Mal ganz kurz: Ich glaube keiner der Demo-Miesmacher hier kritisiert die Demos für sich alleinstehend. Die systemische Kritik daran ist imho insofern wichtig, dass viele Protestler nicht begreifen, wie man auch mit Mitte-Politikern wie Söder, Lindner, Seehofer, Schäuble, Merz, Linnemann, Spahn (and so on) ganz gediegen und butterweich in den Faschismus abdriften kann. Dafür brauch ich keine Neonazis die SS-Folklore paraphrasieren. Ich brauch eiskalt kalkulierende Machtpolitiker mit einer gefährlich ausgeprägten (meinetwegen neoliberalen) Ideologie, die dafür bereit sind unsere hier aufgenommenen Flüchtlinge wieder zurück an die Front zu schieben, damit man uns doch vorm noch schlimmeren, nämlich dem Putin-Faschismus bewahren könnte. Was mich nervt ist, dass die obengenannten Politiker dieses an sich sehr schöne Zeichen (virtue signaling) hijacken und für sich beanspruchen in der Linie der Demokratie zu stehen, am besten natürlich ganz mittig.
Keine Ahnung, also dieses "wehret den Anfängen" ist ein Appell darüber nachzudenken, was strukturell zu so etwas wie dem Krieg und den Holocaust geführt hat. Selbst wenn ich jetzt den polnischen oder ungarischen aktuellen "Faschismus" mit dem der 30er Jahre in Deutschland Vergleiche, dann fehlt da doch noch ein Schwung mehr Faschismus. "Wehret den Anfängen" bedeutet für mich eigentlich auch die Kritik an so etwas wie die sukzessive Entwicklung, wie der Spiegel beispielsweise antimuslimisch agitiert hat und hier das Springernarrativ 1 zu 1 übernommen und "intellektualisiert" hat. 20 Jahre nach dem Irakkrieg sagt mir ein etwa gleichaltriger Arbeitskollege, dass die Amis "da unten" mal wirklich schön alles plattmachen sollen, weil die Ölaugen echt nerven. Der gleiche Typ hat zwei Tage später Selfies von der Demo geschickt. Na fein.
Ich hab kein Patentrezept gegen die Entwicklungen, wie sie stattfinden. Die Demos nehmen mir meine Ängste jedenfalls nicht im Geringsten.
Wie gesagt, mag alles sein.
Fehlender massiver Widerspruch normalisiert aber die Entgleisungen der afd und zeigt den "Mitte"-Politikern (keinen der von Dir aufgezählten halte ich für irgendwie mitte btw.) dass es scheinbar ok ist bzw. solche Extremforderungen vom Wahlpöbel goutiert würden. So verschiebt sich das Meinungsspektrum ganz langsam in eine ungute Richtung.
Nein, ich sehe in den Demos ja auch keine Lösung, ich bin mir der systemischen Probleme auch bewusst, trotzdem bin ich heilfroh, dass es die aktuellen Proteste gibt, denn verglichen mit Polen, Ungarn und anderen Ländern sind wir hierzulande halt trotzdem noch besser aufgestellt. Besser heißt nicht gut, aber eben nicht so scheiße wie dort.
Und der dem Sinnspruch "Wehret den Anfängen" inhärente Kern ist doch eben, dass es nicht direkt mit Lagern oder sonstwas losgeht, das aber das Ende der Entwicklung ist. Deshalb ist es ja so wichtig, jetzt etwas zu tun, bevor eine Entwicklung weiter an Fahrt aufnimmt.
Wie gesagt, wir sehen doch aktuell in Polen, wie tief die Einschnitte dort sind, um das Schiff wieder halbwegs aus der Diktaturzone hinauszumaneuvrieren.