Beiträge von marty

    Ich habe noch nicht verstanden, wie dadurch die Nachfrage nach bspw. Flugreisen, Autofahrten, Kreuzfahrten, Fleischverzehr, und Wohnraumverbrauch drastisch sinken soll. Kannst du das bitte ganz konkret erläutern?

    Ich wurde zwar nicht direkt angesprochen, aber antworte trotzdem mal. :) Der marxsche Ansatz läuft darauf hinaus, die Warenproduktion, den damit verbundenen Markt und damit letztlich auch das Geld und seine am weitesten verselbständigte Form, das Kapital, komplett abzuschaffen. Das Ziel ist, die Produktion von Gebrauchswerten direkt an der Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten zu orientieren. In einer Wirtschaft, deren Arbeitsteilung (ja, hier kommt tatsächlich die "Arbeit" ins Spiel) durch den Tausch privat produzierter Waren vermittelt ist, konstituiert sich, der marxschen Analyse nach, zwingend ein "Wert"-Verhältnis, das den einzelnen getauschten Waren scheinbar als natürliche (und eben nicht gesellschaftliche) Eigenschaft zukommt. In letzter Konsequenz verselbstständigt sich dieser "Wert" im Kapitalismus so weit, dass jede Produktion von Gebrauchswerten ausschließlich auf die Vermehrung dieses Werts hinausläuft. Die Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten ist hier nur insoweit noch von Belang, als dass sie der Vermehrung dieses Werts dienlich ist. Es steht hier also ein systemisch bedingtes, prinzipiell maßloses Bestreben zur Vermehrung dieses "Werts" den naturgemäß (allein schon hinsichtlich der physiologischen Kapazität) begrenzten Bedürfnissen der Konsumenten gegenüber.

    In wie fern führen "Veränderung der Eigentumsverhältnisse"

    zu deutlich weniger beispielsweise Flugreisen, Autofahrten, Kreuzfahrten, Fleischverzehr, und Wohnraumverbrauch?

    Aus marxistischer Perspektive glaube ich, der grundlegende Denkfehler bei Herr Paech liegt darin, dass er das Bestreben des Kapitals, sich selbst zu verwerten bzw. Profite zu erzeugen, in einem subjektiven Bedürfnis der einzelnen Kapitalisten begründet. Marx hat versucht darzulegen, dass es sich dabei aber tatsächlich um eine immanente Systemdynamik handelt, die sich unabhängig vom Willen der Kapitalisten tendenziell immer durchsetzen muss. Es handelt sich hierbei um eine Verselbstständigung des "Wert"-Verhältnisses, das sich durch die im allseitigen Tausch vollzogene Gleichsetzung privat produzierter Waren konstituiert und letztlich im Geld real manifestiert. So gesehen ist es aus Herr Paechs Sicht nur logisch und folgerichtig, diese als subjektives Bedürfnis naturalisierte Systemdynamik mit den subjektiven Bedürfnissen der Konsumenten gleichzusetzen. Demnach müssen auch die Konsumenten dazu tendieren, ihren Konsum nach Möglichkeit unbegrenzt auszudehnen.

    Der Äquivalententausch ist nur in der Zirkulationssphäre wahr, nicht in der Sphäre der Produktion. Das ist ja das Rätsel, das Marx lösen wollte. Wenn wir doch immer nur Waren gegen Arbeit mit gleichem Wert tauschen, wenn also doch jeder immer gerecht bezahlt und jede Ware ihren wirklichen Wert hat (wie von der Neoklassik oder den bürgerlichen Ökonomen im 19. Jahrhundert), wie kann es dann sein, dass wir in einer Welt leben, in der es reiche und arme Menschen gibt? Und die Lösung ergibt sich, wenn man in die Produktion schaut, wo die Mehrwertextranktion stattfindet. Es gab auch vor Marx klassische Ökonomen, die ricardianischen Sozialisten, die sich dafür eingesetzt haben, dass Arbeiter ihren geschaffenen Wert vollständig zurück erhalten. Der Lohn der Arbeiter hängt von der Menge der Lebensmittel ab, die diese zur Reproduktion brauchen und von historischen Klassenkämpfen (Streiks, Gewerkschaften, Politik usw.). Ich denke, es geht nicht so sehr darum, dass jeder Arbeiter seinen exakten Wert immer zurückbekommt, sondern eher darum, dass im Betrieb demokratisch über die Investition dieses Überschusses (letztendlich von jedem dann) entschieden wird.

    Soweit ich weiß, hat Marx selbst die s.g. "Linksricardianer" seiner Zeit wegen der moralisierenden Kritik eines angeblich ungerechten Tauschs kritisiert. Die Radikalität seiner Kapitalismuskritik besteht ja gerade darin, darzulegen, wie Ausbeutung auch mit der Einhaltung der Gesetze des Äquivalententauschs möglich ist. Er argumentiert so, dass die "Ware Arbeitskraft" gerade eine Ware wie jede andere ist. Sie besitzt also sowohl Tausch- als auch Gebrauchswert. Ihr Tauschwert besteht im Wert der zu ihrer Reproduktion notwendigen Lebensmittel (im weitesten Sinne). Der Gebrauchswert aber besteht gerade darin, neuen Wert zu schaffen. Der Kapitalist bezahlt beim Kauf der Arbeitskraft ihren Wert. Die (erst noch) zu verrichtende Arbeit aber ist Teil des Gebrauchswerts, welcher vom Kapitalisten zu seinem eigenen Bedarf konsumiert wird, wie jeder andere Gebrauchswert. Mit dem Kauf der Ware Arbeitskraft wurde vertraglich eine bestimmte Zeitspanne zwischen beiden Parteien vereinbart, in welcher der Kapitalist auf diesen Gebrauchswert zugreifen darf. Logischerweise wird der Kapitalist diese Zeitspanne so gewählt haben, dass der Wert, den seine Arbeitskraft neu erzeugt, ihren eigenen Tauschwert übersteigt. Die Differenz davon ist der Mehrwert, der sich im vorne herein schon immer in seinem Eigentum befindet. Die Konsequenz davon ist, dass ein Ende des Ausbeutungsverhältnisses eine Abschaffung des Kapitalismus erfordert.

    Auch wenn im „Kapital“ die „gerechte“ Verteilung nicht definiert ist, lässt sich als Minimalbedingung ableiten, dass zumindest jegliche „Ausbeutung“ zu vermeiden wäre. Sie scheint aus marxistischer Sicht damit einherzugehen, dass sich ein bestimmter Personenkreis – die „Kapitalisten“ – Überschüsse aneignet, die in keiner reziproken Beziehung zur eigenen Leistung stehen. Außerdem werden andere Personen – die „Arbeiter“ – durch diese Entwendung des ihnen zustehenden Arbeitsergebnisses geschädigt.

    Aber dieses doppelte Kriterium für den Tatbestand einer „Ausbeutung“ kann auch durch Konsum erfüllt werden, zumal dieser per definitionem bedingt, dass Verbrauch und Entstehung von Leistungen zwei getrennte Sphären bilden.

    Davon abgesehen, dass, laut Marx, eine "Entwendung des ihnen zustehenden Arbeitsergebnisses" der Arbeiter überhaupt nicht notwendig ist, da sie ohnehin im Rahmen des Äquivalententausches nur einen Anspruch auf den Wert ihrer Ware Arbeitskraft bzw. ihrer Reproduktionskosten haben, setzt Herr Paech hier ein prinzipiell maßloses Bestreben des Kapitals, Profit zu erzeugen mit einem naturgemäß begrenzten stofflichen Bedürfnis der Konsumenten gleich. Das Problem ist ja gerade, dass diese naturgemäß begrenzten Bedürfnisse bspw. durch Werbung künstlich ausgedehnt werden müssen, allein damit sich das Kapital weiter verwerten kann. Es spielt keine Rolle, ob die Konsumenten mehr konsumieren wollen oder nicht. Sie müssen es letztlich tun, damit die Kapitalverwertung weitergehen kann.

    Ich glaube, Herr Paech hat hier ein Missverständnis. Bei der Werttheorie geht es nicht um den ideellen oder moralischen Wert von menschlicher Arbeit. So nach dem Motto: Nur die echte menschliche Arbeit (vom ehrlichen Arbeiter mit der starken Hand :)) sei wirklich "wertvoll", weshalb dogmatisch auf dieser einzig wahren Quelle des Werts bestanden werden soll. Es geht um die Darstellung einer besonderen gesellschaftlichen Dimension eines stofflichen Gebrauchswerts, die ihm auch nur in einem speziellen gesellschaftlichen Zusammenhang der allgemeinen privaten Warenproduktion zu eigen wird. Marx ging es ja gerade um die Abschaffung dieses Zusammenhangs und damit auch dieses tollen Werts, dessen Verherrlichung ihm Herr Paech hier unterstellt.


    Ich fürchte, dass seine weitere Argumentation leider auf dieser falschen Annahme basiert und somit zu weiteren falschen Schlussfolgerungen gelangt.

    Paech kritisiert halt nur zurecht, dass Marx nicht erkannte, dass die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz nicht möglich ist

    Ich glaube, dass die Umweltproblematik gegen Ende des 19. Jh., als Marx "Das Kapital" schrieb, noch sehr schwach ausgeprägt war. Von einer globalen ökologischen Krise konnte hier noch keine Rede sein. Aber unabhängig davon wüsste ich nicht, wo sich Marx konkret für die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz ausgesprochen hätte.

    Übrigens: Bereits 1932 erkannte die Marx-Kritikerin Simone Weil prophetisch, dass Marx' Thesen zu einer Paradoxie führen, denn für permanentes Wachstum brauche man Energie und Ressourcen, und diese seien endlich. Sie erkannte in Marx' Geschichtsphilosophie eine versteckte Theologie, die darauf beruht, die Steigerung der Produktionsmittel werde die Befreiung des Proletariats bewirken. Und weil diese Produktionsmittel sich ständig optimieren und steigern lassen (Marx erklärt nicht, wie das funktionieren soll), werde der Klassenkampf letztlich zu Gunsten des Proletariats entschieden.

    Grundsätzlich ist es schwierig, Marx als den Begründer einer umfassenden Weltanschauung darzustellen. Einerseits muss man berücksichtigen, dass sich das Früh- vom Spätwerk mitunter stark unterscheidet, andererseits, dass es eine ausgesprochen umfangreiche Rezeptionsgeschichte zu Marx Werken gibt. Es gibt bspw. einen sehr populären "Weltanschauungsmarxismus" der Arbeiterbewegung, auf den du wahrscheinlich abzielst, der durch solche Interpreten wie Friedrich Engels, Karl Kautsky und Lenin geprägt wurde. Zum Beispiel:

    Zitat von Lenin

    Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist. Sie ist in sich geschlossen und harmonisch, sie gibt den Menschen eine einheitliche Weltanschauung.

    Tatsächlich handelt es sich bei Marx Werken aber um einen extrem umfangreichen Korpus an begonnenen und unvollendeten Projekten. Beispielsweise war sein Hauptwerk "Das Kapital" ursprünglich auf 6 Bände angelegt. Herausgegeben hat Marx selbst nur Band 1. Band 2 und 3 wurden basierend auf unvollständigen Manuskripten von Engels nach Marx Tod herausgegeben und von den meisten Interpreten auch gar nicht groß zur Kenntnis genommen. In den 60ern und 70ern gab es auch noch den "Westlichen Marxismus", zu dem auch die "Frankfurter Schule" gehörte, die durch Theodor Adorno und Herbert Marcuse geprägt war und einen eher psychoanalytischen Charakter hatte. Die Lesart der marxschen Werke, die ich z.B. am interessantesten finde, wird gemeinhin als s.g. "Neue Marx-Lektüre" bezeichnet und durch solche Interpreten wie Michael Heinrich geprägt. Hier steht insbesondere die Rekonstruktion der marxschen "Werttheorie" im Vordergrund.


    Aber wie gesagt. Ich verstehe nicht, wo sich Marx für ein unendliches Wachstum starkgemacht haben soll. Eher das Gegenteil. Er hat ja explizit auf die Schwachsinnigkeit der Eigenlogik des Kapitals hingewiesen, die darin besteht, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Und das eben ohne inhärente Grenze und auf Kosten von Mensch und Natur (wenn auch die Natur damals aus genannten Gründen noch relativ unterbelichtet war).

    Ja schon, Aber inwiefern widersprechen sich da die Interessen des Produktionsmittelbesitzers und des Arbeitskraftverkäufers nicht?

    Ich stelle den grundlegenden Interessenkonflikt zwischen Kapital und Lohnarbeit nicht infrage. Mein Argument ist nur, it's not a bug it's a feature. Gerade, weil der Kapitalismus fehlerfrei funktioniert bzw. das Prinzip des Äquivalententausches zwischen privaten Warenproduzenten, gewährleistet durch staatlich erzwungene Gesetzgebung, konsequent eingehalten wird, entsteht dieser Klassenwiderspruch.

    Ich glaube auch nicht, dass alle Einzelproduzenten die Funktionsweise der Gesamtstruktur in einer zukünftigen gemeinschaftlich organisierten Wirtschaft verstehen müssten.

    Ich glaube, ich hatte mich hier undeutlich ausgedrückt. Die arbeitsteiligen Einzelproduzenten einer Wirtschaft müssen in keinem Fall, weder als private Warenproduzenten im Kapitalismus noch als gemeinschaftliche Produzenten in einer Planwirtschaft, die Funktionsweise der gesamten Wirtschaftsstruktur verstehen. Im ersten Fall sagt ihnen der Markt bzw. der Wert ihrer Waren, was sie wie produzieren sollen. Im zweiten Fall sagt es ihnen das zentrale Planungsbüro. Entscheidend ist aber, dass es im ersten Fall überhaupt nichts und im zweiten Fall das Planungsbüro geben muss, das die Funktionsweise der Gesamtstruktur versteht. Das nur kurz zur Verdeutlichung meines Arguments. Du hast mir ja dabei zugestimmt, dass eine selbstorganisierte Form des Wirtschaftens jenseits des Kapitalismus zumindest vorstellbar ist.

    Aber um überhaupt zu einer solchen neuen Gesellschaft zu kommen, bräuchte erst einmal eine gesellschaftliche Mehrheit, die verstanden hat, warum der Kapitalismus nicht in ihrem Sinne funktionieren kann, und warum es daher nichts bringt, ganz demokratisch irgendwelche PolitikerInnen in Ämter zu wählen, die behaupten (und selbst ganz fest daran glauben) er könne es, wenn man ihn nur endlich mal richtig organisieren würde.

    Das Verständnis ist aus meiner Sicht nur die notwendige Voraussetzung, aber noch lange nicht hinreichend, um eine radikale Veränderung herbeizuführen. Man kann auch logisch verstehen, dass Rauchen, zu wenig körperliche Bewegung und das übermäßige Essen von Junk-Food schädlich bzw. sogar potenziell tödlich sind. Die allerwenigsten sind aber bereit, dann auch folgerichtig ihre komplette Lebensweise grundlegend umzustellen. Dann doch lieber noch mehr E-Zigaretten, Ergo-Sessel und Light-Produkte. Und genau das wird dann ja auch von den etablierten Parteien so angeboten. :)

    Unser heutiges Sozioökonomisches System ist auch deshalb so komplex und in seiner Gesamtstruktur gar nicht zu verstehen, weil es einerseits voller Widersprüche steckt, die sich letztendlich alle aus dem Widerspruch ergeben, der zwischen den Interessen der privaten EigentümerInnen an den Produktionsmitteln und den Interessen der zu deren profitabler Verwertung nötigen lohnabhängig Beschäftigten besteht [...]

    Der Klassenwiderspruch im Kapitalismus besteht ja paradoxerweise laut Marx auch ohne eine Verletzung des Äquivalententausches. Es stehen sich mit Kapitalist und Lohnarbeiter zwei "freie" und "gleiche" Privateigentümer gegenüber. Der eine besitzt bloß eben die Produktionsmittel und der andere nur seine Arbeitskraft. Nichtsdestotrotz entspricht der Wert der "Ware Arbeitskraft" tatsächlich nur dem Wert der Lebensmittel (im weitesten Sinne), die zu ihrer Reproduktion benötigt werden. Allerdings besteht der Gebrauchswert dieser Ware darin, neuen Wert zu schaffen. Wie dieser Gebrauchswert vom Kapitalisten in einer vertraglich vereinbarten Zeitspanne genutzt wird, ist nicht mehr die Sache des Verkäufers bzw. des Lohnarbeiters. Sowohl die Festlegung der als gesellschaftlich notwendig angesehenen Reproduktionskosten, als auch die Festlegung der Länge des Arbeitstages können so nur das Ergebnis von staatlich moderierten Kämpfen sein.

    Es muss nicht unbedingt eine Planwirtschaft sein. Man könnte auch Elemente einer Marktwirtschaft erhalten, wenn man die Betriebe demokratisiert hat. Auf der anderen Seite bauen die Konzerne aber schon seit Jahrzehnten vor unserer Nase eine Planwirtschaft auf, die man möglicherweise demokratisieren könnte.

    Die Frage ist doch, wo fängt Kapitalismus eigentlich an? Marx zufolge geht es schon damit los, dass die gesamte gesellschaftliche Teilung der Arbeit über den Tausch von privat produzierten Waren stattfindet. Das wiederum konstituiert eine neue gesellschaftliche Dimension des Gebrauchswerts, gleichzeitig auch ein Tauschwert zu sein. Die notwendige Gestalt dieses Tauschwerts ist das Geld. Das Geld als Ausgangspunkt eines neuen Produktionsprozesses wiederum macht nur Sinn, wenn es sich um einen Gewinn vermehrt bzw. zu Kapital wird. Kapital ist aber wiederum ein bloßer Selbstzweck. Geld, das dazu dient, mehr Geld zu erzeugen. Das Problematische am Kapitalismus ist eben diese "Wert"-Seite eines Gebrauchswerts, weil die eben eine Eigenlogik im Kapital entwickelt, die nichts mit Bedürfnisbefriedigung zu tun hat bzw. diese nur wie ein Parasit als Mittel zum (Selbst-)Zweck benötigt.


    Oder noch weiter verkürzt: Man kann diesen "Wert" am Gebrauchswert nicht haben, ohne auch Kapital zu bekommen.


    Das ist so das grundlegende Problem. Oder zumindest mein oberflächliches Verständnis davon (das natürlich auch komplett falsch sein kann, was ich nicht hoffe). :)


    Zum Thema "Wert" habe ich im Transformation-Thread übrigens noch einen detaillierteren Beitrag gepostet, womit die Problematik vielleicht noch deutlicher wird:

    Ich denke, dass hier wohl das Hauptproblem darin liegt, die Komplexität der Arbeitsteilung innerhalb einer industrialisierten Gesellschaft zu bewältigen, die sich im Kapitalismus selbst über den Markt organisiert. Ein einzelner Privatproduzent muss eben nicht die genaue Funktionsweise der gesamten Wirtschaftsstruktur verstehen, in welcher er nur eine kleine Teilfunktion erfüllt. Es wird ihm im Nachhinein über den Wert seiner Waren auf dem Markt mitgeteilt, inwiefern die von ihm verausgabte Arbeit gesellschaftlich notwendig war bzw. einen validen Anteil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit darstellt, um die gesamte Wirtschaftsstruktur zu bauen. So gesehen ist es also der Wert, der die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung im Kapitalismus koordiniert.


    Wenn nun keine Privatproduktion für den Tausch mehr stattfinden bzw. die Warenproduktion inkl. des Geldes abgeschafft werden soll, entfällt entsprechend auch dieser automatische Koordinationsmechanismus "Wert". Somit wäre es dann das naheliegendste, diese Koordination der Arbeitsteilung von gemeinschaftlichen Einzelproduzenten manuell über eine zentrale Planung zu verwalten. Hierzu muss man aber die genaue Funktionsweise der gesamten Wirtschaftsstruktur verstehen, was angesichts ihrer bisher erreichten Feingliedrigkeit eben ein massives Problem der Komplexitätsbewältigung darstellt. Dieses Problem besteht selbst dann, wenn alle Gesellschaftsmitglieder geschlossen den Kapitalismus abschaffen wollen. (An der Stelle möchte ich noch anmerken, dass eine zentral geplante Arbeitsteilung nichts Neues ist und derzeit innerhalb jedes Unternehmens stattfindet, wo Arbeitsprodukte schließlich auch nicht getauscht werden.)


    Deswegen muss sich aus meiner Sicht die Suche nach Alternativen auf selbstorganisierte Formen des Wirtschaftens konzentrieren, in der die (inzwischen) gemeinschaftlichen Einzelproduzenten die Funktionsweise der Gesamtstruktur nicht verstehen müssen. Ein Konzept, dass ich an anderer Stelle schon genannt habe, wäre z.B. die "Stigmergie", welches im ökonomischen Kontext u.a. von Stefan Meretz vorgeschlagen wurde.

    Man müsste zu allererst zu einer Gesellschafts- und Wirtschaftsform finden, in der nicht mehr für den Tausch, sondern für den tatsächlichen Bedarf produziert wird. Wie das in einer industrialisierten Gesellschaft, die nicht mehr auf Subsistenzwirtschaft sondern auf Überschussproduktion basiert, genau funktionieren soll konnte Marx allerdings auch nicht erklären. Aber natürlich wäre die Überführung des Privateigentums an den Produktionsmitteln in die Hände derjenigen, die mit ihnen arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen der erste Schritt dazu, diesen Lebensunterhalt wieder zum eigentlichen Zweck der Produktion zu machen.

    Ich denke, dass hier wohl das Hauptproblem darin liegt, die Komplexität der Arbeitsteilung innerhalb einer industrialisierten Gesellschaft zu bewältigen, die sich im Kapitalismus selbst über den Markt organisiert. Ein einzelner Privatproduzent muss eben nicht die genaue Funktionsweise der gesamten Wirtschaftsstruktur verstehen, in welcher er nur eine kleine Teilfunktion erfüllt. Es wird ihm im Nachhinein über den Wert seiner Waren auf dem Markt mitgeteilt, inwiefern die von ihm verausgabte Arbeit gesellschaftlich notwendig war bzw. einen validen Anteil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit darstellt, um die gesamte Wirtschaftsstruktur zu bauen. So gesehen ist es also der Wert, der die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung im Kapitalismus koordiniert.


    Wenn nun keine Privatproduktion für den Tausch mehr stattfinden bzw. die Warenproduktion inkl. des Geldes abgeschafft werden soll, entfällt entsprechend auch dieser automatische Koordinationsmechanismus "Wert". Somit wäre es dann das naheliegendste, diese Koordination der Arbeitsteilung von gemeinschaftlichen Einzelproduzenten manuell über eine zentrale Planung zu verwalten. Hierzu muss man aber die genaue Funktionsweise der gesamten Wirtschaftsstruktur verstehen, was angesichts ihrer bisher erreichten Feingliedrigkeit eben ein massives Problem der Komplexitätsbewältigung darstellt. Dieses Problem besteht selbst dann, wenn alle Gesellschaftsmitglieder geschlossen den Kapitalismus abschaffen wollen. (An der Stelle möchte ich noch anmerken, dass eine zentral geplante Arbeitsteilung nichts Neues ist und derzeit innerhalb jedes Unternehmens stattfindet, wo Arbeitsprodukte schließlich auch nicht getauscht werden.)


    Deswegen muss sich aus meiner Sicht die Suche nach Alternativen auf selbstorganisierte Formen des Wirtschaftens konzentrieren, in der die (inzwischen) gemeinschaftlichen Einzelproduzenten die Funktionsweise der Gesamtstruktur nicht verstehen müssen. Ein Konzept, dass ich an anderer Stelle schon genannt habe, wäre z.B. die "Stigmergie", welches im ökonomischen Kontext u.a. von Stefan Meretz vorgeschlagen wurde.

    Ich möchte zu meinem letzten Post noch etwas ergänzen. Ich schrieb, dass "Tausch-basierte Wirtschaften" notwendigerweise immer Geld und Kapital hervorbringen müssen. "Basiert" meint in diesem Sinne, dass fast alles getauscht wird, wozu insbesondere die Arbeitskraft gehört, und fast jede Produktion von Gebrauchswerten ausschließlich für den Tausch bestimmt ist. Erst dann beginnt sich das Geld als Kapital in der genannten Weise zu verselbstständigen.


    Natürlich gibt es Handel und Geld wahrscheinlich schon so lange es menschliche Zivilisationen gibt. Der wesentliche Unterschied zu heute ist wohl, dass dieser Handel in andere Produktionsverhältnisse eingebettet und die Ausnahme war. Beispielsweise haben 90% der Bevölkerung im Feudalismus Subsistenzwirtschaft als einfache Bauern betrieben. Produziert wurde dort für den eigenen Bedarf und leider auch für den Bedarf des Grundherren, dem das Land und evtl. auch man selbst als Leibeigener gehörte. Nichtsdestotrotz wurden auch hier schon Überschüsse aus der Landwirtschaft oder Produkte von Handwerkern in Städten gegen Geld gehandelt. Man darf nicht vergessen, dass die Auswahl an gehandelten Produkten noch sehr gering war. Besonders viel Geld hätte einem dort wohl relativ wenig gebracht, da es wenig gab, was man hätte damit kaufen können.

    Ob man das noch Kapitalismus nennt oder anders, möchte ich nicht beurteilen. Es kommt auf die inhaltlichen Veränderungen an.

    Eigenverantwortung auf jeden Fall. Aber nicht im Sinne des neoliberalen Gedankens (Wettbewerb, Konkurrenz, Jeder gegen jeden) sondern das Gegenteil, nämlich Fokus auf Kooperation und Gemeinschaft.

    Ohne Wirtschaftswachstum.

    Ohne jeden Zweifel.

    Der entscheidende Verdienst von Karl Marx war aus meiner Sicht, erkannt zu haben, dass es sich beim Kapitalismus um eine besondere Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung handelt, in der ausschließlich privat produzierte Waren zu gleichen Werten ausgetauscht werden. Daraus lässt sich wiederum die zwingende Notwendigkeit von Geld und aus Geld die zwingende Notwendigkeit von Kapital nachweisen (das ist der Gegenstand von "Das Kapital."). Kapital ist nichts anderes als vorgeschossenes Geld, das den einzigen Zweck hat, mehr Geld zu erzeugen. Daraus folgt dann aber, dass eine Tausch-basierte Wirtschaft immer Geld und damit auch immer Kapital hervorbringen muss. Somit hat man in einer Tausch-basierten Wirtschaft in letzter Konsequenz immer einen Zwang zur Profitmaximierung und damit auch einen Zwang zum Wirtschaftswachstum.


    Dieser Analyse folgend kann eine Alternative nur in einer nicht Tausch-basierten Wirtschaft gefunden werden. Dazu gibt es sicherlich mehr als eine konkrete Möglichkeit. Die bekannteste wäre eine Planwirtschaft, deren einziger Zweck es allerdings nicht sein darf, mit einer kapitalistischen Wirtschaft hinsichtlich des Wohlstandsniveaus zu konkurrieren und am Ende das Wachstum durch den Plan künstlich zu erzwingen. So nach dem Motto: überholen statt einzuholen... :) Ein anderes (selbstorganisiertes) Konzept, von dem ich neulich gehört habe, wäre die s.g. "Stigmergie".

    Noch ein Zusatz zu dem Dorf und den Früchten:

    Da die Bevölkerung sich nicht mehr selbst von den Früchten ernähren kann, werden die Menschen im Dorf zu Lohnarbeitern. Das Unternehmen wird sie einstellen, um die Früchte von den Pflanzen herzustellen, für einen mikrigen Lohn natürlich. Das wäre die Ursprüngliche Akkumulation bzw. Primitive Akkumulation dann.

    Das ist grob das typische Playbook des Kapitalismus.

    Historisch kenne ich mich diesbezüglich zwar ziemlich wenig aus, aber ich glaube, dass diese Form der Einverleibung von Subsistenzwirtschaft im Zuge der Industrialisierung so ablief, dass zunächst die Subsistenz-Arbeiter bzw. Bauern im Feudalismus im vorn herein schon immer das Land eines Grundherren bewirtschaftet haben, dem sie mitunter auch Frondienste leisten mussten. Die Vertreibung dieser Bauern ging, so glaube ich, von diesen Grundherren aus, für die es erträglicher wurde, das ehemals gemeinschaftlich genutzte Land bspw. für die Schafzucht im Zuge der aufkommenden Textilindustrie umzunutzen. Die vertriebenen Bauern hatten nun keine andere Wahl mehr, als in den boomenden Städten zu Lohnarbeitern zu werden.

    JonnyMadFox Ja, man kann eine Ware von der stofflichen (Gebrauchswert) und von der gesellschaftlichen Seite (Tauschwert) betrachten. Entscheidend ist wohl die Erkenntnis, dass es sich beim Tauschwert überhaupt um eine rein gesellschaftliche Eigenschaft handelt, die keinerlei stoffliche Grundlage hat. Diese rein gesellschaftliche Eigenschaft einer Ware, einen Tauschwert zu besitzen, ergibt sich daraus, dass sie privat produziert und auf einem Markt mit allen anderen privat produzierten Waren im Tausch gleichgesetzt wird. Gäbe es diesen gesellschaftlichen Zusammenhang des Tausches, in Gestalt einer besonderen Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, nicht, hätten die (nicht privat, sondern gemeinschaftlich) produzierten Waren auch keinen Wert bzw. wären auch keine Waren, sondern eben einfach Gebrauchswerte (sowohl Gegenstände als auch Dienstleistungen). Dementsprechend wäre das Ziel der Produktion eben auch nur dieser Gebrauchswert, der ein konkretes Bedürfnis befriedigt und eben kein Tauschwert, dessen konkrete Erscheinungsform, das Geld, als Ausgangspunkt einer weiteren Produktion nur Sinn macht, wenn es sich um einen zusätzlichen Gewinn vermehrt.


    Damit sind ja eigentlich nur die gesellschaftlichen Ursachen, die ein Wirtschaftswachstum erzwingen, ganz grob umrissen. Jetzt könnte man allerdings immer noch einwenden, ja, kann ja schon alles sein. Dass wir unendliches Wirtschaftswachstum zwingend brauchen, ist ja aber gar nicht schlimm. Dann entkoppeln wir halt einfach den Ressourcenverbrauch von der (Tausch-)Wertschöpfung durch technische Effizienzsteigerungen, da die Unternehmen ja auch nur diese abstrakten Tauschwerte interessieren. Die Möglichkeit dessen hat Skidrow glaube ich aber schon ganz gut widerlegt.

    Den Zwang zum Wirtschaftswachstum kann man aus meiner Sicht schon allein aus dem Zwang zur Profitmaximierung im Kapitalismus erklären. Eine Produktion von Gebrauchsgütern findet im Kapitalismus nur dann statt, wenn man damit einen Gewinn erzielen kann. Daraus folgt dann auch, dass der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft (BIP) steigt.


    Der grundlegende Widerspruch im Kapitalismus ist, dass eine physische Produktion von Gebrauchsgütern zwar eine qualitative Umwandlung darstellt, die irreversibel ist, jedoch ausschließlich mit einer quantitativen Zielsetzung (Profitmaximierung) ausgeführt wird, die prinzipiell unbegrenzt ist. So ähnlich drückt es jedenfalls Athanasios Karathanassis aus, den ich wirklich extrem gerne mal bei Jung und Naiv sehen würde. :)


    Dazu kommt, dass der Wettbewerb einem kapitalistischen Unternehmen eine Akkumulation seines Kapitals durch die Reinvestition der erzielten Gewinne in neue Maschinen und Technologien aufzwingt, um seine Produktivität zu steigern, da so auf der einen Seite Lohnkosten gesenkt, die Produktionsmenge gesteigert und der Verkaufspreis gesenkt werden kann. Auf diese Art können dem Konkurrenten Marktanteile streitig gemacht werden. Beteiligt man sich nicht daran, geht man früher oder später insolvent.