Diskussionen zu Interessanten News, Sendungen, Links und sonstigen Aufregern des Tages

  • Ansonsten kann ich - auch für die diversen Herren, die hier immer noch meinen, die Notwendigkeit des demokratischen Staates aus der "Natur des Menschen" herleiten zu können - nur diese von einem gottlosen Kommunisten und staatskritischen Politologen in leichter verständlicher Sprache vorgetragene Kritik der (bürgerlichen) Politikwissenschaft und ihrer staatstragenden Funktion hier empfehlen:



    Das Papier aus dem Decker da die politologischen Sinnsprüche zitiert kann man hier mitlesen:


    https://www.argudiss.de/sites/…enschaft_erl_0414_zit.pdf


    TL/DW:


    [18:13]


    "Das lustige ist dieser offensichtliche Widerspruch [...]

    Das Gedankenexperiment geht ungefähr so: Denken wir uns aus unseren Verhältnissen den Staat mal 5 Minuten lang weg.[...]Denkt Euch den Menschen wie ihr ihn kennt, ohne eine Staatsmacht, die ihm alles mögliche verbietet. Was macht der?

    Der Vergreift sich natürlich an allem Möglichen was anderen gehört. So meinen sie [die (bürgerlichen) Politologen] Plausibilität zu erzeugen, für ihren Gedanken: Der Mensch braucht doch einen Staat!


    Tatsächlich beweist das Gedankenexperiment, bei dem man sich den Staat eben probehalber mal weg denkt, um sich vor dem Chaos zu erschrecken das dann passiert, und ihn sich dann ganz schnell wieder hin zu denken und zu sagen "Gottseidank gibt's so'n Ding!"... Tatsächlich beweist dieses Gedankenexperiment nur eines: Eine Gesellschaft von Privateigentümern, wo der eine mit dem was ihm gehört den anderen davon ausschliesst was der andere braucht - eine Welt von Privateigentümern ohne Staat - kann's echt nicht geben. [...] Aber dass der Mensch von Natur aus Privateigentümer ist - seine Bedürfnisse überhaupt nur befriedigen kann und will auf Kosten der Bedürfnisse anderer - das ist damit noch lang nicht bewiesen.[...]


    Es geht dann gleich weiter: Und weil der Mensch schlecht ist, braucht es nicht nur einen Staat, sondern eine Demokratie. Einmal ist der Mensch unten schlecht -> Der Bürger braucht Herrschaft. Und einmal ist der Staat oben schlecht -> der Oberwolf, den sich die Wölfe, damit sie sich wechselseitig in Schach halten, damit sie zum Frieden gezwungen werden.... Der Oberwolf ist selber ein Wolf und den muss man bremsen. Und dafür [...] dass der Oberwolf selber gebremst wird, braucht's die Gewaltenteilung."


    [24:40]


    "Aber man merkt, es geht sehr leicht alles. Man denkt sich einfach immer was Schlimmes, das durch Gewalt verhindert wird. Und dann ist Gewalt was Gutes."

  • Wo hab ich hier "den demokratischen Staat aus der Natur des Menschen hergeleitet"???? 😂 Bin weit von sowas entfernt.

    Du warst auch eigentlich nicht mitgemeint als ich von...

    diversen Herren, die hier immer noch meinen, die Notwendigkeit des demokratischen Staates aus der "Natur des Menschen" herleiten zu können

    ...schrieb.


    Falls Du Dich nicht erinnerst - ich war bei dem unsäglichen Disput, der mit denen dazu hier zuletzt geführt wurde einer der ganz Wenigen, die Deine Position gegen sie verteidigt haben.

  • Na ja, die Vorstellung des intellektuell wie ideologisch verblendeten Subjektes stimmt ja offensichtlich (sonst würden 90 % der Wähler nicht gegen ihre eigenen (finanziellen) Interessen stimmen), nur was genau erwächst aus dieser Erkenntnis außer einer sich ewig wiederholenden Beschimpfung alles und aller als Schlafschafe, die die eigentlichen Zusammenhänge eben nicht verstünden?

    Genau gar nichts, außer der (selbst-)gefühlten Abwertung derer, die vermeintlich aufgeklärt werden sollen (durch wahrgenommene Überheblichkeit und Abgehobenheit jener, die vermeintlich überzeugen wollen).

    Jedenfalls überzeugt man so niemanden von irgendwas und man schafft auch keine Bündnisse, die wirkmächtig für irgendwelche Ziele sind. Bei all der postulierten Klarheit der Erkenntnis scheint mir das der Kardinalfehler, dass man so offensichtlich verkennt, wie politische Willensbildung in sozialen Gruppen funktioniert (da war man vor 100 Jahren weiter). Der Stand der politischen Linken - also deren politische völlige Irrelevanz - ist Zeugnis dieser Hybris.

  • Na ja, die Vorstellung des intellektuell wie ideologisch verblendeten Subjektes stimmt ja offensichtlich (sonst würden 90 % der Wähler nicht gegen ihre eigenen (finanziellen) Interessen stimmen

    Dazu hatte ich neulich ein (für mich) spannendes Gespräch mit jemanden aus dem AI Research Bereich. Er erklärte mir dieses widersprüchliche Verhalten mit einer Methode aus dem KI Training: das „reinforcement learning".


    Verkürzt bedeutet es in diesem Zusammenhang, dass ein Netzwerk beim lernen Option A, B oder C recht schnell verwirft, wenn es für diese keine Belohnungen (rewards) gibt. Nun kann es aber sein, dass es für C doch eine Belohnung gibt, wenn vorher A und B versucht wurden. Solche Sequenzen findet so ein Netzwerk aber in der Regel nur sehr unzuverlässig und mühsam, wenn überhaupt.


    Du musst dem Netzwerke also zB sagen, dass es nicht zu schnell A verwerfen soll, wenn die Möglichkeit besteht, dass beim nächsten Mal etwas besseres bei rum kommen kann.


    Klingt natürlich trivial. Aber evtl. Wählen so viele immer wieder gegen ihr eigenes Interesse, weil sie an eine Möglichkeit glauben, dass es sich am Ende doch für sie auszahlen kann. Dann fragt sich natürlich (mal wieder) wo dieser Glaube herkommt.

  • Na ja, die Vorstellung des intellektuell wie ideologisch verblendeten Subjektes stimmt ja offensichtlich (sonst würden 90 % der Wähler nicht gegen ihre eigenen (finanziellen) Interessen stimmen), nur was genau erwächst aus dieser Erkenntnis außer einer sich ewig wiederholenden Beschimpfung alles und aller als Schlafschafe, die die eigentlichen Zusammenhänge eben nicht verstünden?

    Haaaalt. Die Übersetzung war etwas missverständlich. Leute, die das falsche Bewusstsein für alles verantwortlich machen, sind diejenigen, die denken die Leute wären alle Schlafschafe. Von daher bin ich da auf deiner Seite. Ich lehne es ab, ständig zu behaupten, das wären alles Schlafschafe (wie utan es immer behauptet). Ich seh das auch nicht als zielführend, außer, dass man sich als erleuchteter darstellen kann. Und ich denke nicht, dass die Menschen so stark indoktriniert sind. Das politische System an sich verhindert Widerstand.

  • Das kann er nicht machen - es sei denn ,er verstünde es mit Absicht falsch, wie so ziemlich alles, was seinen fixen Ideen zuwider läuft -, denn dann müsste er (und der Rest der Leute hier, die nicht zwischen Kritik und Aktivismus unterscheiden können, oder Erstere nur dann akzeptieren, wenn sie mit konkreten Forderungen nach einer besseren Herrschaft einher geht) ja einsehen, dass seine hirnlose Anschuldigung, man hielte die Leute für "Schlafschafe", wenn man zu erklären versucht, warum sie "gegen ihre Interessen" wählen, ein furchtbar dummes, ahnungsloses Geschwätz ist.

  • was genau erwächst aus dieser Erkenntnis außer einer sich ewig wiederholenden Beschimpfung alles und aller als Schlafschafe, die die eigentlichen Zusammenhänge eben nicht verstünden?

    Genau gar nichts, außer der (selbst-)gefühlten Abwertung derer, die vermeintlich aufgeklärt werden sollen (durch wahrgenommene Überheblichkeit und Abgehobenheit jener, die vermeintlich überzeugen wollen).

    Der Vorwurf der Überheblichkeit und Abgehobenheit ist halt so ein persönliches Ding von Dir. Aber Du kannst nicht einfach von einem politischen Diskussionsforum - wo man eigentlich voraus setzen dürfen sollte, dass der eigenen Ansicht widersprechende Argumente über Ursachen und Wirkungen gesellschaftlicher Verhältnisse nicht geführt werden, wie persönliche Streitigkeiten unter Sandkastenkindern - auf die reale Welt außerhalb davon schliessen.


    Es hindert Dich niemand daran, so viel Aktivismus zu treiben wie es Dir beliebt, ohne dass Du dafür auch nur eine Seite über irgendeine Theorie gelesen haben musst. Es gibt genug linke Aktivistengruppen, wo Dich kein Schwein nach linker Theorie fragt. Aber es ist halt ziemlich albern, Leuten die sich intensiv mit sowas beschäftigen - oder die gar, wie der gottlose Kommunist Peter Decker, seit 50 Jahren nichts anders machen - immer nur vorzuwerfen, sie würden sich dabei nicht praxisorientiert genug um eine bessere Herrschaft bemühen, obwohl das überhaupt nicht der Gegenstand ihrer Argumentation ist.


    Jedenfalls überzeugt man so niemanden von irgendwas und man schafft auch keine Bündnisse, die wirkmächtig für irgendwelche Ziele sind. Bei all der postulierten Klarheit der Erkenntnis scheint mir das der Kardinalfehler, dass man so offensichtlich verkennt, wie politische Willensbildung in sozialen Gruppen funktioniert (da war man vor 100 Jahren weiter)

    Aber wenn Du Dich so gut damit auskennst, wie politische Willensbildung in sozialen Gruppen in Wahrheit funktioniert, und wenn Du meinst, da sei man vor 100 Jahren schon weiter gewesen, dann erklär das doch mal ein bisschen genauer, oder zeig' wenigstens mal ein konkretes Beispiel aus diesen 100 Jahren, in dem das belegt wird, anstatt immer nur empört zu postulieren, dass andere davon keine Ahnung hätten.

  • Der Vorwurf der Überheblichkeit und Abgehobenheit ist halt so ein persönliches Ding von Dir. Aber Du kannst nicht einfach von einem politischen Diskussionsforum - wo man eigentlich voraus setzen dürfen sollte, dass der eigenen Ansicht widersprechende Argumente über Ursachen und Wirkungen gesellschaftlicher Verhältnisse nicht geführt werden, wie persönliche Streitigkeiten unter Sandkastenkindern - auf die reale Welt außerhalb davon schliessen.

    Die Frage, die mir als die entscheidende erscheint, ist dabei jedoch: Diskutiert man, um einem politischen Ziel näherzukommen, oder diskutiert man um des Diskutierens Willen? Und selbst wenn Du, wovon ich fest ausgehe, ersteres für Dich beanspruchen wirst, sollte genau dann der zweite Teil der Analyse (von der Du ja immer so begeistert schreibst) darauf blicken, welche konkreten Auswirkungen das Handeln denn tatsächlich in der Realität hat.

    Diese Analyse darf dann jeder gern ganz persönlich und in aller Ernsthaftigkeit mal für sich selbst machen.

    Es hindert Dich niemand daran, so viel Aktivismus zu treiben wie es Dir beliebt, ohne dass Du dafür auch nur eine Seite über irgendeine Theorie gelesen haben musst. Es gibt genug linke Aktivistengruppen, wo Dich kein Schwein nach linker Theorie fragt. Aber es ist halt ziemlich albern, Leuten die sich intensiv mit sowas beschäftigen - oder die gar, wie der gottlose Kommunist Peter Decker, seit 50 Jahren nichts anders machen - immer nur vorzuwerfen, sie würden sich dabei nicht praxisorientiert genug um eine bessere Herrschaft bemühen, obwohl das überhaupt nicht der Gegenstand ihrer Argumentation ist.

    Wie gesagt, wenn ihr Streiten und Kritisieren reiner Selbstzweck ist, dann sind sie ja offenbar äußerst erfolgreich. Wenn sich mit ihrem Streiten und Kritisieren allerdings konkrete politische Ideen/Utopien verbinden, dann müssen sie sich halt auch die kritische Frage gefallen lassen, wie erfolgreich es denn so konkret läuft "seit 50 Jahren"...

    Aber wenn Du Dich so gut damit auskennst, wie politische Willensbildung in sozialen Gruppen in Wahrheit funktioniert, und wenn Du meinst, da sei man vor 100 Jahren schon weiter gewesen, dann erklär das doch mal ein bisschen genauer, oder zeig' wenigstens mal ein konkretes Beispiel aus diesen 100 Jahren, in dem das belegt wird, anstatt immer nur empört zu postulieren, dass andere davon keine Ahnung hätten.

    Also 1924 war die KPD bei ~10% der Wählerstimmen... Die KPD...

    Heute bangt die Linke, die nun wohl niemand als Revlutionspartei brandmarken würde, sondern eher als sPD von 1924, um den Einzug ins Parlament.

  • Wie gesagt, wenn ihr Streiten und Kritisieren reiner Selbstzweck ist, dann sind sie ja offenbar äußerst erfolgreich. Wenn sich mit ihrem Streiten und Kritisieren allerdings konkrete politische Ideen/Utopien verbinden, dann müssen sie sich halt auch die kritische Frage gefallen lassen, wie erfolgreich es denn so konkret läuft "seit 50 Jahren"...

    Ich könnte Dir jetzt raten, dir das Interview mit Decker bei 99 zu eins ganz anzusehen und festzustellen, dass ganz viele der Zuschauer ihm ganz ähnliche Fragen stellen. Und dann könnte Ich Dir noch - zum wasweißichwievielten Mal - zu erklären versuchen, dass der Sinn radikaler Kritik an einer Sache nicht zwingend darin liegt, ihren RezipientInnen vorzudenken, welche andere Sache man statt dessen gutheißen soll, sondern darin, ihnen überhaupt erst mal klar zu machen, welche Denkfehler mit der kritisierten Sache einher gehen, damit sie dann nicht genau die selben Fehler wieder begehen, wenn sie sich an die Verwirklichung ihrer besseren Sache machen.


    Aber das wäre vermutlich völlig verschwendete Zeit, weil Du ja offensichtlich nur darauf aus bist, Dich darüber zu beklagen, dass "die Linke" komplett versagt habe, weil Du Dir steif und fest in den Kopf gesetzt hast, dass es in der gesellschaftlichen Linken der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts nur so vor radikalen linken Theoretikern wimmelt, obwohl das eigentlich nur eine winzige Splittergruppe ist, die immer kleiner wird, während die überwältigende Mehrheit der gesellschaftlichen Linken einfach genau so drauf ist wie Du, und sich lieber mit vollem Elan in den Aktivismus für die besser Herrschaft wirft, weil das ja das einzig machbare und realistische sei.


    Also 1924 war die KPD bei ~10% der Wählerstimmen... Die KPD...

    Heute bangt die Linke, die nun wohl niemand als Revlutionspartei brandmarken würde, sondern eher als sPD von 1924, um den Einzug ins Parlament.

    Das ist keine Erklärung dafür, wie politische Willensbildung in sozialen Gruppen funktioniert, sondern die Wiedergabe eines einzigen historischen Faktums. Damit hast Du weder erklärt, warum die KPD vor 100 Jahren 10 % der Wählerstimmen in der Weimarer Republik gewinnen konnte, noch hast Du damit im Geringsten den Umstand behandelt, dass die KPD damals eine ebenso gewaltbereite, wie ziemlich radikal antikapitalistische und offen revolutionäre Partei war, die mit der Sowjetunion im Bunde stand und den sozialdemokratischen Reformismus - den die heutige LINKE vertritt, und den Du offenbar auch bevorzugst, weil wir ja für was anderes keine Zeit haben und niemand was von radikaler Kapitalismuskritik hören will - so dermaßen verabscheute, dass sie sich bis zuletzt weigerte, mit der SPD gegen die NSDAP zu kooperieren, während der rechte Flügel Ersterer sich kurzzeitig mit dem Gedanken trug, mit den Nazis eine national-sozialistische Querfront zu bilden, um die vaterlandslosen Kommunisten loszuwerden.


    Also, wie funktioniert das jetzt mit der politischen Willensbildung in sozialen Gruppen?

  • Na, Hoffnung nicht aufgeben. Den Schlafschafvorwurf hat er ja auch exklusiv hier.

    Diese auswendig gelernten Referate von Deckert sind genau dieses Geschwurbel vom Elfenbeinturm wie das von Utan (bei Deckert nur informierter mit mehr Details).

    Wer hört sich das an und macht dann deswegen Morgen Früh die Revolution? Nobody. Man hat nicht mal ein Ziel vor Augen.


    Deckert macht den Fehler, dass er der Meinung ist, wir hätten ein integres politisches System, welches tatsächlich die Meinungen und Wünsche der Menschen repräsentieren würde. Auf die Art: "Ja die Leute wollen das doch!! Sie wählen doch die Parteien!!", "Jeder wählt, was er will, jeder kauft, was er will, jeder macht einfach den Job, den er will. Alle glücklich und zufrieden." 🤡


    Aber so ist es nicht. Ich würde stark in Frage stellen, ob es immer diese sagenumwobene "Zustimmung" zu dem System gibt, wie sie von Deckert behauptet wird oder ob nicht andere, repressivere Mechanismen am Werk sind.


    Dazu will ich mal die "drei Gesichter der Macht" erklären, wie sie von Lukes beschrieben wurden und die tatsächlich einiges erklären können und auch dazu anleiten können, politisch aktiv zu werden, Ziele vor Augen zu haben:



    (Da ich nicht die Texte auf englisch vom Original zitieren will, nehme ich eine gute und simple Zusammenfassung von einer Website) :


    https://leanbase.de/publishing…-drei-gesichter-der-macht


    Zunächst denken die meisten Menschen beim Thema Macht an Politiker, Polizisten, Lehrer oder Vorgesetzte. In der Vorstellung von vielen Leuten ist Macht etwas das von einer Person besessen wird.

    Macht kann sich aber im Gegenteil in vielschichtiger Form zeigen. Um dies besser darstellen zu können, schauen wir uns das Konzept der drei Gesichter der Macht von Steven Lukes etwas genauer an. Er unterscheidet drei Formen, wie sich Macht äußern kann.

    • Macht als Entscheidung
    • Macht als Nicht-Entscheidung
    • Macht als Struktur- oder Bewusstseinskontrolle


    Die erste Form „Macht als Entscheidung“ entspricht weitestgehend unserer oben beschriebenen Alltagsvorstellung von Macht.


    Oder frei nach Max Weber „Jemand kann seinen Willen auch gegen den Widerstand von jemand anderes durchsetzen“. Es obliegt jemanden, eine Entscheidung zu treffen oder über die Verteilung von Ressourcen zu bestimmen. In Unternehmen erkennen wir dies deutlich, wenn jemand zum Beispiel bestimmte Weisungsbefugnisse hat.


    Bei der zweiten Form „Macht als Nicht-Entscheidung“ geht es um die Vermeidung bestimmter Alternativen.


    Wenn man zum Beispiel indisches Essen nicht mag und man am Abend mit dem Partner essen gehen möchte, formuliert man die Frage bereits dahingehend so „Willst du lieber in ein italienisches oder in ein chinesisches Restaurant gehen?“. Man präsentiert den Auswahlprozess bereits in einer Form, welche die (un)gewünschten Varianten ein- und ausschließt. Dies kennen wir zum Beispiel auch aus Meetings in Unternehmen, wenn über das Agenda Setting bestimmte Themen gar nicht erst auf die Tagesordnung kommen. John McKnight schreibt „Es gibt keine größere Macht, als bestimmen zu können, welche Fragen gestellt werden dürfen.


    Die dritte Form „Macht als Struktur- und Bewusstseinskontrolle“ ist die verstärkte Form des zweiten Gesichtes.


    Dies sind Dinge, die wir antrainiert bekommen haben. Es beginnt bereits in der Grund- oder Volksschule, dass wir neben dem Stoff auch lernen, welches Verhalten zulässig ist. Selbst als Erwachsene behalten wir diese Regelungen im Kopf, wenn wir zu einer Weiterbildung gehen. So verhalten wir uns während des Vortrags ruhig und heben die Hand, wenn wir eine Frage stellen möchten. In Unternehmen finden wir diese Form der Selbststeuerung zum Beispiel bei Zielvereinbarungen. Die Mitarbeiter sind trainiert, sich selbst dahingehend zu steuern, die gesetzten Ziele innerhalb der vorgebenden Rahmen (z.B. Budget) zu erreichen.


    Hier gibt es zumeist keine direkten Anweisungen mehr, sondern es werden am Ende nur mehr die Ergebnisse überprüft.

    Wie man sich in einem bestimmten Unternehmen verhalten sollte, erlernen wir im Sozialisationsprozess zu Beginn unseres Eintritts. Dies kann zum Beispiel beinhalten, wer sind die inoffiziellen Chefs, wie ist das Timing von Kaffeepausen oder schlicht was gilt als „normal“ in der Firma.





    Den Teil zum zweiten Gesicht der Macht hab ich fett hervorgehoben, weil ich diese Form von Macht für am wichtigsten halte. Es ist die Macht dafür zu sorgen, dass bestimmte Entscheidungen nicht getroffen werden können.


    Jeder, der zwei Sekunden nachdenkt, weiß, dass wir im Alltag meistens nicht wirklich Alternativen finden, die auch tatsächlich unserem Willen entsprechen. Der Staat mit seinem Polizeiapparat legt den Möglichkeiten, wie ich mich verhalten kann, erhebliche Grenzen. Das ganze Leben ist von einer staatlichen Polizeiordnung durchdrungen. Wenn ich mich gegen diese Polizeiordnung verhalte, dann droht mir körperliche Gewalt. Das führt dazu, dass wir dauerhaft einen Polizisten in unserem Bewusstsein haben. Aber nicht deswegen weil wir das wollen, sondern weil es von außen uns auferlegt wird von dem Staat, der das Gewaltmonopol hat.



    Auch bei vielen anderen Dingen ist es so. Z. B. sorgen die Medien für das Agenda-Setting. Sie bestimmen über was diskutiert wird und über was nicht. Die Politiker entscheiden darüber, was als wichtig erachtet wird und was nicht. Themen, die den Menschen wichtig sind, kommen erst gar nicht in die Diskussion. Und das hat nichts damit zu tun, dass die Menschen das nicht wollen.


    Zu der dritten Macht der Bewusstseinskontrolle:


    Ich sag nicht, dass Manipulation, Normalisierung, Sozialisation, PR usw. keine Rolle spielen. Aber zu behaupten, Indokrination wäre das größte Hindernis, das die Menschen daran hindert, ihre eigenen Interessen zu erkennen, ist bullshit und elitär. Menschen verhalten sich in ihrem Alltag nicht wie von einer Ideologie indokriniert.


    Schaut man sich das Verhalten von Menschen außerhalb ihrer Arbeit an, dann sieht man, dass es im Grunde das genaue Gegenteil von irgendeinem indoktrinierten Kapitalismus ist. Menschen kooperieren, verhalten sich solidarisch, lehnen im Grunde Herrschaft über sich und andere ab und wollen frei ohne Fremdbestimmung leben nach dem Prinzip des grob symmetrischen Geben und Nehmens und nach dem kommunistischen Prinzip: "Jeder gibt was er kann und jeder bekommt, was er braucht." Unser Alltag ist voll davon. Wir verhalten uns im Alltag wie Anarchisten und Kommunisten.

    Und die Herrschenden in der Politik und Wirtschaft wissen das auch und haben deswegen schon immer eine panische Angst vor der Masse und vor Revolutionen.


    In der Politik und in der Wirtschaft allerdings herrschen entgegengesetze Prinzipien. Dort wird von Oben nach Unten autokratisch durchregiert, egal ob in Unternehmen oder im Staat. Das ist aber ein uns auferlegtes System, welches systematisch Alternativen beseitigt und hat nichts damit zu tun, das wir das alle wollen und so toll finden.


    Ein anderer Aspekt ist Lohnarbeit. Das Gefangensein im täglichen 8-10 stündigen Hamsterrad saugt uns körperlich und geistig aus und verhindert, dass wir politisch aktiv werden. Und das ist eine Strategie der Herrschenden. Dass das Absicht ist, ist schwierig zu beweisen, aber auf jeden Fall sorgt es für den Erhalt des Status-Quo.


    Platz 1 und Platz 3 haben mit Zeit zu tun.

  • Der SicherheitsPod von Wiegold hat eine Folge herausgebracht - Thema: Folge #80 Ist die NATO-Osterweiterung Schuld an Russlands Krieg gegen die Ukraine? Die Folge ist deshalb gut, weil sie das mit Mary Elise Sarotte besprochen haben, die sich dem Thema als Hopkins-Geschichtsprofessorin durchweg wissenschaftlich anstatt wertebasiert nähert, weswegen die Folge auch verleichsweise lang geraten ist.


    Infolgesdessen entzieht sich das Resultat der üblichen Schwarz-Weiss-Matritze und das Ergebnis ist ein sattes Grau.


    Spoiler: Im hinteren Abschnitt der Folge haben die SiPodler verständlicherweise wertebasierte Bauchschmerzen und diskutieren das an. Drollig.


    Sehr höhrenswert - allein schon deswegen, weil man zu dem Themenkomplex überhaupt mal wieder Sachverstand vernehmen darf und nicht das übliche, dekontextualisierte, unterkomplexe Rumgefiepe ertragen muss.

  • Deckert macht den Fehler, dass er der Meinung ist, wir hätten ein integres politisches System, welches tatsächlich die Meinungen und Wünsche der Menschen repräsentieren würde.

    Das sagt er nicht und das steht auch nicht in dem Zitat, dass ich aus dem Interview extrahiert habe.

    Du machst allerdings, wie bestellt, genau das, was zu erwarten war:

    es sei denn ,er verstünde es mit Absicht falsch, wie so ziemlich alles, was seinen fixen Ideen zuwider läuft

    Entweder Du verstehst es mit Absicht falsch, weil es von mir kam und Du Dir ins Hirn gebrannt hast, dass alles was von mir kommt entweder selbst ausgedachter Schwachsinn, oder falsch von Dir abgeschrieben ist, oder Du verstehst einfach wirklich nicht was er sagt, weil Du eine absolut falsche und weltfremde Vorstellung davon hast, wie das Leben im Kapitalismus das Denken der Menschen nicht nur am Arbeitsplatz sondern auch im Privatleben formt, und weil Du deshalb kategorisch und vollkommen ignorant alles ablehnst, was dieser verqueren Vorstellung widerspricht.

    Ich sag nicht, dass Manipulation, Normalisierung, Sozialisation, PR usw. keine Rolle spielen. Aber zu behaupten, Indokrination wäre das größte Hindernis, das die Menschen daran hindert, ihre eigenen Interessen zu erkennen, ist bullshit und elitär. Menschen verhalten sich in ihrem Alltag nicht wie von einer Ideologie indokriniert.

    Man muss die Menschen nämlich gar nicht mit einer Ideologie "indoktrinieren". Es reicht, wenn die herrschende Klasse - also auch die politische - und ihre für den öffentlichen politischen Diskurs und den Ablauf der Staatsgeschäfte relevanten Zuträger aus den Verwaltungs- und Medienapparaten die grundsätzlichen Verhältnisse als richtig oder zumindest als absolut alternativlos anerkennen und ihre Arbeit an deren Aufrechterhaltung mit der Behauptung rechtfertigen, dass alles andere der Realität widerspräche - wenn sie also als Herrschende einer herrschenden Ideologie folgen.


    Für die lohnarbeitende Bevölkerung werden diese herrschenden, materiellen Eigentumsverhältnisse damit quasi zur Naturgewalt, über die man gar nicht groß nachzudenken braucht, weil man sowieso nichts daran ändern kann, und der man sich deshalb so gut wie es geht anpasst, um seine von diesen Verhältnissen begrenzten Interessen durchzusetzen - also vor allem um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können und nicht sozial ausgeschlossen zu werden. Diese Anpassung geschieht aber nicht ohne dass sich dabei auch das Denken - das "Bewusstsein" - der Menschen anpasst, denn - wie Du hoffentlich nicht bestreiten wirst - sie fordert ihnen einiges an Verzicht und Mühe ab, und läuft dabei häufig ihren eigentlichen inneren Bedürfnissen bis zur Schmerzgrenze zuwider.


    Die "Ideologie" schreibt sich dabei quasi von selbst in die Köpfe, denn sie ist eine "Notwendigkeit" um den permanenten Widerspruch zu ertragen und zu rationalisieren. Sie muss nicht von irgendwelchen finsteren Gestalten in PR-Agenturen und Thinktanks erfunden werden. Die PR-Agenturen und Thinktanks sorgen in erster Linie dafür, dass sich die besser informierten und mit tatsächlicher potenzieller Macht zur Veränderung des Systems ausgestatteten Eliten - also die politische Klasse, einflussreiche Medienschaffende und ExpertInnen - auf den Erhalt dieser für das Kapital profitablen Verhältnisse beschränken und sich nicht aktiv dagegen stellen. Der Rest ist Werbung, mit deren Hilfe dem Pöbel Bedürfnisse eingeredet werden, die er gar nicht hätte, wenn es keine Waren zu deren Befriedigung zu kaufen gäbe.


    Leute wie Du und Deine anarchistischen Vordenker, die sich dieser Widersprüchlichkeit der Existenz im kapitalistischen Verwertungsgefüge durchaus bewusst sind, machen den Fehler sich einzubilden, dass das auch allen anderen Menschen bewusst sei, indem ihr einfach so tut, als verhielten sich die Leute längst...

    im Alltag wie Anarchisten und Kommunisten

    ... und das dann damit zu begründen versucht, dass Menschen in vormodernen, nicht-kapitalistischen Gesellschaften schliesslich zig Jahrtausende lang so gelebt haben, oder damit, dass das eine relativ kleine Gruppe von Revolutionären in Spanien mal während eines Bürgerkrieges in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts für ein paar Jahre hinbekommen hat, bevor ihr anarchokommunistisches Projekt von kapitalistischen Faschisten gewaltsam beendet wurde.


    Das ist in den modernen Industriegesellschaften des 21. Jahrhunderts aber einfach nicht richtig. Wie "Anarchisten und Kommunisten" verhalten sich die Menschen darin allerhöchstens gegenüber ihren engsten Freunden und Angehörigen, aber selbst das gelingt ihnen nicht, wenn ihnen z.B. die Anforderungen der Lohnarbeit dabei in die Quere kommen, oder wenn ihnen das Geld nicht reicht, um ein halbwegs zufriedenes Privatleben zu führen, weil man im Kapitalismus von der Kita für die Kinder, über die Miete, die Kleidung, die Freizeitgestaltung und die Kosten für den Zahnersatz bis hin zum eigenen "Lebensabend" und dem Sterbeheim für die Oma schlicht für alles Geld braucht, an das man legal nur kommen kann, wenn man entweder Produktionsmittel besitzt und andere Menschen für sich arbeiten lassen kann, oder wenn man selbst für andere Menschen oder für den Staat arbeitet.


    Was Decker erzählt, und zusammen mit seiner sektiererischen, staatskritischen Kommunistengang in sein Buch geschrieben hat, ist eine Beschreibung der Demokratie als "perfekte Form bürgerlicher Herrschaft". Sie begründen das ausführlich und immer unter der Prämisse, dass die bürgerliche Herrschaft im Kapitalismus die Herrschaft des Kapitals ist, und sich in einer Staatsgewalt ausdrückt, für die der Erhalt der kapitalistischen Verwertung parteiübergreifende Staatsräson ist.

    .

    Ihnen ist auch absolut klar, dass die Menschen darin nicht im Sinne ihrer "eigentlichen" Bedürfnisse handeln. Aber die demokratischen BürgerInnen akzeptieren diesen Widerspruch gerade in der liberalen Demokratie besonders widerstandslos und machen sich deren Staats-Interessen zu eigen, weil ihnen darin nicht nur der Eindruck vermittelt wird, sie hätten mit der Wahl von Parteien in ein gesetzgebendes Parlament und in eine die Gesetze befolgende und ausführende Exekutive tatsächlich etwas dabei mit zu reden, wie über sie geherrscht wird, sondern weil sie darin auch noch täglich dazu animiert werden, sich Gedanken darüber zu machen, wie man sie besser beherrschen könnte.


    Dass das so ist, kann man an tausenden von Beispielen aus der aktuellen Medien- und Podcastlandschaft aufzeigen. Das geht von den Journalistenrunden und Talkshows im öffentlich-rechtlichen fernsehen, bis zum Aufwachen!-Podcast und noch hunderten anderer kleiner Alternativmedienprojekte, sofern die nicht explizit links und antikapitalistisch sind (wie z.B. das Nischenprojekt 99 zu Eins).


    Für diese Erkenntnis braucht es überhaupt keine Studien oder Bücherwände voller sozialwissenschafticher Analysen. Das kollektive "Wir", das sich in permanenter Debatte um den besten Kompromiss für die beste Beherrschung des bürgerlichen Staates und seiner Bevölkerung zum wohle des Wirtschaftsstandortes streitet, aber dabei selten bis nie das dem ganzen zu Grunde liegende Prinzip der herrschenden Eigentumsverhältnisse in Frage stellt, ist in dieser Gesellschaft allgegenwärtig. Jeder der sich für einen kritischen Beobachter des politischen Geschehens hält, führt es im Munde und fühlt sich dazu berufen, seiner aktuellen politischen Herrschaft zu erklären, wie sie besser zu herrschen hätte, oder wer an ihrer Stelle besser dazu geeignet wäre. Selbst hier im Forum ist es schier unmöglich das zu kritisieren, ohne dass einer ankommt und sich darüber beschwert, dass die Kritik daran keinen Vorschlag zur besseren Herrschaft beinhaltet.


    Dass die Menschen größtenteils davon überzeugt sind, dass es irgendeine gewaltbewehrte Herrschaft brauche, um eine moderne Gesellschaft zu organisieren, dass sie eine, ohne solche Staatsgewalt auskommende anarchommunistische Gesellschaft für ein völlig realitätsfernes Luftschloss halten, und dann dagegen mit nichts blöderem als einer dieser Idee angeblich widersprechenden "Natur des Menschen" argumentieren, siehst Du selbst immer wieder daran, wie sich hier ruck-zuck der bürgerlich-demokratische Widerstand formiert, sobald Du den Versuch machst, ernsthaft von einer herrschaftslosen Gesellschaft zu reden.


    Und das liegt daran, dass die allermeisten Menschen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft davon überzeugt sind, dass die Demokratie die "perfekte Form bürgerlicher Herrschaft" für eine solche ist. Und davon sind sie nicht deswegen überzeugt, weil sie zu dumm für eine andere Erkenntnis sind, sondern weil die herrschende Ideologie, die sich aus den real existierenden kapitalistischen Verhältnissen ergibt, keine andere Überzeugung erlaubt.

  • Die Geschichtsstunde war super und ist empfehlenswert. Beim alternate history Teil teile ich die Auffassung von Sarotte nicht, das Partnership for Peace bewertet sie da deutlich über. Das hätte nie stärker ausgebaut werden können im Sinne kleinere NATO größeres PfP. Dreh und Angelpunkt der NATO ist Artikel 5, den gibt's für PfPler nunmal nicht. PfP als Vorfeldorganisation ist gut, wenn es genutzt wird, so können Finnland und bald Schweden, aus dem Stand eingebunden werden, da sie Führungstechnisch und Ausrüstungstechnisch sofort eingebunden werden konnten. Reine PfP-Mitgliedschaft ist im Zweifel wertlos, gut zu sehen bei Georgien und Ukraine.


    Witzig in den Sicherheitshinweisen war das aktuelle Gehakel ums G95 (aka HK416), wer weiß evtl. kann man das solang hinziehen bis ein STANAG für die 6,8x51mm rauskommt/angenommen wird und dann gleich sowas wie das XM7 beschaffen (mit Schalldämfer drauf!) ob man als Optik gleich das Vortex mit Feuerleitrechner braucht... In dem Kaliber wäre man zumindest für die Jadg auf Hochwild befähigt.

  • Selbst hier im Forum ist es schier unmöglich das zu kritisieren, ohne dass einer ankommt und sich darüber beschwert, dass die Kritik daran keinen Vorschlag zur besseren Herrschaft beinhaltet.

    Nein, meine Kritik ist, dass von Dir überhaupt kein Vorschlag kommt, außer einer diffuses Aufklärungsideologie als Selbstzweck. Es ist Kritik um der Kritik Willen. Das ist mein Problem.


    Aber greifen wir doch mal einen Aspekt Deiner Kritik auf:

    Für die lohnarbeitende Bevölkerung werden diese herrschenden, materiellen Eigentumsverhältnisse damit quasi zur Naturgewalt, über die man gar nicht groß nachzudenken braucht, weil man sowieso nichts daran ändern kann, und der man sich deshalb so gut wie es geht anpasst, um seine von diesen Verhältnissen begrenzten Interessen durchzusetzen - also vor allem um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können und nicht sozial ausgeschlossen zu werden. Diese Anpassung geschieht aber nicht ohne dass sich dabei auch das Denken - das "Bewusstsein" - der Menschen anpasst, denn - wie Du hoffentlich nicht bestreiten wirst - sie erfordert ihnen einiges an Verzicht und Mühe ab, und läuft dabei häufig ihren eigentlichen inneren Bedürfnissen bis zur Schmerzgrenze zuwider.


    [...]


    Das ist in den modernen Industriegesellschaften des 21. Jahrhunderts aber einfach nicht richtig. Wie "Anarchisten und Kommunisten" verhalten sich die Menschen darin allerhöchstens gegenüber ihren engsten Freunden und Angehörigen, aber selbst das gelingt ihnen nicht, wenn ihnen z.B. die Anforderungen der Lohnarbeit dabei in die Quere kommen, oder wenn ihnen das Geld nicht reicht, um ein halbwegs zufriedenes Privatleben zu führen, weil man im Kapitalismus von der Kita für die Kinder, über die Miete, die Kleidung, die Freizeitgestaltung und die Kosten für den Zahnersatz bis hin zum eigenen "Lebensabend" und dem Sterbeheim für die Oma schlicht für alles Geld braucht, an das man legal nur kommen kann, wenn man entweder Produktionsmittel besitzt und andere Menschen für sich arbeiten lassen kann, oder wenn man selbst für andere Menschen oder für den Staat arbeitet.

    Die Menschen haben also quasi gar keine Möglichkeit, sich mit dem System selbst zu beschäftigen, weil Ihnen das System konstant Systemaufgaben auferlegt, um darin nicht unterzugehen.

    Tja, jetzt könnte man ja argumentieren, dass dann jede soziale Verbesserung, die diese Bürde mindert, offensichtlich einer Kritikfähigkeit zuträglich - und damit wünschenswert - sein müsste. Thematisiert man solche, kommt von Dir aber wie bestellt die Kritik der "Bürgerlichkeit" - also dass man damit das System stütze.

    Und genau darin entlarvt sich leider die Kritik um der Kritik Willen, die keinen progressiven Aspekt beinhaltet. Das dann noch mit Deinem Märtyrerselbstverständnis kombiniert, kann halt schon mal nerven.

    Niemand (vernünftiges) will Dir Deine Kritik nehmen bzw. versagen, Kritik allein ist aber eben nichts wert, wenn sich daraus nichts ableiten lässt, fällt aber denen, die konkret um Veränderung (zum Besseren) bemüht sind, in den Rücken, weil sie unerfüllbare Erwartungen als das eigentliche Ziel propagiert.

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