Kapitalismus

  • stimmt, definitionen konnte man ja auch einreichen:

    kapitalismus ist der durch privateigentum am unternehmen als kapital-akkumulation realisierte zweck im unternehmen.

  • stimmt, definitionen konnte man ja auch einreichen:

    kapitalismus ist der durch privateigentum am unternehmen als kapital-akkumulation realisierte zweck im unternehmen.

    Ja, siehe z.B.: hier, hier und hier. Dass eine Definition gut ist bevor man redet war die Idee, aber du hättest dir da schon ein wenig mehr Mühe machen können. Zumindest mal vorher bei Wikipedia die Definition lesen und drüber Nachdenken kann man bevor man eine Definition raushaut. Die Definition könnte z.B. beinhalten, dass es ein alle Gesellschaftsteile durchdringendes Wirtschaftssystem ist und sich nicht nur auf Unternehmen bezieht.


    Um dich abzuholen: Der "Industrielle" definiert seit dem völlig absurde "Definitionen" von Kapitalismus. Die Definition der BPB ist zu gebrauchen auch wenn sie sich sehr bemüht Distanz zwischen Marx und Engels Beschreibungen des Frühkapitalismus und Deutschland heute aufzubauen.

    Realistischerweise muss man aber betonen, dass Marx/Engel's Beschreibungen dem Kapitalismus in den Ländern in denen unsere Industrieprodukte heute hergestellt werden (Bangla-Desh, China, Indien, etc.) noch sehr ähnlich sind. Was wir über die Zustände bei Tönnies hier erfahren haben erinnert ebenfalls sehr an den Manchester Kapitalismus.


    "Kapitalismus": der unter den Produktions- und Arbeitsbedingungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts und des beginnenden 19. Jahrhunderts geprägte Begriff für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der das private Eigentum an den Produktionsmitteln (Fabrikhallen, Maschinen, Anlagen), das Prinzip der Gewinnmaximierung und die Steuerung der Wirtschaft über den Markt typisch ist. Das wirtschaftliche und soziale Zusammenleben in der damaligen Gesellschaft wurde weitgehend von den Interessen der Kapitaleigentümer bestimmt. Im Kapitalismus ist Kapitalbesitz die Voraussetzung für die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, was das Weisungsrecht über die Arbeitskraft der abhängig Beschäftigten einschließt. Die Masse der Arbeiter ist überwiegend besitzlos und von den verhältnismäßig wenigen Kapitalbesitzern wirtschaftlich abhängig.

  • Wie geht man mit jemandem um, der in einer Diskussion lügt ohne Ende, und sich um seine Lügen nicht die Bohne schert?

    Genau so wie Tilo das macht. Einfach dokumentieren und allen zeigen wie sich die Leute um Kopf und Kragen reden und destruktiv werden. Etwas offenbarenderes gibt es doch nicht. Das Problem ist es eben das aus diesem Forum heraus zu tragen, aber dafür kann man hier ja genug Informationen und Quellen sammeln um dann nicht ohne einen Fakt alt auszusehen.

  • Ja, siehe z.B.: hier, hier und hier. Dass eine Definition gut ist bevor man redet war die Idee, aber du hättest dir da schon ein wenig mehr Mühe machen können.

    ach so, dann habe ich es wohl missverstanden. die eine gibts ja dann schon.

    Zumindest mal vorher bei Wikipedia die Definition lesen und drüber Nachdenken kann man bevor man eine Definition raushaut. Die Definition könnte z.B. beinhalten, dass es ein alle Gesellschaftsteile durchdringendes Wirtschaftssystem ist und sich nicht nur auf Unternehmen bezieht.

    ja, nachdenken ist eine gute idee. unternehmen sind voraussetzungsreich, sie benötigen z.b. ein wirtschaftssystem. wenn man also von unternehmen spricht muss man wirtschaftssysteme voraussetzen. genau wie man eine gesellschaft für ein wirtschaftssystem voraussetzen muss. die symptome des kapitalismus zeigen sich zwar in einer gesellschaft durchdringenden wirtschaft, deren ursache mmn jedoch im privateigentum am unternehmen (und damit produktionsmittel) liegt. um die problematik der aufnahme der durchdringung von gesellschaftsteilen und damit symptomen in die definition zu verdeutlichen: beispiel china. ist deren wirtschaft in einer gewissen art und weise kapitalistisch? irgendwie ja schon, denn:
    "Der größte Teil des Wirtschaftswachstums in China wird dem privaten Sektor zugeschrieben, der zweimal so schnell wächst wie die offiziellen Wachstumszahlen insgesamt und der kontinuierlich größer wird. Allerdings ist die Größe des Privatsektors schwierig zu bemessen, weil dieser Sektor oftmals von den offiziellen Quellen bei der Berechnung des BIPs zu klein geschätzt wird. Hierbei tendiert die Statistik dazu, kleine Unternehmer zu ignorieren oder private Unternehmen nicht als solche in die Bewertung mit aufzunehmen. Darüber hinaus werden immer noch häufig private Unternehmen von ihren Eigentümern weiterhin als kollektive Unternehmen deklariert. Zudem wird oft die Größe von Privatunternehmen kleiner dargestellt, als sie eigentlich ist. Der Privatsektor generierte etwa 70 % des BIP im Jahr 2005. Diese Zahl könnte unter Beachtung des Chengbao Systems sogar größer sein. Innerhalb dieses Systems verwalten Privatunternehmer solche Vermögen oder Wirtschaftssubjekte, die nominell der Regierung gehören. Der Staat behält dabei die Kontrolle über strategische Industrien." (wikihausen)

    laut meiner definition lässt sich der kapitalismus hier ausweisen, da:

    der durch privateigentum am unternehmen als kapital-akkumulation realisierte zweck im unternehmen.

    gegeben ist. laut deiner definition ist dieser bereich des chinesischen wirtschaftens nicht kapitalistisch, da es kein

    alle Gesellschaftsteile durchdringendes Wirtschaftssystem ist

    sondern eine alle gesellschaftsteile durchdringendes parteiensystem.

    aber keine ahnung, ich lass mich da gerne abholen.

  • Ob und wie China ein kapitalistisches System ist, das ist doch mal eine spannende Diskussion. Wie ich an anderer Stelle geschrieben habe denke ich dass es neben der kapitalistischen Akkumulation, ("Making money with money"), darum geht, dass es eine geschichtete Gesellschaft gibt in der eine Klasse von Kapitalisten zur Akkumulation ermächtigt wird.


    Wie sieht die Situation in China aus?

    Ist China Kapitalismus ohne Freiheit? Kapitalismus ohne freien Markt? Oder ist es ein korrupter Kommunismus? Ist es nicht einfach ein autoritärer Staat mit einer geld- und machtgierigen Elite?


    Es herrscht eine angeblich kommunistische Partei deren korrupte Kader kein Problem haben mit kapitalistischer Produktionsweise. Hier zeigt sich, dass die seltsamen Vorstellungen des "Industriellen" von der Einheit von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde mit dem Kapitalismus heute nichts zu tun haben. Deutschland und China teilen den gleichen Kapitalismus, Deutsche Kapitalisten beuten Chinesische Arbeiterinnen aus damit sie hier in Deutschland mehr Profit machen können.


    China ist das Herz kapitalistischer Produktion in der Welt! Der Kapitalist lässt in China oder sogar Nordkorea produzieren wenn der autoritäre Staat dafür Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen für ihn durchsetzt. Seine leitenden Angestellten sitzen dann in den USA, Deutschland oder der Schweiz und geniessen alle Vorzüge des dortigen Sozialstaates.


    Es ist faktisch so, dass der Kapitalismus im Westen ohne autoritäre Staaten wie China und die Menschenunwürdigen Produktionsmethoden dort nicht mehr funktionieren würde. Ein I-Phone würde mehrere tausend Dollar kosten wenn es in den USA hergestellt würde. Unternehmen wie Foxconn sind in ihrer ganzen Art ununterscheidbar vom Manchester Kapitalismus des 19. Jh.


    Ich gehe davon aus, dass der Kapitalismus heute die Form der Globalisierung angenommen hat. Die eigentliche Elite der Kapitalisten ist postnational aufgestellt und nutzt die Unterschiede der Nationen zur Gewinnmaximierung.


    China ist kein Kapitalistischer Staat, weil es den nicht mehr gibt, wir leben in einer kapitalistischen Welt.


    Die chinesische Parteielite bedient sich des Kapitalismus um die Chinesischen Machtinteressen durchzusetzen, die globalisierten Kapitalisten bedienen sich der autoritären macht Chinas um Profit zu machen. Im Moment gibt es einen Machtkampf zwischen der Kommunistischen Partei und den chinesischen Milliardären. Milliardäre die der Partei ein Dorn im Auge sind verschwinden einfach, bisher über 50! Mal sehen wo das hinführt.


    https://www.arte.tv/de/videos/…ere-verschwinden-einfach/


  • Ein Minimaldefinition von Markt wäre etwa:


    Drei Menschen leben geographisch getrennt im Urwald. Sie treffen sich regelmäßig in der Mitte des Dschungels, wo einer eine Ware mit einem Preisschild ablegt. Dann kommt ein anderer, legt die Menge an Tauschmittel (z. B. Geld) dorthin, wo die Ware war und geht wieder. Dann kommt ein anderer und das gleiche fängt von vorne an. Keiner der drei Personen kennt sich persönlich oder hat Kontakt mit dem anderen. Wieviel jeweils von den Waren produziert wird, wird über den Preis organisiert. Ein hoher Preis bedeutet, dass es viel Nachfrage gibt und daher mehr Waren produziert werden müssen. Ein niedriger Preis bedeutet, dass die Waren wenig nachgefragt werden. Sobald einer der Personen auf die Idee kommt, dass er ja auch die gleichen Waren produzieren könnte, fängt Wettbewerb an. Das ist die Annonymität des Marktes.

    Was wäre kein Markt?

    Wenn sich alle drei Personen kennen würden und untereinander absprechen, wieviel Waren jeweils jeder für sich selbst braucht (und wieviel produziert werden können). Das nennt man dann Planwirtschaft. Planwirtschaft ist weder Markt, noch Kapitalismus. Planwirtschaft kannt zwar ähnlich dem Kapitalismus sein (Soviet Union und Staatskapitalismus), muss sie aber nicht.

    Wenn ich davon rede, dass ich weder Kapitalismus noch Markt gern hätte, dann meine ich, dass ich Planwirtschaft bevorzuge. Keine zentralisierte Planwirtschaft, sondern dezentrale Planwirtschaft, wie in dem Modell von Michael Albert (Partizipatory Economics, Parecon).

    Ein Schulhof wäre wahrscheinlich kein Markt. Weil er wahrscheinlich nicht annonym funktionieren würde und sich die Schüler alle untereinander kennen und sich absprechen. Der Schulhof wäre ein Markt, wenn ein Schüler mit seinen Waren dorthin gehen würde und sie ablegt, damit die anderen Schüler sie kaufen können. Je nachdem wieviel gekauft wird, passt der Schüler mit den Waren dann die Menge an, über den Preis halt.

    Gerade die Annonymität und der Preis sind es ja, die Märkte als Allokationsmechanismus auszeichnen. Aber Märkte haben sehr viele Probleme.

  • Achso, noch zu der Frage.

    Klar macht es einen Unterschied, ob ich einer solchen Person in einem Internetforum begegne oder im echten Leben. Eine solche Person, wie du sie beschreibst, gibt es nur selten in der Realität. In der Realität sind sich Menschen direkt gegenüber, es ist viel schwieriger Fragen auszuweichen oder sich gute Antworten zu überlegen, weil man eben direkt antworten muss. Also dass man eine Person trifft, bei der jede Aussage eine Lüge ist, oder die so falsches Zeug von sich gibt, dass selbst der Ungebildetste es bemerkt, wird man wahrscheinlich nie bis selten treffen.


    Falls man doch so eine Person trifft, dann stecken dahinter ja andere Motive oder eine bestimmte Ideologie (oder Verschwörungstheorie), die wahrscheinlich auch von anderen Leuten erkannt wird, oder viele bemerken, dass mit der Person etwas nicht stimmt.

    Wie man darauf regieren soll? Man konfrontiert die Person mit Fakten. Das wird dann wahrscheinlich so weit gehen, bis man sich über Definitionen streitet. Ab diesem Zeitpunkt ist dann Schluss und es bringt dann nichts mehr, weiter zu diskutieren. Aber wie gesagt, dass man so jemanden trifft, ist eher selten. Viele Menschen sind nicht so irrational. Mit vielen kann man ganz normal reden, Argumente austauschen oder sie auch überzeugen. Das wichtigste ist, dass man seinen Gegenüber ernst nimmt, ihm keine Dummheit unterstellt und ihn/sie auch respektiert. Man kann auch versuchen durch gezieltes Fragen, auf die wirkliche Ursache der Meinung einer Person zu kommen und dann eben darüber reden. Ich weiß auch nicht, was der Zusammenhang jetzt zu meiner Aussage ist, dass man durch politischen Aktivismus zu Veränderungen kommt. Wieviele tausende Mal wurde in der Geschichte schon bewiesen, dass soziale Veränderung nur durch politischen Aktivismus und Mobilisation von Massen möglich ist? Ich beziehe mich einfach nur auf Geschichte (vorsicht akademisch !!!), von daher mache ich ein historisches Argument und kein ideelles oder irgendwie theoretisches. Es hätte ja auch sein können, dass sozialer Wandel immer nur durch einen herzensguten Reformer möglich war, der sich ganz von selbst dazu entschieden hat, so war und ist es aber nicht, weil Macht sich nicht selbst entmachtet.

    Noch ein wichtiger Zusatz:

    Man sollte nicht Offenheit, wie ich sie hier beschrieben habe, mit Naivität verwechselt. Naiv sollte man nicht mit solchen Leute umgehen.

  • In der wissenschaftlichen Literatur gibt es einen Grundkonsens, was die Institutionen des Kapitalismus ausmachen. Das wären:


    1. Privateigentum an den Produktionsmittel

    2. Profitmotiv

    3. Lohnarbeit

    4. Ressourcenverteilung über den Markt


    Man kann das dann natürlich noch erweitern mit z. B. kulturellen Phänomenen.


    Im Mittelalter/ In der Antike gab es alle diese 4 Dinge (und das Kulturelle) nicht, oder sie waren gesellschaftlich irrelevant. Einige User hier im Forum haben, IMO, die Auffassung, dass Kapitalismus sehr viel mit der Unterwerfung der Gesellschaft unter die Wirtschaft zu tun hat und dass es die anderen Dinge (die 4 Punkte) wohl irgendwie schon immer gegeben hätte und dass diese Unterwerfung der Wirtschaft das wichtigstes Definitionsmerkmal wäre. Aber das ist es nicht bzw. die anderen Merkmale sind genauso wichtig, bzw. ohne diese anderen Merkmale gäbe es die Unterwerfung unter die Wirtschaft auch nicht (aus dem Profitmotiv lässt sich z. B. folgen, dass alle menschlichen Beziehung verwertet werden müssen oder wie man auch sagt, kommodifiziert werden müssen). Imo ist die Kommodifikation aber nicht so stark, wie es vielleicht den Anschein hat. In einem anderen Post habe ich eine Statistik gepostet (die aus Befragungen besteht), in der angegeben ist, wieviel Zeit die Menschen mit unbezahlter Arbeit (also nicht-kapitalismus) verbringen. Und diese unbezahlte Arbeitszeit nimmt schon eine großen Teil der Zeit ein. Hier lässt sich auch wieder gut die Theorie von Gramsci anwenden. Man sagt auch in marxchen Kreisen, dass die Arbeiterklasse immer versuchen würde, den Lebensstil der Bourgeoisie zu immitieren (Luxusgüter usw.). Das widersprüchliche Bewusstsein wäre dann, dass in der bürgerlichen Gesellschaft jeder oberflächlich nach Luxus usw. strebt, aber in Wahrheit hat man ganz andere Werte. Die Idee des luxeriösen Lebens kommt dann eben von der Bourgeoisie und ist im Widerspruch zu den ursprünglichen Werten der Arbeiterklasse wie Solidarität, mutual Aid usw.. Ich hoffe das war verständlich haha ;D ;D

    Diese Statistik ist übrigens interessant. Der Autor der Studie meint, dass diese unbezahlten Tätigkeiten den Kern einer alternativen Wirtschaftsweise bzw. eines alternativen Lebens jenseits der Kapitalismus beinhalten und dass man dort ansetzen sollte. In Krisensituationen ist ja ähnlich, da kommt auch immer die solidarische Seite raus (die Klopapierkäufe und Hamsterkäufe hat nur ein kleiner Teil der Leute gemacht, kann man nicht verallgemeinen, es gab ja auch Nachbarschaftshilfe usw.)




    AlienObserver

  • Es ist faktisch so, dass der Kapitalismus im Westen ohne autoritäre Staaten wie China und die Menschenunwürdigen Produktionsmethoden dort nicht mehr funktionieren würde.


    Man kann das auch umdrehen: Ohne den westlichen Kapitalismus als Nachfrage- und Investitionsmotor und den Bedarf der westlichen Wirtschaft, ihr schrumpfendes Wachstum durch die Erschliessung neuer Märkte anzukurbeln, hätte China seinen "Sozialismus mit chinesischem Charakter" nie so erfolgreich machen, und sich nie so schnell von einem größtenteils rückständigen Agrarstaat zu einer hoch produktiven Industrienation entwickeln können, in der sich das allgemeine Lohnniveau in den letzen vierzig Jahren nahezu verfünffacht und 750 Millionen ChinesInnen über die Armutsgrenze gehoben hat, während die durchschnittlichen Reallöhne z.B. in den USA im selben Zeitraum praktisch stagnierten. Heute ist China das Land mit der weltweit höchsten durchschnittlichen(!) Kaufkraft pro Kopf (natürlich nur in nationaler Währung).

    Interessanterweise besteht die chinesische Staatsführung weiterhin darauf, China als Entwicklungsland einzustufen und nicht als Schwellenland oder gar als eine vollentwickelte Industrienation. (Hat wahrscheinlich den politischen Grund, dass die "kommunistische" Partei einen tatsächlichen Kommunismus bisher ja noch nicht entwickelt hat.)


    An der Reallohnentwicklung macht sich allerdings auch der große Unterschied zwischen einer "freien" und einer vom Staat gezielt gelenkten Marktwirtschaft bemerkbar. Während man in den USA - und in etwas entschärferteren Formen auch im Rest der westlichen Welt - ideologisch bedingt im Grunde seit Jahrzehnten an der angebotsorientierten Theorie von trickle-down-economics festhält (dergemäß man staatlicherseits nur die Bedingungen für die Unternehmen und ihre EigentümerInnen auf höchstmögliche Profitmaximierung einstellen müsse, damit von deren Wohlstandswachstum auch ein angemessener Anteil bei den abhängig Beschäftigten ankomme), hat die chinesische Regierung schon früh ganz gezielt auf eine stetige Erhöhung des nationalen Lohnniveaus gesetzt, um den Binnenmarkt zu stärken und sich weniger Abhängig von Exporten zu machen (als zum Beispiel unser superwettbewerbsfähiges Mutterland der organisierten Lohnzurückhaltung).


    Vor allem hat China auch nach seiner Öffnung für die westliche Wirtschaft den Kapitalverkehr nicht einfach liberalisiert, wie es zum Beispiel der russischen Regierung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von ihren westlichen Beratern eingeredet wurde - was dort dazu führte, dass sich eine Bande von Ex-KGBlern, ehemaligen Parteikadern und sonstigen Gangstern einen großen Teil des früheren sowjetischen Staatseigentums aneigneten, zu Geld machten und letzteres dann schnurstracks auf lukrativere Finanzmärkte in stabileren Währungsräumen im Westen transferierten um so in kurzer Zeit ihre milliardenschweren Oligarchen-Imperien aufzubauen.


    Anders als das tatsächlich korrupte Jelzin-Regime in Moskau nach dem chaotischen Fall des eisernen Vorhanges, hat die Chinesische Regierung von Anfang an sehr genau darauf geachtet, dass in China erzeugter Profit auch zu einem großen Teil weiter in China investiert wurde und so auch der eigenen Bevölkerung zugute kam.

    Die Chinesischen Parteibonzen allesamt als "korrupt" zu bezeichnen, erscheint mir daher nicht so ganz zutreffend.

    Mit Sicherheit gibt es in einem riesigen Land wie China mit seiner, auch schon vor der Kulturrevolution traditionell stark ausgebauten Bürokratie große Probleme mit Korruption, vor allem auf Kommunaler Ebene. Die Regierung spricht selbst davon, dass man die Korruption besser bekämpfen müsse. Aber die Parteiführung in Peking scheint insgesamt doch einer relativ gefestigten politischen Linie zu folgen und sich dabei eher von ideologischen Grundsätzen leiten zu lassen, als von persönlichem Gewinnstreben. (Vielleicht sind die chinesischen Parteibosse aber auch einfach nur geschickter darin, ihre privaten Geschäfte geheim zu halten, als amerikanische Spitzenpolitiker oder aufstrebende deutsche Bundestagsabgeordnete.)


    Allerdings benimmt sich China heute gegenüber dem Rest der Welt, und insbesondere in rohstoffreichen Entwicklungsländern, zunehmend imperialistisch - wenn auch bisher noch mit nicht-militärischen Mitteln - , weil die rasanten Wachstumsraten einen gewaltigen Ressourcenverbrauch erforderlich machen, den China - genauso wie der Westen - aus eigener Kraft und mit den eigenen, mittlerweile relativ(!) hohen Lohnkosten nicht mehr bewerkstelligen kann, wenn es nicht größere Abstriche beim Wachstum machen will.

    Außerdem hat China mittlerweile selbst ein Oligarchen-Problem. Dass dort die Milliardäre verschwinden, während der amtierende Staats- und Parteichef die Begrenzung seiner Amtszeit aufheben und seine eigenen "Gedanken" über Staat und Partei nach Vorbild Maos und Deng Xiaopings in die Verfassung der Partei schreiben lässt, könnte man auch als Zeichen dafür sehen, dass die kommunistische Parteiführung mittlerweile realisiert, dass sie ihre Fähigkeit, die kapitalistischen Geister die sie rief durch pragmatische Wirtschaftspolitik unter Kontrolle zu halten wohl etwas überschätzt hat und jetzt - auch wieder mit zunehmder Gewalt gegen Teile der eigenen Bevölkerung - versucht, die gewohnte Kontrolle über das Land nicht zu verlieren.


    Ich würde sagen, China ist heute eigentlich ein kapitalistisches Land, das aber keines sein will. Es lässt ausbeuterische Lohnarbeit nicht nur zu, sondern fördert sie sogar. Es erlaubt die Anhäufung von privatem Kapital und ist darauf angewiesen dass es Wachstum erzeugt. Es lässt kapitalistische Marktwirtschaft zu und beteiligt sich international daran.

    Natürlich ist die Wirtschaft härter reguliert als in den meisten westlichen Ländern, aber für die effiziente private Kapitalverwertung ist es ohnehin wichtiger, dass klare Regeln bestehen, als dass alle wirtschaftlichen Akteure völlige Handlungsfreiheit haben. Die haben sie schliesslich auch im westlichen neoliberalen Spätkapitalismus nicht, wo staatliche Regulierung häufig nicht zur Befreiung des Marktes dient, sondern zur Befreiiung der mächtigsten Marktteilnehmer von Konkurrenten, welche die staatlichen Auflagen nicht erfüllen können.


    Deshalb halte ich auch an meiner verkürzten Kapitalismus-Definition fest: Kapitalismus ist die Herrschaft des Kapitals über die Gesellschaft.

    "Das Kapital" ist hierbei allerdings nicht einfach nur die kapitalistische Klasse. In China hat die politische Klasse zweifelsohne immer noch wesentlich mehr direkte Kontrolle über die Gesellschaft, als die private Wirtschaft. Aber zum Gelingen ihres großen Projektes, vom "chinese dream", von Wohlstand durch Wachstum für alle, hat sie sich immer stärker davon abhängig gemacht, dass sich privates Kapital akkumulieren und auf einem immer noch von westlichen Konzernen dminierten Weltmarkt verwerten kann, welcher keiner nationalen Gesetzgebung folgt, und den auch das mächtige Zentralkommitee der kommunistischen Partei und ihr Präsident nicht kontrollieren können.


    Das gefährliche an der kapitalistischen Marktwirtschaft ist ja gerade, dass sie einer so bestechenden inneren Logik zu folgen scheint, aus der die moderne Ökonomik kaum einen Ausweg findet, so lange sie nicht ihre eigenen ehernen Grundsätze, und damit den Kapitalismus selbst in Frage stellt.

    Auch die chinesischen Ökonomen, von denen sich die kommunistische Parteiführung bei der Errichtung ihrer gelenkten Marktwirtschaft beraten ließ, haben zu Beginn ihr Wissen über angewandten Kapitalismus auf westlichen Wirtschaftsfakultäten gelernt. Einer der großen Fortschritte in der chinesischen Politik war schliesslich die Erkenntnis, dass man vor allem die nationale Bildung und den Forschungsstand mit westlichem Wissen anreichern musste um mit dem Westen aufzuschliessen und auf Augenhöhe verhandeln zu können.


    Kann natürlich auch sein, dass es dem chinesischen Staat noch gelingt, seine Autorität zu behalten, indem er z.B. die Bevölkerung flächendeckend über ihr social credit system totalüberwacht und so verhindert, dass die steigende Konsumfreiheit auch zu wachsendem Bedarf an (scheinbarer!) politischer Freiheit führt. Aber - egal ob dass dann noch Kapitalismus ist, oder nicht - mit Demokratie nach unseren Maßstäben hätte das sicher wenig zu tun.


    Ist natürlich alles meine westlich geprägte Sichtweise. Wahrscheinlich schätzt man China in vielerlei Hinsicht falsch ein, wenn man sich nicht mit Sprache und Kultur auskennt und seine Informationen nur durch westliche Medien gefiltert bekommt.

  • Ja sicher ist China Teil des globalen Kapitalismus.


    Wie ich oben schon schrieb:


    China ist heute eigentlich ein kapitalistisches Land, das aber keines sein will.

    Der Anteil an staatlichen Unternehmen ist in China natürlich immer noch sehr hoch, aber weltweit konkurrenzfähig wurde die chinesische Wirtschaft eben erst, als der Staat privates Kapital zunächst von außen ins Land kommen, und dann im Land selbst entstehen ließ.

    Staatskapitalismus ist am Ende eben auch Kapitalismus - vor allem wenn er mit privaten Unternehmen in Konkurrenz steht.


    Der liebe Jonny wird dazu natürlich schon aus Prinzip eine andere Meinung haben als ich, aber egal wie man das chinesische System bezeichnet - Mit demokratischem Sozialismus oder Kommunismus hat es ganz bestimmt nichts zu tun. Es befreit die Nicht-Besitzer des Kapitals nicht von der Abhängigkeit von den Eigentümern - ob die nun staatlich oder privat sind - und es hebt auch keinen Klassenunterschied auf, sondern die politische Klasse gleicht auch dort mit zunehmendem Wachstumsbedarf ihre Politik den Erfordernissen der Kapitalverwertung an.

  • was ich noch nicht so recht auseinanderhalten kann: ist kapitalismus ein prinzip welches nur für die wirtschaft, also im code geld mit der voraussetzung eigentum operiert? d.h. das prinzip der kapital-akkumulation ist nicht kapitalistisch, wenn andere typen von kapital in einem system akkumuliert werden: wissen (wissenschaft), macht (politik), recht (rechtsprechung). also würde es erst dann kapitalistisch, wenn andere typen in form von geld in relation gesetzt und damit auch akkumuliert werden könnten (wirtschaft durchdringt andere gesellschaftsteile)?

  • @SeBu


    Kapital ≠ Geld


    ...so lange es nicht profitabel investiert ist - jedenfalls nicht für linke Kapitalismuskritiker, die sich irgendwie auf Marx' Analyse berufen.

    Aber auch die ökonomische Lehrmeinung kann man in diesem Fall als Definition durchaus so stehen lassen:


    Volkswirtschaftstheorie


    Kapital wird definiert als Produktionsfaktor neben Arbeit und Boden. Unter Kapital wird in diesem Zusammenhang der Bestand an Produktionsausrüstung verstanden, der zur Güter- und Dienstleistungsproduktion eingesetzt werden kann (Kapitalstock).

    Geld für Investitionszwecke: Es spielt dabei keine Rolle, aus welchen Quellen - Sparen, Unternehmergewinn, Krediten - das Kapital zur Verfügung gestellt wird. Kurzfristig ist für die Bildung von Produktionsausrüstung (Realkapital) nur die Finanzierung, nicht aber ein vorausgehendes Sparen notwendig (Nettoinvestitionen).

    (wobei Boden natürlich strenggenommen auch zum Kapital gehört.)


    Angehäuftes Wissen kann natürlich auch Kapital sein, wenn es exklusiv ist weil man es sich zum Beispiel patentieren lässt, oder in Form von Software-Lizenzen vermietet oder verkauft.

    Macht an sich ist aber - jedenfalls aus meiner Sicht - eher selten das eigentliche Kapital, sondern sie entsteht für die Kapitaleigner erst aus der Anhäufung von Kapital. Wenn davon schon viel vorhanden ist, dann können die EigentümerInnen natürlich auch aus der daraus entstehenden Macht, zum Beispiel über Märkte, oder über politische Parteien, weiteres "Kapital" schlagen. Im Prinzip besteht im Kapitalismus immer die Tendenz, alles was sich privat aneignen lässt in Kapital zu verwandeln, um daraus noch mehr Kapital zu machen. Das ist ja genau das Problem.

    Das Geld ist dabei nur ein Mittel zum Zweck, wenn auch ein sehr effizientes.


    Wie man Rechtsprechung akkumulieren soll verstehe ich allerdings nicht. Das geltende Recht entsteht ja erst aus den Machtverhältnissen. In einer Gesellschaft in der die Anhäufung von privatem Eigentum als Kapital dessen EigentümerInnen mehr Macht verschafft, als den nicht-EigentümerInnen, richtet sich natürlich auch die Gesetzgebung eher nach den Kapitalinteressen als nach den Bedürfinissen derer, die über kein oder nur wenig Kapital verfügen.


    Kapital - so rein als Produktionsfaktor betrachtet - ist an sich natürlich nicht per se schlecht. Aber wenn es so verteilt ist, dass sich daraus eine Klassengesellschaft ergibt, weil ein Teil der Gesellschaft es als sein privates Eigentum besitzt und der andere Teil nur seine Arbeitskraft als "Kapital" in den Produktionsprozess einbringen kann, dann wird es eben zu einem gesellschaftlichen Verhältnis, das die materiellen Umstände des sozialen Zusammenlebens bestimmt und vereinnahmt.

    Würde das Kapital gleichberechtigt und gemeinschaftlich von allen Menschen kontrolliert die es mit ihrer Arbeit erst produktiv machen und nicht exklusiv von wenigen privaten EigentümerInnen, dann wäre es auch kein Ausdruck eines Machtverhältnisses mehr, sondern einfach ein Mittel, um Arbeit produktiver zu machen und mit den Produkten allgemeine Bedürfnisse zu befriedigen.

  • Utan und @JonnyMadFox

    Ja ist denn nun China Kapitalismus?

    Stimmt ihr meiner These zu dass China und Deutschland Teil des globalen Kapitalismus sind?

    China wird in der Literatur immer als Flickenteppich, bestehend aus staatlichen Unternehmen und privaten Unternehmen beschrieben. Anders wie im Westen, konnte sich der Neoliberalismus nicht durchsetzen. In der Krise nach dem Tod von Mao und der Verschlechterung des Lebenstandards, hat man die wirtschaftlichen Vorstellung der Maoisten kritisiert, aber zur gleichen Zeit hat man komplette Marktliberalisierung genauso nicht als geeignet gesehen, vor allem weil die Marktliberalisierung im Sinne einer Schocktherapie (Strukturreformen), die von einigen Politikern vorgeschlagen wurde, schlimme Konsequenzen für die Bevölkerung gehabt hätten (so wie es in vielen anderen Ländern passiert ist). Die Politiker hatten eine viel ausgewogenere Vorstellung von Wirtschaft, nicht nur die Dichtomie von Markt und Planung. Dass kapitalistische Märkte Wachstum produzieren können, hat man als etwas positives und für die chinesische Wirtschaft notwendiges gesehen, man wollte aber keinen harten Bruch mit der Planwirtschaft.

    Ab 1981 gab es in China das sogenannte Dual-Price tracking System.

    Die für Unternehmen vorgegebenen Quota mussten die Unternehmen zu staatlich vorgegebenen Preisen verkaufen, die überschüssige Produktion durfte dann aber zu Marktpreisen verkauft werden. So hat man ein System gefunden, mit dem man langsam die Wirtschaft liberalisieren konnte, ohne die katastrophalen Folgen einer sofortigen Liberalisierung. Das System gibt es auch heute noch und die chinesischen Ökonomen haben, was die Wirtschaft angeht, keine starre Ideologie, weil sie eben realisiert haben, dass man Planung und Märkte zu seinem Vorteil benutzen kann. China hat in der Tat zwar ein kapitalistisches System, das aber durch hohe Intervention, bis auf die Marktpreisebene, charakerisiert ist, also auch planwirtschaftliche Elemente hat. Die hierarchischen Strukturen sind aber nach wie vor so autoritär wie im Kapitalismus oder wie auch bei zentralisierter Planung.

  • was ich noch nicht so recht auseinanderhalten kann: ist kapitalismus ein prinzip welches nur für die wirtschaft, also im code geld mit der voraussetzung eigentum operiert? d.h. das prinzip der kapital-akkumulation ist nicht kapitalistisch, wenn andere typen von kapital in einem system akkumuliert werden: wissen (wissenschaft), macht (politik), recht (rechtsprechung). also würde es erst dann kapitalistisch, wenn andere typen in form von geld in relation gesetzt und damit auch akkumuliert werden könnten (wirtschaft durchdringt andere gesellschaftsteile)?

    Es gibt viele verschiedene Formen von Kapital:

    Produktives Kapital

    Geldkapital

    Warenkapital

    Zirkulierendes Kapital

    Zinskapital

    Aktienkapital

    usw.


    Allen gemeinsam ist, dass sie eingesetzt werden mit dem Ziel, mehr Kapital als vorher zu erzeugen (sozusagen als Investition, um Profit daraus zu machen). Kapitalakkumulation beschreibt dann die Ansammlung von Kapital (z. B. Geldkapital). Genauso wie Geld an sich noch kein Kapital ist, gibt es andere Dinge, die kein Kapital sind, die aber in Kapital verwandelt werden können. Eine modernere Ausgeburt davon ist z. B. das Konzept des Humankapital. Andere Formen von Akkumulation würde ich nicht als Kapitalismus bezeichnen. Es hilft, wenn man weiß, dass es so etwas wie Kapitalakkumulation, in früheren Zeiten, nicht gegeben hat, oder nur sehr stark begrenzt.


    Ein niedliches Bild dazu:


    400px-Mehrwert_schaubild.png


    Dieses "immer wieder" ist das charakteristische am Kapitalismus. Darauf aufbauend erhebt sich dann der politische und ideologische Überbau, der dafür sorgt, dass dieser Kreislauf nie aufhört und nicht gestört wird.

  • Passt ja gerade in diesen Thread (eher in den Marx Thread), dass du aus dem Gabler Wirtschaftslexikon zitierst, das Kapital, Boden und Arbeit als Produktionsfaktoren nennt. Diese Auffassung kommt aus der Vulgärökonomie der Bourgeoisie und wurde von Marx als Ideologie kritisiert, weil sie die Verschleierung der kapitalistischen Verhältnisse schlechthin sind.




    https://de.m.wikipedia.org/wik…rmel_(Produktionsfaktoren)

  • Utan schon klar, habe daher auch bewusst nicht geschrieben: kapital ist geld. sondern nur, dass wirtschaft im code geld operiert (ist son luhmann ding). aber danke für die ausführungen, auch an @JonnyMadFox.

  • ?

    Huawei ist kein "demokratisches" Unternehmen wie Mondragon. So wie ich das verstehe, sind die Gewerkschaften deren Mitglieder die Anteile halten, Kader der Parteien, weshalb zwar Huawei ein Mitarbeitergeführtes Unternehmen ist, aber letztendlich die Parteibonzen autoritär Macht ausüben können (Was Huawei de facto zu einem Staatsbetrieb macht).

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