Populismus - Freund oder Feind der Linken?

  • Also das was bisher noch nirgendwo richtig gemacht wurde, erst recht nicht im ehemals real existierenden Sozialismus, ist die Kontrolle über die Produktionsmittel wirklich den Mitarbeitern in die Hand zu geben. Dass muss man nicht beim Kleinbauern machen, sondern bei Konzernen. Diesen Punkt hat natürlich auch die alte soziale Marktwirtschaft nie abgedeckt. Insofern hat Utan recht. Allerdings, wie ich schon schrieb, deckt Frau W diesen Punkt ab. Insofern habe ich an ihrer "Utopie" nichts zu meckern. Das Kapital verliert also seine Macht, zumindest in den Schlüsselbereichen. Man müsste mal im Detail schauen ob man da noch mehr machen kann/muss. Aber es geht in jedem Fall in die richtige Richtung.

  • Don't do it Utan , it's a Trap!

    Ja, gell? Man bekommt eine Antwort, fühlt sich verpflichtet darauf zu reagieren, das wiederholt sich... Am Ende hat man jede Menge Zeit verloren und ist doch nicht wirklich weiter. Also belassen wir's dabei.


    Und es ist bei Wagenknecht auch nicht viel anders als bei Baerbock, sie hat Fans und Hater. Obwohl natürlich die Wagenknecht-Fans die viel klügeren sind... ;) (selbstironisches Grinsen).

  • [Nachtrag; Vielleicht kann ich später noch auf die neue, ausführlichere Argumentation eingehen. Jetzt leider erstmal nicht...]


    Also ich bin ja Naturwissenschaftler. Mir ist die Schrulle egal. Mir geht es eher um eine möglichst rasche Verbesserung der Zustände in D. Das sehe ich ganz pragmatisch.

    Nun, Naturwissenschaften sollten sich der Komplexität von Sachverhalten bewusst sein, und gerade "Zustände in D." auf "pragmatische" Weise "rasch" zu verbessern, das ist ggf. nicht die langfristig beste Option. Bei der Beck gebe ich dir recht.

  • Nun, Naturwissenschaften sollten sich der Komplexität von Sachverhalten bewusst sein

    Das lustige an Naturwissenschaft ist dass es für den Laien komplex und schwierig aussieht. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind aber ganz einfach. Energieerhaltung zum Beispiel. Man muss nur den ganzen unwichtigen Quatsch wegnehmen und zum Kern des Problems vordringen.

  • Allerdings, wie ich schon schrieb, deckt Frau W diesen Punkt ab

    Nein. tut sie nicht mehr - jedenfalls wenn man ihrem "Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt" aus ihrer aktuellen Kampfschrift (s.o.) folgt und das für ein ernsthaftes politisches Programm hält.


    Da geht's nicht mehr um die Vergemeinschaftung von Betrieben. Sie fordert die Zerschlagung von Mega-Konzernen und digitalen Überwachungskapitalisten, bzw. deren Umwandlungen zu Stiftungen - was in der Tat ein Eingriff in das Privateigentum wäre. Aber für alles was nicht unter diese Kategorie "Konzern" fällt, will sie lediglich mehr Mitbestimmung der Belegschaft in Großunternehmen und stellt sich vor, dass man die weiter marktwirtschaftlich auf einem irgendwie magisch entglobalisierten Markt betreiben kann, ohne dass externes oder gar ausländisches Kapital darin investiert werden muss.


    Die ultimative Entscheidung bei der Kreditvergabe sollen verstaatlichte Banken, also der Staat treffen. Das ist bestenfalls eine Annäherung an den "real existierenden" Sozialismus, aber eben auch nur bei großen Unternehmen und ohne den internationalistischen Anspruch, weil es ihr ja hauptsächlich darum geht die nationale Volkswirtschaft zu bewahren und vor schädlichen Einflüssen durch das internationale Finanzkapital (Amerika!) zu schützen. Die kleinen und Mittelständischen Unternehmen dürfen aber auch weiter in privater Hand der fleißigen deutschen UnternehmerInnen bleiben.


    Wagenknecht bedient dabei ganz klar die auch bei der fdP immer wieder hervor gekehrte Vorstellung, dass es kreativer, innovativer UnternehmerInnen bedürfe, um das mittelständische Rückgrat der deutschen Industrie zu erhalten und den Fortschritt voran zu treiben.

    Per Gesetz will sie lediglich dafür sorgen, dass nur noch der ehrbare Kaufmann ein solches Unternehmen leiten darf und nicht mehr der geldgierige Kapitalist. Man merkt schon recht deutlich, dass sie offenbar wenig bis gar keine empirische Kenntnis der Zustände gerade in den kleineren, oft eigentümergeführten Unternehmen hat, die ja nicht nur aus Herstellern von Spezialtechnik oder Zulieferern des Autokartells bestehen, die sich die knappe Ware gut ausgebildete Arbeitskraft durch relativ hohe Löhne und angenehmes Betriebsklima gewogen halten müssen, sondern vor allem aus Handelsbetrieben und Dienstleistern, deren wichtigste Ressourcen nicht physische Rohstoffe und hochqualifiziertes KnowHow sind, sondern möglichst billige Arbeitskraft.


    Von einer großflächigen Vergemeinschaftung der Unternehmen und deren demokratischer Organisation unter gleichberechtigten Mitarbeiter-EigentümerInnen - wie etwa bei Genossenschaften - ist nicht mehr die Rede. Und das ist auch nur folgerichtig, weil Wagenknecht ja auch weiter an der marktwirtschaftlichen Konkurrenz und dem Wettbewerb - auch dem internationalen, den sie ja nur einseitig zu gunsten der nationalen Wirtschaft protegieren will - als zentralen Elementen der Volkswirtschaft festhält, und eine Verlagerung des Produktionszwecks vom Profit auf den tatsächlichen Bedarf nur für die unmittelbare Daseins-Versorgung, wie etwa Gesundheit, Energie oder Infrastruktur für nötig erachtet.


    Fairerweise muss man dazu sagen, dass auch aus dem Rest der Linkspartei eher selten irgendwelche tatsächlich radikalen Ansichten bezüglich einer Transformation aus dem Kapitalismus kommen, und dass die eigentlich alle längst auf einen links-sozialdemokratischen Kurs eingeschwenkt sind, der nicht mehr die Überwindung des herrschenden Klassensystems zum Ziel hat, sondern vor allem die sozial gerechtere Verwaltung desselben durch mehr staatliche Umverteilung und Regulierung.


    Wagenknecht hat sich aber insofern von der Gesamtpartei abgesetzt, als sie wesentlich expliziter und gewissermaßen auch ehrlicher den Erhalt des deutschen Mittelstandes und seines Unternehmertums zur Sache der deutschen ArbeiterInnen und ihrer Arbeitsplätze erklärt hat, und damit weitgehend vom ursprünglich linken Gedanken einer Demokratisierung der Arbeit durch kollektive Übernahme der Produktuonsmittel abgerückt ist.

    Letztendlich ist das aber eigentlich nichts anderers, als Scholzens "konzertierte Aktion", oder die diversen "Bündnisse für Arbeit", die von vergangenen Regierungen angestrebt wurden, um die Angestellten und die Unternehmer hinter dem geimeinsamen Zweck des Erhalts der deutschen Wettbewerbsfähigkeit zusammen zu schweißen.


    Es mag sympathischer wirken, wenn man dabei wenigstens die Konzerne und ihre großen lobbyverbände ausklammert, aber es ändert sich nichts Grundsätzliches an der Tatsache, dass im Kapitalismus ein fundamentaler Widerspruch zwischen UnternehmerInnen und LohnarbeiterInnen besteht, weil erstere ein Interesse daran haben, ihre Lohnkosten zu senken und letztere daran, mehr Arbeitslohn zu bekommen.

    Und zum globalen Klassenkampf von Nord gegen Süd und Reiches Land gegen Armes Land fällt ihr ohnehin nichts klügeres ein, als die Zuwanderung der Menschen aus armen Ländern zu begrenzen, damit der deutsche Arbeiter keine Billiglohnkonkurrenz durch kulturfremde Migration bekommt.

  • Nein. tut sie nicht mehr - jedenfalls wenn man ihrem "Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt" aus ihrer aktuellen Kampfschrift (s.o.) folgt und das für ein ernsthaftes politisches Programm hält.

    Ich habe ihr letztes Buch auch nur als Hörbuch so nebenbei gehört. Da geht es tatsächlich eher oberflächlich zu, um Linksliberalismus und so weiter. Ich glaube nicht dass es das in vorherigen Büchern geschriebene ersetzt, sondern nur ergänzt. Aber wer weiss. Vielleicht hast Du ja recht. Man müsste sie da mal dazu befragen. Tilo kann sie ja mal wieder einladen.

    Einmal editiert, zuletzt von Vecna () aus folgendem Grund: Zitat mit rein

  • ich bin wie Vecna noch auf dem Stand von "Reichtum ohne Gier". Das neue Buch nur mal bei einer Autofahrt als Hörbuch reingezogen, da bleibt nicht allzuviel hängen.


    Ich habe ihr letztes Buch auch nur als Hörbuch so nebenbei gehört. Da geht es tatsächlich eher oberflächlich zu, um Linksliberalismus und so weiter. Ich glaube nicht dass es das in vorherigen Büchern geschriebene ersetzt, sondern nur ergänzt.

    Na sowas. Beide habt ihr nur das Hörbuch gelesen und allzu viel ist dabei nicht hängen geblieben.


    Seid ihr vielleicht zufällig im selben Auto gefahren?

  • Vielleicht sollte die Genossin Wagenknecht ihre neue Partei einfach "keine Partei" nennen.


  • Vielleicht sollte die Genossin Wagenknecht ihre neue Partei einfach "keine Partei" nennen.


    Das ist schon geil. Unsere Muster-Demokratie hat eigentlich nur noch 40% die mitmachen. Der Rest hat keinen Bock mehr. Aber alle von denen sind glaube ich nicht ganz abzuschreiben. Ich denke die meisten hier im Forum gehören zB dazu. Die könnte man wieder aktivieren.


    Das deckt sich aber mit andern Umfragen. Interessant ist zB diese repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Umfrage zeigt unter anderem auf wie sehr Deutschland auseinander driftet. Während die Oberschicht zu 57,5% mehr oder weniger zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie ist, ist es bei der Mittelschicht fast ausgeglichen. Dort sind 54,1% damit zufrieden. Aber die Unterschicht ist abgehängt und hat offenbar keinerlei Vertrauen mehr in dieses heutige politische System, denn hier sind 70,1% mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland unzufrieden.


    Man sieht auch wo die Menschen die Lösung sehen. Bei der Frage nach alternativen Regierungsmodellen wollten 42,2% dass die Bürger in regelmäßigen Volksentscheiden die wesentlichen Entscheidungen über Gesetze treffen. Für gewählte Abgeordnete als Entscheidungsträger sprachen sich 40,1% aus. Die Menschen sind also keineswegs mit der Demokratie an sich unzufrieden, sondern vor allem damit wie sie in Deutschland umgesetzt wird. Man will an den Entscheidungen demokratisch beteiligt werden. Das zeigt sich auch daran dass nur 16,2% dafür sind dass „neutrale Experten oder Verfassungsgerichte“ über die Gesetze entscheiden. Einen Diktator (eine „einzelne Führungspersönlichkeit mit umfassender Entscheidungsmacht“) wollen nur 1,3% der Deutschen.

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