#477 - "Mr. CO₂-Preis" Ottmar Edenhofer (Institut für Klimafolgenforschung)

  • Here we go...



    Wir sind erneut zu Gast am Postdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und treffen diesmal den Direktor und Chefökonomen des Hauses, Ottmar Edenhofer. Ottmar zählt zu den meist zitierten Forschern der Welt und gilt als führender Experte auf dem Gebiet der CO₂-Bepreisung. Er ist seit 2007 am PIK tätig und seit 2018 (zusammen mit Johan Rockström) Chef des Instituts. Nebenbei unterrichtet er seit 2008 an der TU Berlin die Ökonomie des Klimawandels.


    Mit Ottmar geht's zunächst um seinen Job: Wie hat er ihn bekommen? Warum ist er Nachfolger von Hans Joachim Schellnhuber geworden? Wieso gibt es eine Doppelspitze? Dann tauchen wir in den CO₂-Emissionshandel ein: Was ist der Sinn dahinter? Was ist das überhaupt? Wie sollte der Emissionshandel funktionieren und wie funktioniert(e) er tatsächlich? Was haben wir beim Ausstieg aus der Kernenergie verpasst? Was sind seine Erkenntnisse aus jahrelanger Beratung von politischen Entscheidern?


    Wir sprechen über Ottmars Werdegang: Was hatte er nach der Schule vor? Wie ist er im Jesuitenorden gelandet und weshalb ist er wieder ausgestiegen? Welche Rolle spielt Religion und der Glaube an Gott für ihn? Warum hat er Wirtschaftswissenschaften studiert? Und was hat Hans-Werner Sinn mit all dem zu tun?


    Es geht um die Herausforderungen für unsere Gesellschaften beim Klimawandel und Klimaschutz: An welche Verbote kommen wir nicht vorbei? Wo müssen wir künftig Verzicht üben? Und wo müssen Anreize gesetzt werden? Waren die biblischen 10 Gebote eigentlich ein Anreizsystem? Wie können wir unseren Konsum reduzieren?


    Wir sprechen über den Wachstumszwang unseres ökonomischen Systems: Kann es "green growth" geben? Kann es Wachstumspolitik ohne CO₂-Emissionen, Umweltzerstörung und Ausbeutung geben? Außerdem geht's um das reichste Prozent auf dem Planeten und deren CO₂-Emissionen im Vergleich zu ärmeren Hälfte der Welt.


    Das und vieles, vieles mehr in Folge 477 - wir haben sie am 22. September in Potsdam aufgezeichnet.


    Jung & Naiv am PIK:

    - Folge 447 mit Klimaforscher Stefan Rahmstorf


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  • Mal wieder eine sehenswerte Folge! Obwohl mir Edenhofer noch etwas zuviel "Mainstreamökonom" (anders als Paech und Göpel) ist, finde ich die Arbeit des PIK bewundernswert. Könntest du in dem Zusammenhang nochmal Hans-Joachim "John" Schellnhuber interviewen, den Altpräsidenten des PIK, der bis heute öffentlich aktiv ist?

  • Eine ausgezeichnete Wahl (des Gesprächspartners), das Zuhören ein "intellektueller Genuss". Eine beeindruckende Persönlichkeit mit außergewöhnlicher charakterlicher und fachlicher Bildung in Kombination. Eins der besten Interviews bisher.

  • Ach Detlev, du argumentierst gegen jedwege wissenschaftliche Argumentation. Edenhofer hat das Bevölkerungswachstumsargument in seinem Buch "Klimapolitik" widerlegt. Natürlich sind die Reichen ein Problem fürs Klima, das belegen Studien, aber das mit der Bevölkerungsentwicklung und den Reichen ist der falsche Ansatz. Wenn man immer darauf herumhackt, lässt man den Klimawandel außen vor, man sollte lieber politische Maßnahmen einführen (zudenen sicher auch eine höhere CO2 Bepreisung für klimaschädliche Reiche gehört), siehe dazu die Forderungen von den Scientists und Fridays for Future.


    https://fridaysforfuture.de/wp…19/04/Forderungen-min.pdf


    Außerdem wird die Bevölkerungsentwicklung laut Studien schonbald ihren Zenit erreichen:

    "Berechnungen des Wittgensteins Centres haben laut Lutz ebenfalls einen Gipfel der Erdbevölkerung deutlich vor Ende des Jahrhunderts ergeben. Der Schlüssel zur Bevölkerungsentwicklung sei konsistent - und unabhängig von der Weltregion - die Bildung von Frauen.

    Nach Modellierungen weit in die Zukunft geht Lutz davon aus, dass die Erdbevölkerung bis zum Jahr 2200 auf etwa drei Milliarden Menschen zurückgehen würde – sofern alle Länder bis Ende dieses Jahrhunderts das derzeitige Niveau der europäischen Geburtenraten erreichten."

    Quelle: https://www.rnd.de/wissen/prog…YBKNCKPLH6ASFDGNOH2Y.html


    Das sind Fakten und nicht die Meinung eines unbekannten Think-Tank-Forschers!

  • Teile die Kritik allein insofern nicht, als dass die „Wurzel des Übels“ ganz sicherlich nicht “die Reichen“ sind. Die Wurzel allen Übels bei einer Personengruppe zu suchen ist allerdings ein Übel, welches nicht selten ein ganz schönes Problem erzeugt haben.

  • Teile die Kritik allein insofern nicht, als dass die „Wurzel des Übels“ ganz sicherlich nicht “die Reichen“ sind. Die Wurzel allen Übels bei einer Personengruppe zu suchen ist allerdings ein Übel, welches nicht selten ein ganz schönes Problem erzeugt haben.

    Die Reichen sind als abstrakte Klasse durchaus "Schuld" lieber Hohli. Sie sind als die Empfänger von Vermögenseinkommen diejenigen die die Ausbeutung von Mensch und Umwelt vorantreiben. Schuld ist natürlich kein guter Ausdruck dafür, dass diesem System namens Kapitalismus die Akkumulation von Kapital zugrunde liegt.


    Herr Edenhofer hat vieles verstanden, aber dass Kapitalakkumulation eine Wette auf zukünftiges Wachstum sein muss und ohne Wachstum nicht funktioniert scheint er noch zu verdrängen.


    Vielleicht wäre es interessant zu wissen was er denn genau unter Kapitalismus versteht um das wirklich einschätzen zu können.

  • Das Problem mit "Die Reichen sind schuld" (auch wenn's Prinzipiell nicht falsch ist!) ist halt, dass man damit sehr schnell in eine Situation kommt, in der sehr viele Menschen glauben, dass man nur die Reichen irgendwie loswerden müsste und das System das sie überhaupt erst so reich gemacht hat dann einfach so weiter laufen lassen könne.


    Und ganz schnell sind der Hydra neue Köpfe gewachsen.

  • Die Reichen sind als abstrakte Klasse durchaus "Schuld" lieber Hohli. Sie sind als die Empfänger von Vermögenseinkommen diejenigen die die Ausbeutung von Mensch und Umwelt vorantreiben.

    Ist mir zu einfach (oder viel zu abstrakt?). Inwiefern haben die Reichen mehr Schuld als “wir“ die ihre Existenz erst legitimieren? Mir ist die Kritik durchaus klar, Utan scheint aber zu wissen, worauf ich hinaus wollte. Darüber hinaus finde ich es merkwürdig, wenn man den Reichen diese Tragweite der Schuld attestiert, da sie doch zukünftig doch auch in die Misere steuern - auch wenn sie alle ihre Inselchen der Glückseligkeit reserviert haben.

  • Inwiefern haben die Reichen mehr Schuld als “wir“ die ihre Existenz erst legitimieren? Mir ist die Kritik durchaus klar, Utan scheint aber zu wissen, worauf ich hinaus wollte.

    Naja, die Zahlen sprechen halt eine deutliche Sprache, mir ist auch durchaus klar was du oder Utan meinst, natürlich ist das ein Systemproblem und es braucht grundlegende Änderungen am System weil sonst wie Utan schon sagt einfach neue Arschlöcher nachwachsen, aber am Ende hat die Mehrheit der reicheren Menschen schon mehr Schuld und damit auch mehr Verantwortung etwas dagegen zu tun, statt dessen versuchen viele dieser Leute die Verantwortung auf ärmere Menschen abzuwälzen (weil die meisten von denen alles dafür tun das es so bleibt wie es ist) , man hat das Gefühl die denken sich "lass 'ma schön den Pöbel den Gürtel enger schnallen, wir Reichen haben uns den Luxus redlich verdient"...war ja erst letzte Woche wieder in den Nachrichten:

    Reiche schädigen Klima stärker als Arme

    Der reichste Teil der Weltbevölkerung ist laut einer Studie für doppelt so viele CO2-Emissionen verantwortlich wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit. Für den Konsumrausch einer Minderheit zahlten die Ärmsten den Preis, kritisiert Oxfam.

    ...

    Die reichsten zehn Prozent (630 Millionen) seien in dieser Zeit für mehr als die Hälfte (52 Prozent) des CO2-Ausstoßes verantwortlich gewesen, berichtete Oxfam. Das reichste Prozent (63 Millionen) allein habe 15 Prozent verbraucht, während die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur für sieben Prozent verantwortlich gewesen sei. ...

    ...

    Die katastrophalen Folgen der Klimakrise seien schon heute vielerorts spürbar. "Verantwortlich dafür ist eine Politik, die auf Konsumanreize setzt, immerwährendes Wachstum verspricht und die Welt ökonomisch in Gewinner und Verlierer spaltet", sagte Ellen Ehmke, Expertin für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland. "Für den Konsumrausch einer reichen Minderheit zahlen die Ärmsten den Preis." ...

    In Deutschland sind laut Oxfam die reichsten zehn Prozent bzw. 8,3 Millionen Menschen für 26 Prozent der deutschen CO2-Emissionen im untersuchten Zeitraum verantwortlich. Die mit 41,5 Millionen Menschen fünf Mal größere ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung habe mit 29 Prozent nur etwas mehr verbraucht. ...

  • Sehe ich alles ein LDR . Wir haben jetzt nun aber in der Differenziertheit des Problems “Reiche“ allerdings einen guten Shift vorgenommen von Kollege DetlefDs Ausgangsstatement. Die Zahlen, die du ansprichst, die sind allerdings schon sehr lange ein Problem - also tatsächlich sprechen die Zahlen aktuell dagegen, dass die Zahlen besser werden. Ob der Hebel “eat the rich“ (mal krass formuliert) zieht, da bin ich mir auch nicht mal sicher, weil auch unser Lebensstandard nicht tragbar (weil nicht übertragbar auf den großen Rest) ist. Da ist nicht nur von leichten Systemanpassungen die Rede, sondern von einem riesigen Wandel. Nja, das gerät mir etwas zu off-topic.


    Ich mochte das Interview, musste allerdings direkt zu Beginn schmunzeln, als er meinte, dass die Besetzung seines Postens innerhalb der Berufungskommission allein auf der wissenschaftlichen Überzeugung des betreffenden Komitees basiere. Wer weiß, wie stark politisiert die Netzwerke innerhalb der Wissenschaftlichen Direktorien sind, der kann auch erahnen, dass der Punkt “Wissenschaft“ nicht zwangsläufig maßgeblich ist bei so einer Entscheidung....

  • ...weil auch unser Lebensstandard nicht tragbar (weil nicht übertragbar auf den großen Rest) ist. Da ist nicht nur von leichten Systemanpassungen die Rede, sondern von einem riesigen Wandel. Nja, das gerät mir etwas zu off-topic.

    Naja, ich denke da hast du nur teilweise Recht weil das zu pauschal ist, wie du im Zitat in meinem letzten Beitrag lesen konntest sind in Deutschland die ärmeren 50% der Bevölkerung nur für 29% vom CO2 verantwortlich, wenn Leute in dem Kontext das Wort "wir" oder "unser" Lebensstandard verwenden kann ich da nicht zustimmen, würde man den Lebensstandard der restlichen oberen 50% auf ein ähnliches Niveau der unteren Schicht absenken wären es nur 58% CO2, wir hätten es insgesamt also fast halbiert und hätten dabei noch nichtmal die Energiewende beendet...welche dann noch deutlicher einfacher zu realisieren wäre als wenn man von den aktuellen 100% ausgeht. Man darf das halt nicht vermischen, der reichere Teil der Bevölkerung macht das mit Absicht um die anderen zu manipulieren...


    Mal davon abgesehen gibt es Leute die das schon so grob durchgerechnet haben wieviel Energie wir brauchen wenn wir alle Menschen auf der Welt auf den aktuellen Lebensstandard Deutschlands heben wollen, ist zwar ein ambitioniertes Projekt, aber rein technisch ist das machbar, hier mal zur Veranschaulichung wie das aussieht wenn man nur Solarenergie verwendet:

    Aktuell verbrauchen nur wenige Menschen viel Energie und viel Menschen wenig Energie. Ich bin überzeugt, dass Langfristig alle Menschen mindestens den Lebensstandard wie in Deutschland erreichen wollen. Dafür dürfte pro Person eine Energiemenge von 15.000 kWh/a notwendig werden. Es gibt einige Länder, die bereits heute einen deutlich höheren Energiebedarf haben, aber wir wollen hoffen, dass Energieeffizienz auch eine gewisse Einsparung bewirkt. ...

    Bei einer Weltbevölkerung von 8 Mrd. Menschen wird das einen jährlichen Energiebedarf von 120.000 TWh...ergeben. Damit würde sich die Fläche mit Solarzellen immerhin auf ein Quadrat mit einer Kantenlänge von 1000 km vergrößern.

    Welt-PV.png

    Weiterhin ist die Fläche von einer Million Quadratkilometer immer noch klein im Vergleich zur Sahara, aber ein ernsthafter Teil der festen Erdoberfläche. Die Welt hat etwa 15 Millionen Quadratkilometer sonnige Wüsten, das bedeutet, etwa 1/15 dieser Fläche muss in Zukunft mit Solarzellen für die Energieversorgung verwendet werden.

    ...

    Soll die weltweite Umstellung auf Solarenergie gelingen, werden gewaltige Bauten in Form gigantischer Solarfelder nötig. Sicherlich reichen dafür nie die Dachflächen. Weiterhin geht es um Investitionen, die in der Größenordnung des globalen Bruttosozialprodukts von einem Jahr liegen (80.000 Mrd. $). Das klingt viel, ist aber von der Menschheit zu schaffen, insbesondere wenn man bedenkt, dass danach Energie sauber, ohne CO2 und zu geringen Kosten produziert wird. ...

    Edit: Wir haben ja übrigens nicht nur Solarenergie sondern auch Wind und Wasser und etwas Biomasse und Geothermie können wir auch verwenden...wir sind rein technisch wie gesagt dazu in der Lage, die Frage stellt sich garnicht, die Frage ist eher ob das ausreichend viele Menschen verstehen und dabei mitwirken wollen/werden das wir das umsetzen, da sehe ich eher das Problem...

  • Ist mir zu einfach (oder viel zu abstrakt?). Inwiefern haben die Reichen mehr Schuld als “wir“ die ihre Existenz erst legitimieren? Mir ist die Kritik durchaus klar, Utan scheint aber zu wissen, worauf ich hinaus wollte. Darüber hinaus finde ich es merkwürdig, wenn man den Reichen diese Tragweite der Schuld attestiert, da sie doch zukünftig doch auch in die Misere steuern - auch wenn sie alle ihre Inselchen der Glückseligkeit reserviert haben.

    Dass für ein System alle verantwortlich sind ist richtig, und natürlich ist es blödsinn zu glauben , dass eine finstere Kabale von Verschwörern das Weltgeschehen bestimmt.


    Aber der Klassenkampf ist eine real existierende Sache. Es wird ideologischer Krieg von oben nach unten geführt um zu verhindern, dass es irgendwelche Änderungen am Status Quo der Ausbeutung gibt, in USA im Moment auch mit Tränengas und Schlagstöcken. Diesen Status Quo aufrechtzuerhalten, dafür arbeiten einige reiche Personen mit vollem Einsatz. Vor allem diejenigen in der Ölindustrie wie die Koch Brothers.


    Wer wie Chevron im Namen des Profits der reichen Krieg gegen schwächere führt hat mmn Schuld.


    Profit bedeutet aber vor allem Profit für die Shareholder, die Reichen, die sich bewusst an diesen Geschäftspraktiken bereichern.

    Durch ihre Beteiligung und die Gewinne von denen sie glauben, dass sie sich diese einfach deshalb einverleiben können weil sie schon Vermögen haben, haben sie Schuld.

    Weil sie der Grund für den Profithunger sind haben sie Schuld.

    Weil sie sich nicht gegen Chevron, Apple, VW oder Coca Cola stellen, haben sie schuld.

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