Nein. Ich wollte von Dir eigentlich eine Definition des von Dir eingeführten Begriffes "institutionalisierte Solidarität" haben.
Vielleicht besteht hier eine Verwechslung von "Solidarität" mit dem was in Deutschland als "Solidaritätsprinzip" bezeichnet wird und die Grundlage der gesetzlichen Sozialversicherung bildet (bzw. bildete, bis man damit anfing, z.B. die umlagefinanzierte Rente zu reduzieren und die Leute damit in die kapitalgedeckte private Altersvorsorge zu treiben, und so der privaten Versicherungswirtschaft ein Milliardengeschäft in die Hände legte.)
Dieses staatspolitisch definierte Solidaritätsprinzip liegt natürlich auch dem sogennaten Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost zu grunde. Auch hier werden SteuerzahlerInnen per Gesetz dazu "gezwungen", prozentual zu ihrer Einkommensteuer einen "solidarischen" Beitrag zu leisten, der anderen Menschen zu Gute kommen soll, ohne dass die Zahlenden dafür eine unmittelbare Gegenleistung erhalten.
Der "Soli" ist also genau so eine "Einbahnstrasse" für die Identitätsgruppe "Wessis" (oder für die Identitätsgruppe "Ossis", die sogar einen höheren Satz zahlen, aber vielleicht gar nicht in einer strukturschwachen Ost-Region wohnen), wie es die gesetzliche Krankenversicherung für gesunde Menschen ist, die mit ihren Beiträgen die Leistungen für kranke Menschen finanzieren.
Die "Gegenleistung" soll sich hingegen - so die Theorie - daraus ergeben, dass die Gesellschaft insgesamt davon profitiert, wenn Menschen ohne Arbeit oder im Alter nicht massenhaft verarmen und verelenden, wenn sie nicht an heilbaren Krankheiten sterben, weil sie sich keinen Arzt leisten können, oder wenn sie nicht langzeitarbeitslos werden, weil sie in strukturschwachen Landesteilen leben, oder wenn sie nicht knappe Intensivstationsbetten belegen, weil sie sich mit Covid19 infiziert haben, etc.
Der moderne, bürgerliche Staat sieht sich hier also - so die Theorie - als Organisator des gesamtgesellschaftlichen sozialen Zusammenhaltes, definiert ein gemeisames Interesse, schreibt das in entsprechenden Gesetzen fest, und verpflichtet damit alle StaatsbürgerInnen und sonstige Menschen, die sich in seinem Hoheitsbereich aufhalten, sich an diese Gesetze zu halten.
Entstanden ist die Idee der Solidarität als Prinzip aber eigentlich nicht aus der Staatstheorie, sondern aus der Arbeiterbewegung, deren Mitglieder sich solidarisierten, um sich gemeinsam gegen die Übermacht des privaten Kapitals (oder wie in Polen vor der Wende die Gewerkschaft Solidarność gegen den unterdrückerischen Staatskapialismus des "real existierenden Sozialismus") und gegen die Ausbeutung, die daraus erwuchs, gemeinsam und solidarisch zur Wehr zu setzen, und sie wird auch heute noch als freiwilliger Zusammenschluss von Menschen mit gleichen Interessen, bzw. einem gemeinsamen Ziel definiert - ungeachtet der Frage, ob einzelne Mitglieder solcher Solidargemeinschaften nun mehr oder weniger davon profitieren, weil es dabei eben um ein gemeinsames Interesse aller Mitglieder geht, und nicht darum, für jedes Individuum eine angemessene Gegenleistung für sein individuelles Engagement zu erwirken.
Wenn ich nun aber z.B. die Gesellschaft in identitär - also durch voneinander eindeutig abzugrenzende, unveränderbare Identifikations- und Identitätsmerkmale, wie. z.B. die Hautfarbe, das Geschlecht, oder eben das Lebensalter - definierte Gruppen einteile und ihnen aufgrund dieser unterschiedlichen Identiäten auch gleichsam unterschiedliche, einander zumindest in Teilen widersprechende Interessen attestiere, und mich dann selbst einer jener Gruppen zuordne, dann kann ich nicht im selben Atemzug behaupten, ich hätte mich mit einer anderen Gruppe "solidarisch" gezeigt, und mich dann darüber beschweren, dass ich, bzw. meine eigene Gruppe, dafür keine entsprechende Gegenleistung erhalten habe, weil meine Unterstützung jener anderen Gruppe dann eben nicht auf einem gemeinsamen, solidarischen Interesse beruhte, sondern - wie .z.B. im Fall der laufenden Pandemie und der Einschränkungen der persönlichen Freiheit der Gruppe der Jungen zum hautsächlichen Schutz der dem Virus gegenüber vulnerableren Gruppe der Alten - auf einem von außerhalb meiner eigenen Gruppe definierten interesse der nationalen Gemeinschaft, bzw. ihrer Staatsregierung.
Deshalb ist die Teilnahme am staatspolitischen "Solidaritätsprinzip" ja auch keine Option - jedenfalls dann nicht, wenn man lohnabhängig arbeitet und seinen "Solidarbeitrag" per Gesetz vom Arbeitslohn abgezogen bekommt -, sondern eine Pflicht.
Das kann man ja gerne kritisieren - vor allem wenn es sich dabei im hyperindivdualisierten, auf (scheinbaren) indivduellen Nutzen maximierten, neoliberalen Spätkapitalismus unserer Tage eigentlich nur noch um einen per Gesetz oktroyierten "Zusammenhalt" handelt, der ohne staatliche Ordnungsmacht dahinter vermutlich längst zusammengebrochen wäre - aber dafür eine, als außerhalb der eigenen Interesssengruppe stehend identifizierte Gruppe verantwortlich zu machen, und nicht die systembedingt ungleichen gesellschaftlichen Verhältnisse - oder wie hansj. es nannte, die...:
... - ist eigentlich genau die "bürgerliche" Sichtweise, die verhindert, dass aus einer, vom staatlich verordneten "Solidaritätsprinzip" noch irgendwie zusammengeflickten Gesellschaft als Ansammlung gegensätzlicher bis verfeindeter Interessengruppen, irgendwann vielleicht doch noch mal eine tatsächlich solidarische Gemeinschaft werden kann.