrenzte Ressourcen zu verteilen, Arbeit zu organisieren und in einem Modell der Arbeitsteilung zumindest mal das Überleben der ganzen Gesellschaft zu ermöglichen. Wenn man nun davon ausginge, dass dies kollektiv, menschlich, solidarisch, gemeinschaftlich etc. organisisert werden sollte, darf man fragen wie dies sichergestellt werden könnte. Und genau an dieser Stelle fangen die Probleme an. Soll das auf Vertrauensbasis passieren? Soll das gesetzlich organisiert werden? Wenn, dann ja wohl eher gesetzlich in möglichst demokratischen Strukturen. Aber wie sollen ganze Warenflüsse und Arbeitsleistungen demokratisch bestimmt werden können? Ist Demokratie überhaupt anwendbar, gerade wenn es um Themen geht, die tatsächlich nur von denen, die mit den entsprechenden Waren arbeiten, auch inhaltlich verstanden werden können? Ich halte es tatsächlich schon für bedenklich in welchem Ausmaß sich die Politik in die Art und Weise der Energieversorgung eines jeden Hausbesitzers hineinhängen wollte. Aktuell scheitert diese Politik, auch wenn sie einmal mehrheitsfähig war.

    Jetzt kannst Du natürlich argumentieren "Pah, Eigentumsbesitzer! Genau die sind doch das Problem. Warum sollte ich denen das Wort reden?" Dann sag ich: Ja, denen musst Du nicht das Wort reden, die haben letztlich mehr als die Hälfte, von dem was Du hier siehst, aufgebaut. Die fühlen sich dafür verantwortlich und wollen einfach nicht irgendwas "befohlen" bekommen, sondern würden eben gerne über die Dinge, die sie als ihre Lebensleistung betrachten, frei verfügen können. Und ich habe vor all diesen Mittelständlern und Hausbesitzern wirklich Respekt. Nenn es vielleicht "falsches Bewusstsein", aber ich nenne es Respekt. Hätte ich halt auch gern.... hab ich aber nicht. Vielleicht auch deshalb, weil ich aktuell mal wieder hier rumhänge, anstatt zu arbeiten.

    Aber ich stelle einfach eine Gegenfrage: was, glaubst Du, werden Frau Göpels Apelle an die bessere Haltung und Moral bewirken, wo schon unzählige Apelle anderer WissenschaftlerInnen nichts bewirkt haben?

    Ja nichts! Natürlich nichts. Die Frage, die ich mir stelle ist die, ob nicht erstmal globale Gerechtigkeit hergestellt werden muss, bevor man sich fragt ob nicht jeder, der hier lebt, ein ähnlich priviligiertes Leben führen darf wie es mit einem 100.000€-Familien-Bruttojahreseinkommen halt möglich ist, unabhängig davon ob man einer Beschäftigung nachgeht oder nicht. Am Ende wäre dies nämlich nur möglich wenn "unsere" Sklaven im globalen Süden weiter dafür rackern. Aktuell sieht es danach aus, dass dieser Zustand enden wird.... was enorme Verteilungskämpfe im globalen Norden nach sich ziehen könnte. Und da sag ich erstmal: "Für uns wird es wahrscheinlich schlechter, aber global wahrscheinlich etwas gerechter". Ich denke die kommenden Verteilungskämpfe werden die aktuellen Strukturen ganz automatisch infrage stellen. Bislang gab es einfach zuviel zu verteilen um innerhalb Deutschlands über eine weitgreifende Ungerechtigkeit zu sprechen. Solidarität wird nun sehr wichtig... nur leider, leider werden diese Begriffe gerade von Politikern verwendet, die alles daran setzen vorallem die globale Ungerechtigkeit aufrecht zu erhalten. Und genau deshalb werden sie von wirklich linken Kräften innerhalb Deutschlands auch gar nicht mehr ernst genommen (*unterhaken*X(). Soliidarität wurde zu einem Kampfbegriff einer äußerst unsolidarischen politischen Klasse.


  • Ich habe den Entscheidenden Punkt überhaupt nicht übergangen. Wir haben nur offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen davon, welcher ihrer Punkte der entscheidende ist.


    Für mich ist entscheidend, was ich dem Genossen Danton 1.1 schon als Frage gestellt habe und auch Dir hier gerne nochmal stelle:


    was, glaubst Du, werden Frau Göpels Apelle an die bessere Haltung und Moral bewirken, wo schon unzählige Apelle anderer WissenschaftlerInnen nichts bewirkt haben?

    Denn offenkundig mangelt es in den laufenden Diskursen und öffentlichen Debaten zur immer eklatanteren Eskalation von einer Krise in die nächste ja nun überhaupt nicht an moralischen Apellen und Aufrufen zu mehr Geschlossenheit und Zusammenhalt und Engagement für das Gemeinwohl, und dennoch - bzw. gerade deshalb - fahren die offenen Nationalisten und "Nazis" gerade einen Umfrageerfolg nach dem anderen ein.


    Wenn es Dir persönlich reicht, hinterher allen sagen zu können, siehste, habe ich euch doch gesagt, schön, das ist Dein gutes Recht. An der Situation und der Entwicklung hin zum Schlechteren ändert das nur halt genau gar nichts. Das dicke Bankkonto, um die Politiker in der Demokratur zu kaufen, hast Du vermutlich auch nicht. Firmeneigentümer, der mit der Demokratisierung seiner eigenen Firma ein leuchtendes Beispiel abgeben könnte, bist Du vermutlich auch nicht. Tja, und diese Umstände kombinieren wir jetzt mal mit einer munter fortschreitenden Klimaapokalypse und fragen uns, worin genau jetzt eigentlich Dein progressiver Ansatz besteht? Preaching to the choir scheint mir jedenfalls nicht zu funktionieren.

    Mir reicht das überhaupt nicht, und ich kann Dir versichern, dass ich weder auch nur im entferntesten zu den Gewinnern der laufenden Entwicklung gehöre, noch dass es mir als vaterlandsloser linker Wehrkraftzersetzer egal wäre, wenn hier radikale antilinke Faschisten den Laden übernehmen, und dann Leute wie mich als erste ins Arbeitslager stecken würden.


    Die Frage ist, ob die Gefahr wirklich von den offenen Nationalisten und "Nazis" ausgeht. oder ob die nicht vielmehr nur ein weiteres Symptom dafür sind, dass die liberale Demokratie mitsamt ihren Ideen von der ökosozialen Marktwirtschaft und ihren Apellen an den Gemeinsinn ihrer, in ewiger Konkurrenz gegeneinander gefangenen und politisch gegeneinander ausgespielten Bevölkerung so langsam an ihr Ende kommt, weil es einfach zu offensichtlich ist, dass sie ihre Versprechen von Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle nicht einhalten kann.


    Und da ich eher letzteres für richtig halte ist mein Vorwurf an eigentlich intelligente und gebildete Leute wie Maja Göpel eben, dass sie sich dieser Erkenntnis standhaft verweigern.

  • Aber wie sollen ganze Warenflüsse und Arbeitsleistungen demokratisch bestimmt werden können?

    Hast Du den Eindruck, dass es dem Klima, der Umwelt oder der Gerechtigkeit unter den Menschen dienlicher ist, dass ganze Warenflüsse und Arbeitsleistungen so wie jetzt von absolut antidemokratischen Hierarchien bestimmt werden?

    Jetzt kannst Du natürlich argumentieren "Pah, Eigentumsbesitzer! Genau die sind doch das Problem. Warum sollte ich denen das Wort reden?"

    Das kann ich nicht und das habe ich auch nicht getan, weil ich noch nie behauptet habe dass das Problem die Eigentümer persönlich seien.

    Was ich als Problem behaupte ist der Umstand, dass es überhaupt Privateigentum an Produktionsmitteln gibt.

    Dann sag ich: Ja, denen musst Du nicht das Wort reden, die haben letztlich mehr als die Hälfte, von dem was Du hier siehst, aufgebaut. Die fühlen sich dafür verantwortlich und wollen einfach nicht irgendwas "befohlen" bekommen, sondern würden eben gerne über die Dinge, die sie als ihre Lebensleistung betrachten, frei verfügen können. Und ich habe vor all diesen Mittelständlern und Hausbesitzern wirklich Respekt. Nenn es vielleicht "falsches Bewusstsein", aber ich nenne es Respekt.

    Denn nur auf dieser vom Staat per Gesetz eingerichteten und mit Gewalt garantierten Grundlage, kann sich überhaupt die Wahnideee als völlig normaler Teil des bürgerlichen Bewusstseins etablieren, dass Privateigentümer von Produktionsmitteln ganz alleine den Wohlstand der Nation aufgebaut hätten, und dass hier nichts zustande gebracht würde, wenn die ihre durch die Staatsgewalt garantierte Verfügungsmacht über die Mittel zur Arbeitskraftverwertung nicht dazu einsetzen würden, ihren lohnabhängig beschäftigten Arbeitskräften vorzugeben, was sie wann, wo, wie und in welcher Stückzahl zu erarbeiten haben.

  • „Wir brauchen mehr Ra-di-kalli-tät.” hat mal eine politische Leuchtgestalt gesagt. Das Problem ist, das diese recht simple Erkenntnis sofort weichen muss, wenn es um staatstragenden Machterhalt geht. Es ist ja naheliegend, dass niemand wirklich an das glaubt, was da völlig richtig in manchen Denklaboren erdacht und analysiert wird, weil die Radikalität konsequenter Weise die Kathedralen der kapitalistischen Institutionen dem Erdboden gleichmachen müssten - mit allem und jeden, der sich weigert die Immobilie zu verlassen. Aber es klingt im theoretischen halt so nett und ist bis zu einem gewissen Punkt auch anschlussfähig.


    Wo sind die revolutionären Massen? Es gibt sie nicht. Auch die Konservativen und Naziwähler sind das nicht, weil Reaktion nicht Revolution ist. Es wäre die Aufgabe von Politik in einer Demokratie gewesen, den Pöbel auf Veränderungen in einem Maße und mit Weitsicht vorzubereiten, so dass eine Revolution obsolet wäre. Stattdessen wird Politik in einer Demokratie immer von dem schlechtesten gehighjacked, was menschliche Zivilisationen hervorbringen. Viel Gegenwehr hat es auch nicht. Entpolitisierung der Gesellschaft, Erschaffung von Götzenbilder und Aufwiegelung untereinander sind ein nimmer endender Marathon.


    Wer keine einfachen, schnell umzusetzenden Antworten hat, ist eh der Depp. Die Krisen fordern schliesslich beherztes Handeln. Um das große ganze Schallalalalah können wir uns auch später kümmern, wenn die Kuhherde vom Eis ist.


    Und überhaupt: Ist doch viel besser 1:4 zu verlieren als 0:8!!1!

  • Ich habe den Entscheidenden Punkt überhaupt nicht übergangen. Wir haben nur offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen davon, welcher ihrer Punkte der entscheidende ist.


    Für mich ist entscheidend, was ich dem Genossen Danton 1.1 schon als Frage gestellt habe und auch Dir hier gerne nochmal stelle:


    Denn offenkundig mangelt es in den laufenden Diskursen und öffentlichen Debaten zur immer eklatanteren Eskalation von einer Krise in die nächste ja nun überhaupt nicht an moralischen Apellen und Aufrufen zu mehr Geschlossenheit und Zusammenhalt und Engagement für das Gemeinwohl, und dennoch - bzw. gerade deshalb - fahren die offenen Nationalisten und "Nazis" gerade einen Umfrageerfolg nach dem anderen ein.

    Aber das sind doch eben genau nicht die Apelle, über die sie redet.

    Dass Grenzen des Wachstums schon in den Siebzigern herauskam und seitdem in schöner Regelmäßigkeit Armageddon heraufbeschworen wird, wenn "wir" (die Gesellschaft) nichts tun, ist klar. Aber "wer" genau wird da denn seit Jahrzehnten angesprochen? Alle und damit irgendwie auch keiner. Denn so funktioniert das menschliche Gehirn einfach nicht. Auf gesellschaftlichen Ebenen von Millionenvölkern können wir nicht wirklich denken, das merkt man doch in allen Themenbereichen immer wieder aufs Neue. Entsprechend muss auch der Appell anders gestaltet werden. Warum sind denn beispielsweise Reiche selten bereit Steuern zu zahlen, geben aber für Spenden im lokalen Bereich unter Umständen viel Geld aus? Ja, da lässt sich im Fall der Fälle auch etwas steuerlich absetzen, aber der Hauptaspekt ist die Wirkung auf die lokale soziale Gruppe. Wenn in der Lokalzeitung der große Gönner gefeiert wird, ist es das vielen einfach wert.

    Und das soll nur als Fingerzeig auf das Denkschema dienen, an sich ist der Spendenscheiß ganz natürlich großer Mist, das sollte klar sein.


    Wenn also Göpel davon spricht, dass Sie lokale Erfolgsmodelle vorstellen will, mit Unternehmern persönlich spricht und so weiter, ist das eben eine gänzlich andere Herangehensweise als irgendwie einen europäischen Klimarat irgendwas verkünden zu lassen. Dass das nichts bringt (bzw. bisher brachte), ja klar, da bin ich der Letzte, der daran zweifelt. Da muss man aber eben differenzieren.


    Man kann sich da z. B auch mal Welzers Futur Zwei anschauen, das sich eben genau auf solche kleineren Projekte, die tatsächlich etwas bewegen, konzentriert, anstatt jahrelang nur große Appelle zu tönen, denen dann nichts folgt.


    Und am Ende stellt Göpel ja wie gesagt die richtige Gegenfrage: Was ist denn die Alternative?

    Ein das reicht alles nicht ist nunmal eben keine.


    Zum Rest später. Jetzt erstmal Sport.

  • Mir reicht das überhaupt nicht, und ich kann Dir versichern, dass ich weder auch nur im entferntesten zu den Gewinnern der laufenden Entwicklung gehöre, noch dass es mir als vaterlandsloser linker Wehrkraftzersetzer egal wäre, wenn hier radikale antilinke Faschisten den Laden übernehmen, und dann Leute wie mich als erste ins Arbeitslager stecken würden.


    Die Frage ist, ob die Gefahr wirklich von den offenen Nationalisten und "Nazis" ausgeht. oder ob die nicht vielmehr nur ein weiteres Symptom dafür sind, dass die liberale Demokratie mitsamt ihren Ideen von der ökosozialen Marktwirtschaft und ihren Apellen an den Gemeinsinn ihrer, in ewiger Konkurrenz gegeneinander gefangenen und politisch gegeneinander ausgespielten Bevölkerung so langsam an ihr Ende kommt, weil es einfach zu offensichtlich ist, dass sie ihre Versprechen von Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle nicht einhalten kann.


    Und da ich eher letzteres für richtig halte ist mein Vorwurf an eigentlich intelligente und gebildete Leute wie Maja Göpel eben, dass sie sich dieser Erkenntnis standhaft verweigern.

    Schön, wenn Dir das nicht reicht.

    Nur was genau antwortest Du denn dann auf die Frage, was konkret passieren soll (zu beantworten im Aktiv, nicht im Passiv!)?

    Und ob und wann die Bevölkerung so langsam an ihr Ende kommt, würde ich (leider) eher als nostradamische Deutung einordnen. Ein Blick aktuell z. B. nach Argentinien sollte reichen, um die Annahme, das Volk würde sich schon besinnen, geht es ihm endlich mal dreckig genug, als das zu offenbaren, was sie ist: eine durch nichts als Wunschdenken gedeckte Hoffnung.


    In der Klimafrage haben wir eben auch einfach nicht die Option, noch ein paar Generationen zu warten, ohne etwas zu tun, wenn wir den absoluten Niedergang verhindern wollen. Gesellschaften/Gesellschaftssysteme kann man auch nach x Generationen noch revolutionieren, die Biosphäre nicht.

  • Roy

    Ich sehe das ja im Prinzip genauso, aber Göpel hat ja Recht damit, dass uns dieser Zynismus genau kein Stück voranbringt.

    Es sind ja Veränderungen zum Guten hin möglich, selbst im Kleinen. Die werden den Karren nicht aus dem Dreck ziehen, nein, aber sie schieben ihn wenigstens nicht noch weiter hinein, auch das ist schon etwas wert. Wie gesagt, da kann man sich ja z. B. mal Welzers Futur Zwei anschauen.


    Und ja, es ist definitiv besser 1:4 zu verlieren als 0:8. Wer auch nur irgendeinen Sport in einer Liga betrieben hat, wird das unterschreiben. Ein 0:8 ist nämlich nicht einfach nur eine Niederlage, es ist eine Demütigung, die die eigene Leistungsfähigkeit grundsätzlich in Frage stellt. Und nach dem Spiel ist schließlich vor dem Spiel, wie die alte Sportlerweisheit verkündet. Was nimmt man wohl emotional und motivationstechnisch aus dem einen bzw. dem anderen Ergebnis mit?

  • Soll das auf Vertrauensbasis passieren? Soll das gesetzlich organisiert werden? Wenn, dann ja wohl eher gesetzlich in möglichst demokratischen Strukturen. Aber wie sollen ganze Warenflüsse und Arbeitsleistungen demokratisch bestimmt werden können? Ist Demokratie überhaupt anwendbar, gerade wenn es um Themen geht, die tatsächlich nur von denen, die mit den entsprechenden Waren arbeiten, auch inhaltlich verstanden werden können?

    Soweit ich weiß, sind genossenschaftliche Modelle sehr erfolgreich, was erneuerbare Energien angeht. Nur werden eben Gesetze zu Lasten der Genossenschaften gemacht. Und da fängt es eben an. Wenn man glaubt, einfach nur freundlich darum bitte zu müssen, jetzt mal der Genossenschaft Vorteile einzuräumen, wenn das zum Nachteil z. B. der Konzerne führen würde, die sich natürlich dagegen stellen und für sich auch genug Unterstützung bei den Politikern finden, um alternative Geschäftsmodelle zu verhindern.

  • Soweit ich weiß, sind genossenschaftliche Modelle sehr erfolgreich, was erneuerbare Energien angeht. Nur werden eben Gesetze zu Lasten der Genossenschaften gemacht. Und da fängt es eben an. Wenn man glaubt, einfach nur freundlich darum bitte zu müssen, jetzt mal der Genossenschaft Vorteile einzuräumen, wenn das zum Nachteil z. B. der Konzerne führen würde, die sich natürlich dagegen stellen und für sich auch genug Unterstützung bei den Politikern finden, um alternative Geschäftsmodelle zu verhindern.

    Gut, Du glaubst also, einfach freundlich darum bitten reiche nicht.

    Was genau ist denn die Alternative dazu, die Dir vorschwebt?

  • Ich finde auch, besser sie zieht ihr aktuelles Ding durch, anstatt gar nichts zu machen. Und mir persönlich gefällt es auch ab und an nüchternen Optimismus ohne Lobby Stempel auf dem Bildschirm zu haben.

    Wenn auch diese Aktionsform die Probleme nicht aus der Welt schaffen wird, sie hält Leute am Ball und es besteht die Möglichkeit, dass sie irgendwie ein Schmetterlingsschlag sein könnte die doch irgendwie irgendwann irgendwas bewirkt im Grossen


    Wenn man die Kriminalisierung der Klimaaktivisten sieht, kann man stark davon ausgehen, dass eine tatsächliche Eskalation, selbst wenn es große Massen wären, niederknüppelt würden und der Überwachungsstaat Hochkonjunktur hätte.


    Egal wie man es dreht und wendet, der Zug "wie wenden wir die Katastrophen ab" ist lange abgefahren.


    Die Frage ist eher , wie sehen die Adaptionsformen aus für die Zwischenstationen, und hoffen dass diese ausreichend abbremsen, dass man die Endstation nicht mehr erlebt.


    Deshalb mag ich Optimismus auf dem Schirm, weil selbst krieg ich ihn nicht hergezaubert

  • Ich finde auch, besser sie zieht ihr aktuelles Ding durch, anstatt gar nichts zu machen.

    So eine Einstellung zieht halt auch Ressourcen vom lokalen organizing und Mobilisieren der Leute ab. Anstatt selbst auf die Straße zu gehen, denkt man, ja die Göpel schafft es schon, wenn sie die Konzernchefs auf Knien anbettelt oder dass allgemein Politik so funktionieren würde.

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