#660 - Nahostexperte Michael Lüders

  • Falls das hilft, ich habe mich längst damit abgefunden, dass du das Licht erst später mit Blick auf die Bilanz sehen wirst.

    Dass es für sämtliche Beteiligten besser wäre, friedlich Handel zu treiben statt Krieg zu führen, weiß jeder hier, nicht nur ein paar erleuchtete. Es sind die kleinen Details drumherum, die strittig sind.

  • Darauf will ich nicht hinaus.


    Warum wir als Westen, spezifischer als Deutschland, den Krieg in dieser Form unterstützen, ist eine objektive Frage. Ich glaube, ausschlaggebend sind geo- und bündnispolitische Erwägungen sowie westliche Suprematie als emotive Komponente. Ich nehme an, damit bin ich nah bei Lüders. Aber das verhandeln wir hier gar nicht, zumal wir als Teil der Bevölkerung die Entscheidung dazu auch nur bedingt beeinflussen können.


    Hier geht es um die subjektive Frage, ob man den Krieg in dieser Form unterstützen sollte, in der Zuspitzung, ob es eine Alternative dazu gibt. Die vermutete Motivation der Entscheider kann aber muss darin auch keine Rolle spielen. Man kann natürlich irgendeine Maxime zur Anwendung bringen und sich darauf zurückziehen. Wenn man aber eine Abwegung trifft, stößt man unweigerlich auf einige Glaubensfragen, die sich aus der Ungewissheit über das Geschehen als Kombination fehlender Kenntnis und bewusster Desinformation ergeben.


    Wenn ich vom Licht spreche gehe ich von drei Sachen aus. 1) Sehr hohe Verluste auf der ukrainischen Seite werden als zu hoher Preis betrachtet, spätestens wenn sie zu wenig Erfolg erkaufen, insbesondere wenn sie asymmetrisch sind. 2) Genau das zeichnet sich ab - Ergebnis meines persönlichen Versuchs die Ungewissheit zu durchdringen. 3) Die sich aus der Bilanz ergebende Aufdeckung von Desinformation im Nachhinein wird zu einer Neubewertung führen, welches Vorgehen zu präferieren gewesen wäre.


    Man kann natürlich glauben, dass das mit umgekehrten Ausgang auf mich zutreffen wird. Also wird vermutlich jemand, der einen ganz anderen Eindruck vom Geschehen hat.

  • Dass wir im Nachhinein schlauer sein werden stimmt sicherlich. Auch wird sich für jeden möglichen Ausgang mit jeder Herleitung irgendwo einer finden lassen der das schon immer wusste, oder einfach jede Theorie die einem einfallen kann aufgezählt hat.

    Aber das hilft alles nichts, Entschlüsse müssen nunmal zwangsläufig auf unvollständiger Informationslage gefasst und umgesetzt werden.

  • Nun, wie gesagt, um das entscheiden geht es gar nicht wirklich. Und bei einem bin ich mir sehr sicher: Die Entscheidung, wie im Westen reagiert wurde, basierte nicht auf Maßstäben, die für mich den Ausschlag geben. Es geht auch nicht um Prinzipien. - Vielleicht muss ich das nah bei Lüders zurücknehmen, denn wenn ich mich nicht irre, schreibt er spezifisch der deutschen Seite so eine gewisse Naivität zu, also etwa ein ehrliches Festhalten an bestimmten Werten, denen man die eigenen Interessen opfert. Das glaube ich nicht wirklich.


    Ich nehme an die Enttäuschung, die in der Diskussion zum Ausdruck kommt, jenseits des Aspekts des Interviewhandwerks, der Legitimität von Lüders Position oder einfach der großen Frage dahinter, wie man den Konflikt und seine Akteure sieht, ist die gänzlich andere Bewertung durch jemanden, von dem man mehr Kompatibilität mit dem eigenen Denken erwartet. Also ich habe da jetzt eine recht lange Liste von Leuten. Und bei den meisten sehe ich, dass es nicht unbedingt daran liegt, dass ich ihre Denkweise bisher falsch eingeschätzt habe oder sie drastisch geändert wurde, obwohl es das auch mal gibt, sondern es liegt einfach nur daran, was sie im Gegensatz zu mir über den Konflikt glauben.


    Man kann sich dann eine Weile darüber auseinandersetzen, aber irgendwann muss man denke ich einsehen, dass solange die Ungewissheit besteht, wer richtiger liegt, man nicht überein kommt. Ich warte einfach darauf, dass der Fortgang der Ereignisse mir recht gibt. Und ich würde behaupten, nach den ersten Monaten als ich erstmal selbst verstehen musste, was überhaupt realistisch zu erwarten ist, trifft das schon einigermaßen zu.


    Daher schaue ich mit der traurigen Zuversicht recht zu behalten in diesen Abgrund.

  • Wenn ich aufgrund einer "unvollständigen Informationslage" nicht weiß was Sache ist bevor ich damit anfange etwas an der Sache zu tun, dann weiß ich nicht was ich damit tue, weil ich gar nicht wissen kann was das für Konsequenzen haben könnte.


    Aber ein guter deutscher Soldat befolgt natürlich seinen Befehl von ganz oben, auch wenn er nicht vollumfänglich versteht was damit bezweckt werden soll, weil ihm dazu keine vollständige Informationslage vorliegt.

  • Dass wir im Nachhinein schlauer sein werden stimmt sicherlich. Auch wird sich für jeden möglichen Ausgang mit jeder Herleitung irgendwo einer finden lassen der das schon immer wusste, oder einfach jede Theorie die einem einfallen kann aufgezählt hat.

    Aber das hilft alles nichts, Entschlüsse müssen nunmal zwangsläufig auf unvollständiger Informationslage gefasst und umgesetzt werden.

    Die ganz alte Leier. Hinterher biegt immer zuverlässig der "IS" um die Ecke und keiner wills gewesen sein. Das ist dann alles höhere Gewalt und egal wie wenig man vorher wusste, man weiss danach genau, dass man in bester Absicht gehandelt hat. Was willste machen.

    Beliebt ist auch, den Anderen, die es ja immer besser wusste vorzuwerfen, sie hätten auch nicht anders handeln können. Und dazulernen verbietet sich von selbst. Wo kämen wir denn da hin.


    Wenn das nach der xten Iteration GlobalSouth nicht überzeugt, dann weiss ich auch nicht.

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