Paech kritisiert halt nur zurecht, dass Marx nicht erkannte, dass die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz nicht möglich ist
Ich glaube, dass die Umweltproblematik gegen Ende des 19. Jh., als Marx "Das Kapital" schrieb, noch sehr schwach ausgeprägt war. Von einer globalen ökologischen Krise konnte hier noch keine Rede sein. Aber unabhängig davon wüsste ich nicht, wo sich Marx konkret für die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz ausgesprochen hätte.
Übrigens: Bereits 1932 erkannte die Marx-Kritikerin Simone Weil prophetisch, dass Marx' Thesen zu einer Paradoxie führen, denn für permanentes Wachstum brauche man Energie und Ressourcen, und diese seien endlich. Sie erkannte in Marx' Geschichtsphilosophie eine versteckte Theologie, die darauf beruht, die Steigerung der Produktionsmittel werde die Befreiung des Proletariats bewirken. Und weil diese Produktionsmittel sich ständig optimieren und steigern lassen (Marx erklärt nicht, wie das funktionieren soll), werde der Klassenkampf letztlich zu Gunsten des Proletariats entschieden.
Grundsätzlich ist es schwierig, Marx als den Begründer einer umfassenden Weltanschauung darzustellen. Einerseits muss man berücksichtigen, dass sich das Früh- vom Spätwerk mitunter stark unterscheidet, andererseits, dass es eine ausgesprochen umfangreiche Rezeptionsgeschichte zu Marx Werken gibt. Es gibt bspw. einen sehr populären "Weltanschauungsmarxismus" der Arbeiterbewegung, auf den du wahrscheinlich abzielst, der durch solche Interpreten wie Friedrich Engels, Karl Kautsky und Lenin geprägt wurde. Zum Beispiel:
Zitat von Lenin
Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist. Sie ist in sich geschlossen und harmonisch, sie gibt den Menschen eine einheitliche Weltanschauung.
Tatsächlich handelt es sich bei Marx Werken aber um einen extrem umfangreichen Korpus an begonnenen und unvollendeten Projekten. Beispielsweise war sein Hauptwerk "Das Kapital" ursprünglich auf 6 Bände angelegt. Herausgegeben hat Marx selbst nur Band 1. Band 2 und 3 wurden basierend auf unvollständigen Manuskripten von Engels nach Marx Tod herausgegeben und von den meisten Interpreten auch gar nicht groß zur Kenntnis genommen. In den 60ern und 70ern gab es auch noch den "Westlichen Marxismus", zu dem auch die "Frankfurter Schule" gehörte, die durch Theodor Adorno und Herbert Marcuse geprägt war und einen eher psychoanalytischen Charakter hatte. Die Lesart der marxschen Werke, die ich z.B. am interessantesten finde, wird gemeinhin als s.g. "Neue Marx-Lektüre" bezeichnet und durch solche Interpreten wie Michael Heinrich geprägt. Hier steht insbesondere die Rekonstruktion der marxschen "Werttheorie" im Vordergrund.
Aber wie gesagt. Ich verstehe nicht, wo sich Marx für ein unendliches Wachstum starkgemacht haben soll. Eher das Gegenteil. Er hat ja explizit auf die Schwachsinnigkeit der Eigenlogik des Kapitals hingewiesen, die darin besteht, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Und das eben ohne inhärente Grenze und auf Kosten von Mensch und Natur (wenn auch die Natur damals aus genannten Gründen noch relativ unterbelichtet war).