Natürlich gab es auch damals schon arge Vorurteile gegenüber den "Barbaren" aus anderen Völkern. Aber der Barbarenstatus war nicht in Stein gemeißelt und hatte nichts mit der Hautfarbe zu tun, sondern er wurde eher an kulturellen Merkmalen festgemacht.
Um überhaupt Sklaverei betreiben zu können, muss man Angehörige aus einer potentiell zu versklavenden Gruppe als etwas böses oder schlechteres bis niederes betrachten, denn nur so können Menschen andere zu Gewalt an anderen Menschen ermutigen / motivieren / befehlen. Ähnliches findet ja bis heute in jedem politischem und militärischem Konflikt statt. Der Gegner wird immer schlimmer dargestellt, als er in Wirklichkeit ist.
Im alten Rom brachten es nicht wenige Angehörige ehemals "barbarischer" Völker, die von den Römern erobert, und in ihr Imperium assimiliert worden waren, später zu hohem Ansehen und Wohlstand in der römischen Gesellschaft - inklusive eigener Sklaven.
Nicht nur im alten Rom war dies möglich, denn sogar in Amerika gab es ehemalige Sklaven, die ebenfalls zu Sklavenhaltern wurden. Dies ist ein Teil der amerikanischen Geschichte der Sklaverei noch immer viel zu wenig Beachtung findet.
In einem Interview in der GEO Epoche 11 - Amerikas Weg zur Weltmacht von 2004 nennt Prof. Norbert Finzsch sogar Zahlen. Auf die Bemerkung: "Unter diesen Freigelassenen gab es verblüffender Weise schon bald auch schwarze Sklavenhalter." antwortet er: "Im Zensus von 1830 wurden 3775 freie Schwarze gezählt, die 12740 Sklaven besaßen. Um 1860 soll es etwa 10000 bis 12000 schwarze Sklavenhalter gegeben haben — natürlich immer noch eine winzige Minderheit angesichts der damals 4,5 Millionen in den USA lebenden Schwarzen."
Außerdem gibt es einen Roman von Edward P. Jones, in dem der Protagonist ein schwarzer Sklavenbesitzer ist. Das Buch heißt Die bekannte Welt und bekam neben einigen anderen Auszeichnungen auch den Pulitzer Preis 2004.
Obwohl dieses Kapitel der amerikanischen Sklaverei vor 17 Jahren thematisiert und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, gab es keine großen Bestrebungen dies weiter historisch zu erforschen. Frau Kelly scheint dies auch auszublenden in ihren Thesen zum Rassismus.
Ich finde es kontraproduktiv, wenn man einerseits anderen mangelndes Geschichtsbewusstsein vorwirft (Deutschlands Kolonialgeschichte) und selber dann unschöne Dinge übergeht. Das bringt der geschichtlichen Aufarbeitung des Rassismus und der aktuellen Auseinandersetzung damit, keinen Schritt vorwärts. Sie hat völlig recht mit ihrer Forderung, dass die unsere Kolonialgeschichte und besonders der Genozid an den Herero und Nama mehr ins öffentliche Bewusstsein geholt werden muss. Dies sollten aber für alle Schandtaten aller gleichermaßen gelten, denn sonst macht die Debatte wenig Sinn.
Außerdem sollte man den Sklavenhandel in Afrika genauer betrachten, denn die meisten werden eine falsche Vorstellung davon haben,
Afrikanische Sklavenhändler - Planet Wissen (grobe Beschreibung)
Danach sollte man seinen Blick auf die andere Seite des Atlantiks werfen und sich anschauen, wohin die Sklaven verschifft wurden. Da stellt sich doch die Frage: Warum weiß man so viel über so wenige? Man kennt doch nur die Geschichte der Sklaven aus den USA, obwohl dorthin nur ein sehr geringer Anteil der verschleppten Menschen gebracht wurde.
Ausmaße des Sklaventransfers - Planet Wissen
Zitat: Zur Geschichte von Black America - Bundeszentrale für politische Bildung
"Sklaven waren rechtloser und billiger als die Leibeigenen auf Zeit. Bald wurde der englisch-britische Sklavenhandel zu einem etablierten Bestandteil des Dreieckshandels zwischen Europa, Afrika und Amerika.[4] Zwischen 1619 und 1850 wurden insgesamt 388.747 Schwarzafrikaner lebend als Sklaven in die nordamerikanischen Kolonien Großbritanniens verschleppt, freilich nur ein Bruchteil der insgesamt 10.702.656 Afrikaner, die Amerika lebend erreichten. Allein in die britische Karibik kamen über 2,3 Millionen Sklaven, nach Brasilien sogar über vier Millionen."
Auch wenn die Zahlen zwischen den beiden Beispielen etwas unterschiedlich sind, so verdeutlichen beide die Tatsache, dass mehr als zehnfache an Sklaven in die Karibik und Südamerika ging. Über deren Verbleib und Behandlung weiß man allgemein so gut wie nichts.
Dabei ist die Karibik beispielsweise einer der Bereiche, auf dessen Geschehen Europa Einfluss hatte und viele schlechte Einträge ins Geschichtsbuch verursachte. Dieses Kapitel zeigt aber auch einige europäischen Sichtweisen zum Thema Sklaverei und POC. Auch dies gehört in die Debatte.