@Tim
Also wenn Du nochmal schreibst, was in der Sowjetunion passiert ist sei
...dann brauchen wir hier nicht weiter zu diskutieren, bzw. dann kann ich Dir auf Deine Frage:...
einfach nur mit "NEIN" antworten.
Das mit dem Sein und dem Bewusstsein ist natürlich nur dann so widersprüchlich, wie Du es hier darzustellen versuchst, wenn man das als dogmatische, eiserne Regel betrachtet - die als solche selbstverständlich keinen Sinn ergibt - und damit natürlich nebenbei auch den ganzen Marxismus und alles was auf ihm aufbaut als unwissenschaftlichen Blödsinn abtun kann.
Das haben aber Marx & Engels selbst überhaupt nicht so dogmatisch gesehen, denn sonst hätten sie sich die viele Arbeit mit den ganzen dicken Büchern, ellenlangen Aufsätzen und diesem schrecklichen Manifest auch einfach sparen können.
Zum einen sprechen die jüngeren Marx & Engles in der wesentlich früher geschriebenen "deutschen ideologie" aus der auch AlienObserver oben zitiert hat, vom "gesellschaftlichen" Bewusstsein. Damit meinen sie - wie eigentlich bei so ziemlich allem was sie damals zu dieser Thematik schrieben - eben nicht jedes einzelne Individuum, sondern die Gesellschaft als ganze, deren Bewusstsein von den materiellen Verhältnissen bestimmt sei.
Zum anderen schreiben sie dabei häufig noch dazu, dass die herrschenden Gedanken "im Durchschnitt" herrschen. Das heißt, sie gehen natürlich nicht davon aus, dass ausnahmslos alle die nicht ihrer eigenen Aufassung sind unrettbar idelogisch verblendete Rindviecher seien, die sich nie aus ihrer Unmündigkeit würden befreien können, sondern sie meinen damit das gesellschaftlich "herrschende" Denken, dem alles andere mehr oder weniger stark untergeordnet werde.
Die größten und überzeugtesten AnhängerInnen der Ideologie sind auch heute nicht die "einfachen" Leute sondern Mitglieder der gebildteten und wohlhabenderen Schichten, also die "Bourgeoisie", das gehobene Bürgertum, die Eliten. Die einfachen Leute sind dafür allerdings umso materiell abhängiger davon, dass "Die Wirtschaft" ordentlich läuft und ihnen regelmäßig ihren Lohn aufs Konto bringt, und daher auch weniger von den eigentlichen "Gedanken" bestimmt, als von deren materiellen Auswirkungen, bzw. von der scheinbaren Alternativlosigkeit derselben.
Will man diesen Zusammenhang aufbrechen, dann muss man natürlich dieses materielle Verhältnis ändern und dann muss man auch Alternativen aufzeigen und sie umsetzen. Das ist überhaupt keine Frage und Ich habe hier nie irgendwen dafür kritisiert, dass er oder sie solche Alternativen beschreibt. Und auch wenn man es mir nicht glaubt - ich habe selbst eine Genossenschaft mit gegründet, weil ich genau der selben Ansicht bin, dass man sowas auch machen muss und nicht nur darüber reden sollte.
Aber das allein genügt eben nicht. Man muss darüber hinaus auch die ideologischen Zusammenhänge aufzeigen, die das gesellschaftliche Bewusstsein darauf eichen, Alternativen als unrealistische Träumereien abzutun, die sich nicht mit der "harten Realität" auseinander setzten und daher auch keinen Wandel herbei führen könnten, weil man ja "die Realität" nicht einfach verändern könne.
Dieses letztere "Argument" führt dann genau dazu, dass man Linken vorwirft, sie wollten die Menschen umerziehen und mit "marxistischer Ideologie" indoktrinieren - einen "neuen Menschen" erschaffen, der quasi genauso alternativlos an den Sozialismus glaubt, wie er vorher an den Kapitalismus geglaubt habe.
Die Ideologen werfen den Kritikern der Ideologie vor selbst Ideologen zu sein. Diese ganze Erzählung ist aber ebenfalls ein Teil der Ideologie, die den Kapitalismus zu legitimieren sucht, indem sie ihn gegen alle radikale Kritik immunisieren will.
Der eigentliche Sinn und Zweck der Ideologiekritik ist es aber nicht, den Leuten das "falsche" Denken auszutreiben indem man es durch ein selbsterfundenes "richtiges" Denken ersetzt und einen orwellschen Alptraum erschafft in dem plötzlich alles das Gegenteil von dem bedeutet, was es vorher bedeutete.
Das Ziel ist, die Ideologie als solche zu entkräften und den Leuten bewusst zu machen, dass sie genau davon daran gehindert werden, ihre materiellen Verhältnisse gemeinsam selbst in die Hand zu nehmen und zu verändern. Das "Klassenbewusstsein", welches der gemeine Linke in den heutigen, verbürgerlichten Gesellschaften des goldenen Westens so bitterlich vermisst, ist kein identitärer Begriff, kein Wunsch von einer ideellen Einheit des Proletariats, sondern das gemeinsame Bewusstsein eines ökonomischen, eines materiellen Verhältnisses, das simpler kaum sein könnte als das zwischen Arbeit und Kapital.
Man muss die Ideologie als das Lügengebäude entlarven das sie ist.
Und damit meine ich nicht, den leuten zu erzählen, dass die Politik und die Konzerne sie verarschen. Das haben die meisten "einfachen" Leute längst verstanden. Was sie nicht verstanden haben - und was sie jetzt zum Teil zusammen mit Leuten auf die Strasse treibt, die alles andere im Sinn haben, als die Überwindung der Klassengesellschaft - ist, dass dieses "Die da Oben machen sowieso was sie wollen" eben nicht alternativlos ist, und dass der Schlüssel zur Überwindung dieses Oben-Unten-Verhältnisses eben genau nicht darin liegt, dass jede/r für sich irgendwie versucht, dabei noch halbwegs ungeschoren davon zu kommen, sondern dass man es nur überwinden kann, wenn die Leute sich zusammentun.
Dazu muss man aber erst mal klar machen, dass der Umstand, dass jeder nur versucht seine eigene Haut zu retten kein Naturgsetz ist, sondern ein direktes Resultat dieses Verhältnisses, und dass es vielen Leuten nur so vorkommt, als sei das eben schon immer so gewesen - dass das ein Irrglaube ist, den die herrschende Ideologie der Gesellschaft in die Köpfe gesetzt hat.
Wenn ich also Leute die über Alternativen schreiben kritisiere, dann nicht dafür dass sie Alternativen beschreiben, sondern dafür, wie sie es tun - und zwar leider so, dass sie den Anschein erwecken, man bräuchte sie einfach nur überzeugend anzubieten und die Leute würden sie dann schon wahrnehmen.
Das ist genau so naiv, wie zu glauben, man bräuchte der politischen Klasse nur lange genug vorzuhalten, dass die Wissenschaft den Klimawandel für eine ernste Bedrohung hält, und dann werde sie sich schon an die Ziele halten, zu deren Einhaltung sie sich längst verpflichtet und sich trotzdem nicht daran gehalten hat, weil das den Kapitalinteressen die sie vertritt nicht ins Profitmotiv passt.
Es gibt keinen einen, kleinen "archimedischen Punkt", wo man den Hebel nur anzusetzen braucht, um alles zum Umschwenken und Umdenken zu bringen. Die Kritik darf nicht bei den Symptomen enden, sondern sie mus radikal sein. Sie muss die Wurzel des Problems anpacken. Und die sitzt hier und heute - genau wie vor 150 Jahren - nunmal leider ganz tief im Kapitalismus.