Trotz deiner ausführlichen Argumentation, was nun Journalismus und was Ursache und Wirkung sei, habe ich das Gefühl, dass wir beide mit unserer Einstellung zum Ukraine-Krieg und auch zur Aufarbeitung der NS-Geschichte wohl nicht besonders weit auseinander liegen.
Zu deinen Anwürfen bzgl. Geschichtsblindheit und -ignoranz meinerseits: Wo fordere ich denn, Geschichtsblindheit in Melnyks Narrativ zu akzeptieren und akzeptiere damit auch Geschichtsrevisionismus im Putinschen Narrativ? Ganz im Gegenteil, mir ist die "inconvenient truth" (so schreibt sich das...) durchaus bewusst, dass Melnyk Bandera-Anhänger ist und in treudoofer, unkritischer Loyalität an ihm als Freiheitsheld festhält. Das ist allerdings seit Längerem allgemein bekannt und das darf man auch sagen, dass es so ist.
Wenn du zu meiner Aussage "Aktiv rechtes Gedankengut für das Handeln in heutiger Zeit hat Melnyk meines Wissens bisher nicht vertreten!" mit Gegenargumenten aufgezeigt hättest, dass er durch und durch Nazi und damit völlig untragbar ist – dann hätte ich zumindest zum Teil verstanden, warum ihr dieses Thema so aggressiv und öffentlichkeitswirksam vor einem empörungsfreudigen Publikum beackert, in einer Zeit, in der das zumindest für die Ukraine alles andere als konstruktiv ist. Statt Melnyk geschichtliche Einträge vorzulesen und ihn zu drängen, dazu Stellung zu nehmen, hätte man – ein gewisses Wohlwollen angesichts der aktuellen Situation vorausgesetzt – durchaus etwas didaktischer herangehen können.
Wie ich sehe, hast du ja selbst bemerkt und kommentiert, dass von Trollen und Gegnern der Unterstützung der Ukraine nun nicht nur unzählige Likes, anerkennende Kommentare, Links auf Hetzseiten und sogar beträchtliche Spendensummen (!) eingehen.
Und ich sehe auch, dass dich das überwältigend große, positive Echo aus diesem Lager offensichtlich erschreckt und – das rechne ich dir hoch an –, dass du dir viel Zeit nimmst und versuchst, in deinen Kommentaren ein Gegengewicht zu setzen und zu erklären.
Viele Menschen suchen jedoch einfache Botschaften, die sich auf eine Zeile reduzieren lassen, und keine komplexen Relativierungen und Differenzierungen. Deine Erklärungen werden leider nur wenige lesen und intellektuell durchdringen und sie werden es – anders als Ausschnitte und Einzeiler aus eurem Interview – auch ganz bestimmt nicht auf RT oder gar in die Köpfe der Angesprochenen schaffen.
Und damit bin ich wieder bei meinem Punkt: Ich will Melnyk überhaupt nicht verteidigen und bin in Friedenszeiten auch für die akribische Aufklärung jeder Käseschachtel-, Modellauto-, Rotkreuzspendenbetrugs-, Watergate- und Wirecardaffäre – aber was wolltet ihr zum jetzigen Zeitpunkt mit diesem Interview erreichen? Bitte eine ehrliche Antwort: Ist das, was jetzt läuft, in deinem Sinn?
PS: Entschuldige die teils drastische und ausfallende Sprache in meinen vorigen Kommentaren. Ich habe mich da dem Stil der übrigen Diskutanten angepasst – ist sonst nicht meine Art