#650 - Wirtschaftshistoriker Adam Tooze

  • Weil die herrschende Elite kein Interesse an echter Demokratie hat und ignorante Leute sich leichter beherrschen lassen. Oder so ähnlich.

    Kapitalismuskritik besteht nicht einfach nur darin zu sagen: "Ja der Kapitalismus war dran schuld". Es gibt konkrete Strukturen und Gründe, die der Kapitalismus hervorbringt und die man sich im einzelnen Anschauen und begründen kann. Nicht nur abstrakter Kapitalismus als ein schwebender Begriff. Es gibt immer Erklärungen.

  • Hat jemand den Link zu dem Auftritt von Biden vor Milliardären in New York um für den Wahlkampf 2020 Geld zu organisieren?


    Tooze erwähnt das im Video ca. bei Minute 37:00 mehrmals.

    Der Bericht von Bloomberg geht nicht ganz so sehr ins Detail wie Tooze bei seiner Ausschmückung, aber im Prinzip stimmt schon was er sagt. Die amerikanischen Linken haben Biden auch mehrfach den Spruch "nothing would fundamentally change" vorgehalten.

    Biden Tells Elite Donors He Doesn’t Want to ‘Demonize’ the Rich

    Former Vice President Joe Biden told affluent donors Tuesday that he wanted their support and -- perhaps unlike some other Democratic presidential candidates -- wouldn’t be making them political targets because of their wealth.

    “Truth of the matter is, you all know, you all know in your gut what has to be done,” Biden said. “We can disagree in the margins. But the truth of the matter is, it’s all within our wheelhouse and nobody has to be punished. No one’s standard of living would change. Nothing would fundamentally change,” he said. [...]

    Invoking Vermont Senator Bernie Sanders’s goal of political “revolution,” Biden suggested that he would be the antidote by making marginal changes that would improve the lives of working and middle class Americans without slapping onerous taxes on the rich.

    “When you have income inequality as large as we have in the United States today, it brews and ferments political discord and basic revolution,” he said. Also perhaps hinting at President Donald Trump he continued: “It allows demagogues to step in” and blame what’s wrong in voters’ lives on “the other.”

    “You’re not the other,” Biden told the assembled group, most of whom were wearing suits. “I need you very badly.”

  • Kapitalismuskritik besteht nicht einfach nur darin zu sagen: "Ja der Kapitalismus war dran schuld". Es gibt konkrete Strukturen und Gründe, die der Kapitalismus hervorbringt und die man sich im einzelnen Anschauen und begründen kann. Nicht nur abstrakter Kapitalismus als ein schwebender Begriff. Es gibt immer Erklärungen.

    Klar. Nur halt nicht empirisch beweisbare Erklärungen.

  • Habs gestern zum ersten mal gehört und fand es großartig. Und... was soll ich sagen? Mich erinnerte es ziemlich sehr an unsere Diskussionen darüber. Der Kern von Tooze Aussage bestand in meinen Augen darin, dass nicht der Kapitalismus sondern "der Fortschritt" generell den CO2-Ausstoß erhöhte... und somit auch nicht der Kapitalismus generell für die nahende (oder aktuelle?) Klimakrise verantwortlich sei, sondern der generelle technisch/gesellschaftliche Fortschritt... und das hieß z.B. während eines Winters in Nord- und Mitteleuropa in der Breite nicht frieren zu müssen. In seiner Schlussfolgerung kann er demnach nicht ausschließen, dass mittels Technik auch im Kapitalismus die Klimakrise bekämpft werden kann.... muss hart für Dich gewesen sein.

  • muss hart für Dich gewesen sein.

    Nein, Ich fand's durchaus amüsant.


    Aber ich werde jetzt sicher nicht noch mal ganz von vorne erklären, wie der technische Fortschritt mit der Produktivitätsentwicklung im Kapitalismus zusammen hängt, und warum Letzterer keine zwingende Bedingung für Ersteren sein muss.


    Aus meiner salonmarxistischen Sicht demonstriert Tooze hier allerdings recht gut den grundsätzlichen Widerspruch, der sich aus dem ewigen Festhalten an der sozialdemokratischen Utopie einer staatlichen Regulierung und Inanspruchnahme der kapitalistischen Marktwirtschaft für höhere Zwecke und #Werte - wie etwa soziale Gerechtigkeit oder Klimaschutz - ergibt, welche der inhärenten Profit- und Verwertungslogik der kapitalistischen Produktions- und Distributionsverhältnisse fundamental zuwider laufen.


    Er kann noch fünfzig unterhaltsame Interviews dazu geben und hundert interessante Artikel darüber schreiben, dass man die Billionen Dollars, die derzeit als privates Investitionspotenzial durch die Finanz- und Immobilienmärkte des Planeten marodieren und dort eine Schneise der sozialen und ökologischen Verwüstung hinter sich herziehen, doch nur endlich mal, und möglichst auf internationaler Ebene koordiniert, dazu anreizen müsste, sich in den Wandel zur klimaneutralen Industrie zu investieren. Und trotzdem wird das nicht passieren, weil keine Weltbank, kein IWF und keine nationale Regierung dieser Welt die Macht dazu hat, die Kapitaleigentümer notfalls auch dazu zu zwingen das mit den Treibhausgasemissionen jetzt endlich mal sein zu lassen, so lange Wohl und Wehe sämtlicher Volkswirtschaften des Planeten davon abhängt, sich in der internationalen Staatenkonkurrenz als nationaler Investitionsstandort möglichst wettbewerbsfähig zu machen - also es im Zweifel lieber nicht so genau zu nehmen mit dem Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit, wenn man sich damit einen Vorteil vor anderen Wirtschaftsstandorten verschaffen kann.


    Tooze ist - auch wen ich ihm das weiter oben polemisch unterstellt habe - immerhin nicht wirklich so doof, selbst noch ernsthaft daran zu glauben, dass das, was er eigentlich für die einzig realistische - weil halbwegs systemkompatible - Lösung hielte, noch irgendwie rechtzeitig umgesetzt werden könnte, bevor der Klimawandel die mittlerweile ohnehin schon immer militanter ausgetragene Staatenkonkurrenz noch weiter eskaliert, und jegliche internationale Koordination erst recht unmöglich macht. Deshalb scherzt er ja auch mit Tilo darüber herum, dass man die Milliardäre eigentlich mal an die Laternen hängen müsste, obwohl er sich selbst gar nicht so revolutionär und linksradikal verortet wie einige seiner besten Freunde.

  • Tooze ist - auch wen ich ihm das weiter oben polemisch unterstellt habe - immerhin nicht wirklich so doof, selbst noch ernsthaft daran zu glauben, dass das, was er eigentlich für die einzig realistische - weil halbwegs systemkompatible - Lösung hielte, noch irgendwie rechtzeitig umgesetzt werden könnte, bevor der Klimawandel die mittlerweile ohnehin schon immer militanter ausgetragene Staatenkonkurrenz noch weiter eskaliert, und jegliche internationale Koordination erst recht unmöglich macht.

    Wahrscheinlicher als die weltweite Einführung des Kommunismus ist es aber wahrscheinlich schon.

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