Ich habe auch eine vage Erinnerung daran, dass dieser Aspekt der Diskussion damals eigentlich nur aufkam, weil irgendwer aus dem Force the Vote-Lager etwas über die Umsetzung des Boykotts von Pelosi gesagt hatte, was dieses Risiko aufmacht.
Nee. Das wurde auch von Ryan Grim so vertreten als wäre es quasi eine ausgemachte Sache, dass McCarthy Sprecher werden würde, wenn man Force the Vote durchzöge.
Nun darauf weißt er doch hin. Der Kommentar, den Seder vorliest ist entweder ein Strohmannargument oder eine verfälschende Vereinfachung, im Sinne von hätte man das damals gemacht, hätte man jetzt schon Medicare-For-All (dazwischen liegen ja nur zwei Jahre, wäre der Plan aufgegangen, wäre man lediglich näher dran).
Sein ganzer Rant zielt doch nur darauf ab, Leute die damals für Force the Vote waren als dumm und naiv hinzustellen, weil sie entweder daran geglaubt hätten, dass man damit tatsächlich M4A hätte erzwingen können, oder weil sie dachten, man könne mit einer namentlichen Abstimmung jene Demokraten öffentlich bloßstellen, die dagegen votiert hätten.
Letzteres war natürlich durchaus ein erklärtes Ziel der ganzen Sache. Ob das etwas bewirkt, und vielleicht mehr tatsächlich progressive KandidatInnen bei der nächsten Wahl gebracht hätte oder nicht, kann aber niemand sagen, weil man es ja gar nicht erst versucht hat, und weil seitdem die gesamte außerparlamentarische "linke" in den USA nur noch in einem hirnlosen Lagerkampf gefangen ist, während Sanders und die "progressives" völlig machtlos Biden und der korrupten, neoliberalen Parteiführung gegenüber stehen - sofern sie sich denen überhaupt noch entgegen stellen.
Seder postuliert das einfach trotzdem in seiner üblichen, völlig arroganten Art und Weise, damit er und seine Papageien im Studio sich gegenseitig bestätigen können, wie viel intelligenter sie sind, weil sie glauben, die arkanen Prozesse hinter einem bald 250 jahre alten parlamentarischen System aus der Skalvenhaltertzeit besser zu durchschauen, als Leute die wenigstens versuchen, diese ganzen parteipolitischen Ränkespiele nicht mitzuspielen.
Typen wie Sam Seder wären in Deutschland auch überzeugt davon, dass man die Grünen nur endlich mal richtig machen lassen und von sPD und fdP befreien müsse, damit sie den deutschen Kapitalismus in eine ökosoziale Marktwirtschaft verwandeln können.
Nicht, dass ich glauben würde, in den USA ließe sich mit parlamentarischer Demokratie noch viel gegen die allgemeine Regression in feudalistische Zustände ausrichten, aber den Leuten von TYT, Majority Report oder - mit Abstrichen - auch Ryan Grim dabei zuzugucken, wie sie immer wieder systemtragende demokratische ParteisoldatInnen gegen Kritik von etwas weiter links verteidigen, während sie sich selbst für die linke Avantgarde halten, ist schon ziemlich unangenehm.