Tilo Nö, habs gefeiert, dass ihr online gegangen seid aus dem geheimnisvollen Showroom. Ich finde die Möglichkeit gerade bei Andreas Kemper und einem so großen Themenkomplex Fragen einbringen zu können hat sehr gepasst.
Top Interview jedenfalls! Man merkt richtig, wie tief Kemper in der Materie zur AfD drinsteckt, wahrscheinlich so umfangreich wie kaum ein anderer. Das war so viel Information auf einen Schlag, ich muss (und werde auch) das Dingen noch ein zweites und drittes Mal schauen. Dazu kommt halt seine ruhige, langsame Vortragsweise und es macht ihn sympathisch als Wissenschaftler, wenn er zugibt, dass er etwas nicht weiß. Stark war, wie er die einzelnen theoretischen Begriffe wie anarchokapitalistisch, rechtsradikal, rechtsextrem und weitere bis auf die Wortwurzel dekonstruiert hat.
Insgesamt erschreckend was für ein breites Netzwerk hinter der AfD steckt und wer da die teils rivalisierenden Chefideologen sind. Eine Privatsrechtsgesellschaft? Einfach nur menschenverachtend und das zeigt nur, dass diese Menschen scheinbar keinen moralischen Kompass mehr haben, wenn sie soetwas denken, propagieren und politisch umzusetzen versuchen. Das war ja schon teilweise absurd, was für Comedy Momente im Interview rausgesprungen sind, mit dem bekloppten Wahlkönig oder der Verbindung zum FC Bayern usw.
Beim Schauen musst ich aber auch an das Interview mit Annette Ramelsberger zurückdenken. Denn was Kemper beschrieb ist ja die rein ideologische Ebene der AfD. Eine andere Ebene besteht aus den - nicht im Kemper'schen Sinne, sondern weil ich keinen besseren Begriff finde - rechtsextremen Netzwerken mit AfD-Verbindungen wie z.B. lokale Nazi-Gruppen in ganz Deutschland oder Rechtsterroristen wie der NSU oder in Behörden oder Bundeswehr. Ich finde das sollte man nicht vergessen, wenn man die AfD betrachtet.
Ich stimmte überdies Kemper zu, dass man mit AfDlern reden sollte, es eben auf das "wie" ankommt. Tilo hat bei Kalbitz einen guten Job gemacht meiner Meinung nach, und ebenso das von Kemper angesprochene Sommerinterview des MDR mit Bernd Höcke. Auch im MDR wurde Höcke auf seine Ladig-Vergangenheit angesprochen und der Journalist hat Bernd auch unterbrochen, als er sich weigerte auf Fragen zu antworten, nur um seine Talking Points unterzubringen. Da bedarf es standhafte Journalisten und Mut zum Reingrätschen.
Ich wollte noch etwas Ergänzen zum Auftreten von Markus Krall in diversen Publikationen, u.a. der Epoch Times. Kemper hat völlig korrekt darauf verwiesen, dass die Epoch Times eine Zeitung ist allermindestens mit Nähe zu chinesischen Dissidenten aufgrund ihrer Falun Gong. Man muss sagen, dass Falun Gong ein komplexes Thema ist. Teilweise sieht man sie ja auch in deutschen Städten bis sogar in die friedliche Dorfprovinz an belebten Plätzen mit Infoständen, wo sie Broschüren über Organentnahmen in China rausgeben ihre meditative Lehre und halt rummeditieren. Insgesamt machen die ja ein friedlichen Eindruck, aber...
...aber hinter Falun Gong steckt ein recht großes internationales Mediumimperium mit Fernsehsendern in den USA (New Tang Dynasty TV) oder Theaterstücken (Shen Yun) die sich auf der Ebene der "Soft Power" einen Kampf mit der Chinesischen Parteiendiktatur liefern. Die Falun Gong-Bewegung wuchs in den 90ern rasant an, als in China die Gesellschaft im Zuge des Ende des Kalten Krieges sich auch zu öffnen begann. Die Falun Gong wuchs der KPCh aber zu schnell zu stark an, weshalb sie verboten wurde von Parteichef und Präsident Jiang Zemin. Das ist der Vor-Vorgänger von Xi Jinping. Deswegen sind viele Praktizierende nach Hong Kong, Macau und v.a. in die USA geflüchtet, wo es bereits viele chinesische Immigranten gibt. Diese Infostände gibt es auch gerade in Hongkong sehr viel an Hotspots, wo die Touris vom chinesischen Festland durchlaufen. Da zeigen die Falun Gong Anhänger dann immer Plakate wo Jiang Zemin als Teufel mit langen scharfen Schneidezähnen dargestellt wird.
Durch das Verbot hat die Falun Gong-Bewegung ein starkes antikommunistisches Element, neben dem teuflischen Element, was Kemper angesprochen hat. Insofern ergibt es Sinn, dass sich bei der Epoch TImes mit ihren Falun Gong-Verbindungen, ihren rechtspopulistischen Artikeln und ihrem Antikommunismus/Anti-KPCh Schnittmengen mit diesen deutschen Privatrechtsgesellschafts-Fanatikern wie Krall ergeben.
My two Cents!
Frage noch zum Schluss:
Kann man jetzt öfters mit regulären Episoden mit Livechat rechnen oder nicht? Wird Jung&Live noch fortgeführt oder nicht mehr? Die Gespräche mit Gert Scobel waren ja auch hervorragend.
Danke Team J&N!