#591 - Militärexperte Carlo Masala

  • Warum sollte er nicht dazu fähig sein. Ich halte ihn durchaus für einen klugen und talentierten Kiegspopulisten. Wenn er vermeintlich unabhängig daherkommt in der Rolle als Bundeswehruniversitätsprofessor macht das sein Wirken mächtiger. Nicht unwahrscheinlich, dass er an das glaubt, was er so von sich gibt.

  • Ich bin neu in diesem Forum und habe noch keinen Überblick.


    In diesem Faden, ab Post #124 abwärts, lese ich ausschließlich polemische Kommentarfetzen. Ist das typisch für dieses Forum? Gibt es auch Fäden mit substanziellem Gedankenaustausch? Ich frage nur. Soll keine Kritik sein.

  • Ich bin neu in diesem Forum und habe noch keinen Überblick.

    Hi, herzlich willkommen und schön, dass Du da bist. :)


    In diesem Faden, ab Post #124 abwärts, lese ich ausschließlich polemische Kommentarfetzen. Ist das typisch für dieses Forum? Gibt es auch Fäden mit substanziellem Gedankenaustausch? Ich frage nur. Soll keine Kritik sein.

    Alles gut, kein Problem. Das Interview mit Masala ist ja schon etwas älter und seitdem war er mit seinem Twitterstuss auch schon sehr oft Thema in anderen Threads hier. Es gibt auch eins, zwei aktive Foristen hier, die ihn nicht so kritisch sehen. Ich persönlich hab den gefressen und nehme jede Gelegenheit dankbar an, mich über ihn lustig zu machen.

  • Was ist einer der wichtigsten Punkte, wo Ihr Masala widersprecht?

    Beispiel:


  • Dankeschön!


    Aus sachlichem Interesse, um mal ein wenig gedanklich folgen zu können: Was ist einer der wichtigsten Punkte, wo Ihr Masala widersprecht?

    Einige Punkte findest Du ja auch gleich hier im Thread, in den Reaktionen auf das Interview. Ich kann da nur für mich sprechen und halte ihn für eine NATO Propagandahure. Wichtige Punkte sind auch gleichzeitig Grund für seine aktuelle Prominenz. Nämlich seine Analysen zum Ukraine Krieg.

  • In den letzten Jahrzehnten habe ich auch zeitweise über eine Abschaffung nachgedacht. (Habe selber den Kriegsdienst damals verweigert.) Spätestens seit dem Massaker von Butscha halte ich es für einen Fehler, jedwede Abschreckung abzuschaffen. Das ist auch eine Kritik gegen meine eigene, damalige Sichtweise.


    Was allerdings abgeschafft gehört, meiner Ansicht nach, sind die militärisch-romantischen Zeremonien in den Kasernen und anderswo. Gleichschritt-marsch-marsch und so weiter. Die Polizei und die Feuerwehr brauchen das auch nicht, und sie funktionieren trotzdem.

  • Spätestens seit dem Massaker von Butscha halte ich es für einen Fehler, jedwede Abschreckung abzuschaffen.

    NATO abschaffen heißt aber nicht, jede Abschreckung abzuschaffen.

    Frankreich beispielsweise redet schon seit ewig und drei Tagen einer dezidiert europäischen Armee das Wort, mit der man nicht lediglich eine USA-Außenstelle wäre, sondern eigene Interessen durchsetzen könnte.

    (Auch das muss man beim "Friedensnobelpreisträger" EU natürlich äußerst kritisch betrachten.)

  • In den letzten Jahrzehnten habe ich auch zeitweise über eine Abschaffung nachgedacht. (Habe selber den Kriegsdienst damals verweigert.) Spätestens seit dem Massaker von Butscha halte ich es für einen Fehler, jedwede Abschreckung abzuschaffen. Das ist auch eine Kritik gegen meine eigene, damalige Sichtweise.

    Kannst Du mal erläutern, warum das Massaker von Butscha da geeigneter war, Deine Meinung zu ändern, als irgendein anderes der vielen Massaker, die ständig auf der ganzen Welt stattfinden, wo immer Staaten oder andere politische Gruppen Militär einsetzen, um ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen, und die dabei nicht selten von Truppen der USA oder anderer NATO-Mitgliedsländer verübt werden?

  • WUtan Clan, gute Frage, ich werde mal versuchen, meinen Denkwandel zu erläutern. (Deine weiteren Anmerkungen nach Deiner Frage erscheinen mir recht vielschichtig; diese Schichten werde ich einzeln erläutern, sonst wird das Spaghetti.)




    Schicht 1


    Ein Wort zu meiner Grundhaltung, die sich nicht verändert hat. Dazu muss ich etwas ausholen: Brutalität ist meiner Ansicht nach eine Sache, die nicht durch geografische Staatsgrenzen bestimmbar ist, auch nicht durch religiöse Abgrenzungen oder sonstigen Gruppierungsversuchen. Sondern: Brutalität verteilt sich, so vermute ich, punktuell in der gesamten Menschheit, durch jede Gruppengrenze hindurch, durch Familien, Cliquen, Städte, Nationen, Kontinente. Ich sehe die Menschheit als einen großen Cocktail aus Milliarden von Individuen; die eine Person tendiert öfters zur Brutalität, die andere weniger -- ungeachtet der Gruppierung. Und in diesem globalen Cocktail, so behaupte ich, müssen die Nichtbrutalen zu ihrem Gewissen stehen und sollen sich keinerlei Brutalität anschließen. -- Auch ich wurde in der Verhandlung meiner Kriegsdienstverweigerung gefragt, ob ich meine Freundin im Wald verteidigen würde gegen einen Vergewaltiger. Nun, diese Frage impliziert, dass es in der Menschheit Vergewaltiger gibt. Das trifft wohl zu, aber sie impliziert auch, dass die Vergewaltiger in der Minderheit sind, und damit die in der Minderheit bleiben, muss jeder Nichtvergewaltiger in der Menschheit seine Friedfertigkeit konsequent einhalten und sich nicht zur Gewalt überreden lassen. Und zwar in der gesamten Menschheit, nicht nur im eigenen Staat oder Fußballverein. Daher blickt meine Kriegsdienstverweigerung auf die gesamte Menschheit, und die Frage der örtlichen Militärzugehörigkeit kann sich meiner Grundhaltung somit nicht stellen. Ich möchte, dass in jedem Staat und Dorf -- global -- friedlich Denkende ihren Waffendienst verweigern. Das ist lebenswichtig -- global. Und deshalb übersteigt sie die Wichtigkeit des lokalen Kreiswehrersatzamts.




    Schicht 2


    Die liegt unter Schicht 1. -- Ich mag Sokrates (nicht Platon, aber Sokrates). Jeden Tag mache ich Fehler, schätze etwas falsch ein, also weiß ich, dass ich fast nichts weiß. Ständig lerne ich etwas neues, schleife an meinem Urteil von gestern, sehe, was funktioniert und was nicht. Was hat funktioniert? Mahatma Gandhis Gewaltlosigkeit gegen die Briten hat funktioniert. Oder die Revolution in der DDR 1989, ohne Blutvergießen. Und dergleichen mehr. -- Wann hat Gewaltlosigkeit nicht funktioniert? Des Öfteren. Brauche ich jetzt nicht auflisten. Jedenfalls waren das Ereignisse von einer solch abartigen Brutalität -- weit oberhalb der Briten gegen Ghandi oder der DDR-Führung gegen ihr Volk --, dass ich einsehen muss: In solchen Extremen ist meine obige Schicht 1 nicht mehr hilfreich. Hier greift Schicht 2 ein; sie ist die aktive Gegenwehr, sie wirkt teilweise auch abschreckend. Schicht 1 und 2 müssen sich ergänzen. Sie sind beide für sich allein nicht universal gültig. Schicht 1 ist die Bedingung der Möglichkeit des globalen Friedens. Aber leider erscheint mir diese Schicht nicht wasserdicht. Was durchtropft, muss Schicht 2 darunter auffangen. An der Stelle wird die Metapher vom Vergewaltiger im Wald real! Hier hilft die Bedingung, dass Vergewaltiger in der Minderheit sind, nicht mehr. Spätestens da will ich aufstehen und körperlich eingreifen. Ich frage mich nicht, ob ich Schicht 2 grundsätzlich deaktivieren soll, sondern ab welchem Grad der Brutalität sie aktiv werden soll. Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Und, ja, die Antwort ist selbstverständlich subjektiv.


    Nicht, dass ich gegenteilig verstanden werde. Beispiel. Strack-Zimmermann sagte mal zu Kurt Krömer, die Landesverteidigung sei wichtig, vergleichbar mit dem eigenen Haus; das wolle man ja auch vor Einbrechern schützen. Solche Metaphern, denke ich, hinken. Das sind Ja-Nein-Metaphern. Wie gesagt, ich frage nicht in schwarzweiß, sondern schaue auf die Schattierung. Ich muss meine Wohnung nicht mit einem Maschinengewehr schützen. Ich schließe nur die Tür. Muss nicht aufgrund einer Lüge den Irak beschießen. Sondern ich muss die Intensität abschätzen, ab welcher eine Gegenwehr notwendig ist. Deshalb erscheinen mir derlei radikal vereinfachte Metaphern sinnlos.




    Schicht 3


    Was ist mit Taiwan und all den anderen täglichen Gewalttaten auf der Welt. Warum helfe ich da nicht auch? Antwort: Weil meine Körperkraft begrenzt ist. Weil ich nicht gottgleich bin. Weil mein Hirn nicht jede Information aus der Welt erfassen kann. -- Gut, wenn der Einzelne zu schwach ist, können sich ja Gleichgesinnte zusammentun und gemeinsam den Unterdrückten helfen. Ja, tun sie auch. Aber auch solche Gruppierungen sind immer noch zu klein, um bei jeder Brutalität auf dem Globus zu Hilfe kommen zu können. Daher muss man Prioritäten setzen, selbst wenn sie subjektiv sind. Ohne die wäre überhaupt keinem Beschossenem geholfen. Setzt man Prioritäten, selbst wenn nur zufällig gewählt, so hilft es wenigstens einigen. Wenn ein Prominenter in einer Quiz-Show Geld gewinnt und es einem guten Zweck spenden will, dann ruft ja auch keiner aus dem Publikum: "Wieso spendest du das nur der Kinder-Hospiz Berlin und nicht auch der Krebsforschung Hamburg und dem Tierschutzverein Köln!?" -- Hm, dann unterlassen wir doch jede Hilfe ganz, dann sind zwar alle schlechter dran, aber das wenigstens gleichermaßen.




    Soweit meine derzeitige Denkweise. Zukünftige Änderungen sind nicht auszuschließen.

  • Hm, dann unterlassen wir doch jede Hilfe ganz, dann sind zwar alle schlechter dran, aber das wenigstens gleichermaßen.

    Die Frage war aber nicht, ob man den UkrainerInnen helfen sollte die von russichen Gewalttätern brutalisiert werden, sondern warum Du Dich anlässlich der Kriegsverbrechen von Butscha von einem Befürworter der Abschaffung der NATO zu einem Befürworter ihres Fortbestandes verwandelt hast.


    Ob welche Staatsregierung sich ganz souverän dazu entscheidet, dem ukrainischen Staat wie viele Kredite, Hilfsgüter, Wiederaufbauhilfen und schwere Waffen zu versprechen und gegebenenfalls auch zu liefern, ist ja nicht daran gebunden, ob ihr Staat Teil des Nordatlantikvertrages ist.


    Wenn die Ukraine allerdings (nicht de jure aber de facto) praktisch schon als Teil der NATO gilt, und nur als solcher ein Anrecht auf die Hilfe der anderen Bündnispartner hat - wenn somit also die Existenz des Bündnisses nötig wäre, um einem Angegriffenen Verbündeten gegen einen brutalen Angriff zu Hilfe zu kommen - dann fragt man sich als Nicht-Befürworter dieses Bündnisses, warum die anderen Mitglieder dann mit dem ganzen Geld und den schweren Waffen nicht auch eigene NATO-Truppen entsenden, um dem Gewaltopfer tatkräftige Unterstützung zu leisten, so wie Du es oben dargestellt hast, sondern stattdessen die eigentliche Verteidigung unter massenhaftem Einsatz von Menschenleben alleine den direkt Angegriffenen überlassen.


    Um mal bei der Metapher von der vergewaltigten Frau im Wald zu bleiben, (die ich in Sachen Staatsgewalten die gegeneinander Krieg führen für absolut fehl am Platz halte, aber) die Du zunächst in diesem Fall für "real" erklärst...

    An der Stelle wird die Metapher vom Vergewaltiger im Wald real!

    ...nur um solche binären moralischen Entscheidungsbilder dann ein paar Absätze weiter als radikal vereinfachend und sinnlos zu bezeichnen...

    Deshalb erscheinen mir derlei radikal vereinfachte Metaphern sinnlos

    ..., verhält sich die NATO im Moment eigentlich so, dass sie der Frau die gerade vergewaltigt wird, einen Knüppel zuwirft, damit sie sich besser verteidigen kann, und dann erst mal dabei zuguckt, wie sich der Gewaltakt so entwickelt.

  • In meiner Butscha-Anmerkung bezog ich mich nicht nur auf die NATO im speziellen, sondern auf jedwede Abschreckung im allgemeinen. Da könnte man zum Beispiel auch über eine Europa-Armee diskutieren.


    Du möchtest jetzt speziell die NATO thematisieren? Das wusste ich nicht. Pardon.


    Ich wollte generell erläutern, wo in meinem ehemaligen, radikalen Pazifismus ich Fehler sehe.


    An jener Metapher kritisiere ich nicht die Möglichkeit ihrer Real-Werdung, sondern ihren Mangel an Differenzierung. Ich muss vielleicht ein Maschinengewehr benutzen, wenn ich ein entführtes Flugzeug stürme, nicht aber wenn ich zum Aldi einkaufen gehe. In diesen Metaphern wird Klein- und Groß-Einsatz radikal gleichgestellt. Das ist zu simpel.


    Mein Schlusswort in "Schicht 3" war eine Vorbeugung für den Fall, dass in Deiner vielschichtigen Anmerkung auch der Vorwurf der unterlassenen Hilfe in nicht-ukrainischen Dingen stecken könnte. (Ich mag das Wort "Whataboutism" nicht; wie sagt man das auf deutsch? Dagegen jedenfalls, wollte ich vorbeugen.)


    Übrigens, falls das relevant ist: Die wagenknechtsche Geschichte, Putin habe einen NATO-Angriff gegen Russland befürchtet und deshalb sei er so brutal geworden, halte ich nicht für plausibel. Und selbst wenn sie wahr wäre, so sähe ich darin keinen Grund, die Ukraine Putin zu überlassen. Ist das der eigentliche Kern Deiner Anfrage?


    Edit: Nein, Waffen geben wir den Ukrainern nicht deshalb, um ihnen beim Sterben zuzuschauen, sondern damit sie am Leben bleiben. Um Putin abzuschrecken. Liege ich richtig in meiner Annahme, dass Du die Waffenlieferungen abstellen willst und stattdessen Verhandlungen, Verhandlungen, Verhandlungen antreiben möchtest?

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