Naja, es gibt das Symbolische: Zum Beispiel, dass eine äußere Kraft - jedenfalls hier so verstanden - in einer vom Westen dominierten Weltregion interveniert.
Und das Praktische: Zum Beispiel die Umstellung von Zahlungssystemen weg von westlich dominierten Strukturen.
Aber das folgt alles nur dem Großtrend. Nehmen wir die Golfstaaten: Die haben sich nicht wegen dem Krieg entschieden unabhängiger vom Westen zu agieren, sie waren schon an dem Punkt und es zeigt sich hier nur. Und das ist auch nicht wie früher eine schon recht stark auf ein Prinzip aufbauende Opposition wegen Israel, sondern durch eigene Interessen geleitet.
Wie gesagt, wenn der Krieg nicht über die Ukraine hinaus eskaliert und der Wirtschaftskrieg nicht über den Westen und Russland hinaus, würde ich sagen, dass es hier übertriebene Erwartungen gibt, wie enorm sich die Welt dadurch verändern wird.
Insofern schauen wir erstmal, was von der deutschen Aufrüstung am Ende übrig bleibt. Ich sehe hier auch keine Entlastung der USA (wenngleich das letztlich genauso keine große Belastung sein sollte). Die hätten sie haben können, wenn sie ihr Engagement in der Ukraine beendet hätten. Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Osteuropäer sich sicherer fühlen, wenn Deutschland ihre Sicherheit besorgt.
Man hat zeitweilig eine Konsensebene für einen größeren Teil der Gesellschaft über die westlichen Länder hinweg gefunden. Das bedeutet nicht, dass interne Widersprüche damit vom Tisch sind. Wenn die USA jetzt auf einen Sturz von Putin in Russland hinarbeiten, bin ich mir zum Beispiel nicht sicher, ob das Anliegen von den Westeuropäern geteilt wird.
Da bin ich bei den Chinesen, dieses Blockdenken ist überholt. Wenn Biden in Warschau vom großen Kampf zwischen Demokratie und Autokratie schwadroniert, den Kampf um demokratische Wahlen hat er in den USA doch längst verloren und Polen sägt an der Unabhängigkeit seiner Gerichte rum. Vom technischen Vorsprung des Westens ist nicht viel übrig geblieben, große internationale Geldgeber gibt es auch außerhalb, wir leben jetzt hauptsächlich vom Erbe der kolonialen/neokolonialen Strukturen. Und die lange Beziehung der Energieversorgung aus der Sowjetunion und heute Russland ist im Prinzip etwa ähnliches.
Wie Danton sagt, diese Wirtschaftskraft, die du anführst, basiert mit auf niedrigen Energiepreisen. Gerade auch wegen der Zusammenarbeit mit Russland konnte Deutschland im Gegensatz zu stärker deindustrialisierten Ländern wie etwa das United Kingdom ein Industriestandort bleiben. Daher vermute ich auch, Energieunabhängigkeit von Russland heißt letztlich, wir schaffen Alternativen aber da die sehr wahrscheinlich teurer sind, kaufen wir dann trotzdem das Gas der Russen zumindestens wenn die uns dann noch gute Preise machen. Das werden wir vor Ende des Krieges sicherlich nicht so deutlich sagen. Auf andere aber ähnliche Weise trifft das auch auf Frankreich zu, klar wenn die französische Kraftwerksflotte im Schnitt 20 Jahre jünger wäre, dann stünden sie jetzt ganz gut da, aber selbst dann sind sie bei ihrer Energieversorgung nicht unabhängig von Importen aus Gebieten wo die Russen oder Chinesen direkt oder indirekt ihre Finger mit im Spiel haben.