#644 - Soziologe Heinz Bude

  • Naja, so spitzfindig find-ick das gar nicht. Wer trauert denn heute Hitler nach? Er hatte ziemlich eindeutig geschildert, dass es um die Menschen aus der NS Zeit ging, die ihn erst lieben gelernt hatten/mussten und dann nach dem Krieg zu hassen hatten, was weiten Teilen der Gesellschaft nicht leicht viel. ... Hast Du das anders verstanden?

    Außerdem glaub ich hiermit wirklich, dass du ihn schlechter darstellen willst, als er eigentlich im Interview war.


    Hör ihn dir nochmal an, du interpretierst da was rein oder missverstehst da sein Punkt total.

  • Das heißt, auch, dass vlt zB. die deutsche Holocaust-Aufarbeitung noch gar nicht so vollendet ist, wie es oft geschildert wird und man die Bedeutung oft nicht ganz versteht.

    mhm, vielleicht. Meine Analyse wäre eher, dass eine solche Aufarbeitung nie vollendet sein kann und darf. Das zeigt dann auch gerade heutzutage das Problem an seinem Demokratieverständnis, in der der vermeintlich lernwillige Mensch einfach so in Zeitenwendengeschwindigkeit wieder auf NAZI und Fascholinie „umgelernt” werden kann, um sich für ein vermeintlich höheres Ziel mit den Schlechtern von damals zu alliieren.


    Hör ihn dir nochmal an, du interpretierst da was rein oder missverstehst da sein Punkt total.

    Danke, das kann ich natürlich nicht ausschließen. Kam mir aber nicht so vor und ich bin eigentlich sehr unvoreingenommen in das Interview gegangen (ich kannte ihn vorher auch gar nicht). Vielleicht höre ich es noch ein zweites Mal durch.

  • Danke für die Freischaltung. Ich war mir nicht sicher, ob es klappt - man bekommt keine E-Mail…? Aber okay, alles gut.


    Das Gespräch hat ja eine überraschende Wendung genommen. Schön, wenn der Interviewer dem dann Raum gibt und auch unvorbereitet genug Informiertheit mitbringt, um darauf eingehen zu können. Gut gemacht! 👍


    Einiges von dem, was Heinz erzählt „aus dem Maschinenraum“ der Regierungsberatung, hat er übrigens schon mal aufgeschrieben, hier: https://soziologie.de/fileadmi…SOZIOLOGIE_Heft3_2022.pdf


    Ein Gedanke zum Thema „Aufarbeitung der Pandemiezeit“, der mir beim Hören des Interviews kam: Ich glaube, es wäre für beide Seiten, Maßnahmen-Befürworter und deren Kritiker, hilfreich, dass man der jeweils anderen Seite ein „Recht auf Angst“ zugesteht. Die Angst vor dem Ersticken aufgrund einer Virusinfektion ist ebenso legitim wie die Furcht vor dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz. Letzteres dürfte für Heinz, der erzählt, dass er dabei war, als abgewogen wurde, welcher Wirtschaftszweig geopfert werden soll - Dienstleistungen oder Produktion -, unmittelbar einsichtig sein.


    Einhergehen mit der Anerkennung des Rechts auf Angst sollte die Einsicht, dass niemand verpflichtet ist, meine eigene Angst zu teilen. Nicht jeder arbeitet im Dienstleistungsbereich und nicht jeder ist Risikopatient oder hat, wie Heinz, die Erfahrung des beinahe Erstickens gemacht. Die Ängste der Menschen sind so unterschiedlich wie die Menschen selber. Die einen sehen in der Impfung die Erlösung, die anderen empfinden sie als Gefahr. Niemand kann doch darüber entschieden, welches der beiden Gefühle „das Richtige“ zu sein hat.


    Wer diesen gedanklichen Schritt vollzogen hat, dem dürfte es leicht fallen, verbal abzurüsten - eine weitere Voraussetzung dafür, dass die von Heinz gewünschte Aufarbeitung gelingen kann. Wer den Andersdenkenden als „Idiot“ bezeichnet, der wird auch dessen Äußerungen als idiotisch ansehen, und wer meint, dass sein ehemaliger Kumpel oder der Chatkommentator „irgendwie komisch“ sind, der wird sich mit der Akzeptanz von deren Positionen genauso schwertun. Das Gleiche gilt natürlich umgekehrt auch für den Querdenker-Sympathisanten, der sich beschwert, weil er von Tilo eine andere Form von Regierungskritik erwartet hätte als den oft wiederholten Vorwurf, es werde zu wenig getan.


    Gegenpositionen akzeptieren, verbal abrüsten - so kann Aufarbeitung beginnen und vielleicht auch gelingen.


    Sorry für das „Wort zum Sonntag“…! 😏

  • Nochmal kurz zum Thema „Aufarbeitung der Pandemie“: Man sollte sich darüber im Klaren sein, was man selber von einer solchen Aufarbeitung erwartet. Geht es um Rechtfertigung, Verzeihen? Darum, Absolution erteilt zu bekommen? So wie bei Jens Spahn, dessen Corona-Buch offenbar mit eben dieser Intention geschrieben wurde? Oder geht es darum, anzuklagen und Täter an den Pranger zu stellen?


    Beides wird unvermeidbar sein, aber nicht immer zielführend, wenn es vor allem darum gehen soll, begangene Fehler zukünftig zu vermeiden. Viel wichtiger wäre daher, Gemeinsamkeiten zu finden: Wo gibt es mittlerweile Übereinstimmung zwischen Maßnahmen-Befürwortern und -Kritikern in Punkten, die vor ein, zwei Jahren noch heftig umstritten waren? Solche Gemeinsamkeiten lassen sich finden: „No Covid“ ist gescheitert, darüber herrscht inzwischen Einigkeit. Ein Virus, das über Aerosole übertragen wird, ist eben doch nicht ganz vergleichbar mit einem, das den direkten Kontakt und Austausch von Körperflüssigkeiten braucht. Stichwort „Verhaltensänderungen“, 1:26:26 in Interview mit Heinz.


    Das nur als Beispiel, weitere Übereinstimmungen aufgrund geänderter Faktenklage lassen sich garantiert finden: Maske draußen „war Schwachsinn“, sagt Lauterbach heute, Schulschließungen waren zu lange und kontraproduktiv. Auch einige Impfmythen sind heute obsolet, auf beiden Seiten: Weder löste die Impfung ein Massensterben aus, wie manche Impfskeptiker befürchtet haben, noch schützte sie vor Infektion und Weitergabe des Infekts - ein Mythos, ohne den es nie eine Diskussion um eine Impfpflicht gegeben hätte. Und dann müssen weitere Fakten auf den Tisch: Daten zur Übersterblichkeit beispielsweise gibt es ja, aus den verschiedensten Ländern.


    Ich weiß nicht, ob Heinz hier mitliest. Falls es ihm ernst ist mit dem Wunsch nach Aufarbeitung, dann ließen sich Gespräche sicher organisieren, auch mit prominenten Maßnahmen-Kritikern und Kritikerinnen.

  • Politik und Gesellschaft verweigern die von Heinz gewünschte Aufarbeitung. Nun passiert genau das, was als Folge dieser Verweigerungshaltung zu erwarten war: Die Verstetigung unguter, während der Pandemie begonnener Entwicklungen.


    ...

    Gabs da nicht zu Beginn des Ganzen ein passendes Zitat vom Snowden.


    Ich hab mal bei der aktuellen Talk im Hangar Sendung reingehört. War ganz interessant zu erleben, wie einer der Entscheider heute auf die Kritik reagiert, auch wenn er aufgrund des Sitzverhältnisses fortwehrend in der Defenesive war. Eine große Bereitschaft, die Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen, war nicht zu erkennen.

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