Beiträge von Phil O. Sopher

    Man hat sich mindestens verrannt und kann zwecks Gesichtswahrung nicht nachgeben, sondern stattdessen immer härter, immer mehr fordern. Wie bei uns, wie im Afghanistan-Krieg oder nun in der Ukraine.

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    Noch heute gibt es, selbst unter Bundestagsabgeordneten, etliche Menschen, die glauben, das Virus müsse oder könne mit der Impfung ausgerottet werden. Die haben sich von dieser Zielstellung nie lösen können. In China sind sie einen Schritt weiter und versuchen die Endemie nun zu kontrollieren, indem sie auch massenhaft Haustiere töten.

    Wir sind da wohl mit einem blauen Auge davongekommen.


    Interessant, es gibt tatsächlich Parallelen zwischen dem "Kampf gegen das Virus" und dem "Krieg gegen Putin". Beispielsweise bezüglich der Richtung, aus der die Forderungen nach einem "immer härter, immer mehr" kommen: Wieder sind es die Medien, die die Politiker vor sich her treiben. Und wieder finden sich zu viele Politiker, die sich nur allzu bereitwillig treiben lassen.


    Dass es in der Pandemie nicht zum Äußersten kam (allgemeine Impfpflicht oder eine ernsthaft verfolgte No-Covid-Strategie) zeigt aber, dass zivilgesellschaftlicher Protest immer noch ein funktionierendes Korrektiv darstellt. Diese Erfahrung macht mir ein bisschen Hoffnung, dass wir auch in der neusten Krise noch mit einem blauen Auge davonkommen können, wenn wir die Deutungshoheit über das Geschehen nicht alleine den radikalsten Kräften überlassen.

    #ZDFheute über das offensichtliche Scheitern der chinesischen Zero-Covid-Strategie in Shanghai. Ab 12:20.



    „Wenn Sie so weitermachen gibt es keine Hoffnung für China mehr“, sagt der Polizist zu der festgenommenen Frau. „Wir werden bald Krieg mit Amerika haben, das wissen Sie doch. Nur die kommunistische Partei kann uns noch retten“.


    Sätze wie dieser verstärken den Zweifel, ob es dabei wirklich um ein Virus geht. Und: Stimmt die chinesische Propaganda das Volk wirklich bereits auf einen Krieg gegen die USA ein?

    „Dem Vorwurf, dass die Weltgemeinschaft schwersten Menschenrechtsverbrechen in einem innerstaatlichen Konflikt nicht zusehen darf, entsprang das Prinzip der Responsibility to Protect (R2P). Mit diesem Konzept versuchten die UN-Mitgliedstaaten einer humanitär begründeten Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten einen völkerrechtlichen Rahmen zu geben. Durch die Parallelität seiner Argumente spielte Putin auf R2P-Präzedenzfälle wie Libyen an, in denen das Prinzip der Schutzverantwortung bereits auf der Basis einer UN-Sicherheitsratsresolution Anwendung fand.


    Der Genozid in Ruanda vor exakt 20 Jahren, dem die Weltgemeinschaft mit Untätigkeit begegnete, das Massaker von Srebrenica 1995 und die vier Jahre später folgende robuste Intervention der NATO in Kosovo lenkten den Blick auf den Schutz des Individuums auch innerhalb der Staatsgrenzen. Die völkerrechtlich umstrittene „humanitär motivierte Intervention“ in ein Land ohne Zustimmung der jeweiligen Regierung, oder sogar gegen ihren Widerstand, rückte das Individuum und damit das Gebot des internationalen Menschenrechtsschutzes stärker als den Nationalstaat ins Zentrum der völkerrechtlichen Ordnung. Trotz des Missbrauchsrisikos der humanitären Intervention bewertete die Staatengemeinschaft das Souveränitätsgebot neu, und fand mit der Entwicklung des Konzepts der R2P einen völkerrechtlichen Weg, wie das Kollektiv bei schwersten Menschenrechtsverletzungen Verantwortung für den Schutz von Menschen in fremden Staatsgebieten übernehmen kann. Im Jahr 2005 etablierte die UN-Generalversammlung deshalb einstimmig, Menschen global vor massiven und systematischen Menschenrechtsverbrechen schützen zu wollen. Die UN-Mitgliedstaaten einigten sich auf vier Fälle, in denen die Responsibility to Protect Anwendung findet: (1) Völkermord; (2) Kriegsverbrechen; (3) ethnischen Säuberungen; und (4) Verbrechen gegen die Menschlichkeit.


    Primär liegt die Verantwortung bei jedem Staat selbst, seine Bevölkerung vor solchen Verbrechen zu schützen. Die Staatengemeinschaft steht jedoch in der subsidiären Pflicht, alle Staaten bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung zu unterstützen oder intervenierend tätig zu werden, sollte eine Regierung ihrer Schutzpflicht gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht nachkommen können oder wollen. Dabei gilt es, geeignete friedliche, diplomatische oder humanitäre Mittel gemäß Kapitel VI und VIII der UN Charta anzuwenden. Darüber hinaus besteht für die Staatengemeinschaft die Möglichkeit, kollektive und durch den UN-Sicherheitsrat beschlossene Zwangsmaßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta anzuwenden, sollten sich friedliche Mittel als unzureichend erweisen. Ziel dieser Entwicklung war es, das völkerrechtliche Gebot der staatlichen Souveränität mit der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für den Menschenrechtsschutz der Zivilbevölkerung zu verknüpfen und somit schwerste Gewaltverbrechen zu verhindern.


    Putin versuchte völkerrechtliche Legitimationslücken westlichen Handelns in der Vergangenheit – wie den NATO-Truppeneinsatz in Kosovo – zu benutzen, um das eigene Handeln auf der Krim als völkerrechtskonform auszuweisen. Der grundlegende Unterschied zwischen Kosovo und Krim besteht darin, dass dem Einsatz der NATO auf dem Balkan ein fast zehn Jahre andauernder blutiger Zerfall Jugoslawiens voranging, in dem unabhängige Seiten zahlreiche schwerste Menschenrechtsverbrechen dokumentierten. Der Einsatz schloss zudem an einen langen, festgefahrenen diplomatischen Prozess und eine gescheiterte UN-Blauhelmmission an. UN-Resolutionen für ein robustes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft wurden seinerzeit durch ein russisches Veto im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen blockiert. Der Entschluss der NATO auch ohne UN-Mandat militärisch in den Konflikt einzugreifen war zwar formaljuristisch völkerrechtswidrig, diente als äußerste Maßnahme aber dazu, weitere massiv bedrohte Zivilisten vor dem Tod zu bewahren; gleichwohl es eine Kontroverse über die Legitimität des Eingreifens unter den UN-Nationen gibt und geben sollte, diente der Kosovo-Einsatz nicht einer Gebietseinverleibung. In der Ukraine hingegen hatten vornehmlich friedliche Proteste zwar in einen blutigen Regierungswechsel gemündet, waren aber keinesfalls von massenhaften Verbrechen gegen die Menschlichkeit begleitet. Trotz des Hilfegesuchs der durch Militäreinsatz eingesetzten Krimregierung an den Kreml verstieß Russland faktisch gegen das Interventionsverbot.“


    Mit dieser Argumentation versuchte im Jahr 2014 die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die Sezession der Krim als illegitim und völkerrechtswidrig darzustellen. Der Beitrag endet mit dieser durchaus nachvollziehbaren Empfehlung:


    „Aus der Logik der Schutzverantwortung heraus sollte die internationale Gemeinschaft im Rahmen der UN durch Instrumente des Konfliktmanagements einer weiteren Eskalation der Situation vorbeugen. Intensive Diplomatie, Verhandlungsgeschick oder Mediation können auch weiterhin die Situation zwischen den beteiligten ukrainischen Parteien und Russland entschleunigen. Dadurch könnte eine politische Lösung des Konfliktes dank internationaler Maßnahmen befördert, die Ukraine stabilisiert und gleichzeitig einem weiteren Vorgehen Putins unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Schutzpflicht vorgebeugt werden.“


    In den nach Autonomie strebenden Gebieten schwelte der Konflikt zwischen der Kiewer Zentralregierung und den überwiegend russischsprachigen Bewohnern des ukrainischen Ostens seither weiter. Acht Jahre später hätte man im Februar 2014 anhand der DGAP-Argumentation die Frage stellen können: Sind 14.000 Opfer des ukrainischen Bürgerkriegs nun genug, um eine Intervention nach Vorbild des Kosovo-Einsatzes zu rechtfertigen?


    Die russische Führung hat entschieden, diese Frage nicht der internationalen Gemeinschaft zu stellen, sondern, durchaus nach mehrfachem westlichem Vorbild, mit militärischen Mitteln Tatsachen zu schaffen.


    [wird fortgesetzt]