Alles anzeigenDer "russische Patient" wurde allerdings erst auf das erstaunlich zeitnahe und engagierte Betreiben der Bundesregierung hin in die Nähe deutscher Lebensorte verbracht.
Die eigentliche Vergiftung mit dem supertödlichen (aber furchtbar langsam wirkenden) aus hoch geheimen (aber eigentlich der halben Welt längst bekannten) chemischen Komponenten zusammengerührten Russenkampfstoff erfolgte offenbar, so weit uns das aus den umfangreichen Recherchen diverser Faktenfindungsnetzwerke bekannt ist, im sibirischen Tomsk, einer Stadt in Zentralasien, die - so Pi mal Daumen - ungefähr 4.000 Km vom östlichsten Punkt der deutschen Grenze entfernt liegt.
Die Dauerberichterstattung über den Erz-Unhold und möglichen mandschurischen Kandidaten des Putinschen Terroregimes Donald j. Trump fand auch ihren nahezu täglichen Eintrag im veröffentlichten unserländischen Wertekanon, obwohl dessen Amtssitz sogar noch wesentlich weiter - so ca. 7.500 km (auch nur Pi mal Daumen) - von den diversen Lebensorten des hiesigen Publikums entfernt liegt.
Jetzt fragt man sich vielleicht, was das eine denn mit dem anderen zu tun habe, bzw. ob hier nicht möglicherweise schon wieder eine dieser berüchtigten KGB-Taktiken angewendet werde, um vom eigentlichen Thema abzulenken.
Tatsächlich ist die Berichterstattung - in den großen Leitmedien!!! - in beiden Fällen von einer absolut eindeutigen Fixierung und sehr stark auf Wertvorstellungen - sprich: hochmoralische Bewertungen - konzentrierten Darstellung zweier politischer Führungsfiguren geprägt, und beschäftigt sich eigentlich nur sehr oberflächlich mit den tatsächlichen politischen, ökonomischen und insgesamt gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb derer diese Anti-Lichtgestalten ihre Regierungs- und sonstigen finsteren Geschäfte machen.
Sie erfolgt - nochmal: in den großen Leitmedien!!! - vielmehr eigentlich größtenteils unter großzügiger Aussparung einer tieferen Analyse zum Beispiel sonstiger politisch-oppositioneller wie privatwirtschaftlich-interessengeleiteter Bewegungen und Akteure in den jeweiligen, geografisch weit von unserer kleinen zentraleuropischen Insel der Glücksseeligen ExportüberschussweltmeisterInnen entfernten Lebensräumen.
Wer kennt hierzulande irgendeinen russischen "Oppositionspolitiker" (also eigentlich ein Mitglied der außerparlamentarischen Opposition) außer Alexej Nawalny? Die zahlenmäßig größte Oppositionspartei in der Duma ist jedenfalls nicht die "liberale" LDPR, der Herr Nawalny mal zeitweise angehörte, bevor er von ihr wieder rausgeschmissen wurde, weil er es zeitweise für politisch opportun hielt, sich allzu offen mit ausländerfeindlichen und rassistischen Sprüchen an den ultranationalistischen Rand anzubiedern. Da wäre ich jedenfalls mal auf eine Umfrage in der deutschen Bevölkerung zur Kenntnis der politischen Landschaft in Russland gespannt.
Und wer - wenn er oder sie nicht zufällig das Jung&Naiv-Forum liest - weiß, dass es neben den eisern die "Resistance" gegen Trump personifizierenden Demokraten um H. Clinton und den neuen Präsidenten Biden, in den USA auch noch eine Opposition gab und gibt, die sowohl den grenz-faschistoiden Trumpismus als auch den gnadenlos wirtschaftshörigen Korporatismus des nun wieder regierenden (neo)-liberalen demokratischen Establishments entschieden ablehnt, und dabei Positionen - wie etwa eine bezahlbare Krankenversicherung für alle - vertritt, die so fürchterlich "radikal" sind, dass eine Mehrheit der amerikanischen WählerInnen sie jenseits von Parteizugehörigkeiten unterstützen würde, während man - aus den großen deutschen Leitmedien!!! - eigentlich nur zu hören bekam, dass der "Sozialist" Sanders ohnehin niemals die Wahl hätte gewinnen können?
Man kann sich auch nicht darauf hinaus reden, dass sich die veröffentlichte Meinung in Sachen Platzierung und Auswahl ihrer Recherche- und Berichterstattungsarbeit ja nur daran orientiere, woran die informationshungrige Öffentlichkeit gerade am meisten interessiert sei, weil es ohne die entsprechende rund-um-die-Uhr-Berichterstattung - außerhalb von Berufsgruppen die sich professionell damit beschäftigen - überhaupt keine öffentliche Meinung und auch keine tweets und Klickzahlen zu solcherlei Personalien und Ereignissen gäbe, die sich tausende von Kilometern entfernt von den eigenen Erfahrungshorizonten der allermeisten RezipientInnen hiesiger journalistischer Veröffentlichungen abspielen.
Ich habe es schon mehrfach geschrieben, aber ich widerhole es gerne nochmal: die "ideologische Gewichtung" muss nicht Teil der jeweiligen Recherche sein. Sie ergibt sich aus dem größeren Kontext in dem sie dann veröffentlicht und mit anderen Recherchen in Verbindung gesetzt wird. Dafür muss man auch nicht die individuell recherchierenden JournalistInnen verantwortlich machen, denen ich gerne glaube, dass sie sich immernoch mehrheitlich den selben Grundsätzen verpflichtet fühlen und den selben Anspruch an eine möglichst ausgewogene Abwägung von Fakten an sich und ihre Arbeit stellen, wie Du, lieber hansj. sie ja auch immer wieder für Dich reklamierst.
Die Ideologie manifestiert sich - wie eigentlich auch in allen anderen Bereichen von gesellschaftlicher Relevanz - eher in den (hier: publizistischen) Apparaten und Institutionen, die von angestellten oder freien JornalistInnen mit Inhalten für ihre 24/7 News-Cycles beliefert werden, und deren Präferenzen in puncto Gewichtung und Auswahl berichtenswerter Themen selbstverständlich schon allein aus ökonomischen Gründen strukturelle Rückwirkungen auf die journalistische Arbeit und die Themenauswahl haben, mit der sich professionell beschäftigt wird, um mit der Proffession auch einen Lebensunterhalt bestreiten zu können. (-> Materielle Verhältnisse. Sein und Bewusstsein - Wir hatten das ja schon.)
Am Ende ist Journalismus im technifizierten neoliberalen Spätkapitalismus vor allem ein Geschäft und ein ziemlich gnadenloser Wettbwerb um Klickzahlen, Einschaltquoten und Werbeflächen. Die Verwertung der gehandelten Ware Information mag im Fall der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht so unmittelbar monetärer Natur sein, wie in der privat organisierten Print- bzw. online-Medienlandschaft, aber selbst die Deutsche Welle, der Deutschlandfunk, das ZDF, die ARD und ihre regionalen Ableger müssen ihre Investitionen von Gebührengeld gegenüber ihren Aufsichtsorganen mit quantitativen Daten zu Programmwahl und Einschaltdauer ihres Publikums rechtfertigen - also mit der Analyse eines Nachfrage- und Konsumverhaltens, welches sie mit ihrer immer noch starken Dominanz über den täglichen Fernseh- und Nachrichtenkonsum vor allem des älteren Teils der Bevölkerung selbst stark beeinflussen(!). Gegenüber den eigentlichen journalistischen Arbeitskräften auf dem "freien" Markt treten sie damit im Prinzip genau so als Kosten/Nutzen-orientierte Auftraggeber auf, wie die privaten Medienkonzerne.
Und erschwerend - für eine tatsächlich ausgewogene Berichterstattung - kommt dann natürlich noch hinzu, dass auch durchkommerzialisierte social media-Plattformen zu einem großen Teil nur deswegen so rasend schnell als Meinungsverstärker dienen, und daher auch von allen großen wie kleinen traditionellen Medienapparaten, politischen Interessengruppen und privatwirtschaftlichen Warenanbietern weiter befeuert werden, weil sich über twitter, facebook etc. Medienberichte die sonst im daueraktualiserten Online-Schlagzeilengewitter vielleicht gar keine Sau wahrgenomnen hätte, mit ein bisschen Unterstützung durch reichweitenstarke InfluencerInnen in Windeseile zu einem Empörungsgenerator und Trendsetter aufbauen, und dann natürlich nicht nur von der öffentlichen, sondern auch von der veröffentlichten Meinung weiter in der Google-Rangliste nach oben gepusht werden.
Und da muss man schon ein bisschen Alt&Naiv sein, wenn man ernsthaft glauben möchte, dass nur die Russen gleichsam durchtrieben wie genial genug seien, um diesen Mechanismus zu verstehen und ihn massiv zur Verbreitung von Propaganda zu nutzen.
Und nein - das macht niemand zum "Bösen".
Denn anders als Du es hier leider etwas wiedersinnig darstellst, bewirkt ideologische "Verblendung" ja eigentlich genau nicht die absichtliche, vorsetzliche Gewichtung des einen Faktums über das andere, sondern sie lässt die ideologisch "Verblendeten" glauben, nach bestem Wissen und Gewissen einen Dienst and der gänzlich ideologiebefreiten, nüchternen Aufklärung ihrer RezipientInnen zu leisten.
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du weisst, dass ich jede - vor allem halbwegs gründliche - diskussion um strukturen von öffentlichkeit und erfahrung" ( rein zufällig ist dies der titel eines der wichtigsten bücher eines meine wichtigsten akademischen lehrer) schätze und gern führe. unter besonderer berücksichtigung der funktion von medien sowie der rolle von journalistInnen in diesem prozess führe. weil eine solche diskussion uns ziemlich schnell über die - zugespitzt formuliert- "willfährige und gekaufte systembüttel" - einordnung hinausführt- die im übrigen, bei allem anspruch auf jeweils eigene erkenntnis, die rezipienten der jeweiligen medienproduktion wesentlich in einer beliebig manipulierbaren opferrolle einbetoniert. da offenbart sich nicht nur eine mechanistische vorstellung der konstitution von erkenntnis und bewusstseinsbildung, sondern eine sehr tiefe unkenntnis des ziemlich komplizierten und vielschichtigen zusammenwirkens sozialer, politischer, ökonomischer strukturen auf kollektiver wie individueller ebene. einfacher ist das leider nicht zu entschlüsseln, was in unseren köpfen so passiert und unser handeln so oder so beeinflusst.
was du (zu recht) dem journalismus mehrheitlich vorwirfst, nämlich verzicht oder verdrängung einer auseinandersetzung mit "tiefenstrukturen" der verhältnisse, gilt nun aber auch dann, wenn wir uns mit den strukturen journalistischer arbeit im engeren sinn befassen.
dass journalismus - unter bedingungen, die themensetzung zumindest halbwegs frei von direkten herrschaftlichen vorgaben (vulgo: zensur und propagandaauftrag) ermöglicht - seine inhalte und darstellungsintensität wesentlich unter dem kriterium der relevanz für das jeweilige publikum diskutiert und umsetzt, ist eine der grundthesen, auf die ich immer wieder hinzuweisen versuche. dass der begriff der "relevanz" ein besonders schwieriger ist, weil nicht normativ fassbar, sondern einerseits vermutung der medienproduzenten, andererseits im rezeptionsverhalten messbare größe. diese beiden faktoren stehen in wechselwirkung zueinander, medien und ihre akteure befinden sich, so gesehen, in einem permanenten, täglich neu realisierten try-and-error prozess. medien, die sich entweder als kapitalistisch-privatwirtschaftlich verfasste oder als öffentlich-rechtlich beitragsfinanzierte durch kauf-klick-reichweitenzahlen legitimieren, müssen sich diesem try-and-error prozess bei strafe des eigenen untergangs kontinuierlich stellen. das unterscheidet sie strukturell und fundamental von staatsorganisierten und -finanzierten medien, vor allem, wenn diese staatsverflechtung sich auch noch in detaillierter inhaltlicher vorgabe ausdrückt.
mit diesen systemischen bedingungen und ihren auswirkungen beschäftige ich mich seit einem halben jahrhundert, und zwar nicht nur theoretisch, sondern in sehr praktischer weise, kontakte und erfahrungsaustausch mit kollegInnen und analytikerInnen sowohl in der einen wie auch der anderen "systemrichtung" bestanden und bestehen dutzendfach.
vor diesem hintergrund bedeutet der hinweis auf "nähe zum ereignis" als wesentliches kriterium jorunalistischer entscheidungen doch nicht allein geografische nähe, auch wenn die am sinnfälligsten ist. "nähe" ist gleichermaßen eine kulturelle dimension ( auf der basis eines sog. weiten kulturbegriffs, der einstellungen und wertsysteme einschliesst). weiterhin umfasst das kriterium nähe/relevanz auch historische erfahrungen sowie die möglichkeit von personen/strukturen, die realen verhältnisse des medialen publikums so oder so mitbestimmen zu können. wenn du dir - und du kannst das ja, daran besteht kein zweifel - dieses bündel von faktoren, die auf mediale prioritätensetzung einwirken, in seiner komplexität vor augen führst, dann ist relativ schlüssig nachvollziehbar, dass - und warum - sowohl die aktivitäten der "welthäuptlinge" trump/putin ( als führer und repräsentanten ihrer jeweiligen systeme) in deutschen medien permanente beachtung finden. navalny ist nicht aus sich selbt heraus eine für deutsche medien interessante figur, sondern wegen seiner rolle im politischen und gesellschaftlichen system der rf.
diesen - aufschlüsselbaren-sachverhalt zu reduzieren darauf, dass der "russische patient" erst durch seinen aufenthalt hier oder/und durch deutsche aktivitäten bei der lebensrettenden medizinischen intervention zu verkürzen, wie du es in polemischer weise tust (nichts gegen polemik, übrigens, sie ist ein anerkanntes stilmittel im kommunikationsprozeß) wäre ein wirklicher rückschritt beim versuch von prozessanalysen inclusive von ideologischen einbindungen ihrer jeweiligen akteure. diese einbindung gilt, wenn man nicht den propagandistischen begriff von "ideologie" anlegt, übrigens für jeden teilnemer des diskurses, für mich genauso wie allerdings auch für dich. das wäre selbstanalytisch dann auch immer mit zu bedenken.