Da muss man aber fairerweise dazu sagen, dass das echt die Politik verbockt hat.
Vor ein-zwei Wochen sahen die Umfragen noch anders aus. (Das hatten wir hier auch kurz irgendwo diskutiert)
Aber wenn selbst die ewige Personifikation von "Pragmatismus" und gesundem Hausfrauenverstand im Kanzleryamt den Laden jetzt ganz offensichtlich nicht mehr so unter Kontrolle hat, wie das zumindest in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung bisher noch größtenteils die weit verbreitete Annahme war, dann kann man der Bevölkerung nicht wirklich vorwerfen, dass sie das alles nicht mehr so ernst nehmen kann, wie sie es eigentlich müsste, damit der ganze Spuk endlich mal ein Ende findet.
Und wie das jetzt genau mit den Impfstoffen aussieht. durchblickt wahrscheinlich außer Wemir auch kein Schwein mehr.
Mal abgesehen davon, dass man so eine Umfrage natürlich mit dem entsprechenden "wording" und framing auch recht unterschiedlich darstellen kann. Man hätte genauso gut schreiben können, dass 53 Prozent der Befragten immer noch für eine Beibehaltung (23 %), oder gar Verschärfung des Lockdowns (30%) sind, 22 Prozent für eine Lockerung aber nicht für eine Aufhebeung, und nur 15% tatsächlich für eine Beendigung sämtlicher Maßnahmen.
Ansonsten gebe ich Dir aber natürlich vollkommen recht. Die "Weisheit der einfachen (wie auch der meisten nicht so "einfachen") Leute" ist leider - systembedingt! - darauf abgerichtet, sich erstmal innerhalb des individuellen, persönlichen Erfahrungshorizontes und seiner jeweiligen materiellen (sprich: produktions- und verwertungsprozeduralen) Grundlagen zu bewegen und weniger darauf, in gesellschaftlichen Zusammenhängen zu denken, von denen sie sich selbst nicht direkt betroffen fühlt.
Und ob das System jetzt ein faschistisches oder "nur" ein neoliberal-spätkapitalistisches ist, spielt beim individuellen "Vernunft"-Einsatz erstmal keine so große Rolle, sofern man dabei selbst noch halbwegs ungeschoren davon zu kommen glaubt, wenn man nur - ganz pragmatisch und vernünftig - genug Fleiß und Eigenverantwortung an den Tag lege, um sich möglichst systemkonform zu verhalten.
Und erst wenn das System sich dann als nicht so entgegenkommend erweist wie man es eigentlich erwartet hätte, weil einem ja auch seit der Grundschule immer wieder versprochen wurde, dass man für seine harte Arbeit (an sich selbst und am Bruttoinlandsprodukt) einen gerechten Lohn erwarten dürfe, mit dem man sich die individuelle Freiheit, auf die man dabei verzichten muss, wieder zurück kaufen kann, regt sich der innere Widerstand der bürgerlichen Mitte gegen die kognitive Dissonanz und sucht sich eine alternative "Vernunft", mit der man seinen geprelleten Egoismus real existierenden Individualismus gegen staatlich geforderte Solidarität immunisieren, und sich das als aufrechten Kampf für "Friede! Freiheit! Eierkuchen Demo-kra-tie!" und gesunden Menschenverstand zurecht rationalisieren kann. .