Einer der Kriegsgründe für die russische Führung war sicher das Dekret zur Rückführung der Krim (um nicht zu sagen „Rückeroberung“), das Selenskyj knapp ein Jahr vor dem russischen Einmarsch unterzeichnet hat.
Das widerspricht ja meiner These nicht, dass die russische Führung die Durchsetzung ihres Großmachtanspruches als existenziell für Russland und sich selbst begreift. Die Krim und die darauf stationierte Schwarzmeerflotte gehören nach deren Lesart zur russichen Großmacht.
Das "begründete" Sicherheitsinteresse Russlands, das man mit dem Angriff auf die Ukraine zu verteidigen gedenkt, ist natürlich genauso ein Hirngespinst, wie der amerikanische Anspruch, die USA seien eine "indispensible nation", der ein "american exceptionalism" zustehe, und der überall auf dem Erdball eine "responsibility to protect" obliege, während sie sich nicht an das International irgendwann mal mit hehren Absichten postulierte Völkerrecht, sodern nur an eine "rules based order" hält, deren Regeln sie selbst festlegt und ihre Verbündeten darauf verpflichtet.
Putins Russland ist ebenso ein Geschöpf dieser "regelbasierten Ordnung", dergemäß sich der Westen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dazu berufen fühlte, Russland und die anderen Ex-Sowjetrepubliken einer kapitalistischen, neoliberalen Rosskur zu unterziehen, wie es heute unter Führung eines autokratischen Ex-KGB Obristen, dessen politische Karriere mit diesem Umbruch ihren Anfang nahm, zu ihrem Gegenpol geworden ist.
Der einzige Weg aus diesem Dilemma wäre eine Abkehr von der unipolaren Weltordung, die der Westen unter Führung des US-Imperiums nach dem Ende des kalte Krieges als dessen Sieger dem Rest der Welt oktroyiert hat, und eine Akzeptanz der Tatsache, dass sie sich ohne verheerende Kriege zuküftig nicht mehr aufrecht erhalten lassen wird.
Die Frage ist, ob Europa den USA und Russland in diese suizidäre Schlacht folgen sollte, aus der am Ende bestenfalls China als neue Weltmacht hervorgehen könnte, wenn sie nicht im nuklearen Armageddon endet, oder ob man sich nicht lieber darum bemühen sollte, mit den bisher noch halbewgs neutralen Staaten des globalen Südens eine neue Ordnung anzustreben, die nicht mehr von ehemaligen Kolonialmächten dominiert wäre, und vielleicht eine klitzekleine Chance böte, eine globale Herausforderung wie den Klimawandel zu meistern.
Aber so lange "wir" wie religiöse Fanatiker an "unseren" #Werten festhalten und sie allen anderen zur Bedingung einer friedlichen Zusammenarbeit mit "uns" machen, wird das wohl kaum passieren.