@Tim
Ich arbeite aktuell 35 Stunden in Lohnarbeit, habe mehr als ausreichend Urlaub (30 Tage). Mein Arbeitgeber ist auch kein Risikofreudiger, daher würde ich auch den Betrieb als relativ krisenfest beschreiben. Und der Vorteil sehe ich darin, dass ich meine 7 Stunden am Tag arbeite und dann wirkliche Freizeit habe, auch wenn man diese Freizeit natürlich auch Reproduktionszeit nennen könnte. Aktuell wird sogar überlegt, ob wir (Arbeitnehmer) gegen eine sehr geringen Lohneinbuße 30 Stunden arbeiten könnten, welches ich vermutlich nutzen werde.
Daher auch meine Frage in die Runde, wo ist mein Bewusstsein falsch und in wiefern habe ich ein falsches? Und wo ist genau das Problem, wenn der Mehrwert meiner Arbeit an den Chef fließt.
Natürlich gibt es Menschen, die mehr Privilegien haben in ihrem Job als andere. Das verneine ich ja nicht und es ist allgemein IMO sehr schwierig gegen das, was du schreibst, zu argumentieren. Ähnlich ist das, was laut Quellen, die Chinese über ihre Gesellschaft sagen. "Wir leben in einer Diktatur, haben keine Demokratie, aber uns geht es gut, wir haben Wirtshaftswachstum und unser Lebensstandard steigt. Schaut euch an, zu was eure Demokratie geführt hat (Trump, rechtskonservative in Europa ect.)." Es ist nicht leicht, die Menschen zu überzeugen, dass es bessere Lebensformen gibt, wenn ihre materiellen Grundlagen dazu führen, dass sie gewisse Freiheiten haben. Aber das stimmt eben nicht für alle Arbeiter. Die extreme Arbeitsteilung, die es mittlerweile im Kapitalismus gibt, hat zu einer genauso extremen Spezialisierung geführt. Diese extreme Spezialisierung, in Bezug auf den Arbeitsplatz, führt zu einem "falschen Bewusstsein" in dem Sinne, dass es zu einem erheblichen Einschränken des sozialen und politischen Bewusstseins kommt. Worauf basiert deine Arbeit? Wie ist die Lebenssituation der Arbeiter in der Lieferkette? Woher kommt die Produktivität, durch die du eine 30 Stunden Woche arbeiten kannst? Glaubst du selbst, dass die Arbeit, die du machst, der Gesellschaft etwas bringt oder fügt deine Arbeit der Gesellschaft vielleicht sogar Schaden zu? Denkst du von deiner Arbeit vielleicht, dass sie komplett unnötig wäre, und wenn man sie abschaffen würde, würde es jemand überhaupt bemerken? Das sind alles Fragen, die man sich stellen kann und mit deinen man seinen Horizont politisch und sozial erweitert. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass du in einer priviligierten Position bist (dagegen ist ja nichts einzuwenden), andere Menschen aber nicht. Die Globalisierung hat zu einem Teil auch dazu geführt, dass Produktionen in andere Länder mit schlechten oder sogar sehr schlechten Arbeitsbedingungen ausgelagert wurden. Basiert als die Arbeit auf der Ausbeutung anderer? Will ich in einer solchen Welt leben? Wieso wird überhaupt für deine gerinere Arbeitszeit dein Lohn verringert? Usw. ect..
Ja, die Struktur ist Zweifelslos autoritär, die wir aber durch eine recht gute Arbeitnehmerorganisation ausgleichen.
Das mag ja sein für eine kurze Zeit, aber du darfst nicht vergessen, dass es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen im Kapitalismus unüberbrückbaren Widerspruch, was Interessen angeht, existiert. Sobald dein Betriebsrat (oder wie auch immer) nicht mehr existiert, geht dein Arbeitgeber wieder auf Autopilot und Autopilot bedeutet, das Meiste aus den Arbeitern rauspressen, was geht.
Wenn ein paar Leute reich werden wollen, sollen sie es versuchen. Durch starke sozialpolitische Maßnahmen kann man meiner Meinung, vieles Eindämmen, was ich als äußerst ungesund beschreiben würde.
Ja über einen kurzen Zeitraum kann man Refomen einbringen, die die Exzesse des Kapitals eindämmen. Aber solange Wettbewerb einen Gewinner hat, solange private Einzelpersonen kontrolle über Ressourcen, Investitionen, Arbeitsplätze usw. haben und solange wirtschaftliche Macht sich in politischer Macht niederschlägt, kann man reformieren, wie man will.
Trotzdem verstehe ich noch nicht, wieso ich mein Angestelltendasein aufgeben soll, damit es anderen in der Welt besser geht? Und/oder meinen Wohlstand aufgeben und dann würde es anderen besser gehen? Anstatt genau das kollektive Momentum als Status des Arbeitnehmers zu nutzen.
Weil dir die Formen der sozialen Kontrolle, Lohnarbeit, Werbung, konstruierte Sehnsüchte und Konsum dir alle suggerieren, dass du genau das sein willst. Du willst auf ewig ein Lohnarbeiter sein, der den Rest seines Lebens eine 30 Stunden Woche lebt, der seinem Chef hörig ist, der seine eigenen Kreativität am Ort seine materiellen Grundlage einschränken will, damit dir ja der Chef weiter die Privilegien am Arbeitsplatz gibt. Der ideologische Überbau in der bürgerlichen Gesellschaft schreibt dir nicht nur durch Gewalt vor, was du zu sein hast, sondern er suggeriert dir auch durch die Bildungsinstitutionen und Propaganda, was du selbst sein willst.
Ich glaube schon, dass Lohnarbeit ein Teil vom Kapitalismus ist, gerade die Trennung in Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist elementarer Bestandteil des Kapitalismus. Jonnymadfox hat das ja ausführlich hier im thread ausgebreitet.
Kapitalismus ohne die Hierarchien der Lohnarbeit wären Genossenschaften, kooperative Formen der Arbeit. Das ist schwerlich miteinander vereinbar, da Genossenschaften gegründet werden, um dem Allgemeinwohl zu dienen, was sich auch in der Form der Arbeit ausdrückt. Im Kapitalismus wird sozial gearbeitet, aber privat angeeignet. Wenn sozial gearbeitet wird und sozial angeeignet wird, wird sich auch das Bewusstsein ändern, in der Hinsicht, dass das soziale wichtiger ist, weil eben alle davon betroffen sind, nicht einzelne Personen. D. h. eine Wirtschaft aus Genossenschaften wird für die Bedürnisse aller arbeiten.
Soweit klassisch Marxistisch, was dann auch im Stalinismus endete.
Es gibt in der Gesellschaft nicht, was determiniert wäre. Klassischer Marxismus ist aber orthodoxer Marxismus, eine mechanistische Interpretation von Marx, die Lenin entwickelt hat und auf die sich auch Stalin gestützt hat. Marxens eigene Ideen würde man zu den heterodoxen Wirtschaftswissenschaften ordnen.
Dieses ganze Sein / Bewusstseins Ding kommt ja von Marx. Und Marx bezieht sich darauf, dass die "materielle Produktion", also das Sein, das Bewusstsein bestimmt. Marx selbst hat dazu nicht viel geschrieben, außer ein paar Sätze. Spätere Theorien dazu hatte immer das Problem, das sie diese Konzept von Marx nicht zu eng und mechanistisch sehen durften, weil dem Proletariat ansonsten regliche Form von autonomen Handeln in Abrede gestellt wird. Marx hat aber selbst eine Theorie des Wandels (natürlich). Sobald die Produktivkräfte eine bestimmte Stufe erreicht haben, kommt es zu einem Konflikt zwischen den Klassen und sozialer Wandel findet durch Revolution statt. Ab einer bestimmten Stufe verhindert die Bourgoisie sogar sozialen Wandel (so wie heutzutage), dieser Widerstand muss auch gebrochen werden.
Was Utan schreibt, dass weiß sowieso keiner. Weil er 1. mich plagiert. 2. Einmal sagt, Aufklärung wäre für den Arsch. 3. Jetzt soll Aufklärung auf einmal doch was bringen. Was Utan aber vergisst, ist dass Ideologiekritik (wie er es jetzt nennt), immer einen Widerspruch beinhaltet: Sie ist eine nichtnormative Kritik, die aber normativ sein soll. Ohne eine Alternative zu haben, ist das keine Ideologiekritik, sondern einfach nur Kritik ohne Substanz, weil ich ein Wertesystem haben muss, dass der Ideologie entgegensteht, ansonsten habe ich gar keine Bezugsobjekt.