Cold War Reloaded - Der neue Ost-West Konflikt

  • Scheint mir sehr formalistisch. [...] Im Westen interessiert das niemanden und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Russen viel Wert darauf legen, [...]


    Nun tatsächlich soll Putin auf solche formale Legalität bestehen. Daher wurde aus russischer Sicht die Anerkennung der Unabhängigkeit der Krim und Jahre später des Donbass insbesondere mit Bezug auf das Kosovo-Urteil (von dem die Russen seinerzeit gewarnt hatten, dass es Konsequenzen haben würde) gerechtfertigt. Genauso wie der Krieg gegen die Ukraine als völkerrechtlich legitimiert gilt, weil die beiden von Russland als unabhängige Staaten anerkannten Volksrepubliken sich im Krieg mit der Ukraine befanden und Russland mit Berufung auf das Recht auf kollektive Selbstverteidigung (UN-Charta Artikel 51) an ihrer Seite in den Krieg eingetreten ist.

  • Solche Aufnahmen bekommt man aus der Ukraine nur noch selten wegen der Repression gegen die Veröffentlichung von Bildern russischer Angriffe. Aber in diesem Fall werden ukrainische Positionen direkt an der südlichen Grenze getroffen und für Rumänen gilt natürlich keine solche Einschränkung. In diesem Video sieht man versuchte Drohnenabwehr am Hafen von Reni:


    https://t.me/RVvoenkor/51377


    Ergo:


    https://english.nv.ua/nation/k…er-war-news-50347146.html


    Zitat

    The Ukrainian Embassy in Romania has appealed to civilians living near the Ukrainian border not to record the operation of Ukraine's air defenses during Russian drone or missile strikes.


    In a Facebook post on Aug. 17, the embassy said this kind of footage, once posted on social media, can aid Moscow in countering the anti-air defense Ukraine is setting up around its Danube port infrastructure. [...]

  • Bin mir sicher in Afrika wird man den ukrainischen Ansatz - ohne was in der Hand, aber maximales Sendungsbewusstsein - erfrischend finden. Bisher gibt es nur Handfestes mit oder ohne Sendungsbewusstsein.


    https://www.france24.com/en/li…r-russia-s-grip-on-africa


    Zitat

    "We are starting from scratch in Africa. This continent needs systematic and long-term work," Kuleba told AFP journalists at the foreign ministry in Kyiv.


    "It's not something that happens overnight."

    Zitat

    He compared Kyiv's push to bolster ties with governments in Africa to a diplomatic "counteroffensive" against Russian efforts.


    "Our strategy is not to replace Russia but to free Africa from Russia's grip," Kuleba said, adding that Ukraine wanted to approach its diplomatic interactions in Africa with "respect and with the principal of mutual benefit."

    Zitat

    This was in contrast to Russia's approach, Kuleba said. He told AFP that Kremlin's most powerful exports to the region were fighters from the Wagner mercenary group and "propaganda".


    "Russia is trying very hard to keep countries in its orbit through coercion, bribery and fear," he said.


    "Russia has two tools for its work in Africa, the most powerful ones are propaganda and Wagner."

    Zitat

    "People in Africa saw that all of Putin's stories about how he cares about African countries are lies," Kuleba said.


    Die haben das durchschaut? Was ist mit der powerful Propaganda?

  • Zitat

    President Biden on Thursday asked Congress to approve $20.6 billion in additional funding for Ukraine, as that country’s military struggles to achieve a decisive victory in its counteroffensive against Russia.


    Aktuelle Stolpersteine:


    https://www.washingtonpost.com…unteroffensive-melitopol/


    Zitat

    The U.S. intelligence community assesses that Ukraine’s counteroffensive will fail to reach the key southeastern city of Melitopol, people familiar with the classified forecast told The Washington Post, a finding that, should it prove correct, would mean Kyiv won’t fulfill its principal objective of severing Russia’s land bridge to Crimea in this year’s push.


    Diese Einschätzung soll auch den Kongress erreicht haben:


    Zitat

    The bleak outlook, briefed to some Republicans and Democrats on Capitol Hill, has already prompted a blame game inside closed-door meetings. Some Republicans are now balking at President Biden’s request for an additional $20.6 billion in Ukraine aid given the offensive’s modest results. Other Republicans and, to a lesser extent, hawkish Democrats have faulted the administration for not sending more powerful weapons to Ukraine sooner.


    Gleichzeitig:


    https://www.politico.com/newsl…aine-republicans-00111678


    Zitat

    Even if Speaker KEVIN McCARTHY wanted to work with President JOE BIDEN on his $24 billion military aid request for Ukraine, he would find the matter complicated by an unlikely source: pro-Kyiv Republicans.


    Those lawmakers in recent days have added stipulations and hedged in ways that no longer make them locks for an “aye” vote. That’s bad news for the Biden administration and the Californian — who now not only has to keep the Ukraine skeptics in his party at bay, but also has to find common ground between the White House and pro-Kyiv lawmakers.

    Zitat

    In other words, the Biden administration may not win support from some pro-Ukraine House Republicans until it promises to give weapons that, to date, they’ve refused to provide. The White House has long balked at sending ATACMS because they don’t want them used to strike inside sovereign Russian territory, potentially dragging the U.S. more directly into the conflict. There’s also a numbers issue, as the U.S. doesn’t have many ATACMS to spare.

  • https://www.reuters.com/world/…k-netherlands-2023-08-17/


    Zitat

    WASHINGTON, Aug 17 (Reuters) - The United States has approved sending F-16 fighter jets to Ukraine from Denmark and the Netherlands to defend against Russian invaders as soon as pilot training is completed, a U.S. official said on Thursday.


    Im Detail klingt es noch etwas anders:


    Zitat

    Washington gave Denmark and the Netherlands official assurances that the United States will expedite approval of transfer requests for F-16s to go to Ukraine when the pilots are trained, the official said.


    Gleichzeitig haben Dänemark und Niederlande jetzt auch nicht unbedingt gesagt, dass sie die Flugzeuge auch übergeben wollen. Da gibt es erstmal Abstimmungsbedarf:



    Genaugenommen wäre es kontraproduktiv die Zeit ukrainischer Piloten mit Training auf eine Flugzeug zu verschwenden, dass sie hinterher nicht zur Verfügung gestellt bekommen.


    Zeithorizont:


    Zitat

    A coalition of 11 countries will start training Ukrainian pilots to fly the F-16 fighter jets later this month in Denmark, the Danish defence ministry said on Friday.


    The country's acting Defense Minister Troels Poulsen said in July that the country hoped to see "results" from the training in early 2024.

  • Nun tatsächlich soll Putin auf solche formale Legalität bestehen. Daher wurde aus russischer Sicht die Anerkennung der Unabhängigkeit der Krim und Jahre später des Donbass insbesondere mit Bezug auf das Kosovo-Urteil (von dem die Russen seinerzeit gewarnt hatten, dass es Konsequenzen haben würde) gerechtfertigt. Genauso wie der Krieg gegen die Ukraine als völkerrechtlich legitimiert gilt, weil die beiden von Russland als unabhängige Staaten anerkannten Volksrepubliken sich im Krieg mit der Ukraine befanden und Russland mit Berufung auf das Recht auf kollektive Selbstverteidigung (UN-Charta Artikel 51) an ihrer Seite in den Krieg eingetreten ist.

    Ja, aber das macht wenig Sinn. Schließlich hat nicht die Ukraine den Krieg gegen Jugoslawien geführt. Das ist so als wenn ich sage: weil der Hans seinen Nachbarn beklaut, beklaue ich meinen Nachbarn auch. Das hat doch mit "formaler Legitimität" nichts zu tun. Oder als wenn die USA argumentiert hätten: Der Irak ist doch auch im Iran einmarschiert, dann dürfen wir auch im Irak einmarschieren. Ich kann doch einen Rechtsbruch nicht formal mit einem anderen Rechtsbruch legitimieren.


    Artikel 51 UN-Charta:


    „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“


    Der Donbaz ist kein Mitglied der Vereinten Nationen, also gilt Artikel 51 offensichtlich nicht für den Donbaz.

  • Ja, aber das macht wenig Sinn. Schließlich hat nicht die Ukraine den Krieg gegen Jugoslawien geführt. Das ist so als wenn ich sage: weil der Hans seinen Nachbarn beklaut, beklaue ich meinen Nachbarn auch. [...]


    Das Kosovo-Urteil hat die Tür für ein Recht auf Sezession geöffnet. Darum geht es, nicht darum wer am Kosovo-Krieg beteiligt war.


    https://www.reuters.com/articl…ovo-idUSTRE66L01720100722


    Zitat

    [2010-07-22T00:13:12Z]


    THE HAGUE (Reuters) - Kosovo’s unilateral secession from Serbia in 2008 did not violate international law, the World Court said Thursday in a decision with implications for separatist movements everywhere.


    [...] Oder als wenn die USA argumentiert hätten: Der Irak ist doch auch im Iran einmarschiert, dann dürfen wir auch im Irak einmarschieren. Ich kann doch einen Rechtsbruch nicht formal mit einem anderen Rechtsbruch legitimieren.


    Es muss schon ein laufender Konflikt sein, sonst ist es keine kollektive Selbstverteidigung. Ohne fortbestehenden Angriff auch keine Verteidigung.


    Artikel 51 UN-Charta:


    „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“


    Der Donbaz ist kein Mitglied der Vereinten Nationen, also gilt Artikel 51 offensichtlich nicht für den Donbaz.


    Das kann man so sehen:


    Nun kann man sich vielleicht streiten, ob Russland als UN-Mitglied, das nicht angegriffen wurde, kollektive Selbstverteidung für ein aus seiner Sicht Nicht-UN-Mitglied, das angegriffen wurde, gelten machen kann. Aber dann kann man sich auch streiten, ob die Donbass-Republiken als Nicht-UN-Mitglied überhaupt von dieser Klausel erfasst werden.


    Allerdings ist die Frage, ob der Status der Donbass-Republiken hier ausschlaggebend ist. Russland ist ein Mitglied der Vereinten Nationen und sie machen das Recht auf kollektive Selbstverteidigung geltend. Kollektive Selbstverteidigung bedeutet man muss nicht selbst die angegriffene Partei sein. Insofern kann man sicherlich argumentieren, dass die Partei zu deren Verteidigung man in einen Konflikt eingreift nicht unbedingt ein UN-Mitglied sein muss.

  • Es gibt historische Berichte aus Frankreich aus dem 1. WK, die über völlig unterschiedliche Kriegsverhältnisse zwischen der Realität an der Front und anderswo unterscheiden, und die denen jetzt in der Ukraine ähnelten, wenngleich es heutzutage natürlich anders aussieht.

    War das bei uns im ersten Weltkrieg nicht und ein Grund für den Erfolg der Dolchstoßlegende?

    An der Heimfront Jahr um Jahr der festen Überzeugung sein, kurz vor dem Sieg zu stehen. Nur noch eine kleine Extraanstrengung, ein kleiner Extraaufwand, eine neue Waffe und dann ist es endlich geschafft. Wer jetzt etwas dagegen sagt, wäre Schuld daran dass es nicht klappt. In wenigen Wochen kommt doch die Offensive, die beim Zustand des Gegners und der Tapferkeit der eigenen Truppen nur Erfolgreich sein kann. In ein paar Monaten dann ganz bestimmt der eigenen Durch- und der gegnerischen Zusammenbruch. Die Regierung sagte es ja so und so stand es auch in den Zeitungen.

    Ich mache mir die im Forum zu diesem Thema mehrheitlich geäußerte Meinung nicht zu eigen und wiederspreche ihr hiermit ausdrücklich!

  • Das Kosovo-Urteil hat die Tür für ein Recht auf Sezession geöffnet. Darum geht es, nicht darum wer am Kosovo-Krieg beteiligt war.

    Nö. Das Urteil stellt lediglich fest, dass die Sezession des Kosovo nicht völkerrechtswidrig war. Daraus lässt sich kein Recht auf Sezession ableiten. Nur Staaten können gegen das Völkerrecht verstoßen. Der Kosovo ist aber kein Staat. Also kann der Kosovo auch nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. Wenn ich Dänemark den Krieg erkläre, ist das auch nicht völkerrechtswidrig. Es lässt sich aber deswegen kein Recht zum Angriffskrieg daraus ableiten.


    Analog dazu: Der Vorwurf des Bruchs des Völkerrechts richtet sich nicht gegen die Krim, sondern gegen Russland.

    Allerdings ist die Frage, ob der Status der Donbass-Republiken hier ausschlaggebend ist. Russland ist ein Mitglied der Vereinten Nationen und sie machen das Recht auf kollektive Selbstverteidigung geltend. Kollektive Selbstverteidigung bedeutet man muss nicht selbst die angegriffene Partei sein. Insofern kann man sicherlich argumentieren, dass die Partei zu deren Verteidigung man in einen Konflikt eingreift nicht unbedingt ein UN-Mitglied sein muss.

    Wiki sagt dazu: "Das Selbstverteidigungsrecht eines angegriffenen Staates kann auch kollektiv ausgeübt werden, d. h. im Verbund mit anderen Staaten, die dem angegriffenen Staat Nothilfe leisten."


    Das Völkerrecht verbietet grundsätzlich die Unterstützung aufständischer Gruppierungen in einem anderen Staat durch Waffenlieferungen. Die Annahme, man darf die aber einfach als Staat anerkennen, dann wäre das erlaubt, ist schon reichlich konstruiert. Eine Rebellengruppe wird nicht zum Staat, weil irgendein anderer Staat die anerkennt.


    Außerdem gilt das Selbstverteidigungsrecht nur bis zum Eingreifen der UN. Die UN hat aber mit deutlicher Mehrheit Russlands Invasion verurteilt.


    Aber um zum eigentlichen Punkt zurück zu kommen. Irgend so einen Advokaten-Kniff kann Putin doch auch für Odessa erfinden. Soll ich mir einen ausdenken? :D

  • ‘Milley had a point’

    The conversation about Ukraine’s counteroffensive has shifted from one of excitement to disappointment, as Kyiv’s slow gains lead some U.S. officials and insiders alike to whisper: Should we have listened to Gen. MARK MILLEY?


  • War das bei uns im ersten Weltkrieg nicht und ein Grund für den Erfolg der Dolchstoßlegende?

    Das ist ja schon ein Schritt weiter gedacht. Dass der Kontrast zwischen den unterschiedlichen Schichten im Krieg besonders deutlich zutage tritt, ist wohl auch irgendwie völlig normal.

    Während der Belagerung von Paris im deutsch-französischen Krieg setzten die Restaurants für die wohlhabende Gesellschaft ja auch exotische Tiere aus dem Zoo für gutes Geld auf die Speisekarte, während der größte Teil der Bevölkerung Hunger litt. Krieg ist ungleich und ohne Erfolgsmeldungen lässt sich das schwerer verbergen.


    Zitat

    An der Heimfront Jahr um Jahr der festen Überzeugung sein, kurz vor dem Sieg zu stehen. Nur noch eine kleine Extraanstrengung, ein kleiner Extraaufwand, eine neue Waffe und dann ist es endlich geschafft. Wer jetzt etwas dagegen sagt, wäre Schuld daran dass es nicht klappt. In wenigen Wochen kommt doch die Offensive, die beim Zustand des Gegners und der Tapferkeit der eigenen Truppen nur Erfolgreich sein kann. In ein paar Monaten dann ganz bestimmt der eigenen Durch- und der gegnerischen Zusammenbruch. Die Regierung sagte es ja so und so stand es auch in den Zeitungen.

    Da ist sicher was dran. Allerdings sollte man für einen Vergleich auch bedenken, dass die Medienlandschaft damals eine völlig andere, besser zu kontrollierende und deutlich langsamere war. Inwiefern die merklich zunehmendem Entbehrungen dann aber die tatsächlichen Meinungen von der öffentlichen trotzdem abweichen ließ, weiß ich nicht. Dazu muss man wohl Tagebücher lesen.

    Aus den 2. Wk kenne ich Beispiele, bei denen die Zweifel in Richtung Ende hin deutlich stärker wurden. Da war die Medienlandschaft aber schon nicht mehr vergleichbar und die Front nicht starr, was selbst die Wochenschau nur noch in einen Heldenkampf umdeuten konnte.


    Dass die Dolchstoßlegende so erfolgreich war, lag vermutlich vor allem daran, dass sie für die empfundene Schmach und die anschließenden wirtschaftlichen Verwerfungen einen passenden Sündenbock präsentierte, ohne die von dir erwähnten zuvor durch Propaganda jahrelang erfolgreich vermittelten Überzeugen über die eigene Überlegenheit über Bord werfen zu müssen.


    Für unsere Perspektive von Außen ist das allerdings ohnehin schwer zu übertragen. Unsere Entbehrungen sind ja vergleichweise gering und wurden bisher auch ganz gut durch politische Maßnahmen vorerst unter der Decke gehalten. Wenn allerdings Renten gekürzt werden sollen, Kindergrundsicherung entfällt usw. haben solche Dinge natürlich auch Einfluss auf den Rückhalt für Milliardenausgaben in diesen Krieg und die Kriegsbegeisterten kommen in Erklarungsnöte.

    Die USA überweisen ja zum Beispiel auch Geld zur Aufrechterhaltung von Sozialleistungen des ukrainischen Staates, von denen Amerikaner nur träumen können.


    Insofern ist es auch irendwie logisch, dass Journalisten jetzt reflexartig zu dem alten Trick mit einer angeblichen Neiddebatte greifen, um aufkommende unbequeme Diskussionen im Keim zu ersticken.

  • Nö. Das Urteil stellt lediglich fest, dass die Sezession des Kosovo nicht völkerrechtswidrig war. Daraus lässt sich kein Recht auf Sezession ableiten. Nur Staaten können gegen das Völkerrecht verstoßen. Der Kosovo ist aber kein Staat. Also kann der Kosovo auch nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. [...]


    Das Urteil stellt letztlich fest, dass es keinen Konflikt zwischen der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und der territorialen Integrität von Serbien gibt. (Nebenbei das auf eine sehr formale Weise über den Status der Partei, die die Unabhängigkeit erklärt. Da hätte es durchaus andere Ansätze gegeben.)


    Dieses Ausweichen eröffnet die Anschlussfrage, gibt es denn einen Konflikt mit der territorialen Integrität, wenn diese nicht im Einvernehmen erklärte Unabhängigkeit durch andere Staaten anerkannt wird? Man könnte auf die Idee kommen die Antwort lautet Ja, aber der Internationale Gerichtshof hat versäumt das zu beantworten oder eine Antwort zu skizzieren, was gerade im Rahmen so eines Gutachtens sicherlich möglich gewesen wäre. Der Westen beantwortete die Frage mit Bezug auf Kosovo klar mit Nein, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung hatte man das Gebiet bereits als eigenständig anerkannt:


    https://www.reuters.com/articl…ovo-idUSTRE66L01720100722


    Zitat

    It is likely to lead to more states following the United States, Britain and 67 other countries in recognizing ethnic-Albanian dominated Kosovo, which broke away after NATO intervened to end a brutal crackdown on separatism by Belgrade.


    Die Entscheidung wurde wie man auch an dieser frühen Meldung sieht durchaus als Sanktionierung dieser Praxis gelesen und das nicht nur durch Kosovo selbst:


    Zitat

    “I don’t think anyone was expecting that. It is a clear, strong and unambiguous statement in favor of Kosovo’s independence,” said Marko Prelec of think tank the International Crisis Group.


    “It will strengthen Kosovo’s position vis a vis Serbia in the international scenes and weaken Serbia’s position. There will be many more recognitions now.”

    Zitat

    “This is bad news to a number of governments dealing with separatist movements,” said Edwin Bakker, researcher at the Clingendael Institute of International Relations. “This ruling brings Kosovo’s entry in the U.N. much closer.”


    Clinton wird hier mit einem bloßen Aufruf zu einem Schlusstrich unter die Kontroverse zitiert:


    Zitat

    U.S. Secretary of State Hillary Clinton said everyone should move beyond the issue of Kosovo’s status and seek cooperation.


    Allerdings meinte sie den so:


    https://www.reuters.com/articl…iew-idUSTRE66L4A820100722


    Zitat

    U.S. SECRETARY OF STATE HILLARY CLINTON:


    “We call on all states to move beyond the issue of Kosovo’s status and engage constructively in support of peace and stability in the Balkans, and we call on those states that have not yet done so to recognize Kosovo.”


    Bei der Gelegenheit, das kam von Westerwelle für Deutschland:


    Zitat

    GERMAN FOREIGN MINISTER GUIDO WESTERWELLE


    “The ICJ’s ruling confirms our view that the declaration of independence was legal. It supports our view that the independence and territorial integrity of Kosovo are irrefutable facts.


    Zurück zum ersten Artikel, wenn man meint "hat die Tür für ein Recht auf Sezession geöffnet" ist unfair, kann man diese russische Einschätzung von damals anführen:


    Zitat

    Russia’s Foreign Ministry said the court’s decision did not provide a legal basis for Kosovo’s independence since it only referred to the declaration of independence and did not address the legality of consequences such as statehood or recognition.


    Nebenbei:


    [...] mit Bezug auf das Kosovo-Urteil (von dem die Russen seinerzeit gewarnt hatten, dass es Konsequenzen haben würde) [...]


    Vielleicht habe ich das auch falsch in Erinnerung und die Warnung betraf nicht das Urteil sondern die westliche Anerkennung der Unabhängigkeitserklärung durch das Kosovo:


    https://www.france24.com/en/20…ian-support-serbia-russia


    Zitat

    Putin himself on Friday described Kosovo's independence as a "terrible precedent" that would come back to hit the West "in the face" and would have "unforeseeable consequences."


    Allerdings letztlich haben auch die Russen anders gehandelt. Und es gab nicht nur damals viele Stimmen, die das Urteil im Sinne der Türöffnung gedeutet haben, mindestens die Einschätzung, dass es ein Versäumnis war auf die Klärung naheliegender Fragen zu verzichten, hat sich gehalten, so dass sogar die Gründe dafür beforscht werden:


    https://academic.oup.com/book/…hapter-abstract/160668764


    Zitat

    This chapter argues that the Court’s opinion may be explained as an attempt to preserve the longer-term authority of the Court vis-à-vis its constituencies. [...] On the other hand, a wider discussion of whether the declaration was in accordance with international law would have required the Court to pronounce on controversial questions of secession and self-determination. This would inevitably have divided its constituencies in a manner that would have endangered its stature. The result of the decision to duck these two questions was that the Court in the short term served the interests of Kosovo and its supporters. However, this is better understood as a side effect of its decision to serve its longer-term interests, while this decision may produce other unwanted consequences.


    Insofern spricht einiges für die These der Türöffnung. Wer mag kann die ja in eine Türauflassung, nachdem sie vom Westen geöffnet wurde, umwandeln.


    Verletzte also Russland mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Krim und der Donbass-Republiken (und von Abchasien, Südossetien) das Völkerrecht? Möglich, aber wir leben in der Welt des Kosovo-Präzedenzfalls und das internationale Gerichtsorgan, das sich zu der Frage äußern konnte, hat nichts entsprechendes verkündet. Der UN-Sicherheitsrat hat sicherlich nichts spezifisches oder gar grundsätzliches dazu verfügt.


    Wenn Russland diese abtrünnigen Gebiete aber als Staaten behandeln kann, scheint es wiederum klar, dass es sie auch im Einvernehmen in seine Föderation aufnehmen oder militärisch zu ihren Gunsten intervenieren kann. Also doch genau das:


    Das Völkerrecht verbietet grundsätzlich die Unterstützung aufständischer Gruppierungen in einem anderen Staat durch Waffenlieferungen. Die Annahme, man darf die aber einfach als Staat anerkennen, dann wäre das erlaubt, ist schon reichlich konstruiert. Eine Rebellengruppe wird nicht zum Staat, weil irgendein anderer Staat die anerkennt.


    Wird sie in der aktuellen Praxis, jedenfalls wenn die "Rebellengruppe" ein Gebiet, das sie kontrolliert, zu einem unabhängigen Staat erklärt hat. (Aber hey, Gründung von Staaten durch eine bloße "Exilregierung" würde ich auch nicht als Möglichkeit ausschließen.)


    Natürlich zielt der Stellvertreterkrieg, den wir als Westen gerade gegen Russland führen, letztlich auch darauf ab, zu verhindern, dass sie mit der neusten Anwendung dieser Praxis durchkommen. - Im Fall der Krim oder georgischen Separatisten hatte man sich vielleicht bereits damit abgefunden. - Das wird uns als der große Kampf für die internationale Ordnung verkauft. Genau mit dem Blick auf die Kosovo-Affäre bin ich nicht übermäßig beeindruckt. Und da es genaugenommen die regelbasierte internationale Ordnung ist, bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass mit einem Sieg ordnungsbasierte Sonderregeln für einen ähnlichen Fall aber im Interesse des Westens - vielleicht ein paar Splitter Russische Föderation? - alles andere als ausgeschlossen wären.


    Außerdem gilt das Selbstverteidigungsrecht nur bis zum Eingreifen der UN. Die UN hat aber mit deutlicher Mehrheit Russlands Invasion verurteilt.


    Artikel 51 nimmt an, dass der Sicherheitsrat eingreifen wird, von Erklärungen der Generalversammlung steht da nichts:


    https://legal.un.org/repertory/art51.shtml


    Zitat

    “Nothing in the present Charter shall impair the inherent right of individual or collective self-defence if an armed attack occurs against a Member of the United Nations, until the Security Council has taken measures necessary to maintain international peace and security. Measures taken by Members in the exercise of this right of self-defence shall be immediately reported to the Security Council and shall not in any way affect the authority and responsibility of the Security Council under the present Charter to take at any time such action as it deems necessary in order to maintain or restore international peace and security.”


    Aber um zum eigentlichen Punkt zurück zu kommen. Irgend so einen Advokaten-Kniff kann Putin doch auch für Odessa erfinden. Soll ich mir einen ausdenken? :D


    Bitte, du kannst es ja mal versuchen, ich bezweifle, dass es an die (relative) Überzeugungskraft heranreicht ein Referendum unter größeren Teilen der Bevölkerung des betroffenen Gebietes durchzuführen.

  • Die Russen sollen in Tschernigow ein Theater angegriffen haben. In jedem Fall gibt es Videos einer Explosion. Mutmaßlich diese Veranstaltung:


    https://twitter.com/VictoryDrones/status/1691010935232610305



    https://twitter.com/VictoryDrones/status/1691010940441899009



    Zitat

    Чекаємо вас 💚


    Via Google Translate:


    Zitat

    Wir warten auf Sie 💚


    Von dem Anmeldeformular:



    Via Google Translate:


  • Wahrscheinlich muss man sich das so verkaufen angesichts der Opferzahlen:


    https://twitter.com/Kyiv/status/1692444765189480730


  • Dieses Ausweichen eröffnet die Anschlussfrage, gibt es denn einen Konflikt mit der territorialen Integrität, wenn diese nicht im Einvernehmen erklärte Unabhängigkeit durch andere Staaten anerkannt wird?

    Das würde ich schon sagen. Die Frage ist, ob das völkerrechtswidrig ist. In jedem Fall scheint es sehr fragwürdig, wenn man bei der Abspaltung militärisch mitgeholfen hat.

    Zurück zum ersten Artikel, wenn man meint "hat die Tür für ein Recht auf Sezession geöffnet" ist unfair, kann man diese russische Einschätzung von damals anführen:

    Politiker versuchen natürlich, so ein Urteil in ihrem Sinne zu interpretieren und auszuschlachten. Die Frage ist, inwiefern man das dem Urteil vorwerfen kann. Gerichte vermeiden es meist, Fragen zu klären, die ihnen nicht gestellt wurden.

    Das Urteil stellt letztlich fest, dass es keinen Konflikt zwischen der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und der territorialen Integrität von Serbien gibt.

    Das steht im Urteil? In dem Artikel stand nix davon.


    “The court considers that general international law contains no applicable prohibition of declaration of independence,” Judge Hisashi Owada, president of the ICJ, said ... “Accordingly it concludes that the declaration of independence of the 17th of February 2008 did not violate general international law.”


    Zurück zum ersten Artikel, wenn man meint "hat die Tür für ein Recht auf Sezession geöffnet" ist unfair, kann man diese russische Einschätzung von damals anführen:

    Selbst die Russen können das Völkerrecht korrekt auslegen, wenn es in ihrem Interesse ist. :)

    Verletzte also Russland mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Krim und der Donbass-Republiken (und von Abchasien, Südossetien) das Völkerrecht?

    Nein. Taten sie nicht. Zumindest wüsste ich kein Gebot des Völkerrechts, wogegen so einen Anerkennung verstoßen würde.

    Wenn Russland diese abtrünnigen Gebiete aber als Staaten behandeln kann, scheint es wiederum klar, dass es sie auch im Einvernehmen in seine Föderation aufnehmen oder militärisch zu ihren Gunsten intervenieren kann. Also doch genau das:

    Ne. Scheint es nicht. Denn so funktioniert Recht eben nicht. Recht ist formalistisch. Nur weil ich dir laut deutschem Recht den Krieg erklären kann, ist es eben nicht nicht so, dass ich dich auch erschießen darf. Das ist juristisch nicht mehr als Unsinn. Das Gesetz verbietet ersteres nicht, also ist es erlaubt, letzteres ist aber verboten.


    Russland darf den Donbaz "als Staat behandeln", solange es damit nicht gegen das Völkerrecht verstößt.

    Wird sie in der aktuellen Praxis, jedenfalls wenn die "Rebellengruppe" ein Gebiet, das sie kontrolliert, zu einem unabhängigen Staat erklärt hat. (Aber hey, Gründung von Staaten durch eine bloße "Exilregierung" würde ich auch nicht als Möglichkeit ausschließen.)

    Das wäre mir neu.

    Und da es genaugenommen die internationale regelbasierte Ordnung ist, bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass mit einem Sieg ordnungsbasierte Sonderregeln für einen ähnlichen Fall aber im Interesse des Westens - vielleicht ein paar Splitter Russische Föderation? - alles andere als ausgeschlossen wären.

    Also so eine dreiste Interpretation des Völkerrechts des Westens ist mir bisher nicht bekannt.

    Bitte, du kannst es ja mal versuchen, ich bezweifle, dass es an die (relative) Überzeugungskraft heranreicht ein Referendum unter größeren Teilen der Bevölkerung des betroffenen Gebietes durchzuführen.

    Das Referendum wird doch durchgeführt. Nur eben hinterher. Natürlich wird Odessa dann zurückgegeben, sollte sich das Referendum doch dagegen aussprechen.


    Hm. Ah, ich weiß. Das russische Volk wird einfach als Ganzes abstimmen, ob Odessa dazu gehören soll. Das russische Volk ist eins und darf demokratisch über seine Zukunft abstimmen. Zwar können die Russen in Odessa nicht mit abstimmen, aber eine überwältigende Mehrheit wird es trotzdem geben. Dieser demokratischen Willensbekundung wird sich niemand verschließen können.

  • Lagebericht:


    Schwierigkeiten an der Wertefront:


    Mittlerweile kommt wohl der letzte Ukrainer zum Einsatz und Lukashenko erklärt hier einer unerschrockenen ukr. Reporterin hingebungsvoll die strategische Zukunft UAs.


    Da das eigentlich nicht sein kann hätte ich gerne als Gegenstandpunkt eine werteorientierte "bessere Verhandlungsposition herbeibomben"-Analyse von Carlo Masala, Claudia Major oder 1-2 Sätze von UKWs Pavel Mayer zitiert aber es herrscht zufällig überall dröhnende Funkstille. Bestimmt dem verdienten Urlaub geschuldet doch gerade jetzt wäre Orientierung so richtig&wichtig.


    Und so muss das ZDF wieder die unerschrockene Analysten-Flitzpiepe Keupp aus dem Ärmel ziehen, der auf die Frage, ob die Russen einfach zu stark sind gequält den für Oktober herbeianalysierten desaströsen Zusammenbruch der Russen - "Missverständnis" hüstelnd - um 5-10 Monate nach hinten verschiebt. Immerhin, es gibt noch Hoffung.


    Gute Nachrichten hingegen aus dem Bereich (Welt)Wirtschaft im Hinblick auf Reichtumsverteilung:

  • Da das eigentlich nicht sein kann hätte ich gerne als Gegenstandpunkt eine werteorientierte "bessere Verhandlungsposition herbeibomben"-Analyse von Carlo Masala, Claudia Major oder 1-2 Sätze von UKWs Pavel Mayer zitiert aber es herrscht zufällig überall dröhnende Funkstille.

    Och, das kann man jetzt aber so nicht sagen.


    Der Großexperte ist jedenfalls weiter auf Sendung, aber...


    ...Prioritäten. So wichtig.


    Wobei er die besorgte Öffentlichkeit natürlich kurz vorher nochmal dahingehend aufgeklärt hatte...

    ...dass ein bisschen whataboutism durchaus wissenschaftlich zu rechtfertigen ist, so lange er der richtigen Guten Sache dienlich ist.

  • ...dass ein bisschen whataboutism durchaus wissenschaftlich zu rechtfertigen ist, so lange er der richtigen Guten Sache dienlich ist.

    Holla. Da ist er aber emotional ordentlich investiert, der gute Professor.

    Aber wie genau soll man das verstehen? Er ist doch Direktor des Metis-Institut, laut Eigendarstellung ein Institut für "Strategie und Vorausschau". Und er ist Co-Direktor des

    "Center for Intelligence and Security Studies". Beides Bundeswehr, nicht irgendwer.


    Nichtsdestotrotz hat selbst er sich von den "denjenigen da" täuschen lassen - Vorausschau hin oder her - und ist jetzt ein bisschen angefasst? Oder er hat sich davon nicht täuschen lassen - nur seine jetzigen Prognosen sind - Zeitenwende hin oder her - immer noch von der Prognosequalität derjenigen, die sich damals haben täuschen lassen und jetzt ist er ein bisschen angefasst?

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!