Beiträge von conradftafel

    Ich glaube das ganz große Problem bei dieser Bundestagswahl ist, dass es wie bei der letzten keine wirkliche Perspektive gibt. Das politische Mitte bis rechte Lager (Union, FDP und AfD) werden wahrscheinlich mehr Stimmen und Sitze bekommen als das politische Mitte-Links Lager, sie werden aber aus verständlichen Gründen keine Koalition eingehen. Die Grünen orientieren sich Richtung Union und wollen unbedingt regieren. Das kann kaum anders als wie eine Neuauflage der großen Koalition ausgehen, da die Union nach wie vor bei den meisten Themen bremst/blockiert.


    Also was könnte die Alternative sein?


    Für politisch eher links stehende Leute, die hier in diesem Forum wahrscheinlich in der Mehrheit sind, ist Rot-Rot-Grün oder Grün-Rot-Rot da noch die aussichtsreichste Lösung.


    Aber Teile der SPD, wie wahrscheinlich auch ihr Kanzlerkandidat, können sich mit dem Gedanken nur schwer anfreunden. Teile der Linken, wahrscheinlich auch wegen Scholz, sehen R2G vor diesem Hintergrund ebenfalls kritisch. Die Grünen positionieren sich hier bis jetzt gar nicht, wahrscheinlich weil sich schon auf eine Schwarz-Grüne Regierung vorbereiten und sie höchstens wenn sie Chancen auf das Kanzleramt hätten in eine Grün-Rot-Rote Koalition eintreten würden.


    Eine Ampelkoalition ist von einer Mehrheit politisch wie mathematisch noch weiter entfernt. Die FDP hat eingesehen, dass das Werben um die Stammwähler anderer Parteien nicht funktioniert und werden wahrscheinlich versuchen mit dem gleichen wirtschaftsliberalen eher Gründer- und Unternehmerfreundlichen Programm wie letztes mal überhaupt über die 5% Hürde zu kommen.

    Sie sind somit kaum für Grüne und SPD koalitionsfähig und warum sollten die Grünen auch mit FDP und SPD in einer Dreikoalition regieren wollen wenn sie auch einfach die gleichen Inhalte mit der Union allein besprechen können.


    Ein große Koalition will in diesem Land wahrscheinlich überhaupt niemand.


    Taktisches wählen für irgendeine Koalition ist also kaum möglich, am ehesten kann man noch versuchen, dass Linke und SPD so stark werden dass R2G eine Chance hat. Unwahrscheinlich aber möglich.


    Man kann also von Schwarz-Grün ausgehen und hoffen, dass die Grünen Umwelt- und Sozialpolitisch etwas durchkriegen, der ganze große Wurf wird es wohl kaum werden.


    Die SPD kann sich in der Opposition hoffentlich inhaltlich wie personell erneuern (d.h. auch die letzten Agenda Politiker in den Ruhestand schicken) dass 2025 R2G eine realistische Chance hat.


    Ich weiß, eine etwas pessimistische Sichtweise aber ich glaube sie ist leider einigermaßen realistisch.

    Ich würde da auch nach 75 Jahren noch einen Unterschied zwischen ehemaligen SED Funktionären und ehemaligen NSDAP Funktionären machen.

    Da hast du natürlich vollkommen Recht es ging mir dabei um die aktuelle Relevanz und darum, dass bei der Union zwar Leute beigetreten sind, sie diese aber nicht mutwillig übernommen hat (war ja auch nicht die gleiche Partei). Und bei der Union sind mir nicht viele Funktionäre der NSDAP bekannt (außer Hans Globke), sondern halt ehemalige Mitglieder. Schlimm genug aber die gab es in allen Parteien und es gab ja schließlich viele Millionen NSDAP Mitglieder....

    was die positionen der linken betrift die scholz und du als problem sehen sehe ich mich glaub ich persönlich in vielen dingen eher auf der seite der linken :). ich finde auch die vergangensheitsdebatte bezüglich der linken oft heuchlerisch, ich meine meistens ist es die union, die diese anstößt. hat die sich denn schon mal mit ihrer rolle im nationalsozialismus beschäftigt oder den ganzen nsdap leuten, die dann in der union karriere gemacht haben? das fordert komischerweise auch niemand.


    warum ein wolfgang schäuble trotz korruptionsskandal so lange tragende rollen gespielt hat, ist mir auch schleierhaft, ich finde da wird oft mit zweierlei maß gemessen.


    also ich finde nicht, dass die linke ihre vergangenheit nicht aufarbeiten sollte und da könnte auch durchaus mehr passieren, ich finde nur, dass das dann auch für andere parteien genauso gelten sollte und das findet nicht wirklich statt.

    Also manche Positionen der Linken finde ich einfach naiv und nicht umsetzbar/sinnvoll. Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes, einen Sofortigen Ausstieg aus der NATO, ein generelles Ablehnen jeglicher Militäreinsätze im Ausland finde ich (zumindest die ersten beiden) nicht umsetzbar. Beispiel Afghanistan: Dieser Einsatz mag falsch gewesen sein, aber einfach das nächste Mal im Bundestag nicht die Zustimmung für den Einsatz zu geben bringt keinerlei Lösung. Und zum Beispiel den Kosovo Einsatz finde ich sinnvoll, zumindest anhand des Materials mit dem ich mich beschäftigt habe, bin da wirklich kein Experte.


    Die Vergangenheitsdebatte der Linken ist in der Tat – da oft von der Union angestoßen – heuchlerisch. Dein Vergleich hinkt trotzdem ein bisschen.


    Es hat keine „Rolle“ der Union im Nationalsozialismus gegeben. Diese Partei gab es erst nach dem zweiten Weltkrieg und deswegen kann man ihr so einen Vorwurf nicht machen. Sich mit der Rolle die manch ein ehemaliger Nazi wie z.B. Hans Globke oder Alfred Dregger noch in der Union gespielt haben zu beschäftigen ist durchaus sinnvoll, allerdings haben da Presse und Zivilgesellschaft schon viel aufgearbeitet. Zudem sind alle solche Akteure meines Wissens schon seit geraumer Zeit tot.


    Heuchlerisch ist eher, dass die Union den ganzen Apparat und die Mitglieder der Ost-CDU, die ja Blockpartei war übernommen hat, was sie ganz gerne unter den Tisch fallen lässt, daher regt es mich auch auf wenn sich so ein Tilman Kuban mal wieder in die Talkshow setzt und schwafelt: „Wir sind die Partei Helmut Kohl und können mit der ehemaligen SED nix zu tun haben blabla“


    Aber ganz das gleiche wie bei der Linken ist es immer noch nicht. Die Linke ist halt einfach die umbenannte SED, zumindest die Ost-Verbände. Sie hat damals die Mitglieder übernommen, die Teilweise auch hohe Funktionäre in der DDR waren und das ist halt im Gegensatz zur Union (welche die nach 45 ja auch nicht einfach übernommen hat) 30 und nicht 75 Jahre her. Es geht mir nicht darum, dass es einzelne Linke Mitglieder gibt, welche die Mauertoten befürworten, sondern dass es einige Funktionäre gibt, die schon in der SED Karriere gemacht haben und deren Rolle man dort hinterfragen muss, was ja auch teilweise getan wird (z.B. Gregor Gysi) aber eben nur teilweise.


    Ein weiterer Punkt ist das Parteivermögen der SED, was ja teilweise „verloren“ gegangen ist (unter einem Parteivorsitzenden Gysi!) und bis heute mutmaßlich noch in Wahlkämpfe miteinfließt (ist glaube ich nicht gesichert). Auch den Umgang mit ehemaligen Stasi Mitarbeitern muss man thematisieren. Ich fordere nicht, das jeder der mal Stasi Mitarbeiter oder SED Funktionär war nie wieder etwas in der Linken werden soll, aber aufarbeiten sollte man dies.


    Ein weiterer mit der politischen Geschichte zusammenhängender Punkt ist das unkritische Verhalten von manchen linken Mandatsträgern/Funktionären gegenüber „sozialistischer“ Diktaturen (z.B. Besuch bei Maduro, Geburtstagsglückwünsche für Fidel Castro), auch wenn das nicht die Linie der Parteiführung ist wie man immer dazusagen sollte.


    Noch ein kleiner Link für den Exkurs – Sorry haha: https://www.mdr.de/zeitreise/s…0_page-1_zc-43c28d56.html


    Das Schäuble noch was werden konnte nach der Spendenaffäre hängt damit zusammen, dass er gleich die Konsequenzen gezogen hat und zurückgetreten ist und dass er nicht im Zentrum der Affäre stand. Er hat „nur“ eine Spende angenommen, die dann nicht versteuert wurde. Das ist sicher schlimm, aber im Vergleich zu Amthor hat sich ja immerhin niemand selbst bereichert, sondern die Partei.


    Ich glaube übrigens überhaupt nicht das rot-grün-rot ähnlich würde wie rot-grün unter Schröder, und selbst wenn warum sollte Schwarz Grün besser sein?

    dass er zum beispiel die fdp ins spiel gebracht hat finde ich persönlich angesichts der derzeiten fdp erschreckend, weil eine für mich wählbare spd niemals mit dieser fdp koalieren dürfte, ist aber strategisch durchaus klug.


    das er gleichzeitig gesagt hat, er würde die linke nicht mögen... nun ja, wenn er kanzler werden will oder einfach nur dafür sorgen, dass die union nicht mehr regiert wird er sie vermutlich brauchen und sie mögen ihn auch nicht und zwar zurecht


    der zeitpunkt ist strategisch auf jeden fall ziemlich gut, es kommt halt drauf an, was die spd und scholz jetzt daraus machen. wie immer bei der spd würde man gerne hoffen, man geht aber eher vom üblichen katastrophenfall aus.

    Danke, ebenfalls schöner Beitrag :)


    Hat Scholz denn die FDP mit ins Spiel gebracht? Ich habe irgendwie nicht gefunden wo…wenn doch schick bitte einen Link!


    So wie ich das mitbekommen habe hat die FDP sich selbst ins Spiel gebracht, da eine Ampel Koalition für sie ja auch die einzige Machtoption ist („Es ist angenehm, dass die SPD ihre neue Liebe für die FDP entdeckt hat“, erklärt er [Wolfgang Kubicki] der Bild.- Wo hat Scholz denn davor etwas zur FDP gesagt?) Ich gebe dir aber Recht, dass mit der Lindner FDP das kaum eine Option ist, da die sogar mit Olaf Scholz kaum Gemeinsamkeiten hat. Das hat er aber auch schon deutlich gemacht: https://www.nw.de/nachrichten/…sozialliberale-Werte.html


    Das er gesagt hat er würde die Linke nicht mögen finde Ich nicht schlimm. Ich selbst finde manche Positionen der Linken sind seeehr schwierig und in der Tat ist die Vergangenheit der Linken ein Problem. Aber deren Aufklärung könnte man ja zur Bedingung machen! Zudem finde ich was er bei maischberger gesagt hat richtig: "Zur Regierungsfähigkeit der Linken gibt es noch viele Fragen, da wird es sicherlich viel zu diskutieren geben. Ich wünsche gute Verrichtung." Das ist ja auch so. Man muss da erstmal einen Linken-Parteitag und evtl. neue Vorsitzende abwarten. Er darf allerdings gerne auch dazu sagen, dass er Verschiebung mancher Positionen Richtung SPD begrüßen würde, finde ich zumindest.


    Das „gute“ an Scholz finde ich, dass er glaube ich so machtbewusst ist, dass er wenn es am Schluss eine R2G Mehrheit gäbe alles dafür tun würde sich von dieser zum Kanzler wählen zu lassen. Das ist sicherlich charakterlich fragwürdig, für die Zukunft dieses Landes wäre es aber gut!

    -wenn man wirklich grün-rot-rot will muss man sowieso irgendwie die union attackieren, dazu müssen zwangsweise entweder die grünen oder die spd die mitte ansprechen, fraglich ob das klappt oder ob nicht viele dann doch lieber den wolfgang statt den olaf schäuble wählen... gegen merz, laschet oder röttgen aber durchaus denkbar, söder hat halt auch das problem, dass er aus bayern kommt und das in vielen bundesländern vielleicht sogar ein paar stimmen kosten könnte.


    also irgendwie hat die spd halt auch kaum alternativen, scholz ist vielleicht aufgrund dessen wofür er steht der richtige mann, obwohl alles wofür er steht eigentlich total ablehnenswert ist und er eben nicht für irgendeinen hoffnungsvollen aufbruch steht, den die spd eigentlich dringend nötig hat. paradoxe situation irgendwie


    also mich würde vor allem mal interessieren, ob jemand mit einer überzeugenden alternative um die ecke kommt, da tu ich mich als scholzkritiker eigentlich am schwersten damit..


    Du sprichst viel Richtiges an, ich sehe das als SPD Mitglied ähnlich. Mit der Personalie war zu rechnen, ich habe dennoch bis zum Ende auf eine Alternative gehofft. Zwei hätte es meiner Meinung nach auch gegeben:


    1. Stephan Weil (Ministerpräsident von Niedersachsen)


    Als Ministerpräsident eines der größten Bundesländer wäre Weil für den Job des Bundeskanzlers sicherlich qualifiziert. Er hat zudem als einziger in den letzten Jahren für die SPD tatsächlich eine Wahl mit echtem Stimmenzuwachs gewonnen. Er hat als SPD-Mann einen klassischen Aufstieg von unten (Stadtkämmerer, Oberbürgermeister, Ministerpräsident) und ist dabei durch volksnähe aufgefallen.


    Er saß soweit ich weiß nie im Bundesvorstand oder Präsidium der SPD und hat die Politik in den Grokos quasi nicht mit zu verantworten (obwohl er auch nie durch Kritik an deren Kurs aufgefallen ist).


    Er hat also ähnlich wie Martin Schulz den Vorteil von außen zu kommen, hätte also vielleicht einen ähnlichen Hype erzeugen können. Mit der richtigen Programmatik, welche die neuen Parteivorsitzenden sicherlich prägen werden, hätte er denke ich bessere Chancen als Olaf Scholz, das bedächtige, vernünftig wirkende hat er nämlich genauso wie Scholz, was wie du richtig sagst gegen Merz z.B. ein Vorteil wäre.


    Zudem wäre er für den linken Parteiflügel sicherlich weniger problematisch als Scholz, da er nicht mit der Agenda 2010 assoziert wird, auch wenn ich ihn tendenziell eher bei den Seeheimern verorten würde


    Problem: Auch Stephan Weil ist nicht gerade ein sprühender Charismatiker. Dass er die Marktplätze gerockt hätte darf man bezweifeln. Außerdem hat er nie in irgendeiner Form die Bereitschaft geäußert Kanzlerkandidat zu werden, er hat sich ja im letzten Jahr auch nicht um den Parteivorsitz beworben.



    2. Rolf Mützenich


    Als Fraktionsvorsitzender schon von vornerein ein logischer Kanzlerkandidat, der glaube ich wie kein anderer von der breiten Masse der Partei unterstützt worden wäre. Parlamentarischer Linker mit dementsprechenden Positionen aber als Teil der „Regierungs-SPD“ arbeitet er gut mit Scholz etc. zusammen.


    Seine außenpolitischen Positionen gelten zwar der Union als extrem und würden dementsprechend thematisiert. Ich bezweifle aber ob ein ehemaliger SPD Wähler, der nun grün oder linke wählt ihm deswegen die Stimme verweigern würde. Ich glaube das friedenspolitische bis pazifistische Positionen kaum wahlentscheidend sind, da Außenpolitik den normalen Bürger wenig interessiert. Zudem wäre die Besetzung ein Wink in Richtung Rot-grün-rot. Für mich wirkt er sehr sympathisch und im Gegensatz zu Scholz nicht ganz so spröde.


    Problem: Hat als Mitglied der SPD-Fraktion den Regierungskurs stets mitgetragen. Verzeichnet geringe Beliebtheitswerte, was allerdings nach meiner Meinung mehr mit seiner Unbekanntheit als mit seinen politischen Positionen zusammenhängt. Bei der Besetzung des Wehrbeauftragten hat er allerdings ziemlich blöd ausgesehen, obwohl der Abgang von Johannes Kahrs im Nachhinein ein Glücksfall ist.



    Insgesamt denke Ich dass die Besetzung sicherlich vom Zeitpunkt klug war, da sie alle anderen unter Zugzwang setzt. Wenn Scholz jetzt nicht zu sehr mit dem Gedanken an eine Ampelkoalition flirtet und vielleicht eine erneute Groko ausschließt, könnte ihn das in die vorteilhafte Lage versetzen, dass jeder der ein progressives Mitte-Links Bündnis möchte, nun Scholz wählen müsste, um eine Quasi-Groko Schwarz-grün zu verhindern.