Die große Transformation

  • Ihr habt zu viel cultural-turn internalisiert. Bringt leider nichts als sich in ambiguitäten zu verlieren. Von mir aus könnt ihr euch zu tode interpretieren. Aber werft mir bitte nie wieder vor, ich wäre zu "akademisch". Die besten Beispiele davon seid ihr selbst. Und SO mobilisiert man niemanden. Nicht mal den in Afrika in der Diamantmine arbeitenden. Und überhaupt. Nicht Intellektuelle mobilisieren, sondern Aktivisten vor Ort, die ihr Leben für andere Menschen einsetzen und die am meisten Repressionen ausgesetzt sind und die haben meistens nichtmal Das Kapital gelesen oder was. Die können Menschen gut zuhören, ohne ihnen von oben herab zu erklären, wie die Welt funktioniert.


    Utan

    AlienObserver

  • Nicht Intellektuelle mobilisieren, sondern Aktivisten vor Ort, die ihr Leben für andere Menschen einsetzen und die am meisten Repressionen ausgesetzt sind und die haben meistens nichtmal Das Kapital gelesen oder was. Die können Menschen gut zuhören, ohne ihnen von oben herab zu erklären, wie die Welt funktioniert.

    Ja, so ist das. Wie ich bereits schrieb:

    Du bist halt praktisch schon als Captain Obvious auf die Welt gekommen, Jonny.

    Die Fähigkeit, Menschen gut zuhören zu können ist halt sowas, was man in einem textbasierten Forum ganz schlecht unter Beweis stellen kann.


    Was da aber sehr gut geht, ist einfach zu behaupten, dass andere sich ihre Erkenntnissse über den Zustand der Gesellschaft einfach aus den Fingern gesaugt haben, während man selbst natürlich nur knallharten, völlig unbestechlichen Zahlen der empirischen Sozialforschung vertraut, sich aber weigert die hier als Gegenbeweis anzuführen, weil sie entweder nicht dazu taugen, diese Behaupung zu untermaueren, oder weil sie schlicht gar nicht in ausreichender Menge vorliegen, um das Gegenteil zu beweisen.


    Das bekloppteste daran ist, dass wir uns wahrscheinlich zu 99% einig darüber sind, dass mehr basisdemokratische Selbstorganisation der arbeitenden Bevölkerung der einzige Weg wäre, um den systemischen "Sachzwängen" der gegenwärtigen Produktionsverhältnisse etwas entgegen zu setzen, dass Du dabei aber nicht nur darauf bestehst, das als Einziger hier wirklich verstanden zu haben, sondern dass Du Dich auch noch zu der paranoiden Wahnvorstellung versteigst, dass alle anderen eigentlich das Gegenteil von dem befürworten würden, was sie hier schreiben.


    Mit Menschen reden und zuhören ist natürlich nicht das selbe wie anonym in einem Forum Texte zu schreiben und die Texte anderer Leute zu verstehen. Aber wer letzteres schon in diesem "Safespace" hier nicht auf die Reihe bekommt, dem traue ich persönlich jetzt nicht unbedingt zu, mit ersterem in der tatsächlichen Welt besonders erfolgreich zu sein,


    Aber Du kannst ja gerne mal schildern, wie Deine wissenschaftlich fundierte Überzeugungsarbeit am lebendigen, realen Menschen so läuft.

  • Das gesellschaftliche Bewusstsein sagt: Weniger zustrom an neuen, käuflich zu erwerbenden Waren zur eigenen freien Verfügung = weniger individueller Wohlstand = persönliche Einschränkung


    Da kommst Du auch mit dem BGE nicht dagegen an, so lange das nicht so hoch ist, dass es die Lohneinkünfte einer Kleinfamilie aus der gehobenen Mittelschicht ersetzen kann. Und bevor das passiert ist hier Revolution.

    Das BGE soll sanktionsfreie Entscheidungen ermöglichen. Z.B. sehr bescheiden ohne Lohnarbeit leben zu können.

    Was dadurch passieren könnte sehen wir doch jetzt schon beim Mindestlohn, der auf 12€ steigen wird. Auf einmal wird sich Leistung wieder lohnen...

  • Danke Johnny, sehr konstruktiv. Deine freundliche gewinnende Art überzeugt mich immer wieder.

    Es bringt halt nichts Kultur als den Ursprung allen übels zu sehen, solange sich die Kultur, und auch das politische System, durch ökonomische Sachzwänge konstituiert. Im Allgemeinen kommt erst die Ökonomie und dann die Kultur. Das war auch historisch so. Erst wenn der Magen gefüllt ist, kann ich anfangen Kultur zu schaffen und die Kultur ist der Ökonomie untergeordnet. Warum das so ist, ist, denke ich, klar.

  • Wie uns Ursula von der Leyen und Robert Habeck in eine neue, bessere Zukunft führen werden.



    Wie gelingt die sozial-ökologische Transformation? Dieser Frage widmet sich die neue Reihe "Gespräche zur Transformation" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Im Rahmen dieser Gespräche wird Bundesminister und Vizekanzler Robert Habeck regelmäßig mit Gästen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft verschiedene Aspekte der Transformationsagenda diskutieren.


    Zum Auftakt der Reihe spricht Robert Habeck mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die Frage „Wie gelingt das klimagerechte Europa?“ Die Bewältigung der Klimakrise kann genauso wie die Sicherstellung der Energieversorgung in der EU nur mit einer gemeinsamen europäischen Strategie gelingen.


    Berlin, 29. Aug – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wirbt für den schnellen Umbau der Wirtschaft hin zu erneuerbaren Energien. „Die Transformation findet statt“, sagte der Grünen-Politiker am Montagabend in Berlin bei einer Podiumsveranstaltung. Es gebe kein Zurück zu fossilen Energien, Deutschland sei viel zu abhängig von russischen Lieferungen geworden. „Es wird wehtun.“ Es werde dabei auch Verlierer geben, die der Staat sozial auffangen müsse.

    „Es wird auch nicht wiederkommen“, sagte Habeck mit Blick auf russische Gaslieferungen. Sie fehlten jetzt schon. „Es ist bittere Wirklichkeit.“ Die in die Kritik geratene Gasumlage, die ab Oktober den Verbrauchern Sonderzahlungen abverlangt, sei nötig. Sonst würden es die Gas-Importeure kaum schaffen, ihre Bonitätsnoten zu halten, kämen nicht mehr an Kredite. Dann könnten sie kein Gas mehr beschaffen.

  • Besonders hervorheben möchte ich zwei Statements von Habeck, eines fiel gleich zu Beginn der Veranstaltung, eines gegen Schluss.


    In Bezug auf unsere Abhängigkeit vom russischen Gas, das zukünftig fehlen wird:

    Zitat

    Es ist diese Ungewöhnlichkeit eine Konsequenz der Abhängigkeit, die Deutschland aufgebaut hat, bewusst aufgebaut hat und die auch hier in diesem Haus mit aufgebaut wurde, von billigem russischem Gas. Das fehlt. Das wird auch nicht wiederkommen. Und jetzt zahlen wir buchstäblich einen Preis. Das wurde in Talkshows und in politischen Reden quasi als rhetorische Formel den Sommer über vor sich hergetragen. Das ist aber keine rhetorische Formel. Es ist bittere Wirklichkeit. Es ist bittere Wirklichkeit!


    Die Prognosen betreffend, die in seinem Ministerium bezüglich des Zeitraums unserer Abhängigkeit vom Erdgas kursieren:


    Zitat

    Das heißt auf der einen Seite schnell raus aus dem Erdgas, auf der anderen Seite rein in vorübergehend Erdgas durch den Kohleausstieg. Und wenn ich das jetzt mal in einer groben Kurve male - und die überprüfen wir andauernd -, dann wird der Peak des deutschen Gasverbrauchs, Erdgasverbrauchs, so ungefähr um die dreißiger Jahre liegen. Zu Beginn der Veranstaltung, äh... der Legislatur, hätte ich wahrscheinlich gesagt, also noch im
    Dezember, eher so 35. Das glaube ich aber nicht mehr, weil wir haben das kurz angetickt, der Hochlauf von Wasserstoff, also grünem Wasserstoff, durch die erneuerbaren Energien produziertem Wasserstoff, inzwischen marktgetrieben ist. Vor neun Monaten war das ein politisches Projekt, wo die Leute gesagt haben, es ist interessant, kann auch mal ein Geschäftsmodell werden, aber erstmal brauche ich von dir eine Unterstützung, sonst fliegt das ganze Ding nicht. Das hat sich jetzt komplett geändert, weil die Gaspreise so hoch sind und selbst die teurere Produktion oder die aufwendige... Bevor es eine eine große Skalierung gibt, sind alle Techniken erstmal teurer.... Heute schon günstiger wäre also bei Gaspreisen, die natürlich auch aberwitzig sind, von 300 € pro Megawattstunde wäre heute jede Kilowattstunde von grünem Wasserstoff günstiger, am Markt gängiger und die Preise werden wieder runtergehen, aber sie werden nicht wieder auf das Niveau von billigen russischen Gas runter gehen, nicht absehbar.


    (...)


    Und wahrscheinlich muss man nachher am Ende die gesamte Legislaturperiode
    sehen. Wenn wir also jetzt klimapolitisch diesen Winter und den nächsten überstehen, werden wir eine veränderte Energielandschaft vorfinden, die möglicherweise tiefergehend oder schneller verändert wurde, als es eigentlich erwartbar gewesen ist.


    Peak Ergas um 2030, das bedeutet eine weit über die jetzige Legislaturperiode fortdauernde Abhängigkeit, bei noch weiter steigendem Bedarf und hohen Kosten. Was das für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung bedeutet, kann sich wohl jetzt noch keiner ausmalen. Ich erwarte aber, dass wir dann bei weitem nicht nur eine "veränderte Energielandschaft" vorfinden werden.

  • "Wie gelingt es uns das Europa nicht explodiert" wäre ein angemessener Titel : )


    Die Selbsthypnose mit dem Zusammenhalt brachte nicht viel, Serbien/Kosovo fahren die Panzer auf, wir drohen Polen und Ungarn rauszuwerfen, dafür Geldgräber wie Ukraine und Georgien reinzuholen usw. : )

  • Nochmal Habeck. Unser Transformations- Erklärbär beruft sich auf Schumpeters „schöpferische Zerstörung“.


    Zitat

    Man muss sich klar machen, was die Alternative ist. Alternativlosigkeit ist für eine Demokratie keine schöne Vorstellung. Die gibt es eigentlich auch gar nicht. Aber die Alternative ist die schlechtere. Das zu sagen heißt zuzugeben, dass es kompliziert wird, dass es Schmerzen und auch schmerzhafte Debatten geben wird und am Ende man nicht vorhersehen kann, ob dieser Transformationsprozess die breite Unterstützung der Gesellschaft behält. Aber das ist eben ein Arbeitsauftrag der Demokratie. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat mal immer von der Marktwirtschaft als dem Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ gesprochen. Also etwas wird neu entstehen. Aber die Konsequenz, die notwendige, die strukturelle Konsequenz ist, dass etwas aufgegeben wird. Das heißt Strukturwandel, das ist ja immer nur das Schönsprech für Jobverlust und das Vergehen von alter Industrie, ist integraler Bestandteil der Transformation. Es geht nicht ohne, sonst wäre es ja keine Transformation, sondern das gleiche, nur in einer anderen Farbe. Das ist so lange vergleichsweise unbemerkt oder schmerzlos zu ertragen, wie es langsam läuft. Also vor ich weiß nicht, 150 Jahren waren wahrscheinlich 80 % oder 90 % der Gesellschaft Landwirte.

    Und hätte man denen vor 150 Jahren gesagt: „Wisst ihr was? 2022 sind noch drei oder 2 % von euch Landwirte, aber keiner arbeitslos oder die Arbeitslosigkeit ist sehr sehr gering.“


    Die hätten das nicht verstanden, die hätten gefragt: „Was sollen die denn alle machen?“ Und dann hat man gesagt, ja, die haben da ein Reisebüro oder die sind Programmierer oder die sind Lehrerin oder Lehrer. Und die Kinder gehen alle zur Schule, die suchen nicht Kartoffeln aus der Furche, die lernen Mathe und Englisch und Biologie. Das wäre wie eine Fremdsprache gewesen. Wahrscheinlich hätten sie gefragt, die Kinder? Was sollen die denn mit Biologie, bitte? So sind wir aber. Und heute sind die Leute nicht mehr Landwirte, sondern sie sind in allen den genannten Berufen. Das haben wir als Gesellschaft so erlebt. Und natürlich gab es hin und wieder Debatten, aber insgesamt sind wir dadurch reicher geworden. Die Volkswirtschaft hat profitiert. Der Zustand der Gesundheit, das Einkommen - bei aller Armut, die es gibt in Deutschland - ist besser geworden. Das ist die schöpferische Zerstörung. Als ehemaliger Landwirtschaftsminister in Schleswig Holstein kann ich Ihnen sagen Aber wenn der individuelle Hof aufgegeben wird, weil man keine Nachfolger mehr hat oder weil es sich nicht mehr rentiert, dann weinen die Leute.

    Das ist aber nur eine Bauernfamilie, die sagt, für uns ist hier irgendwie eine Sackgasse. Wenn es jetzt unter einer großen Geschwindigkeit und unter einem wahnsinnigen politischen Druck, unter der Not des Tages alles zehn-, zwanzigmal schneller abläuft, ist diese Transformation, die vielleicht in der Vergangenheit 100, 400 Jahre gedauert hätte und die wir jetzt in 20 Jahren machen müssen, eine immense politische Herausforderung. Deutschland will 2045 klimaneutral sein. Wir haben das Jahr 22, es ist 3/4 um. Wir haben also noch 22 und 1/3 Jahr Zeit oder 1/4 Jahr Zeit. Das ist ja gar nichts in der politischen Landschaft. Und in dieser Zeit müssen wir die viertgrößte Industrienation der Welt und Europa als Kontinent massiv verändern. Es wäre ein völlige, eine völlige Illusion zu glauben, dass es da keine Debatten, keine Widerstände, keine keine zornigen Emails und auch keine Proteste geben würde.


    Kleine Randnotiz: Interessant, dass Habeck direkt von der Agrar- zur Dienstleistungsgesellschaft springt. Aus Bauern werden Lehrer und Lehrerinnen, Programmierer, oder sie sind Angestellte im Reisebüro. Die Industrie, die Waren herstellt, die man exportieren kann - eine notwendige Voraussetzung dafür, dass man im Ausland Energieträger einkaufen kann, welche auch immer das sind - scheint in seiner Welt keine Rolle zu spielen. Aber vielleicht hat er da gerade nur nicht dran gedacht, als er seinen Schumpeter improvisiert hat.


    Wichtiger aber ist das:

    Die Idee einer Energiewende stand auf drei Säulen, Sonne, Wind und billigem Gas. Die eine Säule tritt er weg, zusammen mit Baerbock, Scholz und Lindner, und er hat keinen adäquaten Ersatz dafür. Klar, auch so kann man Transformation machen. Die Chancen stehen dabei aber nicht schlecht, dass wir wieder da landen, wo wir hergekommen sind: In der Agrargesellschaft. Zumindest aber wird ein gewisser Grad an Deindustrialisierung die Folge sein, wenn man nicht mehr konkurrenzfähig ist am Weltmarkt wegen zu hoher Energiekosten.


    Ob dieser Prozess auch Kipppunkte kennt, ähnlich wie beispielsweise der Klimawandel? Ab wann fehlt das Geld, um überhaupt noch Energiewende machen zu können?

  • ihr bösen europäer empfanget die gerechte strafe für euren kolonialismus und tut buße auf dem acker - ein narrativ was nicht nur bei angela merkel verfängt ...

    diese offenkundig ausweglosen prüfungen die man da machtlos durchleiden muss kann sich doch jeder im kloster abholen.

  • Zitat von Onkel Robert

    Man muss sich klar machen, was die Alternative ist. Alternativlosigkeit ist für eine Demokratie keine schöne Vorstellung. Die gibt es eigentlich auch gar nicht. Aber die Alternative ist die schlechtere.

    Also wenn die Alternative schlechter ist als die herrschende Ordnung, dann ist - nach meinem küchenphilosphischen Verständnis der Logik - die herrschende Ordnung doch ziemlich alternativlos.


    Das ist das selbe hohle Geschwätz wie das "Argument", die Leute lebten heute mit der Lohnarbeit im Kapitalismus viel freier als damals, als sie noch von der göttlichen Ordnung der feudalistischen Ständegesellschaft gezwungen waren ein Leben lang die heimische Scholle zu bewirtschaften und "Kartoffeln aus der Furche" zu lesen, weil sie heute ja jederzeit die bürgerliche Freiheit haben, ihren Arbeitsvertrag zu kündigen und kein Geld mehr zu verdienen, mit dem sie sich Kartoffeln kaufen können.


    Der Typ ist wirklich ein großartiger Blender, das muss man ihm lassen. Aber wieso ihm so viele hoch gebildete Leute diesen Unsinn als offene und ehrliche Kommunikation gegenüber den WählerInnen abkaufen und entweder nicht verstehen, was für eine autoritäre Haltung hinter diesem Gerede steckt, oder dieselbe eigentlich gar herbei wünschen, um den Pöbel und seine profanen Bedürfnisse endlich zur postmaterialistischen Askese zu disziplinieren, ist wirklich beängstigend.

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