#476 - Philosoph Wolfram Eilenberger

  • Here we go... heute wird's liberal



    Wir sind zurück im Ocelot und treffen den Philosophen und Schriftsteller Wolfram Eilenberger. Wolfram ist Gründungschefredakteur des Philosophie Magazins, hat eine Trainerlizenz des Deutschen Fußballbundes (DFB) und erlangte mit seinem Buch "Zeit der Zauberer - Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919-29" den internationalen Durchbruch. Sein aktuelles Buch heißt "Feuer der Freiheit - Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten 1933-43".


    Mit Wolfram geht's zunächst um seinen Beruf: Seit wann ist er Schriftsteller? Wie wird man das überhaupt? Wie sieht er den Buchmarkt? Wann ist ein Buch erfolgreich? Weshalb hat er Philosophie studiert? Wer waren seine ersten Idole? Was hat es mit Nietzsche, Hegel und Marx auf sich? Wo bleiben die philosophischen Denkanstöße im 21. Jahrhundert?


    Wir sprechen über den Status Quo und die Herausforderungen durch den Klimawandel: Ist es Zeit für einen "system change"? Ist der Kapitalismus noch reformierbar? Wie schaut Wolfram auf die herrschende massive ökonomische Ungleichheit? Wieso ist die Erbschaftssteuer sinnvoll für Umverteilung? Können wir als Gesellschaft unsere Gewohnheiten sowie Verhaltensweisen ändern und so für mehr Klimaschutz sorgen? Was hält er vom Wettlauf gegen die Zeit? Steht uns ein Systemzusammenbruch bevor? Was ist Wolframs Vision vom Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter?


    Außerdem geht's um die Situation der Parteien vor der Bundestagswahl 2021, Liberalismus vs Neoliberalismus, Prediger auf Anti-Corona-Demos und Lesereisen nach China.


    Das und vieles, vieles mehr in Folge 476 - wir haben sie am 14. September in der Berliner Buchhandlung Ocelot aufgezeichnet.


    Links:

    - Wolfram auf Twitter


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  • Mein Feedback an Tilo wäre, dass du vielleicht etwas mehr die Spezialgebiete der Gäste beleuchtest als das eine zugegeben bestimmende Thema der "Klimakapitalismuskrise".


    In Sachen Klimawandel war Wolfram ziemlich weit hinter dem akademischen Diskurs hinterher, das war manchmal die "Untergangspropheten" Debatte die man nicht hören will.

    Auch von Wirtschaft versteht er nicht viel (vielleicht weil er Marx nicht gelesen hat?), da gab es zu viel der "aber uns geht's doch gut" Debatte über die ich nur noch gähnen kann.


    Dafür hätte er vielleicht mehr zu den anderen großen Fragen der Philosophie was sagen können. Was ist der Mensch warum ist er hier und wo geh er hin ....


  • In Sachen Klimawandel war Wolfram ziemlich weit hinter dem akademischen Diskurs hinterher

    Im Gegenteil, er ist dem akademischen Kurs voraus, denn er hat erkannt, dass wir den Point of no Return längst überschritten haben. China wird nicht aufhören, 300 neue Kohlkraftwerke zu bauen, Saudi-Arabien wird nicht aufhören, Öl zu fördern und Russland wird nicht auf Gas und Öl verzichten, genausowenig Südostasien und Südamerika.

    Wir werden keine Reduktion, sondern ein exponentielles Wachstum des CO2 Ausstoßes in den nächsten Jahren erleben und das 2° - Ziel und selbst das 3° - Ziel sind längst außer Reichweite.

    Das werden irgendwann auch die linken Klimaspinner erkennen.


    Wenn die Mehrheit erkannt hat, dass es zu spät ist, den Klimawandel zu verhindern, kann man sich endlich darauf konzentrieren, mit der kommenden Katastrophe möglichst gut fertig zu werden.

    Je früher das der Fall ist, desto besser. Leute wie Luisa Neubauer, die immernoch glauben, man könne den Sturm noch verhindern, sind die eigentlichen gefährlichen Bremser. Der Klimasturm kommt und wir müssen Festungen bauen, die dem Sturm standhalten, anstatt zu versuchen, ihn zu verhindern.

  • Wir werden keine Reduktion, sondern ein exponentielles Wachstum des CO2 Ausstoßes in den nächsten Jahren erleben und das 2° - Ziel und selbst das 3° - Ziel sind längst außer Reichweite.

    Dann bleibt immer noch das 4° Ziel, das 5° und 6° Ziel. Die Erwärmung wird, soweit ich das verstehe, immer weiter gehen, solange wir fossile Brennstoffe nutzen.

  • Am meissten bin ich im Podcast über die Frage nach seinen Eilenbergs Idealen gestolpert. Er nannte (aus dem Gedächtnis) Informationen erlangen und die Hoffnung, dass Andere seine Meinung als richtig erkennen.


    Ich bin jetzt nur Ingenieur, kein Soziologe. Aber meiner Meinung nach sind das Ziele, keine Ideale. Wer kann mir dazu was sagen?

  • Ich hab ja den Industriellen in meiner ignore Liste, weil es meine Anwesenheit auf diesem Forum entspannt, aber ich will trotzdem nochmal meine Kritik oben erläutern bevor sich die Missverständnisse vertiefen.


    Im allgemeinen ist der aktuelle Stand der Diskussion von z.B: Science for Future oder des Club of Rome, dass der Kapitalismus die Krisen die er geschaffen hat, insbesondere den Klimawandel, nicht bewältigen kann, weil diese Krise zukünftiges Wachstum und damit die Bedingung für den Kapitalismus selbst, unmöglich macht.

    Ein fortgesetzter Kapitalismus und damit zukünftiges Wachstum würde erst unsere Ökosphäre über ein für diese Zivilisation erträgliches Mass hinaus beschädigen und dann den Planeten für die Menschen unbewohnbar machen.


    Unerheblich und deshalb Langweilig sind da die Fragen die Wolfram ansprach:

    Gibt es andere Systeme die ebenfalls zu diesen Problemen führen würden? (ja Klar, blöde Frager.)

    Sorgte der Kapitalismus für sozialen Fortschritt und Wohlstand in der Vergangenheit. (Ja bestimmt, aber eben auch für Umweltzerstörung).

    Sind andere System besser darin diesen Wohlstand zu erreichen? (Möglicherweise nicht, aber leider müssen wir das in Kauf nehmen.)


    Sicher sind die obigen Fragen noch nicht bei allen beantwortet. Diese Menschen müssen erst abgeholt werden bzw. sich ihrer kognitiven Dissonanz stellen. An einen Philosophen würde ich aber schon die Erwartung richten, dass dies schon passiert ist.


    Da es mit dem Kapitalismus keine Lösung für unsere Probleme gibt muss die Diskussion sich um den Punkt drehen den Ulrike Herrmann ansprach: Wie kommen wir aus diesem System in eines mit dem wir diesen Problemen begegnen können. Alles andere ist Karussell.


    Deshalb hätte ich einer Diskussion mit Wolfram über andere Themen lieber gelauscht.


    Was der Industrielle da schreibt ist natürlich der immer gleiche Versuch sich selbst die Erlaubnis zu erteilen keine Verantwortung für in der Vergangenheit begangene Schäden und zukünftige Generationen zu übernehmen sondern den immer gleichen menschenfeindlichen Egoismus um jeden Preis weiter ausleben zu können.


    (Kurz: Ist ja eh schon kaputt das Klima, machen wir weiter wie bisher und bauen halt Dämme)

  • Was der Industrielle da schreibt ist natürlich der immer gleiche Versuch sich selbst die Erlaubnis zu erteilen keine Verantwortung für in der Vergangenheit begangene Schäden und zukünftige Generationen zu übernehmen sondern den immer gleichen menschenfeindlichen Egoismus um jeden Preis weiter ausleben zu können.

    Ja, er hofft, das die Lage bis zu seinem Lebensende nicht zu katastrophal wird. Danach ist es ihm scheissegal.

  • Ach ich glaube er sieht das ganz pragmatisch, denn...

    Wenn die Mehrheit erkannt hat, dass es zu spät ist, den Klimawandel zu verhindern, kann man sich endlich darauf konzentrieren, mit der kommenden Katastrophe möglichst gut fertig zu werden...

    ...und dabei natürlich weiter in altewährter Manier auf den kreativen Geist der privaten Entrepreneure vertrauen, auch aus der größten Krise noch ein profitables Geschäft zu machen.


    Dann finden sich für Leute wie unseren INSM-Bot Indi mit Sicherheit eine Menge neuer schöner Opportunitäten, um seinen hart verdienten Unternehmerlohn rentabel in innovativen und natürlich staatlich subventionierten Investitionsprojekten anzulegen.


    Geoengineering oder irgendwas anderes mit gewaltigem Kapitalbedarf böte sich da doch förmlich an. Man kriegt ja keine ordentlichen Zinsen mehr und aus den MieterInnen in seinen Betongoldanlagen kann man als seriöser Investor schliesslich auch nicht endlos immer mehr heraus pressen.

  • Am Ende wird es dann doch der Mars. ^^


    Neues aus Absurdistan.


    Aber zum Interview, für einen Philosophen mMn erstaunlich viel Selbstgerechtigkeit bei dem Herrn und ich bin erst bei knapp 20 Minuten.

    Wenn ich da nur an die Ästhetik der Produkte denke, die er (aus westlicher Sicht) preist, genau dieser Budenzauber mit 20 verschiedenen bunten Verpackungen mit jeweils dem gleichen Mist drin, sollte ja überwunden werden. Aber für den Gedanken ist er zu sehr in der bunten Warenwelt des Kapitalismus gefangen und das ist ja auch alles geil und über Folgekosten (Entsorgung usw.) macht man sich in dieser ja sowieso keinerlei Gedanken, da kann man auch von sich hässlich findenden Ossis schwadronieren, deren Dialekte alle dumm klingen. Vielleicht sollte ihm mal einer sagen, dass Dialekte immer etwas nach Einfalt klingen, schlicht weil sie eine lokale Färbung darstellen. Gerade Bayerisch irgendeine Sexyness unterschummeln zu wollen, absurd... Mehr nach Ziegenpeter klingen geht nun wirklich nicht.


    Aber man sieht daran sehr schön, wie das Sein das Bewusstsein schafft.

  • Für mich ist es immer schwierig, wenn wir feststellen, dass wir ja in Wohlstand leben. Das ist dann immer gleichbedeutend mit "uns geht es gut".


    Dieser Einschätzung liegen Werte zu Grunde, die noch lange nicht bedeuten, dass wir ein gutes Leben haben.


    Ein gutes Leben sollte doch der Maßstab sein und nicht wie viel wir haben.

  • Aufgrund seiner Aussage, dass er kaum noch Menschen kennt, die Fleisch konsumieren, stellt sich mir die Frage, ob er da nicht aus seiner Bubble heraus auf einen Trend schließt den es so (leider!) nicht gesamtgesellschaftlich gibt. Und ob er sich daraus selbst die Utopie baut, dass Fleischkonsum in einigen Jahren moralisch nicht mehr vertretbar sein wird.

    Ich meine, schön wär's, aber ohne politische Agenda eher nicht zu erwarten.

    Er stellt sich da auf die Seite der individuellen Verantwortung und ignoriert an der Stelle die Verantwortung des Kollektivs (der Gesellschaft), die er wiederum an anderer Stelle so betont (globaler Kampf gegen die Klimakatastrophe).

    Das stellt für mich einen Widerspruch dar. Auf der einen Seite das Individuelle, was für ihn als Liberalen zu den höchsten Gütern zählt und auf der anderen Seite die Einsicht, dass es nur gemeinsame/kollektive Bemühungen sein können, die etwas bewegen. Damit erklärt er sich glaube ich die Trägheit von Veränderungsprozessen. (Bei mir ist der Eindruck entstanden, er will nicht einsehen, dass diese auch politisch beeinflusst oder beeinflussbar sind)

    Mich hätte interessiert, wie er das mit dem konstanten (ich unterstelle: menschlich immanenten) Streben nach Veränderung und der von Menschen selbst erzeugten hohen Dynamik der heutigen Lebensrealität in Verbindung bringt.

  • Die Philosophien am Ende des 20., Anfang 21. Jahrhunderts bzw. heutzutagen erheben alle keine Systemansprüche, weil sie gerade davon ausgehen, dass es keine Systeme im engeren Sinn gibt. Deswegen nennt man die dominierende Strömung heutzutage Post-Strukturalismus, der in den 60igern sich mit Foucault und anderen französischen Philosophen entwickelt hat. Da unter dem neoliberalen monetären Verwertungsdogma die Gelder für die Humanwissenschaften und Geisteswissenschaften gekürzt werden, sind diese Wissenschaften in einer Legitimierungskrise und versuchen sich durch post-strukturalistische Zugänge neu zu erfinden (das geht bis in die Anthropologie und ist in der Soziologie natürlich sehr weit verbreitet).

  • Aber für den Gedanken ist er zu sehr in der bunten Warenwelt des Kapitalismus gefangen und das ist ja auch alles geil und über Folgekosten (Entsorgung usw.) macht man sich in dieser ja sowieso keinerlei Gedanken

    Die Reflexion der Ästhetik als Bestandteil der Akzeptanz des (scheinbar oder maßgeblich) dem übergeordneten Systems, finde ich, ist eine interessante und auch für mich unmittelbar nicht von der Hand zu weisende Hypothese.


    Wie du aber auch schon beschreibst: Folgekosten, Externalisierung, etc muss man dann schon bewusst ausblenden, um hier irgendeine Überlegenheit jeglicher real-kapitalistischer Systeme zu fabulieren. Reißbrettallokation, Betonwüsten, Mietskasernen, Musterhäuser, Tagebauten, Blechlawinen, Kühltürme, Monokulturen, Saisonmode, ... -- um das alles zu ertragen, gestatten sich viele Systemprofitierende in die künstlich erhaltenen oder von der Flächen- und Ressourcenausbeutung scheinbar verschont gebliebenen Regionen, Parks und Ressorts zu reisen, um dort die Ästhetik der extrakapitalistischen (Natur-)Wunder, ökonomisch nicht verwerteter Materie zu genießen. 🤡



    Küchenpsychologisch hatte ich bei Eilenberger den Eindruck, dass er Traumata seines Vaters verarbeiten muss. Meinerseits hatte ich dann recht fix die Konnotation des "enlightened centrist" im Hinterkopf. Ist schon alles gut so, wie es aktuell ist, denn die vom Erkenntnishorizont festgelegten Constraints sind hinsichtlich der persönlich relevanten Zielgrößen und Fehler bereits mehr oder weniger optimal eingefasst in der Weltformel vieler moderner Kapitalismusbefürworter. ¯\_(ツ)_/¯

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  • Aufgrund seiner Aussage, dass er kaum noch Menschen kennt, die Fleisch konsumieren, stellt sich mir die Frage, ob er da nicht aus seiner Bubble heraus auf einen Trend schließt den es so (leider!) nicht gesamtgesellschaftlich gibt. Und ob er sich daraus selbst die Utopie baut, dass Fleischkonsum in einigen Jahren moralisch nicht mehr vertretbar sein wird.

    Ich meine, schön wär's, aber ohne politische Agenda eher nicht zu erwarten.

    Er stellt sich da auf die Seite der individuellen Verantwortung und ignoriert an der Stelle die Verantwortung des Kollektivs (der Gesellschaft), die er wiederum an anderer Stelle so betont (globaler Kampf gegen die Klimakatastrophe).

    Das stellt für mich einen Widerspruch dar. Auf der einen Seite das Individuelle, was für ihn als Liberalen zu den höchsten Gütern zählt und auf der anderen Seite die Einsicht, dass es nur gemeinsame/kollektive Bemühungen sein können, die etwas bewegen. Damit erklärt er sich glaube ich die Trägheit von Veränderungsprozessen. (Bei mir ist der Eindruck entstanden, er will nicht einsehen, dass diese auch politisch beeinflusst oder beeinflussbar sind)

    Mich hätte interessiert, wie er das mit dem konstanten (ich unterstelle: menschlich immanenten) Streben nach Veränderung und der von Menschen selbst erzeugten hohen Dynamik der heutigen Lebensrealität in Verbindung bringt.

    tl:dr

    Das regelt der Markt...

    Zumindest wenn wir uns die Augen zuhalten und ganz feste dran glauben!

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