#670 - Historiker & Philosoph Philipp Blom

  • Dienstag (31.10.), ab 14 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Philipp Blom. Er studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford, wo er 1996 mit einer Dissertation über die Nietzsche-Rezeption und das Rassendenken im Kulturzionismus promoviert wurde. Zuletzt veröffentlichte er das Buch "Die Unterwerfung - Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur"


    Her mit euren Fragen zur menschlichen Unterwerfung der und Herrschaft über die Natur!


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  • Nun, die Klimakrise ist nicht nur abstrakt und schwer zu durchschauen. Sie stellt einen Großteil aller wirtschaftlicher Aktivität infrage. Diese wirtschaftlichen Aktivitäten mögen zu einem großen Teil überflüssig sein (Tourismus, Reklame, Streaming, überbordender Fleischkonsum, Just-in-Time-Logistik, kurzlebige Produkte), ABER diese Wirtschaftsweise hält momentan 8 Mrd. Menschen am Kacken. Eine schnelle Umstellung auf ganz andere Methoden und Technologien wird sehr viele Menschen das Leben kosten, bevor dann wieder 8 Mrd. mit anderen Methoden existieren können.

  • Zu der Frage, woher die Wachstumsideologie kommt:


    Das politische Programm der USA in der Nachkriegszeit im Verhältnis zu den europäischen Staaten:


    Michael J. Hogan, Charles S. Maier, and Melvyn P. Leffler have therefore offered an alternative view on the making of American foreign politics which inte- grates the latter aspects. During the early Cold War, US foreign policy, whether governmental or non-governmental, was based on two closely interdependent concepts: 'national security' and 'politics of productivity.'10 The concept of 'national security' included not only a military aspect as, for instance, in the Truman Doc- trine or atomic armament, but also political and social ones. The basic values and the socio-economic order of the United States could, as this concept saw it, only be defended by creating conditions in which "our free democratic system can live and prosper."11 This meant creating a Western Alliance not only in military, but also in political terms. American culture and American political economy were to serve as the model after which the whole Western Alliance was to be resh



    This demanded an active and strategic export of values, the creation of an all- Western ideology. Its twin concept was the concept of the 'politics of productivity.' It emphasized the close interdependence of the economic and the political system and therefore aimed at establishing a homogenous economic sphere geared into American economic notions and needs. But again, the governmental level was not deemed sufficient. The Western societies were to be united in the economic and cultural spheres as well. Well-distributed national wealth, a consumerist culture and continuous growth were to stifle social conflict and thus to guarantee stable liberal democratic political systems in the Western world, which again would serve the concept of US national security.



    Aus:

    'Safe by Democracy': American Hegemony and the 'Westernization' of West German Labor Author(s): Julia Angster



    Die USA hat ihr Gesellschaftsmodel exportiert nach dem 2. Weltkrieg.


    S. A.:


    https://en.m.wikipedia.org/wik…_States#Liberal_consensus


    By 1950, the liberal ideology was so intellectually dominant that the literary critic Lionel Trilling wrote that "liberalism is not only the dominant but even the sole intellectual tradition, [...] there are no conservative or reactionary ideas in circulation".

    For almost two decades, Cold War liberalism remained the dominant paradigm in American politics, peaking with the landslide victory of Lyndon B. Johnson over Barry Goldwater in the 1964 presidential election and the passage of Great Society legislation. The postwar liberal consensus included acceptance of a modest welfare state and anti-communism domestic and foreign policies. Some of its elements were shared with embedded liberalism, that aimed to combine benefits of free markets with some interventionist domestic policies.

  • Da sagt er es ja am Ende bei Hans, wenn es um die Frage geht, ob die liberale Demokratie ein Auslaufmodell ist. Er sagt, es gehe lediglich darum, dass ein friedlicher Machtwechsel möglich ist. Es spielt keine Rolle, ob es eine tatsächliche Demokratie ist. Man solle es vom Ergebnis her denken. Diese Meinung ist auch bei vielen Politikwissenschaftlern verbreitet. "Es ist das praktikabelste System in einer Massengesellschaft" ob die Leute tatsächlich Einfluss auf die Politik haben, ist denen egal.


    Aber das ist halt ein dämliches Argument. Weil was hält einen dann davon ab, zu sagen, dass wir genauso gut eine Diktatur haben können, solange der Lebensstandard steigt für die Bevölkerung (vom Ergebnis her)? Das ist ja auch die Einstellung von einigen chinesischen Intellektuellen. Ok dann gäbe es keinen Machtwechsel mehr, aber wäre dann wohl auch egal, solange der Lebensstandard steigt, wenn man so denkt.


    Ich denke, dass dieses Thema und die Diskussionen dazu noch auf uns zukommen werden.

  • In den ersten 20 Minuten sagt Blom sicher viel Richtiges, zum Beispiel, dass sich unser Konsum- und Energieverbrauch senken müsse und dass das nicht zwingend mit einem Verlust an Lebensqualität einhergehe.

    Jedoch, kurz danach sagt er:

    Zitat

    (...) Das Problem ist natürlich, dass das Wirtschaftssystem, indem wir stecken, auch die Sozialstaaten, auf die wir stolz sind und die wir brauchen, in gewisser Weise von diesem Wachstum abhängen. Und da haben wir wirklich ein Problem, was mir auch kluge Ökonomen und Ökonominnen noch nicht haben erklären können, wie wir da 'raus kommen,"

    Hier sieht man die Doppelzüngigkeit der sog. Eliten: Konsum und Energieverbrauch müssen gesenkt werden, aber kein Ökonom könne ihm sagen, wie.

    Ja natürlich sagt ihm das kein Ökonom, weil die allermeisten an grüne Technologien glauben und Ökonomen zudem in der Regel einen Lebensstil fahren, der einfach nicht mit der notwendigen Reduzierung von Ressourcenverbrauch vereinbar ist! Würde Blom sich dies eingestehen, würde er einsehen müssen, dass Flugreisen, Kreuzfahrten, motorisierter Individualverkehr und fortschreitende Digitalisierung einfach nicht mit Nachhaltigkeit vereinbar sind. Mit der Einsicht würde er sich bei seinen Kollegen wahrscheinlich wenig Freunde machen - außerdem müsste er dabei seinen eigenen Lebensstil hinterfragen.


    Zur Frage, wie wir da raus kommen: Niko Paech hat es neulich zu Janine Wissler von den Linken so formuliert:

    Zitat

    Ihre Kritik an der Klassengesellschaft ist konsumorientiert. Sie reden immer nur über Geld. Die Lebensqualität eines Menschen bemisst sich nicht nur im Geld sondern in Fähigkeiten. Da bin ich eher bei Amartya Sen oder Martha Nussbaum. Und ich glaube, man muss der Zivilgesellschaft mitteilen, dass das Modell, Wohlstand nicht nur an Geld zu bemessen, sondern in einer Mixtur aus Geld und der Fähigkeit, entmonetarisiert Versorgungsleistungen zu liefern, das Ende des Kapitalismus ist.

    (...)

    Eine Entmonetarisierung unseres Lebensqualitätsbegriffs und auch unseres Daseins in der Wirtschaft ist die Voraussetzung für die Abschaffung unseres ausbeuterischen Kapitalismus.

    ---------------


    Ich habe mir zwar erst die erste Stunde gehört, aber bis dahin läuft das ganze Gespräch unter der Überschrift: "Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass". Wie eigentlich bei den allermeisten J&N-Interviews, sobald es um Umwelt und Nachhaltigkeit geht. Derartige Gespräche gab es schon vor zehn Jahren. Es ist immer die gleiche Leier, über unzählige Interviews hinweg hört man immer das gleiche. Offensichtlich ist es dem J&N-Team noch nicht vollends gelungen, sich intensiv mit dem Mythos des Grünes Wachstum zu beschäftigen und vor allem die daraus resultierenden Folgen in den Blick zu nehmen und dann in Interviews entsprechend in die Tiefe zu gehen.


    Bei Minute 33 sagt Tilo immerhin und zurecht, dass das Innovative ja nicht Grünes Wachstum sein könne. Daraufhin Blom: "Ne, das das das wird nicht reichen. Das ist ne tolle Idee und ne wichtige Idee (...)"


    Blom reiht sich in die Reihe derer ein, die nicht verstanden haben, wo das Problem des Grünen Wachstums überhaupt liegt, nämlich darin, dass es Grünes Wachstum nicht gibt. Wachstum ist niemals grün, weil es keine per se grünen Technologien gibt. Deswegen ist der Satz "Das wird nicht reichen" unsinnig, da die planetare Zerstörung überhaupt erst durch Wachstum dieses Ausmaß erreichen konnte.


    Bloms Ahnungslosigkeit wird kurz danach um so deutlicher. Tilo erwähnt, dass laut einer Studie ein Milliardär soviel CO2 emittiere, wie eine Million Menschen. Das ist völlig richtig, aber das ist nicht zufällig so! Das ist nicht deswegen so, weil die Reichen besonders böse sind und besonderen Spaß an Umweltverbrechen haben. Der Grund dafür ist, dass es keine grünen o. nachhaltigen Technologien oder Produkte gibt sondern nur nachhaltige Lebensstile: Die Umweltschäden, die ein Staat, ein Unternehmen, eine Organisation oder ein Einzelner verursachen und zu verantworten haben sind proportional zum ihm, es oder ihr zur Verfügung stehenden Kaufkraft! Ein Milliardär kann also seine Umweltschäden gar nicht reduzieren, außer er verbrennt sein Geld oder tapeziert damit seinen Keller.


    Deswegen würde es hinsichtlich Reduzierung von Umweltschäden überhaupt nichts bringen, wenn die Reichen Geld an die Ärmeren abgeben. In einer Gesellschaft der Gier würden die Reichen sich dann weniger Flugreisen usw. leisten können; die ehemals Ärmeren hingegen um so mehr. Hinsichtlich der Energie- und Ressourcenverbräuche hätten wir also genau nichts gewonnen. Blom sagt zurecht an einer Stelle, dass unser Konsummodell darauf beruht, dass wir in anderen Teilen der Welt Mensch und Natur ausbeuten. Damit hat er natürlich völlig recht!


    Genau deswegen hätte eine reine Umverteilung von Kaufkraft in Deutschland, so wie es die Linken seit Jahren fordern, genau nichts mit sozialem Fortschritt zu tun. Denn ein vermeintlicher Fortschritt, der daraus resultiert, einen Überschuss gerecht verteilen zu wollen, der in einer gerechten Welt gar nicht erst hätte entstehen dürfen, weil er auf ökologischer Plünderung beruht, führt sich ab absurdum.


    Blom setzt dem ganzen dann noch die Krone auf, in dem er kurz danach sagt: "Versteh mich nicht falsch, ich hab nix gegen Reichtum".


    Blom ist ein typischer Opportunist, den es in der deutschen Bildungslandschaft zuhauf gibt.


    Mal schauen, wann ich mir den Rest anhöre.

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    (Niko Paech)

  • Später greift Tilo das Thema noch mal kurz auf mit einer sehr klugen Frage:

    Zitat

    Weil wir drüber gesprochen haben; wir müssen wegkommen von den fossilen Energien - ein Teil dieser Herrschaft über die Natur - weg von Gas, Kohle, Öl. Die Alternative ist ja Erneuerbare wie Sonne und Wind. Machen wir uns da, nach deiner Logik, nicht dann auch die Sonnenenergie, die Windenergie zu unseren Untertanen?

    Bloms Antwort:

    Zitat

    Neeeiiiiinnnnn. Die ist ja da! Wir tun ihr ja keine Gewalt an. Wir sammeln sie ja nur freundlich. Also, ich glaub nicht, dass das die selbe Herrschaftslogik hat. (...) Sonnenenergie ist endlos immer zur Verfügung und wir nehmen nichts und niemandem etwas weg, wenn wir die in Elektrizität verwandeln. Wir reißen nichts aus dem Boden, wir verändern keine natürlichen Zusammenhänge. Diese Quelle steht uns zur Verfügung, und die wird dadurch in keiner Weise verringert oder unterworfen, sondern es wird einfach genutzt, was da ist, aus der unendlichen Großzügigkeit der Natur.

    Religiöse Eiferei?

    Ja, die Sonne bietet schier unendliche Energie. Aber die PV-Anlagen stehen ja auch nicht auf der Sonne sondern auf der Erde und benötigen vielfach endliche Ressourcen. Angefangen bei Fläche bis hin zu Material für die Anlagen selbst, sowie für Transport, Installation, Wartung, Erneuerung, Entsorgung. Vom Transport und Speicherung der Energie will ich gar nicht reden.

    Wo kommen eigentlich die ganzen Metalle und Seltene Erden her, die man benötigt, z.B. Silizium, Silber, Indium oder Selen und Zinn? Fallen die auch von der Sonne auf die Erde? Das wäre ja toll!. Und wo kommen eigentlich noch mal die ganzen Kunststoffe her, die beispielsweise im Flugzeug- und Kfz-bau benötigt werden? Weil, Blom will ja nichts mehr aus dem Boden reißen.


    Später sagt er:

    Zitat

    Ich versuch mich normalerweise auf Sachen zu beschränken, von denen ich n bisschen was weiß.

    ...

    "Es gibt keine nachhaltigen Produkte oder Technologien, es gibt nur nachhaltige Lebensstile."

    "Wir müssen die Lüge dekonstruieren, dass es eine technische Lösung für dieses soziale Problem gibt."

    (Niko Paech)

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