Bezüglich dem Wort "Flüchtlingswaffe": Zuerst hast du mich ja in einem anderen Thread aufgrund des Wortes zu diskreditieren versucht und warst dann ganz still als ich dir das Beispiel mit Erdogan und der EU genannt habe. Kann ich annehmen, dass du nun eingesehen hast, dass Flüchtlinge als eine Waffe missbraucht werden können und werden?
Eigentlich war ich vor allem deswegen ganz still, lieber Detlef, weil ich keine Lust hatte, Deine leider sehr plumpen Provokationsversuche zu beantworten. Aber weil Du es ja nicht lassen kannst, hier den großen Realisten unter lauter Realitätsverweigerern zu spielen...
Natürlich erpresst Erdogan die EU mit der Androhung, die Geflüchteten nicht mehr vor ihren Grenzen in Konzentrationslagern festzuhalten und sie statt dessen Richtung Westen weiter ziehen zu lassen, wenn man von dort aus allzu offen seine autoritäre Politik kritisiere oder ihm keine finanzielle Unterstützung mehr für seine Arbeit als Torwächter in die 1. Welt zukommen lasse.
Allerdings hat das mit "den Reichen" allenfalls in sofern etwas zu tun, als der Sultan selbst höchstwahrscheinlich in der Türkei eher der oberen Einkommens- und Vermögensklasse zuzurechnen ist. Wie "die Reichen" in UnserLand allerdings die "Flüchtlingswaffe" einsetzen sollen, musst Du uns linken Traumtänzern schon etwas genauer erklären. Zumal Du ja offenbar kein problem damit hättest, vermögende Flüchtlinge...
Es geht nicht darum, keine Ausländer reinzulassen, sondern "Ressourcenfresser". Gebildete und/oder vermögende Ausländer, die auch zum Gemeinwesen mit den entsprechenden Abgaben beitragen, sind immer willkommen.
... - also noch mehr Reiche - ins Land zu lassen.
Es gibt übrigens unter den unserländischen Reichen durchaus einige, die ihr Geld dazu nutzen, "alternative" Parteien und Organisationen aus dem rechtslibertären bis rechtsradikalen Spektrum bei ihrem vaterländischen Kampf gegen die große Umvolkung und Unterwanderung der volkseigenen Produktivkräfte durch ausländische MinderleisterInnen zu unterstützen.
Der Druck auf die Löhne im hiesigen Niedriglohnsektor wird allerdings - entgegen der einschlägigen Erzählung heimatverbundener Nationalökonomen und identitärer Volkslehrer auch ganz ohne "Flüchtlingswaffen" - schon seit der Wiedervereinigung der deutschen Vaterländer konstant aufrecht erhalten und weiter verschärft, indem z.B. systematisch Sozialleistungen gekürzt, Zumutbarkeitsregeln abgeschafft, Anwartszeiten auf ALG I verlängert, und Sanktionen gegen arbeitsunwillige ALG II EmpfängerInnen verhängt werden, mit denen ihr Einkommen bis unter das Existenzminimum gedrückt werden kann.
Damit wurde all jenen abhängig Beschäftigten, die noch einen halbwegs gut bezahlten Arbeitsplatz haben permanent Angst vor dem Abstieg in die soziale und materielle Existenznot eingejagt, Betriebsräte und Gewerkschaften wurden entweder marginalisiert oder gleich auf Arbeitgeberlinie gebracht und nebenbei der letzte Rest von Sozialdemokratie aus dem politischen Mainstream nach linksaußen abgedrängt und gegen eine parteiübergreifende, neoliberale Ideologie der Marktkonformität zugunsten der nationalen Wettbewerbsfähigkeit als alternativloser Staatsräson ausgetauscht.
Währenddessen sind Renten- und Krankenversicherungsbeiträge nebst Zuzahlungen für Arztbesuche und Medikamente für die ArbeitnehmerInnen gestiegen, haben die regierenden Parteien keine oder nur sehr ungenügende Maßnahmen gegen Lohndumping, gegen systematisches Outsourcing ganzer Berufszweige in Zeitarbeitsverhältnisse, gegen Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit, und nicht zletzt gegen...
Und aktuell sieht man ja, dass wohl nun 40 Menschen bei Liebig34 obdachlos werden, die ja auch noch eure eigenen Leute sind, oder nicht?
...den Ausverkauf der Innenstädte an renditehungrige Investmentfonds und Aktienkonzerne ergriffen, welche ihre Milliarden-Einnahmen aus dem Geschäft mit rasant steigenden Mieten und Immonbilienspekulation durch elaborierte Konstrukte aus Zweckgesellschaften und Briefkastenfirmen auch noch völlig legal am deutschen Fiskus vorbei in diverse Steueroasen schleusen.
Wenn Du so ein Freund der knallharten Realität™ bist, dann sollte Dir auch klar sein, dass die Bundesrepublik Deutschland ihr Wirtschaftswachstum fast auschliesslich durch den Export von Gütern und Dienstleistungen ins Ausland generiert, und dass ihr seit Jahrzehnten nahezu stagnierender und immer mehr von Billiglohn-Dienstleistern und Einzelhandelskartellen dominierter Binnenmarkt nur deswegen noch halbwegs funktioniert, weil ein großer Teil der Rohstoffe und Vorprodukte, die hier zu Waren verarbeitet werden, welche die inländischen ArbeitnehmerInnen zum täglichen Bedarf und zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach Konsumfreiheit einkaufen, längst nicht mehr im Inland gewonnen und hergestellt wird, sondern in Ländern, wo die Arbeitskraft noch viel weniger Wert ist, und wo westliche Regierungen, Diplomaten und Konzerne mit allen möglichen korrupten Warlords, Autokraten, Monarchen und sogar mit Funktionären "kommunistischer" Staatsparteien dicke Deals einfädeln, wenn es dem eigenen Wachstum dient, oder nötigenfalls auch mal den einen oder anderen Bürgerkireg zum Austausch des politischen Führungspersonals gegen willigere Geschäftspartner vom Zaun brechen, und dabei - Haushaltsdisziplin hin oder her - natürlich auch nicht groß mit der Nachfrage nach Rüstungsgütern für die heimische Waffenindustrie herum geizen.
Es geht nicht darum, keine Ausländer reinzulassen, sondern "Ressourcenfresser". Gebildete und/oder vermögende Ausländer, die auch zum Gemeinwesen mit den entsprechenden Abgaben beitragen, sind immer willkommen.
Die "Ressourcenfresser", lieber Detlef kommen also vor allem deswegen unter Einsatz ihres letzen Habs und Guts und ihres eigenen Lebens in halb abgewrackten, völlig überfüllten Seelenverkäufern über das Mittelmeer in den goldenen Westen geschippert, weil sie genau den Ressourcen hinterher reisen, welche westliche Industrienationen und ihre Konzerne aus ihren Heimatländern extrahiert haben, während die westliche Wertegemeinschaft™ im Gegenzug z.B. mit höchst einseitigen Handelsabkommen oder mit dem Export von hochsubventionierten Agrarprodukten die Binnen- und Arbeitsmärkte in Entwicklungsländern ruiniert, oder weil sie vor genau den Bürgerkriegen fliehen, die der Wertewesten in ihren Heimatnationen angezettelt hat, um Handelswege und Rohstoffe zu sichern, Märkte zu erschliessen, und um sich andere Wertegemeinschaften, wie z.B. die russiche oder die chinesische als Konkurrenz um dafür nötige politische Einflusssphären vom Hals zu halten.
"Die Reichen", die hierzulande ihre Milliarden horten, sind genausowenig die Ursache für dieses globale Geschäft, welches systematisch und seit mindestens zweihundertfünfzig Jahren Wachstum und Wohlstand für Alle™ an den globalen Endpunkten der kapitalistischen Wertschöpfungsketten gegen systematische Ausbeutung, Krieg, Umweltzerstörung und Klimakatastrophe im Rest der weniger hochentwickelten Welt austauscht, wie die arbeitende Bevölkerung in UnserLand daran schuld ist, dass sie im globalen Vergleich ebenfalls täglich von einer globalen Umverteilung von Ressourcen profitiert, welche es ihnen ermöglicht, in einer Welt voller billigem Überfluss zu leben, während ein großer Teil der restlichen Weltbevölkerung unter tatsächlicher Ressourcenknappheit und Existenznot zu leiden hat.
Die Konzerne, die dieses Geschäft maßgeblich betreiben, dabei Kommunal-, Landes-, und Staatsregierungen mit Heerscharen von Lobbyisten, Unternehmerverbänden, millionenschweren PR-Kampagnen und hochbezahlter juristischer wie ökonomischer Expertise auf unbedingte Marktkonformität und Wettbewerbsfähigkeit zurecht trimmen, und mit der Androhung von Investitionsentzug und Arbeitsplatzabbau dazu erpressen, ihnen möglichst günstige Geschäftsbedingungen zu bereiten, sind allerdings nicht der Privatbesitz einiger weniger Reicher, die man nur endlich mal zur Räson zu bringen hätte, um das Problem zu lösen, sondern sie gehören vor allem weltweit aktiven Banken, Investmentgesellschaften, Versicherungen, Renten- und Staatsfonds, und anderen Konzernen, die das überschüssige Geld ihrer AnlegerInnen auf dem ganzen Globus immer dort investieren wo sich daraus am schnellsten oder am sichersten noch mehr Geld machen lässt.
Selbst wenn Du morgen zum Führer der bürgerlichen Revolution ernannt und alle Reichen des Landes auf den Marktplätzen enthaupten lassen würdest, hätte das so gut wie überhaupt keinen nachhaltigen Einfluss darauf, dass Kapitalgesellschaften weiterhin auf dem ganzen Erdball Kapital akkumulieren und reiche Leute aus aller Herren Länder damit noch reicher werden.
Aber du lieferst immer wieder eine Bestätigung dafür, dass du nur solange den Weg des rationalen Denkens gehst, solange es nicht deine Sichtweise bröckeln lässt oder dir die Argumente nicht ausgehen.
Ganz rational gedacht, lieber Detlef, kann man also eigentlich das Problem mit "den Reichen" genauso wie das mit den Geflüchteten überhaupt nicht getrennt voneinander betrachten, weil das eine wie das andere nur Symptome ein und desselben systemischen Phänomens sind.
Was Du allerdings hier betreibst, und Dir dabei lustigerweise auch noch besonders klug, abgeklärt und realitätsbewusst vorkommst, ist eine reine Symptomkritik, die zwar gut in den momentanen Zeitgeist passt, wo es sich ja allerseits zunehmend einbürgert, systemische Probleme auf einzelne Personen oder Gruppen zu projizieren und damit dem Volkszorn eine gewünschte Richtung zu geben, die aber leider vollkommen oberflächlich bleibt, weil sie sich nicht mit Ursachen beschäftigt sondern nur mit deren Auswirkungen.