Ich verstehe immer noch nicht was du unter Kapitalismus verstehst, ich habe es schonmal versucht zu erfragen es kam aber keine antwort.
Zudem hebt, gesell zumindest die Eigentumsrechte an Grundstücken teilweise auf (also doch kein Kapitalismus?)
Gesell will in der Tat das Privateigentum an Boden gegen Entschädigung(!) enteignen und verstaatlichen, um zu verhindern, dass Geld in Grundstücken angelegt, also "gehortet" und somit dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird, um Zahlungsmittel vor der von ihm geplanten, regelmäßigen Wertminderung zu schützen.
Allerdings geht es ihm dabei - bei aller salbungsvollen Befreiungslyrik, die er Seitenweise seiner Heilslehre hinzufügt - überhaupt nicht um eine Vergemeinschaftung und demokratische Verwaltung des Grundeigentums. Seine Idee ist vielmehr, dass der Staat die Grundstücke an ihre Nutzer gegen regelmäßige Zahlung von Geld verpachten, und einen Teil der Erträge daraus als "Mutterrente", als eine Art Kindergeld an Mütter auszahlen solle, weil diese ja schliesslich überhaupt erst die nötige Reproduktionsarbeit leisteten, um die wirtschaft mit ausreichend Arbeitskräften zu versorgen.
Dabei richtet sich der zu zahlende Betrag für die Nutzung des Bodens ganz marktwirtschaftlich danach wie begehrt die jeweilige Grundstückslage ist. Wer es sich also leisten kann, ein Grundstück zu nutzen ist - wie alles in einer Marktgesellschaft - eine Frage der Kaufkraft. Immobilien die auf dem verstaatlichten Grund stehen, nimmt er dabei explizit aus, weil sie keine "natürlichen" Güter sind, sondern von Menschen erschaffen wurden und daher auch vermarktet werden dürfen. Sie sollen weiterhin privates Eigentum bleiben.
Das heißt also auch in Gesells "natürlicher" Wirtschaftsordnung, dass man es sich leisten können muss, Grund und Boden vom Staat zu pachten und über die darauf errichteten, im Privateigentum befindlichen Werkshallen, Bürogebäude oder MIetshäuser zu verfügen, und dass man als jemand der sich das nicht leisten kann selbstverständlich auch weiterhin Miete an die EigentümerInnen zahlen muss.
Unter Immobilieninvestoren heißen Mietshäuser nicht umsonst auch einfach "Zinshäuser" weil sie nämlich einen Miet-Zins auf das private Eigentum abwerfen.
Alles bei Gesell dreht sich um die Vermeidung des Hortens von Geld. Da er ja glaubt, Marx als Schwindler und Dilettanten entlarvt zu haben, als ihm selbst die glorreiche Idee kam, dass es nicht primär die Aneignung unbezahlter Arbeitskraft, sondern der Zins sei, aus welchem die Kapitalisten ihren Profit generierten indem sie ihr Geld horteten und es Zinsen abwerfen ließen, definiert er kurzerhand den Mehwert als Zinsertrag und alle Leute die keine Rentner, bzw. Zinsgewinnler sind zu Arbeitern um - egal ob letztere im klassischen Sinn Arbeiter sind oder nicht.
Als Arbeiter im Sinne dieser Abhandlung gilt jeder, der vom Ertrag seiner Arbeit lebt. Bauern, Handwerker, Lohnarbeiter, Künstler, Geistliche, Soldaten, Offiziere, Könige sind Arbeiter in unserem Sinne. Einen Gegensatz zu all diesen Arbeitern bilden in unserer Volkswirtschaft einzig und allein die Rentner, denn ihr Einkommen fließt ihnen vollkommen unabhängig von jeder Arbeit zu.
Es geht ihm mit seiner "Freiwirtschaft" bestenfalls vordergründig darum, damit die Macht des Kapitals zu brechen. Eigentlich will er es lediglich zur ständigen Reinvestition in die Warenproduktion zu bewegen. Er will den Kapitalismus effizienter machen, indem er die Kapitalisten dazu antreibt, ihre Profite stetig neu zu investieren, bzw. indem er die Kreditvergabe nur noch über staatliche Banken erlaubt, die "freigeld" in Form von "Schwundgeld"- Zahlungsmitteln ausgeben, weche automatisch an Wert verlieren, wenn sie nicht produktiv investiert, oder in den Kauf von Waren umgesetzt werden.
Dass dabei natürlich auch die Nicht-EigentümerInnen an den Produktionsmitteln dazu gezwungen wären, für einen stetigen Zufluss der verderblichen Zahlungsmittel zu sorgen, dass sie also noch mehr davon abhängig würden, sich dem Kapital als Arbeitskräfte andienen zu können, weil sie ja nun nicht einmal mehr die Möglichkeit hätten, von ihrem Arbeitslohn etwas für schwere Zeiten zurück zu legen, interessiert Gesell nicht.
Schliesslich hat er ja einfach festgestellt, dass Lohnarbeit überhaupt nichts schlechtes sei, so lange die Kapitalisten nur daran gehindert würden, die Erlöse aus dem Verkauf von mit Lohnarbeit produzierten Waren durch Zinserträge zu zu vermehren und sich so gegenüber den ArbeiterInnen ein höheres, leistungsloses Einkommen zu verschaffen. Er geht im Weiteren davon aus, dass durch den Wegfall der Zinsgewinnlerei und der Geldhortung die Unternehmer nur noch den gerechten Lohn für ihre harte Unternehmerarbeit einstreichen würden.
Alles anzeigenSo ist nun der Kaufmann ein bloßer Musterreiter geworden, und der Fabrikant ist
sicher, daß die Aufträge, die ihm vom Kaufmann zugehen, nicht dessen persönliche
Ansicht über den Warenbedarf widerspiegeln, sondern den unmittelbaren Bedarf der
Verbraucher, den wirklichen Warenbedarf. Er hat jetzt in den Bestellungen ein untrüg-
liches Bild der Wandlungen, die im Geschmack, in den Bedürfnissen des Volkes vor-
gehen, und er kann sich immer rechtzeitig diesen Wandlungen anpassen. Früher, als die
Bestellangen immer nur die persönliche Ansicht der Kaufleute wiedergaben, waren plötzliche
Umschläge, war der sogenannte Modenwechsel an der Tagesordnung.
Auch dadurch hilft mir das Freigeld über manche Schwierigkeiten hinweg.
Aber schließlich, wenn die Arbeit des Unternehmers so sehr erleichtert wird, wenn
der Unternehmer nur mehr Techniker, nicht mehr Kaufmann zu sein braucht, so wird
doch der Unternehmergewinn darunter leiden müssen. An tüchtigen Technikern fehlt
es ja nicht, und wenn die kaufmännische Leitung eines gewerblichen Unternehmens
so wenig Schwierigkeiten mehr bietet, so wird jeder brauchbare Techniker auch ein
brauchbarer Unternehmer. Nach den Gesetzen des Wettbewerbs muß dann aber auch
wieder der Unternehmergewinn auf den gleichen Stand des Technikerlohnes herab-
gehen. Eine unangenehme Nebenerscheinung für so viele Untemehmer, deren Erfolge
von ihrer kaufmännischen Begabung herrühren! Mit dem Freigeld ist die schöpferische
Kraft auf kaufmännischem Gebiet überflüssig geworden, denn die Schwierigkeiten sind
verschwunden, für deren Überwindung die vergleichsweise seltene, aber gerade darum
so schwer bezahlte kaufmännische Begabung nötig war.
Er verkennt dabei allerdings geflissentlich, dass die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die er - nicht ganz falsch - als eigentliche Aufgabe der Wirtschaft betrachtet, in einer kapitalistischen Marktwirtschaft nicht zum Zweck der allgemeinen Bedürfnissbefriedigung stattfindet, sondern zur Wertsteigerung, und dass dabei Rohstoffe und Arbeitskraft in einem Produktionsprozess zu Waren verarbeitet werden, die am Schluss auf dem Markt eben mehr wert sind, als sie es wären, wenn sie diesen Prozess nicht durchlaufen hätten.
Ob das Geld das mit dem Warenhandel dann verdient wird, schneller oder weniger schnell in erneute Warenproduktion investiert wird, ist für das grundsätzliche Prinzip zweitrangig - zumal es ja nicht nur den Kapitalisten, sondern auch ihren abhängig Beschäftigten als Tauschmittel zum Erwerb der Waren dient und sie durch die regelmäßige Wertminderung pro ausgegebener Geldeinheit dazu antreibt, immer weiter Arbeitskraft und Rohstoffe in neue Waren zu verwandeln, um mit deren Vermarktung wieder neue, "frische" Geldeinheiten in die Unternehmenskassen und Lohntüten zu spülen.
Seine Idealvorstellung einer "natürlichen" Wirtschaftsordnung ist nichts weiter als eine ganz und gar widernatürlich vom Staat durch die exklusive Vergabe von verderblichem Staatsgeld angetriebene Marktwirtschaft auf Steroiden.
Absatz Absatz, das ist es, was wir Unternehmer brauchen, regelmäßigen gesicherten Absatz, Aufträge auf lange Zeit im voraus, denn auf Regelmäßigkeit des Absatzes der Waren ist die Industrie angewiesen. Wir können doch nicht jeden Augenblick unsere eingearbeiteten Leute entlassen, jedesmal wenn der Absatz stockt, um kurze Zeit darauf neue, ungeschulte Leute einzustellen. Auch können wir nicht aufs Geratewohl fürs Lager arbeiten, wenn die festen Bestellungen fehlen. Absatz, gesicherten Absatz! Ver-schaffe man uns nur regelmäßigen Absatz, passende öffentliche Einrichtungen für denTausch unserer Erzeugnisse - mit den Schwierigkeiten der Technik werden wir dann schon fertig werden. Absatz, Barzahlung, währende Preise - das übrige können wir selbst schaffen.
Das waren unsere Wünsche, als von der Einführung des Freigeldes die Rede war. Und
diese Wünsche sind erfüllt worden.
Was ist Absatz? Verkauf. Was ist Verkauf? Tausch der Waren gegen Geld. Woher
das Geld? Vom Verkauf der Waren. Also ein Kreislauf!