Warum Grünes Wachstum ein Mythos ist und was daraus folgt

  • Der Kapitalismus ist eine Mehrwertwirtschaft. Der Arbeitgeber muss den Arbeitern immer weniger zahlen als sie an Wert schaffen. D. h. die Arbeiter können niemals mit ihrem Lohn alles aufkaufen, was sie selbst hergestellt haben, egal wie hoch der Lohn ist. Das muss immer so sein. Nicht nur in Zeiten von Produktivitätszuwachs. Es gibt verschiedene Lösungen, wie die Arbeitergeber bei diesem Problem vorgehen können. Eine Lösung wäre z. B. die überschüssigen Waren in ein anderes Land zu exportieren oder dass die Reichen die Waren kaufen, alles in den Müll schmeißen ist auch eine Lösung (solange noch profit gemacht werden kann). Aber letztenendes existiert dieses Problem immer. Daher hat der Kapitalismus auch diese inhärente Krisenhaftigkeit.


    Dein Argument geht ein bisschen in die Richtung, dass man nur die Löhne erhöhen muss und dann wäre alles in Ordnung im Sinne der keynesianischen Wirtschaftstheorie.

    Was spricht dagegen, dass die Kapitalisten mit ihrem Profit den Teil der Produkte konsumieren, den sich die Arbeiter mit ihrem Lohn nicht leisten können? Der Profit wird ja nicht vollständig in die Akkumulation oder in die Zinszahlungen für die Kapitalgeber investiert. Der Kapitalist hat ja keine andere Einkommensquelle als seinen Profit. Ich gebe dir recht, dass das Geld für den geschaffenen Mehrwert zunächst mal überhaupt nicht vorhanden ist. Marx sagt z.B., dass schon für diese "Zirkulation des Mehrwerts" im Kapitalismus ein Kreditsystem notwendig ist. So können die Kapitalisten für den Konsum des gesamtwirtschaftlich geschaffenen Mehrwerts Kredite aufnehmen.

  • marty


    Du scheinst das ganze irgendwie so anzugehen, als gäbe es keinen Markt und keinen Staat, der ihn aufrecht erhät und stets darum bemüht ist, dem nationalen Kapital Wettbewerbsvorteile gegenüber ausländischem Kapital zu verschaffen, und seiner nationalen Industrie eine möglichst billige Rohstoffzufuhr zu sichern.


    Die Gesetze des kapitalistischen Produktionsprozesses und seiner "Wert"-Schöpfung, bzw. Mehrwertproduktion sind auch bei Marx erst mal nur eine grundsätzliche theoretische Grundlage. In der Praxis sind die Verhältnisse natürlich nicht nur durch die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten bestimmt, sondern auch durch jene zwischen kapitalistischen Staaten.

  • Was spricht dagegen, dass die Kapitalisten mit ihrem Profit den Teil der Produkte konsumieren, den sich die Arbeiter mit ihrem Lohn nicht leisten können? Der Profit wird ja nicht vollständig in die Akkumulation oder in die Zinszahlungen für die Kapitalgeber investiert. Der Kapitalist hat ja keine andere Einkommensquelle als seinen Profit. Ich gebe dir recht, dass das Geld für den geschaffenen Mehrwert zunächst mal überhaupt nicht vorhanden ist. Marx sagt z.B., dass schon für diese "Zirkulation des Mehrwerts" im Kapitalismus ein Kreditsystem notwendig ist. So können die Kapitalisten für den Konsum des gesamtwirtschaftlich geschaffenen Mehrwerts Kredite aufnehmen.

    Die Kapitalisten können im Allgemeinen nicht den ganzen Überschuss konsumieren, weil sie in die Expansion ihres Unternehmens investieren müssen. Das ist ja gerade der zentrale Unterschied zwischen dem feudalen Modus der Produktion und dem kapitalistischen. Im Feudalismus konsumierte der Grundherr den Mehrwert. Im Kapitalismus wird der Mehrwert vom Kapitalisten in die Expansion des Unternehmens investiert.

  • marty Krise der Überproduktion muss übrigens nicht nur mit fehlender Nachfrage der Arbeiter wegen zu niedrigem Lohn zu tun haben. Wenn der Markt mit Produkten geflutet wird, ist der Markt irgendwann gesättigt. Z. B. ein Unternehmen produziert Schraubenzieher aber jeder hat schon einen Schraubenziehen, niemand braucht einen. Möglichkeit, das zu umgehen ist z. B. geplante obsoleszens.

  • Die Kapitalisten können im Allgemeinen nicht den ganzen Überschuss konsumieren, weil sie in die Expansion ihres Unternehmens investieren müssen. Das ist ja gerade der zentrale Unterschied zwischen dem feudalen Modus der Produktion und dem kapitalistischen. Im Feudalismus konsumierte der Grundherr den Mehrwert. Im Kapitalismus wird der Mehrwert vom Kapitalisten in die Expansion des Unternehmens investiert.

    Deswegen meinte ich ja, dass nicht der gesamte Profit in die Akkumulation reinvestiert werden kann. Der Profit ist die Haupteinnahmequelle des Kapitalisten, um seinen Konsum zu finanzieren. Wenn 100 % des Profits reinvestiert würden, wovon sollte der Kapitalist dann leben bzw. was hätte er davon?


    Ich gebe dir jedoch recht, dass die durch konkurrenzbedingte Steigerung der Arbeitsproduktivität erzeugten Massen an Billig-Produkten nicht allein von den Kapitalisten konsumiert werden können. Denn hierzu ...

    reicht es jetzt schon, wenn im Zuge der Steigerung der Arbeitsproduktivität die Nominallöhne nicht in demselben Ausmaß sinken, wie die Arbeitsproduktivität steigt. So können sich gleichzeitig die Reallöhne der Arbeiter und der Mehrwert der Kapitalisten erhöhen, um das gesamte überschüssige Angebot konsumieren zu können.

    Das wiederum kann durch gewerkschaftliche Kämpfe erreicht werden.

  • In der Nature am 14 November wurde dieser Artikel veröffentlicht, der die CO2 Emmissonen für eine Decarbonisierung berechnet. Bei welchem CO2 Ausstoß würden wir landen wenn wir das verbliebene Öl zur Umsetzung einer Energiewende nutzen würden.


    Zitat

    Abstract

    Achieving the Paris Agreement will require massive deployment of low-carbon energy. However, constructing, operating, and maintaining a low-carbon energy system will itself require energy, with much of it derived from fossil fuels. This raises the concern that the transition may consume much of the energy available to society, and be a source of considerable emissions. Here we calculate the energy requirements and emissions associated with the global energy system in fourteen mitigation pathways compatible with 1.5 °C of warming. We find that the initial push for a transition is likely to cause a 10–34% decline in net energy available to society. Moreover, we find that the carbon emissions associated with the transition to a low-carbon energy system are substantial, ranging from 70 to 395 GtCO2 (with a cross-scenario average of 195 GtCO2). The share of carbon emissions for the energy system will increase from 10% today to 27% in 2050, and in some cases may take up all remaining emissions available to society under 1.5 °C pathways.


    Es ist in Essenz eine totale Abrechnung mit der Idee des Green Growth.


    Nate Hagens hat einen der Autoren hier im Interview:


  • Was dieser Artikel zeigt, ist,dass es unumstößliche Daten gibt, die einer Vision der Energiewende ohne Wachstums Einbußen, widersprechen. Auch Wohlmeinende Ingenieure wie LDR sollten diese Fakten realisieren und nicht weiter die Idee eines Techno-Fixes für die Energiewende versprechen. Die messbare Realität ist mit einer technischen Lösung nicht vereinbar. Eine veränderung unseres kollektiven Verhaltens ist unvermeidbar.

  • Du scheinst das ganze irgendwie so anzugehen, als gäbe es keinen Markt und keinen Staat, der ihn aufrecht erhät und stets darum bemüht ist, dem nationalen Kapital Wettbewerbsvorteile gegenüber ausländischem Kapital zu verschaffen, und seiner nationalen Industrie eine möglichst billige Rohstoffzufuhr zu sichern.


    Die Gesetze des kapitalistischen Produktionsprozesses und seiner "Wert"-Schöpfung, bzw. Mehrwertproduktion sind auch bei Marx erst mal nur eine grundsätzliche theoretische Grundlage. In der Praxis sind die Verhältnisse natürlich nicht nur durch die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten bestimmt, sondern auch durch jene zwischen kapitalistischen Staaten.

    Ich wüsste nicht, an welcher Stelle ich so argumentiert hätte, als gäbe es keinen Markt. Ich gebe dir recht, dass ich bei meinen bisherigen Aussagen den Staat größtenteils und den Weltmarkt komplett ausgeklammert habe.


    Den Staat und seine Funktion im Kapitalismus habe ich z.B. an folgender Stelle bereits erwähnt.

    Ich glaube, das, was du als "politischen Wandel" beschreibst, entspricht am ehesten meiner Vorstellung von einer Veränderung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse. Dieser Wandel ist aber noch umfassender zu verstehen, weil er die politischen Strukturen selbst mit einschließt. Die aktuellen politischen Strukturen schaffen durch ihre bürgerliche Gesetzgebung erst die Grundvoraussetzung, dass es "freie" und "gleiche" Privateigentümer gibt, die unbehelligt ihre Arbeitsprodukte zu gleichen "Werten" tauschen können. Weiter ist diese Politik von einem profitablen Funktionieren der so erst ermöglichten kapitalistischen Wirtschaft abhängig, da sie erst daraus ihre eigenen Mittel für eine politische Gestaltung beziehen kann.


    Die jetzige Politik ist aus meiner Sicht gezwungen, hinsichtlich der voranschreitenden Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen, auf technologische Innovationen zu setzen, da sich ausschließlich die vermeintliche Entkopplung des Ressourcenverbrauches von der ökonomischen Wertschöpfung mit der besprochenen Kapitalverwertungslogik vereinbaren lässt. Die Ergebnisse, die eine wachsende Wertschöpfung kombiniert mit einer übermäßigen Effizienzsteigerung, die sich im Kapitalismus durch die Konkurrenz-getriebene Steigerung der Produktivität (Steigerung des relativen Mehrwertes bei Marx) wohl ohnehin schon automatisch einstellt, zeigen sich dann in solchen Absurditäten, wie Rebound-Effekten.

    Die ganzen zusätzlichen Wechselwirkungen, die zwischen Staat und Wirtschaft existieren, sind nochmal ein ganz neues Level. Das Gleiche mit den Wechselwirkungen ganzer Volkswirtschaften auf dem Weltmarkt. Soweit ich weiß, wollte Marx in seiner "Kritik der politischen Ökonomie" diese Themen neben "Das Kapital" jeweils mit eigenen Buchbänden behandeln.


    Eine vereinfachte Betrachtung der Wechselwirkungen einzelner kapitalistischer Unternehmen untereinander ist mir persönlich schonmal komplex genug. :) Für eine stark vereinfachte Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Profitmaximierung und notwendig steigendem Konsum ist das, denke ich mal, schon hinreichend.

  • Ich wüsste nicht, an welcher Stelle ich so argumentiert hätte, als gäbe es keinen Markt.

    Das war vielleicht etwas unglücklich formuliert. Ich meinte natürlich den globalen Markt.


    Durch die Machtgefälle, die unterschiedlichen Produktivitätsniveaus und die Wechselkurse zwischen Nationen im internationalen Standortwettbwerb können sich so hoch entwickelte Industriegesellschaften wie die Deutsche als solche auch dann behaupten, und den Eigentümern des nationalen Industrie- wie des darin investierten internationalen Finanzkapitals fette Gewinne verschaffen, wenn ein großer Teil der heimischen Arbeiterschaft sich die mit deren Produktionsmitteln produzierten Waren gar nicht leisten kann.


    Das ist aber ein wichtiger Aspekt, den man bedenken muss, wenn man darüber diskutiert, ob und warum grünes Wachstum ein Mythos ist. Und da spielen eben auch politische Entscheidungen mit rein, die sich nicht direkt aus der Werttheorie ableiten lassen.

  • Was dieser Artikel zeigt, ist,dass es unumstößliche Daten gibt, die einer Vision der Energiewende ohne Wachstums Einbußen, widersprechen. Auch Wohlmeinende Ingenieure wie LDR sollten diese Fakten realisieren und nicht weiter die Idee eines Techno-Fixes für die Energiewende versprechen.

    Sorry, aber es gibt da keine "unumstößlichen Daten" oder "Fakten" die ich realisieren müsste, wir haben eigentlich nur ein gesellschaftliches Problem, kein technisches, genau das ist ja mMn so traurig...hauptsächlich aus Gründen des strukturellen Aufbaus des aktuellen Systems, eine kleine viel zu reiche Minderheit hat leider viel zu viel Macht und die aktuelle Abhängigkeit und zentralisierte Struktur der Ausbeutung soll möglichst lange nicht gegen ein dezentrales System getauscht werden...es ist nicht nur eine Frage von Klima und Umwelt, es ist ja auch eine soziale Frage, die EE können die Menschen unabhängiger machen und können deutlich mehr und deutlich günstigere Energie liefern als es die fossilen Rohstoffe jemals in der Lage gewesen wären, allerdings würde damit auch eine massive Disruption der wirtschaftlichen Strukturen einsetzen, genau das versuchen entsprechende Akteure mit aller Macht zu verhindern.


    Zu dem Artikel. ich habe jetzt aus Zeitmangel nicht den ganzen Artikel gelesen, aber nach 1 Minute hab ich gefühlt wieder 100x EROI gelesen, also kann ich mir schon denken in welche Richtung das wieder geht, darüber haben wir ja schonmal diskutiert, die Zahlen zum Energiebedarf für PV sehen zB grob so aus:

    Bei 2000kWh Energieeinsatz für 1kW PV Generatorleistung hat man grob über den Daumen gepeilt...2GWh pro MW Generatorleistung bzw 2 TWh pro GW Generatorleistung.

    Aktuell haben wir so 230TWh EE Strom im Jahr.

    Mit z.B. 30TWh davon könnte man 15GW PV Generatorleistung pro Jahr produzieren, deutlich mehr als wir bisher maximal installiert haben (Rekord ist 7,x GW).

    Man kann eine Energiewende daher auch ohne massives runterfahren der Wirtschaft erreichen, die Energiemenge reicht bereits mehr als aus...und technologische Verbesserung verringern den Energieaufwand und verkürzen die Amortisationszeit usw...

    Btw, die fossilen Rohstoffe für den Produktionprozess von möglichst viel EE zu verwenden ist im Vergleich zu manchen Alternativen noch eine der besseren Optionen die wir haben, die aktuelle Alternative ist nämlich der Verbrauch aller fossilen Rohstoffe ohne vorher ausreichend EE Zubau gehabt zu haben...und damit eine Zukunft in Energiearmut und dem damit enstehenden Leid und Elend.


    Dabei will ich - wie schon öfter gesagt - garnicht den Kapitalismus und sein unendliches Wachstum verteidigen, ich stehe nicht auf der Seite vom Kapitalismus bzw der Anhänger von "green growth", ich sehe nur die technischen Möglichkeiten und das Potential, die fossilen Energiequellen sind ein Witz gegenüber den EE

  • Ich wil dich nur von der Position wegbringen, dass Erneuerbare in der Lage wären ohne eine sozioökologische Transformation unsere Probleme zu bewältigen.


    Eine technische Lösung, die bei forgesetzten Wachstum die Erreichung der Klimaziele ermöglicht, gibt es nicht. Das hab ich bei dir aber nie so gehört. Auch bin ich nicht gegen den Einsatz von Erneuerbaren Energien oder dagegen die Transformation auch mit Fossiler Energie anzugehen, aber du versprichst die uneingeschränkte Wirtschaftsproduktion, bei gleichzeitigem Umbau auf erneuerbare Energien. Das ist was die Green Growth Enthusiasten ebenfalls versprechen. Dieses Versprechen ist aber nicht einlösbar sondern von Ideologie getrieben die die Grenzen des Machbaren ignoriert.

    Zu dem Artikel. ich habe jetzt aus Zeitmangel nicht den ganzen Artikel gelesen, aber nach 1 Minute hab ich gefühlt wieder 100x EROI gelesen, also kann ich mir schon denken in welche Richtung das wieder geht, darüber haben wir ja schonmal diskutiert, die Zahlen zum Energiebedarf für PV sehen zB grob so aus:

    Übrigens haben im Peer Review Prozess der Nature die Ideologen der Green Growth Ideologie auf den Artikel Eingewirkt und haben Modelle die die pessimistischsten eroi Werte der Erneuerbaren zugrundelegen verhindert. Die Studie ist also sogar biased in richtung optimistischsten eroi der Erneuerbaren. Anscheinend aber gibt es da einige Zahlen an denen du religiös festhältst und dich auch nicht von so kleinigkeiten wie jetzt schon dem zweiten Artikel im renommiertesten Naturwissenschatlichen Magazin abbringen lassen willst.

  • Deswegen meinte ich ja, dass nicht der gesamte Profit in die Akkumulation reinvestiert werden kann. Der Profit ist die Haupteinnahmequelle des Kapitalisten, um seinen Konsum zu finanzieren. Wenn 100 % des Profits reinvestiert würden, wovon sollte der Kapitalist dann leben bzw. was hätte er davon?


    Ich gebe dir jedoch recht, dass die durch konkurrenzbedingte Steigerung der Arbeitsproduktivität erzeugten Massen an Billig-Produkten nicht allein von den Kapitalisten konsumiert werden können. Denn hierzu ...

    Das wiederum kann durch gewerkschaftliche Kämpfe erreicht werden.

    Aso, Du meinst, wenn die Gewerkschaften höhere Löhne fordern, weil die Produktivität gewachsen ist? (genau dieses Argument haben ja die Gewerkschaften in den letzten Jahren bei den Tarifrunden angeführt). Dann wären Lohnerhöhung und gleichzeitig Mehrwerterhöhung für die Kapitalisten möglich? Aber wenn die Produktivität steigt, steigt auch der Output, d. h. es werden mehr Waren in gleicher Zeit produziert. D. h. das kann nicht alles von den Kapitalisten wegkonsumiert werden.


    Der Kapitalist reinvestiert nicht den ganzen Profit. Einen Teil des Profits reinvestiert er, einen Teil davon zahlt er sich selbst aus für seinen Konsum, einen anderen Teil kann er aber auch für Altersvorsorge ect. zurücklegen. Ich denke nicht, dass die Kapitalisten die ganzen überproduzierten Waren konsumieren. Ein Teil davon kann exportiert werden oder wird halt weggeschmissen. Im Kapitalismus gibt es immer Unterkonsumption und Überproduktion, egal wie hoch die Löhne sind. Wenn das nicht so wäre, wäre es kein Kapitalismus. Was ist denn der Punkt, den du machen willst? Dass man nur die Nachfrage erhöhen muss, indem man die Löhne erhöht? Genau das gleiche Argument macht auch Ulrike Herrmann.

  • Aso, Du meinst, wenn die Gewerkschaften höhere Löhne fordern, weil die Produktivität gewachsen ist? (genau dieses Argument haben ja die Gewerkschaften in den letzten Jahren bei den Tarifrunden angeführt). Dann wären Lohnerhöhung und gleichzeitig Mehrwerterhöhung für die Kapitalisten möglich? Aber wenn die Produktivität steigt, steigt auch der Output, d. h. es werden mehr Waren in gleicher Zeit produziert. D. h. das kann nicht alles von den Kapitalisten wegkonsumiert werden.

    Ja. Man darf nicht vergessen, dass sich durch die Steigerung der Produktivität die Lebenshaltungskosten verringern, da sich auch die Produkte in denjenigen Branchen verbilligen, die für die Lebenshaltung zuständig sind. Somit kann sich der tatsächlich ausgezahlte bzw. der Nominallohn verringern, ohne dass sich die Kaufkraft verringert. Wenn ich nach der Verdopplung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität nur noch den halben Lohn für meine 8 Stunden bekomme, kann ich mir mit der Hälfte des Lohns trotzdem noch dieselbe Menge an Lebensmitteln kaufen wie zuvor, weil die jetzt auch alle halb so teuer sind. Weil ich aber trotzdem meine 8 Stunden weiterarbeite, ist der von mir geschaffene Mehrwert größer. Wenn ich bspw. 4 Stunden für mich und 4 Stunden für den Kapitalisten gearbeitet habe, dann arbeite ich nach der Produktivitätssteigerung 6 Stunden für den Kapitalisten und 2 Stunden für mich, weil der Wert meiner "Ware Arbeitskraft" auf die Hälfte gesunken ist. Unter diesen Bedingungen reicht es schon, wenn er sich nicht die ganze Hälfte meines ursprünglichen Lohns einsteckt, sondern mir noch ein Viertel überlässt (wenn auch nur unfreiwillig). Dann habe ich ein Dreiviertel meines alten Lohns, jedoch hat sich meine reale Kaufkraft um ein Viertel erhöht (ich kann mir ein Viertel mehr von den neuen Billig-Produkten kaufen als früher) und sein Mehrwert ist um ein Viertel gestiegen. So können trotz Ausbeutung Kapitalist und Arbeiter dank Steigerung der Arbeitsproduktivität hinsichtlich ihrer realen Kaufkraft reicher werden, ohne dass der Kapitalist dabei substanziell etwas verliert.

    Ein Teil davon kann exportiert werden oder wird halt weggeschmissen. Im Kapitalismus gibt es immer Unterkonsumption und Überproduktion, egal wie hoch die Löhne sind. Wenn das nicht so wäre, wäre es kein Kapitalismus. Was ist denn der Punkt, den du machen willst? Dass man nur die Nachfrage erhöhen muss, indem man die Löhne erhöht? Genau das gleiche Argument macht auch Ulrike Herrmann.

    Wenn Produkte weggeschmissen werden, bedeutet das, sie wurden nicht verkauft. Davon hat der Kapitalist nichts. Das, was nicht verkauft wird, kann auch nicht zum Profit beitragen oder sorgt schlimmstenfalls für Verluste. Wenn der Kapitalist dauerhaft so produziert, dass das meiste weggeschmissen werden muss, dann macht er dauerhaft Verluste und muss irgendwann Insolvenz anmelden. Solche Kapitalisten überleben nicht lange.


    Der Punkt, den ich machen wollte, war, dass der Zwang zur Profitmaximierung im Kapitalismus notwendigerweise in der einen oder anderen Form zu einer Steigerung des Konsums der Privathaushalte führen muss. Der Treiber zur Steigerung des Konsums ist hier nicht der Bedarf, sondern Profitmaximierung und Konkurrenz.


    Das war hinsichtlich der Notwendigkeit eines Konsumverzichts aus ökologischen Gründen, der von Skidrow hier vorgeschlagen wurde, ein Plädoyer gegen den Kapitalismus bzw. der Versuch einer Begründung, warum evtl. eine Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse angestrebt werden sollte.

  • das ist das narrativ der Ökonomen, die Realität sieht anders aus. In den letzten Jahrzehnten, (ca seit 90) findet diese Form der Profitgenerierung nur noch marginal statt. Statt dessen wurde der Profit durch Lohndumping geschaffen. Outsourcing in die Länder in denen z.B. autoritäre Regime hungerlöhne durchsetzen können und Arbeiter unterdrückt werden, sorgen für billige Nahrungsmittel, Fernseher oder 2 € T-Shirts im Westen.


    Was wir heute vorfinden ist die Externalisierungsgesellschaft, die Profit auf Kosten der Umwelt, der Menschen in der Zukunft oder in anderen Ländern für die wenigen Überreichen generiert. Die realen Löhne sind selbst in den westlichen Industriegesellschaften gesunken und das angebliche generierte "Wachstum" kam ausschliesslich ganz oben an. Um so fortgeschrittener Industriegesellschaften sind, um so schwieriger wird es Profite durch tatsächliche Prduktivitässteigerung zu erwirtschaften.


    Wenn noch Wachstum stattfindet, dann in neu erschlossenen Märkten wie Mobiltelefone oder Spielekonsolen. Beispiel aus den 90ern: Sony hat zu zeiten der Playstation1 3% seines Umsatzes mit der Konsole generiert, aber 98% des Gewinns. Die Produktion von Fernsehern, Waschmaschinen oder anderen alltäglichen Konsumgütern ist schon lange Ausgereift. Der Spielraum für Produktivitätssteigerungen seit jahrzehnten ausgeschöpft.


    Desweiteren wird heute Profit generiert durch den Finanzkapitalismus und den Überwachungskapitalismus, was beides ebenfalls Teilaspekte der Externalisierngsgesellschaft sind. Im wesentlichen hat der Kapitalismus eigentlich aber schon immer vor allem Allgemeingüter/Commons Verwirtschaftlicht nachdem man die Allgemeinheit (die commoners) enteignet hat um sie dann in Arbeit zu zwingen die sie sonst nicht verrichten würden.


    Die Mähr vom Produktivitätsgewinn ist heute eine Lüge. Siehe dazu z.B.Robert J Gordon:


    growth.jpg


  • das ist das narrativ der Ökonomen, die Realität sieht anders aus. In den letzten Jahrzehnten, (ca seit 90) findet diese Form der Profitgenerierung nur noch marginal statt. Statt dessen wurde der Profit durch Lohndumping geschaffen. Outsourcing in die Länder in denen z.B. autoritäre Regime hungerlöhne durchsetzen können und Arbeiter unterdrückt werden, sorgen für billige Nahrungsmittel, Fernseher oder 2 € T-Shirts im Westen.

    Du hast recht, insofern man die Kombination Reallohnsteigerung/Mehrwertsteigerung durch Steigerung der Arbeitsproduktivität innerhalb Deutschlands betrachtet. Das war wohl sogar nur während der Wirtschaftswunderzeit bis in die 70er-Jahre möglich. Dieses Modell hat sich nun in die Entwicklungsländer verlagert, wo neben der Steigerung des "relativen Mehrwerts" sogar noch eine Steigerung des "absoluten Mehrwerts" (12-Stunden-Tag der Näherin in Bangladesch) möglich ist.


    Michael Heinrich fasst das in einem Beitrag sehr schön zusammen, der inhaltlich wohl dem von dir genannten Konzept der "Externalisierungsgesellschaft" entspricht.

  • Dieses Modell hat sich nun in die Entwicklungsländer verlagert, wo neben der Steigerung des "relativen Mehrwerts" sogar noch eine Steigerung des "absoluten Mehrwerts" (12-Stunden-Tag der Näherin in Bangladesch) möglich ist.

    Das war damit auch gemeint, als ich schrieb:

    Durch die Machtgefälle, die unterschiedlichen Produktivitätsniveaus und die Wechselkurse zwischen Nationen im internationalen Standortwettbwerb können sich so hoch entwickelte Industriegesellschaften wie die Deutsche als solche auch dann behaupten, und den Eigentümern des nationalen Industrie- wie des darin investierten internationalen Finanzkapitals fette Gewinne verschaffen, wenn ein großer Teil der heimischen Arbeiterschaft sich die mit deren Produktionsmitteln produzierten Waren gar nicht leisten kann.

  • Ein wichtiger Punkt den die Green growth Verfechter böswillig unterschlagen ist, dass der Löwenanteil der Produktivitätssteigerung durch den Einsatz von Diesel erreicht wurde. Transport, Schwerindustrie, Baugewerbe Bergbau uvm wird mit Diesel betrieben.


    In den letzten 15 Jahren, seit dem rückgang der Rohöl Produktion, sind global die verfügbaren Fossilen Brennstoffe immer leichter geworden. Fracking hat den Rückgang der ölproduktion angeblich ersetzt, aber statt Diesel wird heute vermehrt LNG gefördert. Bisher gibt es keinen nachhaltigen Ersatz für Diesel. Was passiert wenn wir die Diesel Industrie nicht mehr betreiben können wird bis Jetzt nicht beantwortet.


    Wie viele LKWs, Bagger oder Containerschiffe sind bisher elektrisch oder mir e-fuels betrieben?


    Der Anteil an LNGs und anderen minderen Brennstoffen wie Butan oder Propan beträgt inzwischen 40 Prozent der sog. Ölproduktion.


    Die Produktivitätssteigerungen durch den Einsatz von Fossilen Brennstoffen in der Vergangenheit sind nicht einfach so in die Zukunft zu übertragen. Was immer Diesel ersetzen wird,wird diesen massiven Produktivitätsgewinn nicht mehr erreichen.

  • Ich wil dich nur von der Position wegbringen, dass Erneuerbare in der Lage wären ohne eine sozioökologische Transformation unsere Probleme zu bewältigen.

    Das die EE alleine die Lösung für alle Probleme sind habe ich afair auch nie behauptet, sie müssen allerdings doch schon ein großer Bestandteil davon sein, daher verstehe ich nicht von welcher Position du mich wegbringen willst...die EE müssen ein Teil einer solchen sozioökologischen Transformation sein, jeder Mensch braucht Energie und möglichst jeder Mensch sollte davon profitieren, die Abhängigkeit von großen Energiekonzernen kann damit sehr stark reduziert (und teilweise sogar komplett beendet) werden, alleine damit könnte man eine deutliche Verbesserung der sozialen und ökologischen Probleme erreichen.

    Eine technische Lösung, die bei forgesetzten Wachstum die Erreichung der Klimaziele ermöglicht, gibt es nicht. Das hab ich bei dir aber nie so gehört.

    Ich bin kein Freund vom Kapitalismus und dem "unendlichen Wachstum", habe ich hier im Forum auch oft genug gesagt, verstehe nicht warum die mir ständig etwas unterstellen willst was ich so nicht direkt gesagt habe, du kannst daher langsam mal damit aufhören.


    Was ich übrigens rein technisch bewerten kann ist das Potential der EE, dieses Potential ist so extrem viel größer als es die fossilen Energiequellen je gewesen sind, im Vergleich zu dem auf fossilen Rohstoffen basierenden Energiesystem bieten die EE tatsächlich eine fast schon unendliche Menge an Energie, dagegen ist die fossile Energie ein Witz.

    Auch bin ich nicht gegen den Einsatz von Erneuerbaren Energien oder dagegen die Transformation auch mit Fossiler Energie anzugehen, aber du versprichst die uneingeschränkte Wirtschaftsproduktion, bei gleichzeitigem Umbau auf erneuerbare Energien.

    Das ist was die Green Growth Enthusiasten ebenfalls versprechen. Dieses Versprechen ist aber nicht einlösbar sondern von Ideologie getrieben die die Grenzen des Machbaren ignoriert.

    Nein, sowas verspreche ich nicht, du unterstellst mir das nur ständig, ich bin - wie schon gefühlt 100x wiederholt - gegen unendliches Wachstum, natürlich kann das rein logisch auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht funktionieren.


    Die Begrenzung vom Wachstum findet aber nicht durch zu geringes Potential der EE statt, sondern - angenommen man geht weiter dem Wachstumszwang nach - hauptsächlich durch Knappheit gewisser Rohstoffe und Überlastung der Ökosysteme, die EE bzw vorallem die PV/Solarenergie an sich könnten jedoch deutlich mehr Energie zur Verfügung stellen als es uns die bisherigen fossilen Energiequellen ermöglicht haben, die Frage ist halt nur ob es sinnvoll ist sich an einem durch Wachstumszwang entstandenen Energieverbrauch zu orientieren...wobei halt auch immer die Frage ist wofür die Energie eingesetzt wird, so wie es aktuell hier im Kapitalismus ist finde ich das auch einfach nur falsch, eine kleine reiche Minderheit wird immer reicher und gleichzeitig entstehen immer mehr Probleme im sozialen und ökologischen Bereich, davon bin ich nie ein Befürworter gewesen.


    Würde man allerdings in Zukunft - auch gezwungenermaßen durch den Klimawandel - große Mengen erneuerbare Energie für die Produktion weiterer EE Generatorleistung und für sowas wie (höchstwahrscheinlich in großen Teilen der Welt notwendige) Meerwasserentsalzung einsetzen...na dann hätte ich da eher kein Problem mit.

    Übrigens haben im Peer Review Prozess der Nature die Ideologen der Green Growth Ideologie auf den Artikel Eingewirkt und haben Modelle die die pessimistischsten eroi Werte der Erneuerbaren zugrundelegen verhindert. Die Studie ist also sogar biased in richtung optimistischsten eroi der Erneuerbaren. Anscheinend aber gibt es da einige Zahlen an denen du religiös festhältst und dich auch nicht von so kleinigkeiten wie jetzt schon dem zweiten Artikel im renommiertesten Naturwissenschatlichen Magazin abbringen lassen willst.

    Sorry, es stimmt einfach nicht, du ziehst dich da mit einem anscheinend falschen Verständnis vom Erntefaktor an etwas hoch was du mMn halt einfach nicht ausreichend verstanden hast, der Erntefaktor der EE ist bereits ausreichend gut (an guten Standorten 1-2 Jahre, teilweise sogar nur Monate...bei min. 20 bis 30 Jahren Betriebszeit) und wird auch in Zukunft immer besser.


    Deine Befürchtung bzw falsche Vorstellung der technischen Möglichkeiten nennt man im englischen Sprachgebrauch übrigens "Energy cannibalism"...

    Energy cannibalism refers to an effect where rapid growth of a specific energy producing industry creates a need for energy that uses (or cannibalizes) the energy of existing power plants. Thus during rapid growth the industry as a whole produces no new energy because it is used to fuel the embodied energy of future power plants.

    A related recent concern is energy cannibalism where energy technologies can have a limited growth rate if climate neutrality is demanded. Many energy technologies are capable of replacing significant volumes of fossil fuels and concomitant green house gas emissions. Unfortunately, neither the enormous scale of the current fossil fuel energy system nor the necessary growth rate of these technologies is well understood within the limits imposed by the net energy produced for a growing industry. This technical limitation is known as energy cannibalism and refers to an effect where rapid growth of an entire energy producing or energy efficiency industry creates a need for energy that uses (or cannibalizes) the energy of existing power plants or production plants

    ...aber das man für die Herstellung der EE bzw zB von PV Modulen auch ohne fossile Energie auskommt ist schon länger bekannt, dieses Konzept vom "Solar Breeder" ist über ein Jahrzehnt alt...

    The solar breeder overcomes some of these problems. A solar breeder is a photovoltaic panel manufacturing plant which can be made energy-independent by using energy derived from its own roof using its own panels. Such a plant becomes not only energy self-sufficient but a major supplier of new energy, hence the name solar breeder. Research on the concept was conducted by Centre for Photovoltaic Engineering, University of New South Wales, Australia. The reported investigation establishes certain mathematical relationships for the solar breeder which clearly indicate that a vast amount of net energy is available from such a plant for the indefinite future. The solar module processing plant at Frederick, Maryland was originally planned as such a solar breeder. In 2009 the Sahara Solar Breeder Project was proposed by the Science Council of Japan as a cooperation between Japan and Algeria with the highly ambitious goal of creating hundreds of GW of capacity within 30 years.

    ...wurde aber soweit mir bekannt bisher einfach nur darum nicht richtig umgesetzt weil fossile Energie bisher viel zu billig - bzw umgekehrt die Energie aus den EE zu teuer - gewesen ist, es ist daher bisher eher nur ein ökonomisches und kein technisches Problem gewesen.

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