marty Warum hast du denn deinen post gelöscht? Schade. Ich würde dem zustimmen, was du geschrieben hast. Wenn das Konsumniveau sinkt, dann würde das sehr wahrscheinlich Krisen auslösen, wie es auch die Theorie von Marx vorhersagt.
Um die Sache vielleicht doch noch einigermaßen rund zu bekommen, möchte ich im Folgenden auf meine Selbstkritik eingehen. Zu beachten ist, dass es sich dabei immer noch um stark vereinfachte und idealisierte Betrachtungen handelt, die das behauptete Problem (Zwang zur Profitmaximierung erfordert Steigerung des Konsums) nur andeuten können. Wie gesagt, beanspruche ich keinerlei Korrektheit meiner persönlichen Interpretation marxscher Theorie, die zugegebenermaßen noch sehr unvollständig ist. Eine Kritik meiner Aussagen ist mir immer willkommen.
Hier wäre allerdings erstmal zu differenzieren, inwiefern ein Zwang zur Profitmaximierung des Kapitals notwendigerweise eine Steigerung des Konsums der Privathaushalte nach sich zieht bzw. ob so eine Notwendigkeit überhaupt existiert.
Grundsätzlich muss hier zwischen den Privathaushalten der Kapitalisten und Lohnarbeiter bzw. zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterschieden werden. Der Privatkonsum der Kapitalisten speist sich aus dem Profit und derjenige der Lohnarbeiter aus dem Lohn. Wenn man für jede Branche isoliert ein einzelnes Kapital betrachtet, lässt sich aus dem Profitmotiv so noch keine Notwendigkeit zur Steigerung des Konsums der Kapitalisten oder Lohnarbeiter ableiten. Der Profit kann hier vollständig vom Kapitalisten konsumiert werden und ist somit prinzipiell durch seinen persönlichen Bedarf begrenzt, wie luxuriös der auch immer sein mag. Der Konsum der Arbeiter ist zunächst durch ihren Lohn begrenzt, der allerdings noch nicht ihrem Bedarf entsprechen muss und historisch diesem die meiste Zeit auch nicht entsprach. Dazu aber später mehr.
Allerdings stellt sich hier schon die Frage, woher gesamtwirtschaftlich das zusätzliche Geld kommt, um den Profit des Kapitalisten bzw. die Differenz aus dem Erlös des Warenverkaufs und der für die Produktion vorgeschossenen Investition in Produktionsmittel und Arbeitskräfte zu bezahlen. Laut Marx ist im Kapitalismus schon u.a. für diese "Zirkulation des Mehrwerts" die Vergabe von Krediten notwendig. So kann bspw. Kapitalist aus Branche B einen Kredit aufnehmen, um Kapitalist aus Branche A die Waren im Wert seines Profits abzukaufen. Da für diese Kredite Zinsen fällig werden, die letztlich aus dem Profit des Schuldners bezahlt werden müssen, gibt es schon hier eine Notwendigkeit zur Maximierung des Profits des Schuldners.
Laut Marx gibt es für den Kapitalisten nun zwei Möglichkeiten, seinen Profit zu maximieren. Bei der Steigerung des "absoluten Mehrwerts" wird der Arbeitstag der Lohnarbeiter bei gleich bleibendem Lohn ausgedehnt, was insbesondere in Gesellschaften mit schwach organisierter Arbeiterschaft praktiziert wurde und wird. Hier steigt also ausschließlich der Konsum der Kapitalisten, die sich u.a. gegenseitig als Schuldner und Gläubiger gegenüberstehen und ihre gegenseitigen Schulden durch eine bloße Arbeitszeitverlängerung der Arbeiterklasse finanzieren und das so geschaffene Mehrprodukt selbst konsumieren müssen, da wegen des konstanten Lohns der Arbeiterklasse sonst keine kaufkräftige Nachfrage vorhanden ist.
Wenn allerdings durch gewerkschaftliche Kämpfe die Länge des Arbeitstags begrenzt oder die Löhne erhöht werden, dann bleibt nur noch die Steigerung des "relativen Mehrwerts". Diese läuft in letzter Konsequenz auf eine Verringerung der Lohnkosten durch Steigerung der Arbeitsproduktivität hinaus. Hierzu muss ein gewisser Teil des Profits dem direkten Konsum entzogen und in neue Maschinen und Technologien reinvestiert werden. Das Kapital wird so "akkumuliert". Es können so bei gleich bleibendem Arbeitsaufwand die Produktmenge gesteigert und die Preise gesenkt werden. Der Tischler kann jetzt in vier Stunden zwei Tische statt einen herstellen, womit der Preis der Tische auf die Hälfte sinkt. Für das einzelne Kapital ist das so gesehen erstmal uninteressant, da das eigene Produkt (die Tische) nur zu einem verschwindend geringen Teil in die Lebenshaltungskosten der eigenen Lohnarbeiter eingehen und sich die Lohnkosten somit auch nicht wesentlich verringern.
Der eigentliche Antrieb zur Steigerung der Arbeitsproduktivität ergibt sich erst, wenn man pro Branche nicht wie bisher ein einzelnes Kapital betrachtet, sondern mehrere Kapitale, die miteinander konkurrieren. Erst unter diesen Bedingungen bringt eine Steigerung der Arbeitsproduktivität einen Wettbewerbsvorteil, da ein technischer Pionier eine höhere Produktmenge unterhalb des üblichen Marktpreises anbieten und trotz des geringeren Preises immer noch zu geringeren Lohnkosten produzieren kann als der Konkurrent. Er kann sich so einen temporären "Extramehrwert" verschaffen, der so lange erhalten bleibt, bis alle anderen Konkurrenten das neue Produktionsverfahren nachvollzogen haben. Gelingt ihnen das nicht, dann verlieren sie früher oder später alle Marktanteile und gehen bankrott.
Zur Veranschaulichung, wie sich diese Steigerung der Arbeitsproduktivität zwecks der Verschaffung eines temporären Extramehrwerts und der Sicherung des eigenen Überlebens innerhalb der eigenen Branche auf eine allgemeine Steigerung des Konsums der Privathaushalte auswirkt, kann man sich folgendes extrem stark vereinfachtes Beispiel vorstellen. Angenommen, die Arbeitsproduktivität der gesamten Wirtschaft verdoppelt sich bei gleich bleibender Länge des Arbeitstags, dann verdoppelt sich die Produktmenge, halbieren sich die Preise und halbieren sich die Nominallöhne, wobei die Reallöhne konstant bleiben, da sich auch die Lebenshaltungskosten halbiert haben. Es ist nun also die doppelte Produktmenge inkl. der dafür notwendigen Ressourcen- und Energieverbräuche als Resultat der kapitalistischen Konkurrenz vorhanden. Unabhängig davon, ob das jemand braucht oder nicht.
Da sich in dieser Beispielrechnung der Mehrwert der Kapitalisten um 50 % erhöht hat, die reale Kaufkraft der Arbeiterklasse aber zunächst konstant geblieben ist, kann man auch schon die grobe Tendenz erkennen, in welcher Klasse der Konsum des ganzen Krempels wohl am ehesten stattfindet. Nichtsdestotrotz reicht es jetzt schon, wenn im Zuge der Steigerung der Arbeitsproduktivität die Nominallöhne nicht in demselben Ausmaß sinken, wie die Arbeitsproduktivität steigt. So können sich gleichzeitig die Reallöhne der Arbeiter und der Mehrwert der Kapitalisten erhöhen, um das gesamte überschüssige Angebot konsumieren zu können.
Um nun also nochmal den Bogen zu Skidrow s Frage zu bekommen.
Also fassen wir zusammen: Die Menschen werden zum fliegen, kreuzfahren und SUVfahren gezwungen, solange all das, was du da beschreibst, nicht umgesetzt ist. Ist es das, was du aussagen möchtest?
Ja, aus meiner Sicht gibt es im Kapitalismus aufgrund der konkurrenzbedingten Steigerung der Arbeitsproduktivität, um weiterhin profitabel zu bleiben, eine Tendenz, mehr zu produzieren als eigentlich benötigt wird. Es besteht unter diesen Bedingungen ein Sachzwang, diese künstlich ausgedehnte Produktmenge irgendwie zu verkaufen und zu konsumieren.