#470 - Umweltpolitologin Lena Partzsch

  • Mich machte das Interview traurig. Wir haben grade eine offensichtliche Demokratiekrise in der parlamentarischen Demokratie. Warum ist dann parlamentarische Demokratie so toll?

    Wir haben grade eine offensichtliche Kapitalismuskrise. Kann man da garnix machen?


    Die Lena Partzsch ist wieder mal sehr zurückhaltend in ihrer Kritik.

    Man erlebt das in deutschen Unis allüberalll. Wer sich zu "radikal" antikapitalistisch zeigt hat möglicherweise in dem prekären Umfeld nur wenig Chancen auf eine Berufung. Erst emeritierte Professoren können anscheinend offen über die Kapitalismus- und Demokratiekrise sprechen, wie z.B. Wolfgang Streeck (ehem Direktor d. Max Planck instituts für Menschenwissenschaften).

    Sorry für die Unterbrechung. Wir waren hier stehengeblieben: Bei der Feststellung, dass die Wissenschaft nicht wirklich frei ist, mit der Ergänzung von mir, dass das mehr oder weniger für alle Fakultäten gilt. Was man in diesem Kontext noch erwähnen sollte ist die Abhängigkeit von Geldern aus der Industrie.

  • Man erlebt das in deutschen Unis allüberalll. Wer sich zu "radikal" antikapitalistisch zeigt hat möglicherweise in dem prekären Umfeld nur wenig Chancen auf eine Berufung. Erst emeritierte Professoren können anscheinend offen über die Kapitalismus- und Demokratiekrise sprechen, wie z.B. Wolfgang Streeck (ehem Direktor d. Max Planck instituts für Menschenwissenschaften).

    "Während seiner Studienzeit war er aktives Mitglied im Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB) und Mitbegründer des Sozialistischen Büros in Offenbach am Main." (wikihausen)

  • Ich hab das alles im Konjunktiv geschrieben weil ich mir da auch nicht ganz sicher bin ob es einen Ausleseprozess in deutschen Unis gibt. Ich wünsche mir eben nur etwas handfestere Kritik wenn man schon in einer solchen Position ist.


    Es gibt wahnsinnig viele Wissenschaftler in aller Welt die richtig losledern über den Kapitalismus und da keine Hand vor den Mund nehmen. Wenn nicht im akademischen Umfeld wo dann? Wo soll den diese weichgespülte Kritik hinführen?


    Der Wolfgang Streeck hatte wohl übrigens schon vorher nen Freibrief, weil er mit verschiedenen SPD Regierungen ziemlich dicke war. Mir persönlich ist der Streeck auch noch etwas zu "mild".


    In der Soziologie find ich dass eher Urgesteine wie Klaus Dörre oder Stefan Lessenich die richtigen Worte finden. Politikwissenschaftler kenn ich kaum, hatte aber schon immer das Gefühl dass diese Disziplin eher "Staatstragend" ist.

  • Sorry für die Unterbrechung. Wir waren hier stehengeblieben: Bei der Feststellung, dass die Wissenschaft nicht wirklich frei ist, mit der Ergänzung von mir, dass das mehr oder weniger für alle Fakultäten gilt. Was man in diesem Kontext noch erwähnen sollte ist die Abhängigkeit von Geldern aus der Industrie.

    Dass die Politikwissenschaft Gelder aus der Industrie kriegt bezweifle ich mal schwer.

    Ich vermute eher die Angst durch zu harsche Kritik und politische Positionierung als "unwissenschaftlich" weil "nicht neutral" zu gelten.

  • Mal was zum Thema Freiheit der Wissenschaft. Ich weiß es eigener beruflicher Erfahrung, dass Professor*innen absolut frei sind. Viel freier geht es nicht mehr. Nur Amtsrichter*innen können noch freier sein, wenn sie nie Karriere machen wollen.


    Profs haben (gehe jetzt mal von den klassischen C4 Profs aus) ein Grundgehalt und bekommen dazu noch ein Forschungsbudget, was sie zum Beispiel auch für die Reisen zu den Konferenzen verwenden. Allein mit diesem Geld könnten Sie problemlos zurecht kommen.


    Wenn Sie jetzt aber zum Beispiel ein technisch anspruchsvolles oder sehr Reise intensives Forschungsprojekt haben, brauchen Sie zusätzliche Mittel. Sie werden zunächst immer bei öffentlichen Stellen beantragt wie zum Beispiel der EU. Da gibt es einen riesigen Stapel Forschungsförderung. Ich war zum Beispiel mal an einem Projekt beteiligt, da ging es um 3-D Visualisierung und es gab zusätzliche Mittel von der EU für Bulgarien und wir haben in Sofia mit den Bulgaren gemeinsam gearbeitet.


    Der Professor (nicht ich, ich habe nur beraten) bekommt davon keinen Cent.


    Ein weiteres Finanzierungsvehikel sind private Drittmittel. Wie werden eingeworben, in dem Forschungskooperationen mit zum Beispiel Industrie Unternehmen geschlossen werden. Das sieht häufig so aus, dass das die Doktoranden selbst machen und sich damit sozusagen ihre Stelle finanzieren. Auch davon sieht der Professor nichts.


    Und jetzt kommen die echten Nebeneinkünfte:


    - Bücher

    -Vorträge

    - Beiratsmandate


    Und jetzt wird es problematisch:


    - Gutachten


    Und hier ist es bei Professorinnen genauso wie bei jedem einzelnen anderen Menschen auf diesem Planeten. es gibt korrupte und es gibt ehrliche. Jeder weiß, dass es Professorinnen gibt, die auf der Gehaltsliste der Zucker – oder Zigarettenindustrie stehen.


    Und das gilt ganz genauso für Ärzte, Anwälte, Journalisten und viele mehr.


    Und es gibt die vielen, die eben nicht auf einer solchen Gehaltsliste stehen.


    Die Freiheit der Forschung und Lehre in Deutschland ist wirklich gewährleistet. Einzelne machen sich zum Geschöpf des Geldes. Aber wir tun uns alle keinen Gefallen, wenn wir darin ein Systemversagen sehen.

    Denn das System ist ziemlich gut. Und in der Regel werden solche Interessenslagen aufgeklärt. Nur deshalb weiß ich es ja zum Beispiel selbst auch bezüglich Zucker oder Tabak.


    Was Kapitalismuskritik in wirtschaftswissenschaftlichen Professoren angeht, ist es halt so, dass ein großer Teil der linken Kapitalismuskritik dermaßen unwissenschaftlich ist, dass Professorinnen ihren Beruf verfehlt hätten, wenn sie das einfach so aufnehmen. Nicht jeder schafft es wie eine Maja Göpel, mit völlig unfundierten Wortwolken und ohne sich auf Maßnahmen festzulegen, einfach Everybody's Darling zu sein.


    By the way: Auch ein Hans Werner Sinn war mal Kommunist und hat sich davon im Zuge seiner Akademisierung davon abgewandt. Es wäre manchmal gut, sich zu fragen, ob da vielleicht was dran ist. Das Interview, dass Tilo mit ihm geführt hat, hilft da.

  • @Cle Wow, bin sprachlos.

    Wenn ich mich also nur genug mit der Neoklassik beschäftige werde ich ebenfalls erkennen dass ich als unwissenschaftlicher, linker und unwürdiger (womoglich sogar marxistischer) Kritiker des Kapitalismus fehlgeleitet bin und mich dann gleich dir an der Weisheit des H.W. Sinn erfreuen? Verstehe ich dich da richtig?

    Das ist sehr nett von dir das zu sagen.

  • Wahnsinn, hier findet in einem Absatz soziale Schichtung, Diskriminierung von Andersdenkenden und Leistungsprinzip gleichzeitig statt. Das sind die eigentlich unvereinbaren Widersprüche neoliberaler Ideologie in einem schönen Paket.


    Übrigens sehen die meisten Kapitalismuskritiker kein Problem darin die Erfolge des Kapitalismus anzuerkennen.

    Anstatt dir das völlig ausgearbeitetes Alternativsystem anzubieten muss ich aber fragen warum der Kapitalismus anscheinend keine Rechtfertigung in Zeiten des Klimawandels braucht.

    Der fortgesetzte Kapitalismus führt gerade dazu dass wir den nächsten Generationen den Planeten zerstören. Ich sehe da durchaus Anlass zu Kritik und einer Abschaffung dieses Systems.


    Anscheinend ist deine Selbstwahrnehmung die eines rationalen, aufgeklärten Intellektuellen. Eine irgendwie aufgeklärte und rationale Vorstellung der Welt die eine realistische Zukunftsperspektive bietet sehe ich aber leider nicht, nur die völlig idiotische Vorstellung, dass alles so weitergehen kann wie bisher.


    Deine Haltung kann man nur haben wenn man Wissenschaft ignoriert oder einem die nächsten Generationen egal sind. Völlige Ignoranz (also zum Beispiel der Glaube Kapitalismus hätte nichts mit dem Klimawandel zu tun ) wäre allerdings auch noch möglich.

  • AlienObserver


    Also. Du brennst hier das übliche leicht polemische Feuerwerk der getroffenen Hunde ab.

    Versuchst mich zu etikettieren und zu kategorisieren statt irgendwie zu argumentieren.


    Weder habe ich irgend jemanden diskriminiert. Noch habe ich irgendwas davon gesagt, dass ich der Meinung bin, dass alles so bleiben soll wie es ist.


    Dass das die einzigen Schlussfolgerungen aus meinen Text sind, die du ziehen kannst, zeigt wie verengt dein Horizont ist.


    Und was mich wirklich erschüttert ist, dass ich auf diese Geisteshaltung im Forum von J&N treffe.


    Den Tilo hat großartige Gesprächspartner, die Visionen geäußert haben, wie im bestehenden System wirkliche Veränderungen geschaffen werden können, um die Klimaziele zu erreichen. Und nicht nur die Klimaziele sondern sogar die Nachhaltigkeitsziele der UN.


    Hans-Werner Sinn hat ausführlich erklärt, wie mit einem weltweiten Zertifikate System echte Einsparungen im Bereich der fossilen Energienutzung erreicht werden können. Er hat auch ausführlich erklärt, warum wir überhaupt nichts erreichen, wenn wir hier lokal Energiesparen. Und um deinen nächsten Einwand vorweg zu nehmen, mir geht es nicht darum, keine Energie zu sparen. Sondern es geht darum, zu sehen, dass wir die falschen Diskussionen führen.


    Weiterhin hat Stefan Brunnhuber, Mitglied des Club of Rome, im Gespräch mit Tilo fundamentale Vorschläge entwickelt, wie 500 Billionen $ finanziert werden könnten, um die Umstellung der Industrie Nationen auf erneuerbare Energien überhaupt erst möglich zu machen.


    Du siehst also, deine Polemik ist völlig fehl am Platz.


    Wie Florian Schröder vorgestern bei den Jungs von der Hygiene-Demo gesagt hat: andere Meinungen aushalten und darüber nachdenken, das ist Freiheit.

  • Wahnsinn, hier findet in einem Absatz soziale Schichtung, Diskriminierung von Andersdenkenden und Leistungsprinzip gleichzeitig statt.


    Aus purer Neugierde: was meinst du mit soziale Schichtung und wo hast du das bei mir raus gelesen?

  • Ich meine nicht, das du jemanden diskriminierst, aber du setzt es als selbstverständlich voraus. Wichtige Positionen werden laut deinem Post von Personen mit einem bestimmten Habitus (also einer sozialen Schicht) besetzt. Gleichzeitig sprichst du aber von einer Leistungsgesellschaft.


    Das ist innerer Widerspruch. Wenn wir eine Leistungsgesellschaft hätten dann würde natürlich die Befähigung alleine bei der Besetzung einer Position eine Rolle spielen. In Wirklichkeit reproduzieren sich soziale Ungleichheiten (wie viele Studien zeigen). Angehörige unterer Schichten haben in Universitäten und in der freien Wirtschaft bei gleicher Qualifikation schlechtere Chancen als die Konkurrenz aus der Oberschicht.


    Desweiteren sagst du, dass Kapitalismuskritik das System delegitimiert, wobei du ausserdem zeigst, dass deine Definition von Kapitalismus, die irgendwie wohl Marktwirtschaft und Demokratie beinhaltet, mit dem was man wissenschaftlich als Kapitalismus bezeichnet nichts zu tun hat.


    Du scheinst zu glauben, dass es sich bei Hans Werner Sinn um einen Wissenschaftler handelt und nicht jemand der im Geschäft der Ideologieproduktion ist.


    Offenbar hast du die neoliberale Ideologie vollkommen verinnerlicht, daraus ziehe ich die die Schlussfolgerungen das du am bestehenden System nichts verändern willst. Denn wer die Ideologie schluckt, der kann keine Änderung wollen. idologie ist wiederum als wissenschaftlicher Begriff in den Sozialwissenschaften zu verstehen, also das Denken der Herrschenden Klasse.


    Ich halte weder Hans Werner Sinn noch Stefan Brunnhuber für geeignete Beispiele von Wissenschaftlern. Du hast dir die beiden Ausgesucht die nichts anderes tun als Ideologie von sich zu geben. Der Club of Rome z.B. sagt etwas völlig anderes.


    Zitat von 1% ist Genug (Graeme Maxton, Direktor des CoR)

    Um zu funktionieren, benötigt das derzeitige Wirtschaftssystem einen Ressourcendurchsatz – also Ressourcenverbrauch –, der unaufhörlich wächst. Das ist in der DNA des Systems angelegt. Die Menschen müssen immer mehr konsumieren und die Hersteller immer mehr produzieren, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern und das Fortbestehen des derzeitigen Systems zu sichern. In diesem Prozess aber nimmt die Menge der emittierten Treibhausgase zu, die das Klima unseres Planeten verändern.

    Der Klimawandel ist bereits so weit fortgeschritten, dass sich in den kommenden Jahrzehnten die globalen Wettermuster verschlechtern und die Meeresspiegel steigen werden, und zwar unabhängig davon, was gegenwärtig dagegen unternommen wird. Jeder Versuch, das Wirtschaftswachstum zu steuern und die Schädigung der Umwelt zu verlangsamen, drosselt aber gewissermaßen den Treibstoffzufluss, der den Wirtschaftsmotor am Laufen hält.

    Wahrscheinlich hat dir das Interview mit Ulrike Hermann dann weniger gefallen.

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