Hach, wemir. Warum ist das immer so mühsam mit Dir?
Du hättest einfach nur nochmal lesen sollen, was ich zuvor schon Roy geschrieben hatte:
Also bis dahin, wo ich kommentierte, habe ich durchaus die Diskussion zumindestens überflogen.
Du hattest das sogar schon - aus mir nicht ganz erfindlichen Gründen - kommentiert und dann sinngemäß nochmal in etwa das selbe geschrieben wie ich, aber irgendwie trotzdem gedacht das müsste sein, weil ich es irgendwie nicht verstanden hätte...?
Okay, da ich nicht sicher bin, der wievielte Kommentar und welche potentielle Wiederholung gemeint ist, und das nur weitere Missverständnisse verursacht, belasse ich es mal dabei.
Zitat
Lass es doch einfach so stehen, oder argumentiere wirklich dagegen, wenn Du meinst es wäre komplett falsch.
Aber ich kann zumindestens sagen, das, was du zitierst, als Erklärung, woher die innerisraelische Unterstützung für den Krieg in Gasa kommt, würde ich tatsächlich anders sehen. Ich glaube zwar, dass sowas wie eine "Holocaust-Psychose" auch eine Rolle in Israel spielt, aber eher in der Anfangsphase nach dem ersten Schock und vielleicht vermehrt beim Teil der Gesellschaft, der nicht in Israel sozialisiert wurde. Bei der Unterstützung, die aus der jüdischen Diaspora kommt, hat das demnach denke ich mehr Gewicht.
Neben der Propaganda und einer auch naheliegenden Wagenburgmentalität würde ich die anhaltende Unterstützung in Israel selbst erstmal auf ganz klassischen Rassismus sowie eine Art Siedler-Chauvinismus zurückführen. Ben Shapiro ist zwar kein Israeli, aber diese Haltung fasst beides gut zusammen:
https://archive.ph/schar
Zitat
Israelis like to build. Arabs like to bomb crap and live in open sewage. This is not a difficult issue. #settlementsrock
Ich denke, sie ist zu generisch. Ich würde doch unterstellen, dass die Israelis ihre Nachbarschaft genug kennen, um spezifischere Vorurteile zu pflegen. Aber auf Palästinenser angewendet, kann es schon in diese Richtung gehen. Die Vorstellung, das man letztlich das Land mehr verdient, weil man es viel produktiver nutzt, als die vorher heimsche Bevölkerung, der das Potential dazu abgesprochen wird, ist ohne Zweifel ein verbreitetes Gefühl. Die ideologische Rechtfertigung, dass es einem eigentlich sowieso gehört, weil die eigenen Vorfahren unrechtmäßig von hier vertrieben wurden, kommt natürlich mit dazu.
Dann hatten die Israelis die Palästinenser unter ihrer Besatzung - oder Internierung im Fall von Gasa -im letzen Jahrzehnt ziemlich im Griff. Der Schock des Überfalls lag auch im Gegensatz zum Gefühl der Kontrolle und Überlegenheit, mit dem die Israelis eigentlich gelebt haben. Und ich bin mir nicht sicher, wie nachhaltig das erschüttert wurde. Deswegen würde ich die Militarisierung der Gesellschaft auch etwas anders sehen. Ich denke die war ein paar Dekaden zurück höher durch eine andere Wahrnehmung von Bedrohung.
An der Idee einer Tiktok-Armee ist schon etwas dran. Die IDF hatten sich in den letzten Jahren Mühegegeben, den Wehrdienst kompatibel mit dem Lebensstil junger Leute zu machen. In einem so kleinen Land ist man sowieso enger am gewohnten Sozialleben dran. Und wirklich gebraucht wurden die meisten Leute nicht für die Vorbereitung auf konventionellen Krieg gegen andere Länder, sondern für die Besatzung. Dieser Dienst hat eine deformierende Wirkung gerade bei jungen Menschen, denen man Menschen ausliefert, mit der Erwartung, dass sie die unten halten sollen. Ich denke, das ist ein wesentlicher Verstärker des vorhandenen Jingoismus. Auf der Gegenseite, bei den Leuten, die aus welchen Gründen oder spezifischen Erfahrungen auch immer reflektierter damit umgehen, hat es einige Veteranenorgansationen hervorgebracht, die am engagiertesten gegen die Besatzung sind. Spricht meines Erachtens aber auch für die Wirkung, weil die meisten die bereitstehenden Rechtfertigungen, für alles was sie so an Härte bis Grausamkeit mitbekommen, vermutlich zumindestens ein stückweit internalisieren, um damit umzugehen.
Schließlich um nochmal auf den Holocaust zurückzukommen. Die Form, in der er in Israel eine Rolle spielt, ist meines Erachtens nicht so sehr im Sinne einer "Urangst". Sondern die israelische Gesellschaft hat ihr Selbstbild auch im Gegensatz zum Typus des Juden, der zum Opfer wird, konstruiert (das kann man natürlich immer als Wirkung eines nicht wirklich aufgearbeiteten Traumas deuten):
https://www.thenation.com/arti…sraels-culture-martyrdom/
Zitat
The remembrance of Trumpeldor’s death at Tel Hai, argues Zertal, marked the beginning of a cult of death among Israeli Jews. The “new Jewish man,” in this ideology, was ready to make the ultimate sacrifice, to die defending his land and people, in stark contrast with Diaspora Jews, who would later be depicted as weaker souls who went “like lambs to the slaughter” in the Holocaust. The voices arguing that it is better to live for one’s country than to die for it were accordingly stifled and silenced. It is deeply ironic that the very same society now claims to be shocked by the “martyrdom culture” in the occupied territories.
Und da steckt dann auch viel von der Vorstellung drin, das man in einer rauen Umgebung lebt und sich als gefährlicher und erbarmungsloser als alle anderen präsentieren muss, um zu überleben. Ich denke daher kommt auch sowas wie die Hannibal-Direktive oder die Dahiya-Doktrin. Allerdings sehe ich das auch wieder mit Siedler-Chauvinismus verschränkt. Denn diese Logik, dass es einer besonderen Grausamkeit bedarf, ist typisch für (post-)koloniale Zusammenhänge, insbesondere unter den Bedingungen einer Minderheitsherrschaft wie es zum Beispiel in Rhodesien oder Südafrika der Fall war.
Insofern sehe ich hinter diesen Umfragemehrheiten insgesamt schon vorallem ein Gefühl der Überlegenheit, das die eigene Sicherheit in jedem Fall über dem Leben von Menschen steht, die sowieso zu gewalttätig sind und mit denen friedliches Zusammenleben kaum möglich ist, wenn sie nicht strikt kontrolliert werden, man hat es schließlich oft genug versucht. Menschen, die am besten einfach weg wären.
Wenn man da Faschismus ins Spiel bringen will, wäre für mich eher die Frage, wie sieht man das Verhältnis von Systemen postkolonialer Minderheitsherrschaft und Faschismus, denn Israel ist im größeren Kontext von Mandatspälestina eher das als etwa ein revanchistischer Staat in einer Nachbarschaft vergleichbarer Länder.