Die technische Entwicklung, die mit der Aufklärung und dem allmählichen Sieg der rationalen Naturwissenschaft über die christliche Schöpfungslehre einher ging, kann man aber nicht einfach von den nach dem Mittelalter, während des aufkommenden Imperialismus neu entstehenden ökonomischen Verhältnissen lösen.
Naturphilosophen wie Newton, Leibniz, oder später auch der oberste deutsche Aufklärer Kant - die allesamt (genau wie der gelernte Philosoph K. Marx) in ihren stillen Kämmerlein und akademischen Studierzimmern sogar ganz enorme Berge von Theorie auftürmten - konnten sich den Luxus, sich berufsmäßig dem Philosophieren hinzugeben, anstatt einer produktiven Tätigkeit nachzugehen, auch nur leisten, weil sie dafür von reichen Sponsoren aus dem Adel oder dem neu entstehenden städtischen Großbürgertum bezahlt wurden.
Jene hatten wiederum ein ganz materielles Interesse daran, zunächst die ideologische Macht der Kirchen, und schliesslich des Adels selbst zu brechen, weil sie ihren poltischen und geschäftlichen Interessen im Weg stand.
Das unterscheidet sie inwiefern von Denkern zuvor? Bei den alten Griechen war es die Bürgerwürde und der Besitz von Sklaven, die ihnen die Freiheit Theorieberge aufzuhäufen ermöglichte, während es für die Denker des Mittelalters die klösterliche Sonderstellung war, zwangsbezahlt vom Bauernvolk drumherum.
Lediglich die Institutionalisierung war mehr oder weniger neu, wenn auch die Universitäten eine Erfindung des Mittelalters waren.
Und das materielle Interesse des städtischen Großbürgertums an Marx' Arbeiterbefreiung erschließt sich mir jetzt auch nicht so recht... Der Zug für Adel und Klerus war da so oder so schon abgefahren (oder wenigstens in Abfahrt begriffen) und nur wer aus diesem Klientel die Transition rechtzeitig begriff, was trotz guter Voraussetzungen nicht allen gelang, konnte den Schritt selbst mitmachen.
Das winzige, militärisch ehemals völlig unbedeutende Holland wurde z.B. in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor allem deshalb zur weltgrößten Handelsmacht, weil im relativ sekulären Amsterdam eine neue Schicht an reichen Kaufleuten die ökonomische und politische Macht ausübte, welche den Fernhandel als lukrative Geldanlage entdeckt und die ersten Beteiligungsgesellschaften an Handelsschiffsflotten gegründet hatten.
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Die Forschung ist sich absolut nicht einig darüber, was genau dazu führte, dass diese Entwicklung ausgerechnet zu dieser Zeit in diesem Land seinen Ursprung hatte, aber sicher ist, dass sie ohne die bereits entwickelten Börsen und Finanzmärkte, und ohne den massiven Eingriff des Staates in die sozioökonomischen Verhältnisse (bitte googlen: "enclosures") des Landes zum Zweck der "Befreiung" von Landarbeitern zu Industriearbeitskräften niemals so schnell in dieser Form statt gefunden hätte.
Alles schön und gut.
Ich verstehe nicht ganz, was genau Du mir damit jetzt sagen willst?
Marktwirtschaft kann (vor allem im Gegensatz zur z. B. in den deutschen Ländern zu der Zeit noch herrschenden kleinstaaterischen Selbstherrlichkeitsideologie lokal regierender Kleingeister) technische Entwicklung beschleunigen, aber aus einem winzigen Holland kein großes (zur damaligen Zeit) UK machen, so weit eine Binse.
Im heutigen Deutschland leben wir allerdings nicht mehr in einer Gesellschaft, in der sich große Philosophisch- Ethische Konzepte und Ideologien im Kampf um die Deutungshoheit über die Welt befinden, und damit starke gesellschaftliche Bewegungen auf beiden Seiten theoretisch unterfüttern, sondern in einer längst durchkommodifizierten Marktgesellschaft, zu der es spätestens seit dem Fall des eisernen Vorhanges überhaupt keinen großen Gegenentwurf mehr gibt.
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Selbst wenn man also der Ansicht wäre, dass nur eine gewaltsame, revolutionäre Übernahme der Produktionsmittel durch die Arbeitnehmerschaft zu einer nachhaltigen Veränderung führen könne (was ausdrücklich nicht mein Ziel ist![Edit: <- Nicht die Übernahme als solche, sondern die gewaltsame Revolution!]) , bräuchte man dafür trotzdem erst mal eine ausreichend große Masse an RevolutionärInnen, die bereit sind, dafür ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Das erschließt sich mir noch weniger.
Du gehst also von einer betonierten Einheitsideologie aus, bei der selbst Marx und Engels abwinken würden, ob der Revolutionsmüdigkeit bzw. kommoden Einrichtung der nichtrevolutionären Massen im Kapitalismus, folgerst daraus dann die Notwendigkeit... Ja was genau?
Kapitalismuskritische Beiträge in obskuren Foren reichen nicht, Graswurzelbewegungen werden durch den permanenten Betonmischer der kapitalistischen Ideologiemaschine redundant gemacht und den gewaltsamen Umsturz lehnst Du ab und siehst auch da eh keine nennenswerten revolutionären Massen, ja was denn dann? Ich sehe da ein Ja, aber auf Ja, aber auf Ja, aber. Sind da die seitenlangen Beiträge moralische Absolution vor Marx an der proletarischen Himmelspforte, oder was soll das dann? Man schreibt doch nicht aus Langeweile so viel, es muss doch ein Ziel dahinterstecken? Ich verstehe es einfach nicht. Wenn Du das einfach aus Spaß an der Freude machst, bitteschön, jeder wie er mag, dann hätte das als Antwort aber auch ausgereicht.
Und auch wenn der Satz...:
...natürlich nach wie vor richtig ist, nützt das ja nichts, wenn fast niemand den dreibändigen Schinken tatsächlich gelesen und noch weniger Leute ihn wirklich verstanden haben.
Aber auch diese Erkenntnis ändert eben nicht, dass die Problembeschreibung nunmal schon da ist und offensichtlich als Problembeschreibung allein nicht zur Lösung des Problems ausreicht, was also ist der daraus folgende nächste Schritt?
Sorry Fruchtoase. Da haben mich die Trolle etwas aufgebracht.
Es ist ja nicht so, dass in den Kreisen der Gesellschaftswissenschaftler seit Jahrzehnten das ewige Leben des Kapitalismus gefeiert wird. Wir Leben laut dem Fachjargon im Zeitalter des Spätkapitalismus.
Das Grundproblem der Benennung von Epochen in der Geschichtswissenschaft ist, dass es selten singuläre Ereignisse gibt, die das Ende einer Epoche bedeuten. Die Spätantike endet für die einen mit dem herrschaftlichen Ende des weströmischen Reiches 476, für die anderen mit dem Tode Justinians 565 und für die nächsten mit dem Einfall der Araber in das Oströmische Reich und dem Tod Herakleios 641. Da reden wir jetzt von einer Diskrepanz von knapp zwei Jahrhunderten. Was fangen wir jetzt mit einer Bezeichnung an, die einer Epoche schon gegeben wird, bevor diese überhaupt geendet haben kann, denn dass der Kapitalismus noch herrscht, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten. Was sind die Anzeiger, die das Ende des Kapitalismus markieren? Elon Musks Flug in den Weltraum, wohl eher nicht. Mir fallen keine ein. Gegenbeispiele allerdings sehr wohl.
Letztlich muss man dem Kapitalismus, das gilt hierbei zu bedenken, auch unterstellen, denn auch das wird wohl kein ernstzunehmender Forscher bestreiten, äußerst anpassungsfähig und wandelbar zu sein. Ob nun hyperindividualistischer Kapitalismus der Marke USA oder staatsgelenkter Kapitalismus der Chinesischen "Volksrepublik", es ist (fast) überall auf der Welt Kapitalismus bis auf wenige exotische Ausnahmen "innerhalb des Systems", wie z. B. die angesprochenen Genossenschaften.
Seit den 70ern haben sich Gesellschaftswissenschaften oder Systemtheoretiker darüber ausgelassen wie der Kapitalismus seine Existenzgrundlage zerstört. (z.B. Jürgen Habermas "Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus": 1973; Limits to Growth: 1972 ) ...
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Kurz gesagt, dass man überhaupt dazu was schreiben muss ist für mich eine Überraschung gewesen und das getrolle dazu höchst ärgerlich. -> Zynismus meinerseits.
Nur was sagt es einem, dass seit den 70ern schon vom Ende des Kapitalismus geschrieben wird und wir im Jahr 2021 jetzt irgendwie noch nicht so richtig Auflösungserscheinungen erkennen können? Also ich sehe zumindest keine.
Das Problem ist, dass der Kapitalismus die Lebensgrundlage des Menschen zerstört, er zerstört eben nicht die Lebensgrundlage des Kapitalismus (wenn man mal etwas abgehoben argumentieren darf).
P. S. : Ich musste die Zitate etwas einkürzen, die Maximallänge für einen Beitrag war überschritten.