News-Aufreger und Absurditäten des Tages

  • a das ist alles richtig, hat jetzt aber inwiefern damit zu tun, dass die Rechtsprechung gerecht sein soll bzw Gerechtigkeit als oberstes Ziel hätte?

    Na ja,


    Ob sie das als oberstes Ziel hat, oder ob es dabei eigentlich eher um die Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung geht, ist natürlich eine ideologische Diskussion.


    Aber wenn die Mitglieder der Bevölkerung nicht der Ansicht wären, dass der Rechtsstaat dazu da sei, ihnen Gerechtigkeit vor dem Gesetz zu garantieren, dann verlöre er seine Legitimation in den Augen der Leute, die der Gesetzgeber eigentlich demokratisch vertreten soll.


  • Weihnachtsgeld, unbekanntes Phänomen im Sozialstaat, eine Gemeinde in Bayern zahlt es, der Rest soll auch zu Weihnachten von dem 5Euro-Tagessatz leben. Ist mir persönlich Schnuppe, traurig für die vielen enttäuschten Kinder und dadurch leidenden Eltern.


    Was man nicht so alles einfällt um den Konsum am laufen zu halten, dabei dachte ich da sollte sich mal etwas ändern? Also doch weiter alte Normalität...

  • https://nationalinterest.org/b…on-against-armenia-170763


    Interessant, Trump hat in der Turkey und Azerbaidscham viel Geld investiert und er wird keinen Finger rühren. Dann muß eben Russland die Weltplizei machen, bisher machen sie es ja relativ mit hohen moralischen Ansprüchen, im Gegensatz zum US-Desaster vorher...



    Erdogan has made a game-changing move: deploying jihadists to the Caucasus. At least 1,600 mercenaries have been deployed from Syria and Libya to Nagorno-Karabakh. They are affiliated with ISIS, Al-Nusra, Ahrar al-Sham, Sultan Murad, Suleyman Shah, and Hamza factions, which are notorious for committing atrocities and crimes against humanity including sexual violence.

  • In Zeiten von Internet und sozialer Netzwerkerei kann sich kein Gericht mehr auf den kleinen Personenkreis berufen.


    Die Grundlage für das sich berufen auf die Pressefreiheit muß die Gesamtheit der Leserschaft sein,

    nicht nur der Bild- Pöbel.

    Meiner Meinung nach hat die Gesamtheit der Zeitungslesenden nicht zu interessieren, wenn Lappalien vorfallen.

    Ich bin allerdings auch grundsätzlich dagegen, daß sich Gerichte mit Heckenhöhenstreitereien befassen sollten.

    Es wäre nach meinem Pressefreiheitsverständnis absolut in Ordnung gewesen, hätte im Text gestanden, daß Leute nach den Plünderungen Sachen, die auf der Straße lagen, aufsammelten.

    Die Bild handelt nicht nach Pressekodex, sondern nach der Regieanweisung einer erfundenen Ordnungsamt- Seifenoper, mit fiktivem Drehbuch und realen Darstellern.

    Und eben dieses Spiel mit zur Gewißheit umfunktionierten Geschichten, schadet der Pressefreiheit insgesamt.

    Ums noch mal ganz klar zu sagen: die Bild dichtet Leuten niederste Motive an, zum Zwecke der klatschsüchtigen Kundschaft, die mMn zu 99% keinerlei Interesse an einer Richtigstellung durch z.B. ein Gerichtsurteil haben. Dadurch kann sich Bild in diesem Fall, der ein ebensolches Konstrukt darstellt ( und im übrigen schon Wiederholungstäter in der Sache ist) nicht auf die Pressefreiheit berufen, deren Grundlage die Klärung und nicht Verschleierung von Sachverhalten ist.


    So: Da du von allen eine Interpretation des Urteils erwartest, hätte ich jetzt mal gern Deine Motive gehört. Und sei bitte so gut und befleißige Dich einer klaren Sprache; ich muß dein Zeug immer 2x lesen.

  • Aber wenn die Mitglieder der Bevölkerung nicht der Ansicht wären, dass der Rechtsstaat dazu da sei, ihnen Gerechtigkeit vor dem Gesetz zu garantieren, dann verlöre er seine Legitimation in den Augen der Leute, die der Gesetzgeber eigentlich demokratisch vertreten soll.

    Rechtsstaat heißt bei uns, dass du Anspruch auf ein ordentliches Verfahren hast. Das mit der Gerechtigkeit ist zwischen dir und deinem Gott zu klären.

  • Rechtsstaat heißt bei uns, dass du Anspruch auf ein ordentliches Verfahren hast. Das mit der Gerechtigkeit ist zwischen dir und deinem Gott zu klären.


    Aber mein Gott ist schon seit ungefähr dreißig Jahren tot.


    Was mache ich denn jetzt?


    Scherz beiseite - Da ich ja zugegebenermaßen wenig bis gar keine Ahnung von der Jurisprudenz habe, schleppe ich mal einen an, der es damit immerhin bis zur höchstrichterlichen Autorität gebracht hat, um klar zu machen, dass man nicht nur als nicht-jurist gegenüber dem Rechststaat durchaus der Auffassung sein kann, dass sich dessen institutionelle VertreterInnen nicht einfach darauf berufen können, dass Lebenswirklichkeiten die sich außerhalb von Gesetzestexten und -Büchern abspielen für ihre richterliche Einschätzung von Sachverhalten keinerlei Relevanz hätten, wenn sie Urteile fällen, die sich z.B. mit der höchst moralischen Verurteilung von BürgerInnen in der veöffentlichten Meinung befassen:


    Hat A "nein" gesagt? Hat B geschlagen? Hat C gedacht, er habe gar keinen Anspruch auf Leistung? Hielt D für möglich, dass X stirbt oder verletzt wird? Wer sagte wann was zu wem, und warum? Das ist der "Lebenssachverhalt". Er ist so unendlich wie das Leben selbst, drum heißt er so. Das Gericht muss herauskriegen, welche Geschehnisse sich zutrugen, und dann, ob sie – zufällig oder nicht – unter die "Merkmale" eines "Tatbestands" fallen.

    Dabei gehen die Richter natürlich nicht, wie die Formulierungen suggerieren, wie unschuldige Kinder durch die Welt, sperren die Äuglein auf und schauen einmal, ob ihnen wohl ein Tatbestand bekannt vorkommt. Denn auch die Wörter, die sie benutzen und die das Gesetz benutzt, sind ja nicht unschuldige Laute, sondern jahrtausendealte Symbole, uralte Zaubersprüche, Träume, Erlebnisse, Freuden, Schmerzen. Ein Mensch kann nicht "Schmerz" denken, oder "Wunde", oder "Hass", ohne sich darunter etwas vorzustellen, also ohne es zu fühlen.

    "Er versetzte ihr einen wuchtigen Faustschlag in das Gesicht, der ihr Nasenbein und den Oberkiefer brach." Das kann man so lange lesen, wie man will, und immerzu sagen: So ist das nun mal bei der Körperverletzung im Familienkreis. Man wird aber doch immer ein Bild haben, und jedes Bild wird anders sein; die Bilder sind so unterschiedlich wie die Menschen.

    Deshalb ist es Unsinn, von Richtern zu verlangen (oder von Richtern über sich selbst zu sagen), sie sollten "neutral" sein gegenüber den Worten, Bildern, Erinnerungen, Gefühlen, Schlussfolgerungen, Erfahrungen ihres eigenen Lebens. Man kann und sollte diese Erfahrungen freilich halbwegs im Griff, das heißt im Bereich des Bewussten haben, wie ein Psychotherapeut seine Gefühle im Gespräch mit dem Patienten. Psychotherapeuten lernen das. Auf Juristen kommt es durch Bestehen des Staatsexamens herab. Sehr viele von ihnen sind tatsächlich überzeugt, eine unvorstellbar große Fähigkeit und Kraft zur Neutralität zu besitzen. Sie lassen sich davon auch durch überzeugende Experimente und Erfahrungen nicht abbringen. Sie hören die Begriffe "Ankereffekt" oder "Schulterschluss", aber sie denken, das habe mit ihnen selbst nichts zu tun. Mit anderen Worten: Gerade die bornierte Gewissheit, immer das Richtige zu denken, einfach weil man es soll, führt dazu, dass man es nicht kann.

    Natürlich spricht der Kolummnist und ehemalige Bundesrichter im Zitat über sein Spezialgebiet, das Strafrecht, während sich das hier diskutierte Urteil des BGH auf einen Zivilprozess bezog. Aber das ändert ja nichts daran, dass auch RichterInnen letzter Instanzen in beiden Fällen eben nicht frei von Voreingenommenheiten ihre Urteile fällen können.


    Wie gesagt. Ich behaupte nicht, dass das kein rechtmäßiges Urteil gewesen sei. Aber es war halt ein sehr dummes.

  • Aber das sind wir bei einer anderen Frage. Die Unvoreingenommenheit von Richtern ist was anderes als der Maßstab des unvoreingenommenen Publikums. Der Maßstab erscheint mir schon durchdacht, denn wir mögen zwar alle unsere eigenen Vorurteile über das Publikum der Bild haben, aber das ist alles andere als objektiv. Der Versuch einer Ermittlung mag da einige Überraschungen bergen. Mit den kognitiven Verzerrungen und Tendenzen von Richtern muss man jenseits der Ausbildungsmethoden, mit denen man versucht entgegenzuwirken, leben.


    Keiner hat gesagt, dass nen Rechtsstaat unmoralisch ist oder Moral und Ethik darin nicht vorkommen oder es nicht auch darum in ihm ginge. Du machst nun inhaltlich den Fehler, den ich sprachlich machte. Du verwechselst Judikative und Legislative bzw vertauscht zumindest manche Aufgaben.


    Allerdings würde der Gesetzgeber die Freiheit der Presse dahingehend stärker einschränken, dass der Duktus der Bild so nicht mehr möglich ist, wäre nicht ganz auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht eine zu starke Beeinträchtigung eben dieser Freiheit sieht und die gesetzliche Reglung mindestens in Teilen für ungültig erklärt.

  • Aber das sind wir bei einer anderen Frage. Die Unvoreingenommenheit von Richtern ist was anderes als der Maßstab des unvoreingenommenen Publikums.

    Na ja. Eigentlich bin ich damit wieder bei meiner ursprünglichen Frage, nämlich:


    ...wenn führende, praktizierende RechtsexpertInnen des Landes ernsthaft davon ausgehen, dass es sich bei der Zielgruppe der BILD-Zeitung um ein gegenüber von ihr explizit als (linke) "Verbrecher" betitelten Menschen unvoreingenommenes und verständiges Publikum handele, dann muss man doch schwere Zweifel daran haben, ob die wirklich über die nötigen geistigen Fähigkeiten verfügen, um sich als RichterInnen einer letzten Instanz zu betätigen.

    Womit ich vor allem zum Ausdruck bringen wollte, dass der Maßstab des unvoreingenommen Publikums in diesem speziellen Fall einer expliziten und gezielten Kamapgne gegen mutmaßlich linke "Verbrecher" in einem nunmehr seit gut zwei Generationen für seine Anti-linke Haltung bekannten Organ der Niedertracht eigentlich nur dann guten Gewissens anzuwenden wäre, wenn seine richterlichen AnwenderInnen dabei eine besonders weltfremde, oder gar kognitiv beeinträchtigte Geisteshaltung an den Tag legten.


    Andernfalls wäre zumindest in Erwägung zu ziehen, ob bei der Mehrhreit der urteilenden Senatsmitglieder womöglich eine mit den politischen Zielen des beklagten Fake-News-Vermarktungsunternehmens konform gehende Voreingenommenheit vorliegen könnte.

  • Es ist ihr job diesen Maßstab anzuwenden.


    Ich weiß nicht genau, wo er etabliert wurde, aber hier ist ein älteres Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, der Fall "Soldaten sind Mörder" hat man vielleicht schonmal gehört, wo er genauer ausgeführt wird:


    https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv093266.html


    Zitat

    3. Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist allerdings, daß ihr Sinn zutreffend erfaßt worden ist. Fehlt es bei der Verurteilung wegen eines Äußerungsdelikts daran, so kann das im Ergebnis zur Unterdrückung einer zulässigen Äußerung führen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß sich eine solche Verurteilung nachteilig auf die Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit im allgemeinen auswirkt, weil Äußerungswillige selbst wegen fernliegender oder unhaltbarer Deutungen ihrer Äußerung eine Bestrafung riskieren (vgl. BVerfGE 43, 130 [136]). Da unter diesen Umständen schon auf der Deutungsebene Vorentscheidungen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Äußerungen fallen, ergeben sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur Anforderungen an die Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze, sondern auch an die Deutung umstrittener Äußerungen.


    Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Maßgeblich ist daher weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 82, 43 [52]).


    Urteile, die den Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrundelegt, ohne vorher die anderen möglichen BVerfGE 93, 266 (295)BVerfGE 93, 266 (296)Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (vgl. BVerfGE 82, 43 [52]). Dabei braucht das Gericht freilich nicht auf entfernte, weder durch den Wortlaut noch die Umstände der Äußerung gestützte Alternativen einzugehen oder gar abstrakte Deutungsmöglichkeiten zu entwickeln, die in den konkreten Umständen keinerlei Anhaltspunkte finden. Lassen Formulierung oder Umstände jedoch eine nicht ehrenrührige Deutung zu, so verstößt ein Strafurteil, das diese übergangen hat, gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Dabei muß auch bedacht werden, daß manche Worte oder Begriffe in unterschiedlichen Kommunikationszusammenhängen verschiedene Bedeutungen haben können. Das ist unter anderem bei Begriffen der Fall, die in der juristischen Fachterminologie in anderem Sinn benützt werden als in der Umgangssprache. Es ist daher ebenfalls ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, wenn der Verurteilung der fachspezifische Sinn zugrunde gelegt wird, obwohl die Äußerung in einem umgangssprachlichen Zusammenhang gefallen ist (vgl. BVerfGE 7, 198 [227]; 85, 1 [19]).


    Hier geht es natürlich um Strafrecht und eine private Äußerung anstatt Zivilrecht und Berichterstattung, aber wie im ersten Satz steht, ist das ein Maßstab für die rechtliche Würdigung jeder Äußerung.


    Der BGH hat für den Fall der G20-Berichterstattung von Bild nicht diesen Maßstab herausgesucht, sondern soweit ich es verstehe wird der immer verwendet. Insofern ist die Kritik an der Verwendung des Maßstabs nur in diesem Fall aus meiner Sicht inkonsistent, da es ein etablierter Standard ist, von dem man nicht einfach so abweichen kann. Das Urteil geriete sonst in die Gefahr nicht grundrechtskonform zu sein, entsprechend der zitierten Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes.


    Also ich würde sagen, man kann entweder den Maßstab als solchen kritisieren, oder man kann kritisieren, dass die Richter nicht erkannt haben, dass auch anhand des Maßstabs eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums die Berichterstattung als Persönlichkeitsbeeinträchtigung dieser Frau anzusehen ist, die nicht mehr durch das gegenstehende Recht auf Meinungsäußerung aufgewogen wird.


    Aber der Vorwurf, dass sie den Maßstab anlegen:


    [...] der Maßstab des unvoreingenommen Publikums in diesem speziellen Fall [...] eigentlich nur dann guten Gewissens anzuwenden wäre, wenn seine richterlichen AnwenderInnen dabei eine besonders weltfremde, oder gar kognitiv beeinträchtigte Geisteshaltung an den Tag legten.


    ist ein Vorwurf, dass sie ihre Arbeit machen. Was zudem im Fall von Richtern nicht selten bedeutet, dass ihre eigenen Ansichten - mehr oder weniger erfolgreich - zurückstellen müssen.


    Übrigens sieht man ja an den Entscheidungsgründen der Vorinstanz, dass die auch einen solchen Maßstab anlegen:


    Zitat

    Zwar entnehme der Durchschnittsleser der angegriffenen Bildberichterstattung keinen weitergehenden konkreten Tatvorwurf gegenüber der Klägerin, als dass sie sich unter Ausnutzung des im Rahmen der gewalttätigen Krawalle anlässlich des G20-Gipfels ausgelösten Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung fremdes Eigentum angeeignet habe, wie es in dem Artikel bildlich dokumentiert und in der Bildunterschrift beschrieben werde. Allerdings werde in der Wortberichterstattung die Plünderung von Geschäften (rechtlich unzutreffend) als schwerer Landfriedensbruch eingeordnet. Durch die Berichterstattung werde eine Stigmatisierung zu Lasten der Klägerin entfaltet, welche wertungsmäßig auf eine Stufe mit den Gewalttätern und Schwerkriminellen gestellt werde.


    Die Einschätzung im ersten Satz ist die gleiche. Der Unterschied, ist die Würdigung ab "Allerdings ...", wo der BGH zu einer anderen Bewertung gekommen ist.

  • also jetzt wird's aber schon ein bisschen absurd, Wemir


    Wir sind offensichtlich beide keine Juristen, aber im ersten Deiner Zitate vom Bundesverfassungsgericht folgt direkt auf den ersten Abschnitt der Dir darin relevant erscheint der folgende...:


    Zitat

    Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht


    Es wird somit also genau nicht darauf abgestellt, dass allein der Wortlaut entscheidend dafür sei, welcher Sinn mit einer Aussage vermittelt werden soll, sondern auch der sonstige Kontext in welchem sie getätigt wurde - also zum Beispiel der Kontext eines anti-linken Kampfblattes, in welchem die Klägerin mit einem Volks-Fahndungsaufruf gegen gewaltbereite "Verbrecher" zusammen erwähnt und fotografisch abgebildet wird.

    Aus meiner Sicht bestätigen somit sowohl das Verfassungsgericht als auch die Urteilsbegründung der Vorinstanz, die Du ja ebenfalls zitiert hast, dass der Sinn der Behauptungen, gegen die sich die Klägerin zur Wehr setzen wollte, offensichtlich im Ermessen des Gerichtes liegt, und nicht nach irgendwelchen völlig objektiven Maßstäben erst vom BGH unzweideutig festgestellt werden konnte.


    Aber das werden wir hier sicher nicht klären. Wahrscheinlich könnten wir das nichtmal wenn wir zwei juristen mit drei Meinungen wären.

  • Der Vorwurf, den du ursprünglich gebracht hast (in der Form die Leser der Bildzeitung sind kein unvoreingenommenes und verständiges Publikum) und dann gerade nochmal wiederholt hast (in der Form ein unvoreingenommes Publikum kann man nur unter kognitiver Beeinträchtung voraussetzen), ist ja, dass sie den Maßstab anlegen, nicht dass sie ihn falsch anwenden.


    Dass ein Maßstab hier nur eine Metapher ist, nicht tatsächlich sowas so einfach verwendbares wie ein normiertes physisches Objekt, das man nur richtig anlegen und ablesen muss, hielt ich für selbstverständlich. Natürlich spielt Ermessen hier eine Rolle, aber das ist jedenfalls aus meiner Sicht nicht der Streitpunkt. Sondern du wirst doch zugeben, es ist ein Unterschied zu kritisieren, dass man einen Maßstab verwendet im Gegensatz dazu die Interpretation zu kritisieren, zu der man anhand des Maßstabs kommt. Kann man beides machen, aber der Adressat der Kritik am Maßstab sollte dann das deutsche Rechtssystem an sich sein und nicht nur dieses einzelne Richtergremium.


    --


    Zu dem Satz, den du hervorgehoben hast: Es geht um einen Äußerungsteil, nicht um die Äußerung und den Kontext, in den sie eingebettet ist. Der BGH hat sich nicht isoliert mit einem Teil der Äußerung auseinandergesetzt, sie haben das Bild inklusive vergrößertem Bildausschnitt, die Bildunterschrift, den Text und die Überschrift, sowie die Gesamtheit, erwogen. Sicherlich gibt es Konstellationen, wo man zusätzlich den Kontext einer Äußerung würdigen muss wie eine Publikation, in der sie getätigt wurde. Aber in den Einscheidungsgründen der Vorinstanz spielt der Umstand, dass der Bericht in der Bild erschienen ist, zum Beispiel auch keine Rolle.


    Ich denke vom Prinzip her soll eine solche Prüfung einer Berichterstattung auch möglichst unabhängig von ihren Autoren oder deren Verlag erfolgen. Wenn in dem Urteil steht, weil es die Bild ist, legen wir XY gegen sie aus, stünde ich an deren Stelle als nächstes vor dem Verfassungsgericht. Vielleicht ist das aber auch schon im Maßstab des unvoreingenommenen Publikums enthalten: Der schließt möglicherweise ein, unvoreingenommen auch gegenüber dem Medium. Würde man überlegen wie ein unvoreingenommenes Publikum, die Gesamtheit einer Ausgabe von Bild sieht oder gar die Gesamtheit der Publikationen der Bildzeitung, kommt man auch zu anderen Einschätzungen. Keine Ahnung nach welchen Vorgaben der Beurteilungsrahmen gesetzt wird, vermutlich nicht zu weit.

  • So: Da du von allen eine Interpretation des Urteils erwartest, hätte ich jetzt mal gern Deine Motive gehört. Und sei bitte so gut und befleißige Dich einer klaren Sprache; ich muß dein Zeug immer 2x lesen.

    Meinungsaustausch


    Input bekommen, möglichst für einen selbst neuen


    Horizonterweiterung


    der bereits genannte Punkt mit dem inneren Zwiespalt


    Insgeheim hatte ich darauf gehofft, überzeugende Argumente dafür zu bekommen, das Urteil als falsch zu empfinden. Also quasi meinen Zwiespalt zu lösen und es am Ende nicht nur anhand der eigenen Moralvorstellungen als falsch, dumm, schlecht, etc zu empfinden.

  • Es fällt Dir sicher noch ein Argument ein, wenn es Dich so beschäftigt.

    Oder Du kommst zu dem Schluß, daß solche Urteile immer einen moralischen Kontext haben müssen. Es wäre z. B. in Singapur anders formuliert worden.

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