Als es um die "Klimakatastrophe" geht, die ihm ja so überaus wichtig zu sein scheint, behauptet Precht, China mache mehr für Klimaschutz als wir. Und ohnehin wären wir ja nur für 1,8 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.
Weiterhin bezeichnet er sich in diesem Interview selbst als Kantianer ....
Aus meiner Sicht muss man schon ziemlich naiv sein, der chinesischen Regierung einen Willen zum Schutz von Bio- und Ökosphäre zuzubilligen. Aber wer weiß schon, was in deren Köpfen vorgeht.
Was allerdings an Unwissenheit nicht zu überbieten ist, ist der Glaube, dass China tatsächlich jetzt oder in der Zukunft eine umweltfreundliche Industrie aufbauen wolle und könne. Diese Vorstellung widerspricht den Gesetzen der Thermodynamik, siehe den Thread zum Grünen Wachstum. Abgesehen davon sind 90 % unserer Konsumgüter in China hergestellt worden, wir haben also einen bedeutenden Anteil an deren Ressourenverbräuchen, CO2-Emissionen und anderen Umweltschäden.
Aber der Verweis auf die 1,8 % ist vor allem aus einem anderen Grund unsinnig. Die höchsten Treibhausgasemissionen in der EU stößt Deutschland aus. Wenn alle Länder in der EU, die weniger CO2 ausstoßen als Deutschland, auch mit dem Argument kommen würden, dass ihr Anteil am CO2-Ausstoß doch so gering sei, wäre die gesamte EU fein raus aus der Verantwortung. Und jeder amerikanische Bundesstaat oder jede kleinste Region in China könnte dann mit dem Argument kommen, dass ihr Anteil im Verhältnis ja nun wirklich zu vernachlässigen sei.
Precht wartet also darauf, bis sich die Weltbevölkerung auf einen nachhaltigen Lebenstil einigt! Dabei beruft sich Precht selbst in der Vergangenheit häufig auf das Carl-Schmitt-Zitat "Wer Menschheit sagt, der will betrügen.", mit dem Hinweis, dass es derlei Kollektiv-Singulare wie die Menschheit gar nicht gebe.
Nun zu Kant: Ich erinnere an Kants berühmtes moralisches Handlungsprinzip, den Kategorische Imperativ. Dieses lautet wie folgt:
oder, in der Erweiterung durch Hans Jonas (Prinzip Verantwortung):
Weiterhin hatte Kant in der berühmten Schrift "Zum ewigen Frieden" für ein Weltenbürgerrecht plädiert: "Er (Kant) formulierte eine Konzeption der Gerechtigkeit, die Staatsgrenzen transzendierte und Individuen als moralische und rechtliche Personen innerhalb einer übernationalen Zivilgesellschaft betrachtete." Quelle: https://www.nzz.ch/article9CPEF-ld.289162
Dem zufolge ist Gerechtigkeit lt. Kant also "nicht zwischen Staaten oder Kontinenten, sondern nur zwischen Menschen darzustellen." vgl. Volkers, Paech: All You Need Is less, 2020. Das heißt, welcher Reichtum kann einem einzelnen Individuum maximal zustehen, ohne dass es sich mehr aneignet als der (Welt-)Gesellschaft als Ganzes zuträglich sein kann, wenn andere Menschen dasselbe Recht beanspruchen?
Man stelle sich vor, wir würden in anderen Fragen von Verantwortung, Moral und Gerechtigkeit derart auf die Gesellschaft irgendwo auf dem Planeten verweisen ... "Ja, Herr Richter, ich habe meinen Nachbarn erstochen. Aber schauen sie, wie viele Menschen derzeit weltweit getötet werden! Im Vergleich ist mein Fehlverhalten doch vernachlässigbar."
Nun weiß niemand besser als Precht selbst, dass der Verstand eine Art Marketingabteilung ist, die im Nachhinein rechtfertigt, was der Wille vorher entschieden hat. Precht ist eben Multimillionär. Und als Multimillionär verbucht man ganz automatisch entsprechende Ressourcenverbräuche und Umweltschäden, z.B. durch zahlreiche Flugreisen.
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Dass all dies von Tilo Jung stillschweigend hingenommen wird und Precht plappern und plappern kann, was das Zeug hält, wundert mal wieder nicht.
Precht wurde 2011 mal vorgeworfen, er würde sich zu Themen äußern, von denen er nicht genug verstehen würde. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert. Aber wer mit Markus Lanz! eine wöchentliche! Radiosendung produziert, der will eben nur unterhalten und nicht mehr.