Beiträge von ulrich777

    @AlienObserver

    bin auch immer wieder sehr dankbar für ulrikes texte, vorträge usw - auch und gerade weil ihre perspektive so stark das ökonomische fokussiert - lange zeit bei mir ein einziger grosser blinder fleck (und, um ehrlich zu sein, wohl heute noch). ;-)


    ja, dein punkt ist ein weiterer: hatte mich schon gefragt, ob man die notwendigkeit der ausbeutung tatsächlich so nonchalant in frage stellen kann - oder ob sie nicht einfach nur outgesourcet wurde.

    hier mag es so sein, dass die löhne nicht (mehr) unter ein niveau fallen, dass den kauf eines iphones verunmöglichen würde -

    am produktionsort führt jedoch nicht einmal der massenweise suizid von arbeitskräften zur veränderung der bedingungen.

    ist das nun wirklich 'nur' eine "politische Fehlentscheidung", weil apple eigentlich viel mehr verdienen würde wenn sich chinesische arbeiter ebenfalls iphones kaufen könnten statt aus dem fenster zu springen - oder ist es nicht eben genau diese 'aufgabenteilung', die das geschäft erst richtig profitabel macht?

    verstehe ich richtig, dass dein "Weltsystemtheorie"-hinweis in diese richtung ging?


    was ich eigentlich meinte war zudem: habe manchmal den eindruck, dass ulrike einen recht verkürzten begriff von gesellschaft hat.

    in einem (wie sie selber konstatiert) so 'totalen system' wie zb dem kapitalismus sogenannte "politische Fehlentscheidungen" einfach mal von einer angenommenen idealform eines offenbar sonst ganz vorrangig ökonomischen normal-betriebs abzuspalten, erschliesst sich mir überhaupt nicht:

    wie wahrscheinlich ist es, dass jene "Fehlentscheidungen" nicht ebenfalls zumindest in engerem zusammenhang mit der generellen funktionsweise des programms zu sehen sind? ;-)

    auch bedauerlich, dass beide dies lediglich auf die arg verkürzte frage 'sind die leute manipuliert oder nicht' runtergebrochen haben, die man in dieser eindimensionalität eigentlich nur falsch beantworten kann.

    ergänzend zu deinem literatur-tip könnte man ulrike (und tilo) zur erweiterung des kapitalismus-begriffs also auch erkenntnisse der kritischen theorie empfehlen. :-)


    die generelle wertschätzung für ulrikes arbeit schmälert das in der tat nicht - wer kann heute schon expertin 'für alles' sein?

    und allein die tatsache, dass sie ökonomische zusammenhänge so erklären kann, dass ich mir zumindest einbilde, etwas verstanden zu haben, nötigt tiefen respekt ab! :-)


    ps: gerade erst den Wallerstein-post gesehen.

    @kira @hansj

    als grosser ulrike herrmann-fan stolpere ich dennoch regelmässig über ihre vehemente abgrenzung von jeglicher (!) kapitalismus-kritik:

    zwar verstehe ich den hinweis, dass masslose ausbeutung auch aus kapitalistischer perspektive nicht sinnvoll ist, weil die resultierende massenverelendung letzlich warenkonsum und -absatz schadet.

    allerdings ist der marxistische ausbeutungs-begriff ja auch kein moralischer, sondern beschreibt lediglich, dass abhängig beschäftigte zur mehrwert-produktion gezwungen sind -

    und dies ist auch unter 'fairsten' arbeitsbedingungen noch der fall. so manifestieren sich bereits auf elementarster ebene machtverhältnisse - wirklich kein grund zur kritik?

    desweiteren verweist ulrike zwar desöfteren auf die gesellschaftliche totalität des kapitalismus (hat verändert wie wir leben, wohnen, heiraten etc.) -

    gerade deshalb würde es mich allerdings interessieren, ob sie wirklich nur positive auswirkungen der waren-logik besonders auf menschliches miteinander (rationalität verdrängt religion, abstammung etc.) sieht - und nicht auch kritikwürdiges zb in bezug auf die unterwerfung eben wirklich aller bereiche des lebens unter markt-prinzipien - mit entfremdung und entsprechenden psychosozialen beschädigungen als deutlich weniger erfreuliche konsequenz.


    auch bin ich nicht überzeugt, dass man alle gesellschaftlichen fortschritte, die zwar unter kapitalistischen bedingungen erkämpft werden konnten (ulrike nennt hier mitunter demokratie, frauen-wahlrecht etc.), aber keineswegs notwendige folgen kapitalistischer logik sind, dann trotzdem einfach diesem system zuschlagen kann.

    im gegenteil: weisen gerade sie nicht eher über den kapitalismus hinaus - weil eben auch diese gesellschaft bereits mit der ihr folgenden gewissermassen 'schwanger geht' (marx)? zivilisatorische errungenschaften und kapitalismus als notwendige voraussetzung für ihre erreichung liessen sich so durchaus würdigen und verteidigen - aber aufgrund ihrer unvollkommenheit die weiterhin unverminderte notwendigkeit von kritik sogar unterstreichen.


    sicher zu viel text um es vorzulesen (pardon!) - aber die tendenz dürfte klar sein. würde mich sehr freuen, wenn die thematik grob zur sprache kommen könnte, da mich -wie gesagt- die frage nach ulrikes grundsätzlicher haltung hierzu bereits seit längerem beschäftigt. vielen dank! :-)