https://www.sueddeutsche.de/pr…i-gentrifizieren-e399731/
ZitatIn deutschen Großstädten steigen die Mietpreise ins Ungeheuerliche. Wie Immobilienkonzerne wohl ausgerechnet Street Art nutzen, um die Preise hochzutreiben.
Zitat„Wir sind hier zusammengekommen, um den großartigen Maxim zu feiern. Rest in Peace, Bruder.“ Von der Familie für die Familie sei das Motto, erklärt einer der beteiligten Graffitikünstler in die Kamera. Aydins Witwe und sein Sohn Cihad gehören an diesem Tag im September aber nicht zu den geladenen Trauergästen.
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Dass der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen das Berlin Mural Fest, in dessen Rahmen das Mural enthüllt wurde, als Partner unterstützt, ja sogar die Wand des Wohnhauses in Berlin-Kreuzberg zur Verfügung stellt, auf die das Antlitz seines verstorbenen Vaters gemalt werden würde, hätte man ihm aber verschwiegen.
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Der Gipfel sei, dass er und seine Mutter von den Veranstaltern nicht zum Gedenken vor der Wand eingeladen worden wären.
ZitatAlles anzeigenerklärt Carolin Genz von der Humboldt Universität in Berlin.
„Der Kapitalismus macht sich die Kultur zur Image-Polierung zu eigen“, sagt sie weiter. Man spreche von Art-Washing, wenn sich Unternehmen wie hier wohl Deutsche Wohnen mit Kunstprojekten in besserem Licht darstellen.
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Seit 2019 unterstützt die DW das Berlin Mural Fest finanziell und mit Hauswänden. Und nicht nur in Berliner Kiezen, auch in Dresden, Düsseldorf, Frankfurt und Leipzig organisiert der Konzern seit Jahren medienwirksame Street Art- und Graffiti-Projekte. Unter dem Slogan „Kunst für den Kiez“ präsentiert sich die DW in den sozialen Netzwerken als hippe Brand mit Herz für die Nachbarschaft
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Die Gentrifizierungsforscherin Carolin Genz weist darauf hin, dass längst nicht nur die Deutsche Wohnen ein Interesse an Urban Art entwickelt hätte. Denn die Liste der Immobilienkonzerne, die Street Art und Graffiti in ihre Firmenkommunikation integriert haben, ist lang: Vonovia, Patrizia AG, GAG Immobilien AG. Die Firmen sitzen in Hannover, Köln und München.
ZitatWie Carolin Genz von der Humboldt Universität ausführt, gehe es aber um mehr als Publicity. „Konzerne wie DW werten mit kulturellem Kapital Orte zu besonderen Orten auf“, erklärt die Stadtanthropologin. „So sollen auch Bausubstanz und Boden aufgewertet werden.“ Oder, wie es die Deutsche Wohnen auf ihrer Homepage selbst formuliert: „Das bringt Farbe in die Kieze und lässt sie zu einzigartigen Orten werden.“
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Eine Studie des Data Science Lab der Warwick Business School bestätigt 2016 einen Zusammenhang zwischen Kunst im öffentlichen Raum und der Mietpreisentwicklung: Je mehr Fotos von Street Art in einem Londoner Viertel bei Flickr gepostet wurden, desto schneller stieg in diesem Viertel auch der Mietpreis.
ZitatMan kann das auch selbst beobachten: Für jetzt errechnete das Immobilienportal Immowelt.de aus allen inserierten Angeboten den durchschnittlichen Quadratmeterpreis für Bestandswohnungen in Berlin Marzahn-Hellersdorf von 2018 bis heute. Obwohl die durchschnittliche Miete für die Stadt Berlin in diesem Zeitraum eigentlich um zwei Prozent gefallen ist, ist sie in Marzahn-Hellersdorf um mehr als zehn Prozent gestiegen. Und um hier noch einmal den Bogen zur Deutsche Wohnen zu schlagen: Marzahn und Hellersdorf dienten mit insgesamt sieben Locations als zentraler Standort des Berlin Mural Fest 2019.
PS: die Sache mit dem Lieferando Headquarter ist an Ironie auch kaum noch zu übertreffen