A!455 - Seelenfüller

  • wo die Armutsrentner, die Crack-Junkies, die Obdachlosen und die Geflüchteten im Szenekiez-Park mit den Ratten um die Party-Reste der gehobenen Mittelschicht kämpfen, und wo Flaschenpfandsammeln mittlerweile einfach ein ganz normaler selbständiger Beruf ist.

    Damit belegst du nur, dass es München einfach erfolgreich hinbekommen hat das für die meisten ausm Stadtbild zu halten.

    All das habe ich vor 20 Jahren hier schon erlebt und da ist seit dem nix besser geworden.

  • Och, ich fand seinen Einwand mit der Ungleichheit Ost-West eigentlich ganz legitim.


    Fand den Podcast "schön", und natürlich würde ich mich über eine Spezialfolge über unser aller Verschwörerheinis zu Nordstream2 sehr freuen.

    Ja, dass die Ungleichheit im Osten wie im Westen den derzeit viel besprochenen Ost-West-Konflikt in der Diskussion aktuell bei Weitem überstrahlen sollte, kann ich nachvollziehen. Oschmann beschreibt in seinem Buch natürlich noch andere Dinge aber war jetzt nicht Thema.


    Trotzdem: Wenn im Westen Häuser vererbt werden, die für 500.000€ veräußert werden können, kann da Stefan nicht einfach sagen: "ja und? wo ist jetzt der Unterschied?"


    Was er aber am meisten "unterschätzt" ist für mich der Umstand, dass Eigentum (ob Immobilien oder Unternehmen), welches in einer Stadt oder im Umland auch dort Lebenden Menschen gehört für die dort Lebenden eben auch häufig tatsächlich noch als eine Art Verpflichtung wahrgenommen wird. Du schließt als mittelständischer Unternehmer schnell mal eine Filiale in Magdeburg oder Dessau, aber nicht dort wo Du wohnst und das Unternehmen gegründet hast. Wenn Dir als Immobilienbesitzer ein ganzer Wohnblock mit Laden und Kneipe in der Innenstadt gehört in der Du selber lebst, ist es Dir wichtig, dass die Laden- oder Kneipenbesitzer von der hiesigen Bevölkerung auch angenommen werden. Wenn das eine Immobile in Dessau ist, kann das auch ein Laden sein, der immer leer ist und lediglich der Geldwäsche dient. Das sind einfach strukturelle Unterschiede, die sich bemerkbar machen.


    Und dann dieses bescheuerte Bashing: "Lieber als arme Kirchenmaus in Frankfurt, als auf dem thüringer Land" - ich habe da jetzt 7 Jahre meines Lebens verbracht. Wichtig ist ein soziales Umfeld. Wenn Dein bester Kumpel da lebt, gut bezahlte Arbeit da ist und an Wochenenden solide Pläne gemacht werden können, ist doch alles schick. Die Luft ist sauberer. Kinder können in der Natur groß werden... Ich halte so ein Leben für alles andere als minderwertig. Die Verbindlichkeit ist einfach ganz anders. Ich habe auch 6 Jahre in Berlin gelebt. Wenn ich da morgens zum U-Bahnhof-Leinestraße ging und dort schon 7Uhr jemand saß, der sich eine Spritze setzte, hat mich das jetzt nicht so gut in den Tag starten lassen, wie ein kurzer Spaziergang zur Arbeit mit Blick aufs Grüne. Da zeigt Stefan immer so eine komische Seite, nach dem Motto: "Ich bin ein Ossi. der der Hölle empfloh. Wenn Ihr Euch genug anstrengt, könnt Ihr das auch! Ansonsten halte ich Eure Orte (und damit auchirgendwie Euch, die Ihr dageblieben seid) für derart Scheiße, dass sie eher renaturiert werden sollten als weiter eine Heimat zu bieten." Das empfinde ich als wirklich unangenehm überheblich.

  • Damit belegst du nur, dass es München einfach erfolgreich hinbekommen hat das für die meisten ausm Stadtbild zu halten.

    All das habe ich vor 20 Jahren hier schon erlebt und da ist seit dem nix besser geworden.

    Ich habe da in Schwabing, in Obersendling, im Glockenbachviertel, in der Schwanthalerstrasse nähe Hautbahnhof und in Untergiesing gewohnt, und bin beruflich ziemlich viel in der Stadt herum gekommen. Auch damals gab es hier und da ein paar Obdachlose und in Milbertshofen und Neuperlach Süd lebte das Prekariat, das nur zum mies bezahlten Arbeiten im Dienstleistungssektor in die Innenstadt kam. Aber ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass auch schon vor zwanzig Jahren die Armut in Berlin insgesamt deutlich verbreiteter war als in München.


    Das ist auch überhaupt kein Wunder, weil München eben auch damals schon ein wettbewerbsfähiger Industriestandort war und Berlin es bis heute eher nicht ist.

  • Ich habe da in Schwabing, in Obersendling, im Glockenbachviertel, in der Schwanthalerstrasse nähe Hautbahnhof und in Untergiesing gewohnt, und bin beruflich ziemlich viel in der Stadt herum gekommen. Auch damals gab es hier und da ein paar Obdachlose und in Milbertshofen und Neuperlach Süd lebte das Prekariat, das nur zum mies bezahlten Arbeiten im Dienstleistungssektor in die Innenstadt kam.

    Ja du hast nun nochmal etwas ausführlicher geschildert, dass in München das Elend vom Straßenbild gehalten/entfernt wird. Zudem hast du erfolgreich in allen schicken "Szenekiezn" gewohnt, ausschließlich.

    Ich hab da als Kind und Jugendlicher hier durchaus anderes erlebt und das nicht nur in Neuperlach. Hättest mal noch zum Hasenbergl, nach Neuhausen, Moosach, Aubing, Ramersdorf, Pasing schaun sollen. Das München Modell hat die Sozialviertel halt auch gut verteilt und so musste man dann schon auch noch in die "richtigen" Blöcke und Innenhöfe kommen und/oder zur passenden Zeit vor die Läden und in die Banken etc schaun.


    Aber ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass auch schon vor zwanzig Jahren die Armut in Berlin insgesamt deutlich verbreiteter war als in München.

    Das mag sein, dem könnte und wollte ich auch garnicht widersprechen. Aber das fast schon schillernde Bild, was du hier vom Süden und seiner Hauptstadt gerne zeichnest ist halt auch weit von meiner Lebensrealität entfernt in welcher ich aufgewachsen bin und teils noch immer lebe.

  • Zudem hast du erfolgreich in allen schicken "Szenekiezn" gewohnt, ausschließlich.

    Da wo ich gewohnt habe war damals - mit Ausnahme vom Glockenbachviertel - alles andere als "Szenekiez", sondern eher so gutbürgerliche münchener Mittelschicht zu Hause. Und in der Schwanthalerstrasse am Hauptbahhof war vor allem die türkische Community recht gut vertreten.


    Aber ich habe auch nicht behauptet, dass es in München keine Armut gäbe, oder damals gegeben hätte. Ich habe nur behauptet, dass sie in Berlin einfach viel größer ist.

  • Dann haben wir defintiv eine andere Vorstellung davon was ein "Szenekiez" ist.


    In Berlin ist das - ohne Anführungszeichen - eine Gegend, die nicht mehr total abgefuckt, aber noch nicht vollends gentrifiziert ist, so dass da noch ein bisschen prekäres Studenten- und Künstlervolk residiert.


    Mit Anführungszeichen ist sie dann vollends gentrifiziert, aber die ganzen international Rich Kids und "jungen" Akademikerfamilien Mitte-Ende dreißig, die sich die teuren Mieten da leisten können, denken immer noch, sie wären die Avantgarde, weil die Gastro- und Clubmafia ihnen ständig neue Lokalitäten vor die Haustür setzt, die der "szene"-affine Innendesigner auf pseudranzigen berliner postwende-Chic modelliert hat.

  • Dann haben wir defintiv eine andere Vorstellung davon was ein "Szenekiez" ist.


    In Berlin ist das - ohne Anfügrungszeichen - eine Gegend, die nicht mehr total abgefuckt, aber noch nicht vollends gentrifiziert ist, so dass da noch ein bisschen prekäres Studenten- und Künstlervolk residiert.


    Mit Anführungszeichen ist sie dann vollends gentrifiziert, aber die ganzen international Rich Kids und "jungen" Akademikerfamilien Mitte-Ende dreißig, die sich die teuren Mieten da leisten können, denken immer noch, sie wären die Avantgarde, weil die Gastro- und Clubmafia ihnen ständig neue Lokalitäten vor die Haustür setzt, die der "szene"-affine Innendesigner auf pseudranzigen berliner postwende-Chic modelliert hat.

    Ja ich wüsste nich ob es das in der Form damals in München gab und selbst jetzt ist die Aufteilung da irgendwie anders. München is halt auch nich Berlin, egal wie viel man da rumvergleichen will.

    Ich hatte das lediglich aufgegriffen, da du halt gerne von Szenekiez schreibst, wenn du ne Gegend beschreibst in der die "hippen" Leute gerade so unterwegs sind. Also eben genau das, die Viertel in denen eh nur noch die gehobene Mittelschicht wirklich leben kann und so in ihrer ganz eigenen Scheinwelt lebt.

    Mit den Anführungszeichen wollte ich eigentlich zum Ausdruck bringen, dass ich das Wort nicht als so wirklich ernstgemeinte Bezeichnung verwende.

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