#661 - Caren Lay (Die Linke) über Mieten & Wohnen

  • Donnerstag, ab 15 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Caren Lay (Die Linke). Sie ist seit 2009 Mitglied des Bundestags und war von 2013 bis 2021 stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag. Sie ist Sprecherin ihrer Fraktion für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik. Von 2012 bis 2018 war sie eine der stellvertretenden Vorsitzenden ihrer Partei.


    Bitte unterstützt unsere Arbeit finanziell:

    Konto: Jung & Naiv

    IBAN: DE854 3060 967 104 779 2900

    GLS Gemeinschaftsbank


    PayPal ► http://www.paypal.me/JungNaiv

  • Wie stehst du zur Enteignung von Wohnungskonzernen. Welche Vor- und Nachteile hätte das für die Mieter, den staatlichen Akteur und die Steuerzahler.


    Warum befinden sich die meisten großen staatlichen Firmen, Ämter, Behörden und Ministerien in den großen Städten und könnte man hier nicht Erleichterung schaffen indem man staatliche Einrichtungen in Orte mit weniger angespannten Wohnungsmarkt verlegt?

  • Tilo

    Hat den Titel des Themas von „#661 - Wohn- und Immobilienexpertin Caren Lay (Die Linke)“ zu „#661 - Caren Lay (Die Linke) über Mieten & Wohnen“ geändert.
  • Sie hat natürlich völlig recht mit ihrer Kritik an den herrschenden Eigentumsverhältnissen und der Lobbymacht der Immobilieneigentümer, aber ihr Lösungsansatz ist halt leider auch nur klassisch linke Sozialdemokratie, wo der soziale Staat das dann einfach mal im Sinne eines funktionierenden Gemeinwesens ordentlich regeln müsste.


    Es hilft ja nichts, sich Wiener Verhältnisse als großes Vorbild einer gelungenen Wohnungspolitik zu nehmen, wenn die historischen Voraussetzungen, unter denen sich das gemeinnützige Wohnen in der österreichischen Hauptstadt entwickelt hat heute einfach nicht mehr gegeben sind. Auch in Wien "profitieren" vor allem die Alteingesessenen MieterInnen von den relativ günstigen Mieten im - auch im Vergleich mit dem Rest der Alpenrepublik - hohen Anteil an gemeinützigem Wohnraum. Bei den Angebotsmieten - also den Preisen für abhängiges Wohnen für Leute die jetzt eine neue Wohnung brauchen - steht auch Wien mittlerweile recht weit oben im Vergleich der europäischen Metropolregionen.


    Zwar scheint die Entwicklung der Immobilien- und Bodenpreise in desnelben jetzt tatsächlich zum ersten mal seit vielen Jahren deutlich rückläufig zu sein. Grund dafür sind vermutlich die gestiegenen Bau- und Instandsetzungskosten, sowie vor allem die Leitzinserhöhungen der europäischen und amerikanischen Zentralbanken, die es den Investmentfonds erschweren, das Anlagekapital ihrer Kundschaften mit "billigem" Geld aufzuhebeln.

    Leider hat das aber bisher nicht zu einer analogen Rückentwicklung der Mieten geführt. Im Gegenteil: Allem Anschein nach versuchen die Eigentümer jetzt, wo sich der Wert ihrer Betongoldanlagen nicht mehr automatisch jedes Jahr um mehrere Prozentpunkte erhöht, die entgangene Wertsteigerung durch maximale Mieterhöhungen zu kompensieren. (Auch ein schönes Beispiel dafür, dass eine Reduktion der Geldmenge nicht automatisch die Inflation absenkt, wie es Finanzexperten vom Format unseres Bundesfinanzwirtschaftsministers trotzdem felsenfest behaupten.)


    Jetzt wäre tatsächlich ein guter Zeitpunkt für Genossenschaften und staatlich/kommunale Wohnungsunternehmen, bei fallenden Preisen Bestände aufzukaufen und dann nur noch Kostenmieten zu erheben, aber selbst in "links" - also irgendwie rot oder grün - regierten Regionen herrscht bei den zuständigen staatlichen Institutionen - und zwar nicht nur bei den gewählten PolitikerInnen, sondern auch im nachgeordneten Verwaltungsapparat und bei den Investitonsbanken von Bund und Ländern, die das dann finanzieren müssten - nach wie vor die Devise, dass "Bauen, Bauen, Bauen" oder individuelle Eigenheimförderung die einzig probate Lösung für die Wohnungskrise sein könne. Und ebenso herrscht bei denen allen immer noch die Überzeugung, dass der Staat dabei nur Anreizgeber für die private Bauindustrie und private Investoren sein, und sich bloß nicht weiter verschulden dürfe, um selbst investieren zu können.


    Ganz eklatant ist der neoliberale Geist dann zum Beispiel bei den sechs(!) landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin präsent, die sich zwar im Besitz des Landes befinden, aber dennoch als GmbHs oder AGs firmieren und den expliziten Auftrag haben, sich wie jede andere Kapitalgesellschaft möglichst selbst aus dem eigenen Geschäftsbetrieb zu finanzieren - was zur Folge hat, dass auch diese "Staatsbetriebe" bei den nach wie vor hohen Baukosten weder ihre Neubauqouten erfüllen, noch die ihnen eigentlich vorgeschriebene Anzahl an Sozialwohnungen zur Verfügung stellen können, weil sich das für die einfach nicht rentiert, und sie das allenfalls mit staatlichen Zuschüssen finanziert bekämen, die sie aber nicht bekommen sollen, weil es ja gegen die grundgesetzlich verordnete Fiskaldisziplin verstoßen würde, wenn Länder und Kommunen dafür neue Schulden aufnehmen müssten.

    Und dabei fallen auch den (wenigen) Genossenschaften, die in den letzten Jahren noch investiert haben absurderweise die sinkenden Immobilenpreise auf die Füße, weil sich damit auch der Wert ihrer gegenüber den finazierenden Banken als Sicherheit gegebenen Immobilien und Grundstücke verringert - was Letztere dann dazu veranlasst, bei der (in der Regel alle zehn Jahre zu machenden) nächsten Umschuldung höhere Zinsen auf Investitionsdarlehen zu verlangen, die auch ein gemeinnütziges Unternehmen dann nur durch höhere Mieteinnahmen bewältigen kann.


    Zu den Investoren hätte eigentlich auch gesagt werden müssen, dass die größten Player und Preistreiber auf diesem weltweiten Betongoldmarkt - mal abgesehen von Mega-Investmentfirmen wie Blackrock - nicht die rein privaten Immobilieninvestoren oder DAX-Konzerne wie Vonovia sind, sondern oftmals staatliche Pensionsfonds, Renten- und sonstige Versicherungsgesellschaften. Die haben zusammen ein paar billionen Dollar und Euro an Rücklagen zu verwalten und stetig zu vermehren, und deshalb sind die nach kapitalistischer Logik mit ihrem Bedürfnis nach profitablen Geldanlagen auch für jeden Staat absolut systemrelevant.


    Als staatstragende Bundespolitikerin kann Frau Lay natürlich nicht aus ihrer Haut und einfach aussprechen, was das eigentliche Problem ist, aber als Linke müsste sie eigentlich sagen, dass mit diesem Staat keine sozial "gerechte" Wohnungspolitik zu machen ist, so lange es Primat jeglicher Staatspolitik ist, das eherne Grundrecht auf die volkswirtschaftliche Vermehrung privaten Eigentums zu sichern, und die große Geldmaschine möglichst am eigenen Wirtschaftsstandort am Laufen zu halten.

  • nur noch Kostenmieten zu erheben

    Geht das so ohne weiteres? Also ich hab hier ja schon von so manchem, in dem Fall aber immer privatem Einzeleigentümer, mitbekommen bei denen eine zu niedrige Miete, also zu niedrig im Vergleich zum bestehenden Mietspiegel am Ort, dieses dann vom Finanzamt "belohnt" wurde. Die Frage ist also wohl mehr ob das wirklich sinnvoll im Sinne von dann wirklich günstig geht oder werden da dann halt die Kosten durch andere Faktoren als dem eigenen Gewinnstreben von außen getrieben?

    Was dann direkt die zur Folgefrage führt ob eine wirkliche Reduktion der Mieten überhaupt möglich ist? Also bei dem bestehen Status quo, ohne erst mal nen Systemwechsel vollziehen zu müssen.

  • Jetzt wäre tatsächlich ein guter Zeitpunkt für Genossenschaften und staatlich/kommunale Wohnungsunternehmen, bei fallenden Preisen Bestände aufzukaufen und dann nur noch Kostenmieten zu erheben, aber selbst in "links" - also irgendwie rot oder grün - regierten Regionen herrscht bei den zuständigen staatlichen Institutionen - und zwar nicht nur bei den gewählten PolitikerInnen, sondern auch im nachgeordneten Verwaltungsapparat und bei den Investitonsbanken von Bund und Ländern, die das dann finanzieren müssten - nach wie vor die Devise, dass "Bauen, Bauen, Bauen" oder individuelle Eigenheimförderung die einzig probate Lösung für die Wohnungskrise sein könne. Und ebenso herrscht bei denen allen immer noch die Überzeugung, dass der Staat dabei nur Anreizgeber für die private Bauindustrie und private Investoren sein, und sich bloß nicht weiter verschulden dürfe, um selbst investieren zu können.


    Ganz eklatant ist der neoliberale Geist dann zum Beispiel bei den sechs(!) landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin präsent, die sich zwar im Besitz des Landes befinden, aber dennoch als GmbHs oder AGs firmieren und den expliziten Auftrag haben, sich wie jede andere Kapitalgesellschaft möglichst selbst aus dem eigenen Geschäftsbetrieb zu finanzieren - was zur Folge hat, dass auch diese "Staatsbetriebe" bei den nach wie vor hohen Baukosten weder ihre Neubauqouten erfüllen, noch die ihnen eigentlich vorgeschriebene Anzahl an Sozialwohnungen zur Verfügung stellen können, weil sich das für die einfach nicht rentiert, und sie das allenfalls mit staatlichen Zuschüssen finanziert bekämen, die sie aber nicht bekommen sollen, weil es ja gegen die grundgesetzlich verordnete Fiskaldisziplin verstoßen würde, wenn Länder und Kommunen dafür neue Schulden aufnehmen müssten.

    Passend zu dem ganzen noch:


    https://www.tagesschau.de/wirt…lwohnungen-sinkt-100.html


    Zitat

    Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt seit Jahren ab. Während es in der alten Bundesrepublik fast vier Millionen Sozialwohnungen gab, waren es 2010 noch etwa 1,66 Millionen und 2020 nur noch rund 1,13 Millionen. Die Mieten sind bei Sozialwohnungen staatlich reguliert. Wohnen dürfen dort nur Menschen, bei denen die Behörden einen besonderen Bedarf sehen. Nach einer bestimmten Zeit können die Wohnungen allerdings normal am Markt vermietet werden. Die Dauer dieser Bindung ist in den Ländern unterschiedlich geregelt.

    Zitat

    Die Linken-Abgeordnete Lay warf der Ampel ein krachendes Scheitern ihrer Wohnungspolitik vor. "Der Tiefstand beim sozialen Wohnungsbau bei Neubau und Bestand ist angesichts ungebremst steigender Mieten und zunehmender Wohnungsnot höchst alarmierend", sagte Lay.


    Als Lösungsansatz forderte sie die Einführung eines öffentlichen Wohnungsbauprogramms und die Schaffung eines Sondervermögens für bezahlbares Wohnen. Laut Lay müssten mindestens 20 Milliarden Euro jährlich in diesen Bereich investiert werden. Auch die IG BAU schloss sich der Forderung an und verlangte ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro, das dem Bau von Sozialwohnungen gewidmet ist.

    (Hervorhebungen von mir)

  • Geht das so ohne weiteres? Also ich hab hier ja schon von so manchem, in dem Fall aber immer privatem Einzeleigentümer, mitbekommen bei denen eine zu niedrige Miete, also zu niedrig im Vergleich zum bestehenden Mietspiegel am Ort, dieses dann vom Finanzamt "belohnt" wurde. Die Frage ist also wohl mehr ob das wirklich sinnvoll im Sinne von dann wirklich günstig geht oder werden da dann halt die Kosten durch andere Faktoren als dem eigenen Gewinnstreben von außen getrieben?

    Die Probleme mit dem finanzamt bekommt der Eigentümer zum Beispiel, wenn er seine Vermietung als Gewerbe mit Gewinnabsicht betreibt und dann keinen Gewinn macht, aber sich trotzdem Umsatzsteuer auf geschäftseinkäufe und Dienstleistungen spart. Eine Vermietung zum Selbstkostenpreis aus reiner Nächstenliebe zu den MieterInnen ist allerdings auch im Deutschen Unternehmensrecht nicht so wirklich vorgesehen, es sei denn die Vermietung erfolgt durch ein Gemeinnütziges Unternehmen oder Verein. Deshalb fordert Lay ja auch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts.

    Bei Wohungsgensossenschaften ist die Regel momentan so, dass zumindest keine Gewerbesteuer anfällt, wenn das Unternehmen weniger als 10% seines Umsatzes mit Nicht-Mitgliedern der Genossenschaft macht.


    Wie niedrig die Miete sein kann hängt allerdings auch davon ab, wie hoch die Unterhalts- und Instandsetzungskosten sind und vor allem davon, ob der Kauf oder Bau alleine aus Gensossenschaftlichem Eigenkapital finanziert wurde - was bei neueren Genossenschaften, die in der regel die einzigen sind, die überhaupt noch neu bauen, oder Bestände ankaufen, eigentlich nie der Fall ist - oder ob dazu zusätzlich normale Bankdarlehen aufgenommen werden mussten. Am Ende entscheidet dann die Bank darüber, wie hoch die Erträge - also die Mieteinahmen - sein müssen, damit Tilgung und Zinsen gewährleistet sind.

    Man kann dann versuchen, mit freiwilliger Selbstorganisation die Verwaltungskosten zu reduzieren. Aber Immobilienfinanzierung und Hausverwaltung sind nicht gerade triviale Angelegenheiten, die man mal schnell nach Feierabend noch erledigen kann.

    Dabei gibt es eine Menge Gesetze und Verordnungen zu beachten, und auch GenossInnen werden nach deutschem Mietrecht im BGB genauso behandelt wie normale MieterInnen.

    Wenn die also nicht alle damit einverstanden sind, selbst mit anzupacken, muss man ihnen auch als gemeinnütziger genossenschaftlicher Vermieter den selben "Service" bieten wie kommerzielle PrivateigentümerInnen. Und qualifiziertes Personal, das sich damit auskennt und mit den Handwerksbetrieben umzugehen weiß, die dabei auch immer ihren Schnitt machen wollen, arbeitet in der Regel nicht für lau.


    Die landeseigenen Investitionsbanken haben zum Teil auch sehr günstig verzinste Förderdarlehen im Angebot, die auch Genossenschaften nutzen können. aber die Vergabe derselben ist meistens an strenge staatliche Auflagen, wie zum Beispiel Sozialbindung des geförderten Wohnraums gebunden, und muss zudem häufig von den politischen Führungen abgesegnet werden.

    Deshalb gibt es selbst im "roten" Berlin mittlerweile auch kaum noch neue linke Hausprojekte, weil die eigentlich nur noch über edle SpenderInnen an ausreichend Eigenkapital kommen, um z.B. besetzte Häuser legal selbst zu erwerben.


    Es kommt bei der Kostenmiete auch immer darauf an, wie Sanierungsbedürftig die Bausubstanz ist. ein Neues Dach für ein großes Mietshaus kann schnell mal ein paar hunderttausend Euro kosten, zumal da jetzt auch noch verschärfte Regelungen zur energetischen Sanierung dazu kommen.

    Momentan ist das alles ohne staatliche Hilfe eigentlich nicht zu stemmen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!