Beiträge von Stefan P.

    Das mit dem Club of Rome war so lehrreich. Das ist eine Geschichte die die Ökonomen sich selbst erzählen und dann glauben*. Ausgerechnet jetzt, wo wir Kriege, Umweltkatastrophen, Pandemie, Flucht, Missernten, usw erleben sagt sie: "Die These des Club of Rome wurde wiederlegt".

    Auch Christian Lindner, der sich so gern das schmückende Mäntelchen der Rationalität, Bildung und Wissenschaftlichkeit ("Das überlassen wir besser den Profis") überstreift, habe ich wörtlich von den "sogenannten Grenzen des Wachstums" sprechen hören. Dem Kapitalismus fiele in seiner Kreativität immer wieder etwas Neues ein. Er verweist auf den seit den Prognosen des Club of Rome gewachsenen Finanzmarkt.


    Was er damit meint, sind sicherlich die immer raffinierteren Finanzprodukte, die Kriegserklärungen gegen jedes Gemeinwohl darstellen, die das Geld aus der Gesellschaft ziehen, die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufklaffen lassen, die sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen der Gesellschaft marodieren lassen, die Demokratie aushöhlen und den Nährboden für die Rattenfänger von rechts schaffen.


    Die sogenannte "Freiheit" seiner exklusiven "Nach mir die Sintflut"-Wählerklientel ist damit freilich gesichert und die Welt von seinesgleichen in Ordnung.


    Was immer wieder fassungslos macht, ist, wie eine erdrückende Übermacht von Menschen gegen ihre ureigensten Interessen und gegen jede himmelschreiende Realität die Erzählungen einer verschwindenden Minderheit von Profiteuren glaubt - im Extremfall, bis es zur tödlichen Gefahr wird, sich noch zu rühren (siehe z.B. Nazi-Deutschland, das aktuelle China, Russland...)


    Vielleicht lässt sich solche Konstanz im Verhalten mit dem über Jahrmillionen entwickelten instinktiven Erbe unserer Sippenkultur erklären, mit der blinden Orientierung an Leitfiguren und am Verhalten der anderen (hierzu passt das "Konformitätsexperiment von Asch" von 1951)?


    Wenn wir trotzdem positiv bleiben wollen (Einstein: "Wie lautet die Alternative?"), dann hilf es nichts: Wir müssen unser "Werkzeug Verstand" einsetzen. Der erste Schritt ist Aufklärung und Bewusstmachung und dann vielleicht das Aufbegehren gegen das Instrumentalisiert-, Manipuliert- und Ausgebeutetwerden...


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    * Hier ein Artikel aus der taz, der veranschaulicht, warum das so ist und wie dafür über Generationen immer neu das Fundament gelegt wird - mit allen gesellschaftlichen Auswirkungen:


    https://taz.de/Einseitige-Hochschulbildung/!5357889/


    Buchtipp zum Thema: "This is not economy - Aufruf zur Revolution der Wirtschaftswissenschaft" von Christian Felber

    Michael Schmidt-Salomon / Carsten Frerk


    Wen ich in der langen langen Gästeliste wirklich vermisse, sind ausgewiesene Religionskritiker und Verfechter eines säkularen Staates – und das längst nicht nur, weil der Dauermissbrauchs-, Vertuschungs- und Opferentschädigungsskandal der katholischen Kirche gerade wieder bis in höchste Gefilde hochkocht.


    Eigentlich schwer zu verstehen, wenn man den immensen gesellschaftspolitischen Einfluss bedenkt, den Kirchen in Deutschland nach wie vor ausüben. Und das bei drastisch sinkenden Mitgliederzahlen (2022 wird der Bevölkerungsanteil der Katholiken und Protestanten in Deutschland erstmals unter 50% sinken).


    Es gibt auf der Gästeliste Altbischöfe und -bischöfinnen, einen Militärpfarrer, eine Theologin und kircheninterne Aktivistin, einen religiösen Religionswissenschaftler zwischen verschiedenen Glaubenswelten – die gesellschaftspolitische Bedeutung wird also durchaus gewürdigt –, aber keine Kirchen- und Religionskritiker von außen (insofern ich nichts übersah). Dabei gibt es ausgewiesene Experten, z.B.:


    Michael Schmidt-Salomon ---> Zählt laut Global Thought Leader Index zu den einflussreichsten Ideengebern im deutschsprachigen Raum. Gilt als Deutschlands bekanntester Religionskritiker. Zahlreiche erfolgreiche Buchveröffentlichungen. Hier ein aktuelles „Bewerbungsvideo“, das zugleich beste Gründe für die thematische Relevanz zusammenfasst:

    https://www.youtube.com/watch?v=r5U9wnRWhlk („Das säkulare Jahrzehnt: Wie sich Deutschland verändern wird“ - Neujahrsansprache 2022 als Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung)


    Carsten Frerk ---> Politologe, Journalist und Autor („Violettbuch Kirchenfinanzen“ - Wie der Staat die Kirchen finanziert / „Kirchenrepublik Deutschland“ - Christlicher Lobbyismus) und ebenso fundierter wie unaufgeregter Experte u.a. für die Verflechtungen von Staat und Amtskirchen. Wer sich tatsächlich noch nie mit dem Thema beschäftigt hat, könnte vielleicht ins Staunen kommen. So zahlen z.B. wir alle in Deutschland die Gehälter der Bischöfe – auch die Nicht- Kirchenmitglieder. Oder wer weiß, wieviel den Staat jährlich das Eintreiben der Kirchensteuer kostet, das er für die Kirchen übernimmt? Und wie passt das zum Grundgesetz? Ein höchst ergiebiges Thema...


    Weitere Vorschläge: Hamed Abdel-Samad oder auch Eugen Drewermann mit seinem Blick von innen und außen...

    Wen ich mir sehr gut im Interview bei Euch vorstellen könnte: Dr. Bernd Hontschik (https://chirurg.hontschik.de). Chirurg und Publizist, der sich seit Jahrzehnten wie kaum jemand in Deutschland mit Herz und Verstand einsetzt für eine Medizin mit menschlichem Gesicht. Zitat:


    Ökonomen haben das Kommando übernommen und die Medizin an den Rand gedrängt. Sie ist nur noch Mittel zum Zweck. Das Sozialsystem Gesundheitswesen verkommt zur Gesundheitswirtschaft. Dividenden werden aus den Krankenkassenbeiträgen der Solidargemeinschaft entwendet. Dieser Diebstahl am Gemeineigentum muss aufhören. Sozialsysteme kann man nicht optimieren. Man verkauft ja auch nicht die Feuerwehr an Investoren und schaut dann zu, wenn Stellen gestrichen werden, weil es länger nicht gebrannt hat.“


    Veröffentlicht seit 14 Jahen in der Frankfurter Rundschau die immer wieder lesenswerte Kolumne „Dr. Hontschiks Diagnose". Aktueller Lesetipp:


    https://chirurg.hontschik.de/fr/0267.pdf

    (über die halb Alibi-, halb menschenverachtende „Gesundheitspolitik“ der AfD)


    Hat auch eine Menge zu Corona zu sagen. Aber nicht nur deshalb ein heißer Interview-Tipp zu einem zeitlos wichtigen und derzeit besonders im Fokus stehenden menschlichen Thema.

    An Tilo und Hans:


    Vielen Dank für den aufschlussreichen Ampel-Check mit Nina Stahr und Sebastian Roloff! Eure Fragen gefielen mir deutlich besser als die Antworten – zu viel rethorisch geschicktes Ausweichen und Lavieren (z. B. bei Fragen zu Gewissensentscheidungen).* Durchaus ein Fall für die „Politikanalyse“! ;-)


    An einer Stelle hätte ich mir eine beharrlichere Nachfrage gewünscht: als Sebastin Rorloff, befragt zu den von ihm persönlich vertretenen Klimazielen, die nach Stand der Wissenschaft die Katastrophe besiegeln würden, folgende Position einnahm:


    „... wenn ich einen kleinen Schritt kriege, eine kleine Verbesserung, dann nehme ich die erstmal, sage aber natürlich, dass mir das noch nicht reicht und ich eigentlich noch ganz woanders hin will, aber sage nicht, ich schmeiß den Tisch nicht um und sag nee ist alles scheiße, Verrat, und so geht es nicht, weil, ich glaube, das bringt uns nicht weiter...“


    Hier wäre aus meiner Sicht das Stichwort „Kipppunkt“ elementar gewesen, um klar zu machen, dass es Situationen und Dringlichkeiten gibt, in denen diese oft sinnvolle Strategie nur noch in den Abgrund führt.


    Zumal Rorloff in seiner Antwort sehr geschickt davon ablenkt, dass er ja selbst mit der freiwilligen und vorauseilenden(!) Verkündung eines desaströsen Klimaziels auf Seiten derer steht, die unsere letzte Chance ausschlagen und uns damit (gemäß wissenschaftlicher Erkenntnis) faktisch in die Katastrophe geleiten. Hat er wirklich verstanden? Wenn nein: Schlimm genug. Wenn ja: Umso schlimmer.


    Und ist ihm das Thema wirklich eine „Gewissensfrage“, wie er an anderer Stelle bejaht? Das muss man bezweifeln, nachdem er zuvor ein noch unambitionierteres Klimaziel, das er auf seiner Homepage propagierte, auf Nachfrage mit dem Konsens in der SPD rechtfertigte...


    Ich möchte das mal vergleichen mit einer dringendst anstehenden lebensrettenden OP. Der behandelnde Arzt verschiebt diese aus freien Stücken auf die Zeit nach dem Schließen des Überlebensfensters, mahnt stattdessen für diesen Zeitraum aber schon mal das Einleiten der Narkose als Ziel an - nach dem Motto: „Der Patient stirbt zwar, aber es ist doch allemal besser, ein bisschen was zu tun als am Ende gar nichts.“


    *Bezeichnend fand ich seitens beider Interviewten die fast inflationäre Verwendung des Wortes „ehrlich“. Mehrfach war zudem die Formel „das gehört ehrlicherweise auch dazu“ zu hören. Sie diente dazu, auf Fragen bezüglich der eigenen vermeintlichen Überzeugungen mit schöner Regelmäßigkeit deren Relativierung einzuleiten, manchmal ziemlich umstandslos. (Wer den Beitrag noch mal anschaut, möge darauf achten.)

    Mir ist bewusst, in welcher politischen Phase wir stecken, doch ist es mir eine Spur zu routiniert opportunistisch, gerade auch für Neuparlamentarier, von denen man vielleicht noch etwas mehr frischen Wind erhoffen würde...