Kapitalismus

  • Hier für alle die in dieser Diskussion raus sind, meine kurze Definition des Subjekts (aus dem Gedächtnis) nach Foucault und wie es sich vom Marxistischen Subjektbegriff (nach Gramsci) unterscheidet.


    Das Subjekt bei Foucault wird in seinem sozialen Umfeld durch die Erwartungen die an es gestellt werden geprägt (Eltern usw). Natürlich vor allem durch die Institutionen die zu diesem Zweck (Machtwerkzeuge) geschaffen wurden, wie Schulen oder Universitäten,


    Das Individuum wird also durch seine Verortung in die Rolle geformt die es Besetzt. Schäuble und Scholz handeln wie sie handeln weil die Erwartungen an die Position Finanzminister Deutschlands innerhalb der Institutionen die sie besetzen sie prägt, nicht umgekehrt.


    In Tilos Interview mit Bodo Ramelow stutzt Ramelow Tilo zurecht und erklärt ihm genau das. Nämlich, dass er nicht als Bodo der Linke sondern Ramelow der Ministerpräsident handeln muss.


    Revolutionen entstehen durch eine Veränderung an die Erwartungen mit der diese Rolle besetzt ist, (z.B. Frau, Mann, Arbeiter, Unternehmer, Ministerpresident ...). Beispiele erfolgreicher Revolutionen sind die Gay Rights Bewegung oder der Feminismus.


    Diese erfolgreiche Revolution wird dadurch getragen, dass diejenigen die sich der Erwartungen der Gesellschaft entgegenstemmen nicht mehr als ausgeschlossene gelten sondern innerhalb der Gesellschaft am Diskurs in dieser Rolle Teilnehmen können.


    Das alles erklärt ein überzeugter Marxist für unmöglich. Marxisten wie Antonio Gramsci sind der Überzeugung dass Revolutionen nur von Klassen, insbesondere von der Arbeiterklasse, durchgeführt werden können. Man kann sich also seiner Klassenzugehörigkeit und der damit einhergehenden Prägung nicht entledigen man kann sich nur als Klasse emanzipieren. gesellschaftlicher Wandel muss also aus dem Solidarischen Handeln der Arbeiter entspringen.

  • hier ein beitrag von jmd. der jetzt aus der "diskussion" raus ist:

    "Episteme

    Episteme ist etymologisch abgeleitet von griechisch ἐπιστήμη und bedeutet „Erkenntnis“, „Wissen“ oder „Wissenschaft“. Es stammt vom Verb ἐπίσταμαι, das „wissen“ bedeutet.


    Platon begründet die Höherwertigkeit des auf das Allgemeine gehenden Denkens gegenüber dem Zufälligen der körperhaften Sinneswahrnehmung. Auch Aristoteles unterscheidet die Erkenntnis von der Sinneswahrnehmung und dem bloßen Meinen. Er verwendet den Begriff episteme in seiner Nikomachischen Ethik jedoch im engeren Sinne, um ihn als theoretisches Wissen gegen Techne, das praktische Können, abzugrenzen. Zuvor wurden die beiden Begriffe mehr oder weniger synonym verwendet. In der Nikomachischen Ethik sind Episteme und Techne zwei der fünf Grundhaltungen der Seele, die zur Erfassung des Richtigen benötigt werden. Die anderen sind: Phronesis (sittliche, praktische Einsicht; Begreifen), Sophia (philosophische Weisheit) und Nous (intuitiver Verstand; geistiges Erfassen; Vernunft).


    Der Philosoph Michel Foucault verwendete den Begriff episteme in seinem Werk Die Ordnung der Dinge in einer besonderen Bedeutung. Er meint damit das historische a priori, welches das Wissen und dessen Diskurse begründet. Es repräsentiert dadurch die Bedingung der Möglichkeit von Wissen innerhalb einer bestimmten Epoche.


    Die fundamentalen Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte, die Hierarchien ihrer Praktiken beherrschen, fixieren gleich zu Anfang für jeden Menschen die empirischen Ordnungen, mit denen er zu tun haben und in denen er sich wiederfinden wird.


    In folgenden Schriften hat Foucault klargestellt, dass mehrere Episteme als Teile von verschiedenen Macht/Wissenssystemen zur selben Zeit existieren und miteinander interagieren können." (wikihausen)

  • Es gibt übrigens sehr Erfolgreiche Versuche beide Strömungen zu vereinen. Das Philosophenpaar Ernesto Laclau/Chantalle Mouffe haben eine quasi "marxistische Theorie der Diskursanalyse" oder "marxistischen Poststrukturalismus" geschafffen und sind damit wahnsinnig erfolgreich.


    Der Erfolg lässt sich daran ermessen, dass die aus der theorie entstandenen Bewegungen aus dem Stand massive Erfolge einfahren konnten, insbesondere Podemos und Syriza.


    Janis Varoufakis und Pablo Iglesias sind beide Sozialtheoretiker dieser Schule und mit Laclau/Mouffe eng befreundet, ihre Ideen bedienen sich massiv an den Werken von Laclau Mouffe, die politisches. revolutionäres Handeln völlig neu definiert haben.


    Sehr scheiße zu lesen aber imminent wichtig: Hegemony and Socialist Strategy

  • Utan nach diesem schweren Stück Arbeit also der Grund für die Trennung:


    Weil erfolgreiche Revolution immer nur bedeutet, dass ein neues Denken enstanden ist, ist die Trenung Ideologie und System wichtig, weil sich sonst im Grunde nichts geändert hat. Das bekannteste Beispiel ist die Oktoberrevolution.


    Ziel des Revolutionären Handelns muss es deshalb sein die Ideologie zu überwinden, nicht die Institutionen.


    Das macht es zugeich einfacher und schwerer. Es ist wahnsinnig schwer die Ideologie in den Köpfen der Herrschenden zu beeinflussen. Das kann nur durch massiven sozialen Druck von der Strasse gelingen und passiert in kleinen Bruchstücken. Wenn die Ideolgie aber so richtig scheitert (wie es die neoliberale Ideologie gerade tut), dann bekommt man den Systemwandel (nach der Theorie) quasi geschenkt.


    Was dazu aber fehlt ist ein Weg in ein alternatives System auf das sich genug Leute einigen können. Wenn wir aber genügend Menschen klar machen, dass z.B. Grundeinkommen nicht etwa ein Ziel für sich ist sondern uns einen Weg aus dem Kapitalismus eröffnet weil es die Menschen aus der Herrschaft der Prekarität befreit, dann könnte es gelingen.

  • Wie gesagt, ich teile Bourdieus (sehr verbreiteten?) Überzeugung dass Prekarität die Gouvernmentalität heute ist.

    Ich war schon davor raus. Ich glaube auch nicht, dass AlienObserver alle seine Punkte hier überdenkt oder einfach nur Textfetzen und Gedankensplitter mit Namedropings produziert.


    Den Beitrag, wo du das genannt hast, musst du nochmal verlinken, Meister.


    Bourdieu hat eher sowas gesagt, wie "Das Prekariat ist überall." D.h. jeder steht unter der Drohung der Existenzangst, wodurch man Menschen kontrolliert.

    1.) sehe ich darin eigentlich den Hauptbestandteil von Neoliberalismus: streng dich an, sonst frist dich der Markt auf. Prekarität ist Bestandteil von Neoliberalismus, Eigenverantwortung.

    2.) weiß ich nicht, wo Bourdieu den Begriff Gouvernmentalität benutzt haben soll, wo er doch eindeutig mit marxistischen Begriff hantierte.

    3.) ist Prekarität keine Idee auf die sich ein Staat einstellen kann. Mit Prekarität werden eher Zustände beschrieben und Einstellungen. Gouvernmentalität zielt aber eher auf Lehren und Ideologien. Wie gesagt: Prekarität ist eher ein Werkzeug des Neoliberalismus.

  • Naja, du musst den frühen und späten Foucault unterscheiden. Beim frühen Foucault stimmt die Subjektivierung durch Erwartungen (bzw. Anrufung wie bei Louis Althusser) durchaus hiermit überein.


    Beim späteren Foucault gibt es die sog. Selbsttechniken. Man wird ein Subjekt indem man sich selbst einen Diskurs unterwirft.

    Er hat die Schwulenbewegung eher kritisch gesehen, weil die Erfindung des Schwulen eine Erfindung der Instutionen ist. Die Befreiung des Sexes ist eig eher eine andere Form von Unterwerfung: Im Gegensatz zu einer Verneinung von Sexkram, soll nun der Sex hervorgeholt werden und unter dem Licht der Macht-Wissens-Relation beleuchtet werden.


    Dh. der Revolutionär ist jemand, der Nein sagt. Es sind nicht die Strukturen, die auf die Straße gehen und Demonstrieren, gegen die Staatsmacht aufbegehren. Und er hatte damit die Marxisten in Tunesien gemeint. Deswegen ging er auch später mit Satre demonstrieren, also Marxisten und Poststrukturalisten, -modernisten kommen durchaus zusammen.

  • Weil erfolgreiche Revolution immer nur bedeutet, dass ein neues Denken enstanden ist, ist die Trenung Ideologie und System wichtig, weil sich sonst im Grunde nichts geändert hat. Das bekannteste Beispiel ist die Oktoberrevolution.


    Ziel des Revolutionären Handelns muss es deshalb sein die Ideologie zu überwinden, nicht die Institutionen.

    Verständnisfrage:


    Meinst Du mit "...die ideologie zu überwinden,..." eine bestimmte Ideologie, oder ganz generell Ideologie an sich?


    Das zu unterscheiden wäre mir wichtig, denn so wie ich Marx (und Engels) und diverse sich auf sie berufende IdeologiekritikerInnen verstehe, geht es ihnen bei der revolutionären Überwindung der Klassengesellschaft eigentlich nicht darum, das alte ("falsche") Denken gegen ein neues ("richtiges") Denken einzutauschen, sondern darum, die Gesellschaft in einen Zustand zu versetzen, in dem es keine Herrschaft des einen Denkens über das andere und daher auch keinen Antagonismus zwischen der einen und einer anderen Ideologie mehr gibt.


    Ob das wirklich realistisch ist oder jemals vollkommen erreicht werden könnte, sei mal dahin gestellt, aber nach meinem Verständnis führt ein Großteil des postmodernen - bzw. vielleicht besser: postmaterialistischen - Diskurses nicht dazu, dass gänzlich neue materielle, also konkrete, den Alltag der abhängig Beschäftigten und ihr Alltagsdenken bestimmende Verhältnisse geschaffen werden, sondern bestenfalls dazu, dass sich politische Verhältnisse innerhalb des herrschenden ideologischen Gesamtzusammenhanges ändern.


    (Dieses Urteil steht und fällt natürlich mit der Antwort auf die Frage, ob man sich als Linker heute mit der Durchsetzung von Partikularinteressen zufrieden geben kann, oder ob man damit nicht die gesamte politische Linke partikularisiert und so letztendlich marginalisiert.)

  • Bin gern bereit dazuzulernen, aber dass Foucault Neoliberal ist, dafür hat noch keiner hier ne schlüssige Begründung geliefert.

    Zu Prekarität und Bourdieu, Prekarität wie sie Bourdieu in seinem Text Prekarität ist Überall beschreibt, wird von anderen heute sehr häufig als Gouvernmentalität des Neoliberalismus bezeichnet. (Google Suche Prekarität Gouvernmentaität ->14000 hits)


    v.a. Isabell Lorey

  • Utan ich meinte damit erstmal die Ideologie des Neoliberalismus. Wie gesagt, da bewege ich mich durchaus auf dünnem Eis. So lange wir Eliten zulassen wird es definitionsgemäss eine Ideologie geben die das Denken der Herrschenden Elite bestimmt. Am liebsten wäre mir natürlich, dasss wir Herrschaft, Eliten und damit Ideologie völlig überwinden.


    Dass ich dem Anarchismus nahe stehe sollte inzwischen jedem aufgefallen sein. Ich halte das Gesellschaftsmodell der Kurden in Rojava für das spannendste das es auf diesem Planeten im Moment gibt und wünschte mir eine Entwicklung in diese Richtung. Gleich daneben aber gibt es den IS.


    Veilleicht ist ebenso wahrscheinlich wie die Überwindung der Ideologie und der Herrschaft ein Zeitalter des fanatischen Okkultismus/Fundamentalismus in dem ein esoterischer/religiöser Faschismus die Macht an sich reisst und die Gesellschaft in Kasten aufteilt. Was weiss denn ich?


    Was ich sagen will ist, ich bin mit kleinen Schritten in die richtige richtung durchaus zufrieden.

  • Bin gern bereit dazuzulernen, aber dass Foucault Neoliberal ist, dafür hat noch keiner hier ne schlüssige Begründung geliefert.

    Zu Prekarität und Bourdieu, Prekarität wie sie Bourdieu in seinem Text Prekarität ist Überall beschreibt, wird von anderen heute sehr häufig als Gouvernmentalität des Neoliberalismus bezeichnet. (Google Suche Prekarität Gouvernmentaität ->14000 hits)


    v.a. Isabell Lorey

    Das ist nicht mein Standpunkt, aber er hat diese Vorlesung zu Gouvernementalität gemacht und den deutschen Neoliberalismus der Nachkriegszeit, aber kaum eine Bewertung dazu gemacht. Er war sehr deskriptiv.Inzwischen gibt es diesen Sammelband: https://b-ok.cc/book/2778162/c64571


    Es gibt ein paar Punkte, wo er sich eher dem annähert:

    1) er distanzierte sich von Marxismus und Kollektivismus (also in seiner Theorie, er benutzt keine der Begriffe oder Theorien des M.)

    2) stellt er heraus, dass der Neoliberalismus keine quasimetaphysische Naturrechtsbegründung braucht: Er ist nicht auf Legitimationen in spekulativen Wesensmerkmalen des Menschen angewiesen.

    Das einzige, was im Neoliberalismus zählt ist der Markt und nicht der Mensch oder der Staat. Der Markt erzeugt "chaotisch-spontane" Wahrheiten und könne dadurch zB. gegen den linken oder rechten Totalitarismus immunisieren.


    Die Pointe der Vorlesung ist, dass das das eigentliche Problem war bei der Gründung der BRD: man gründet ein Staat in einen Markt hinein oder eher: man leitet den Staat aus dem Markt ab. Die marktkonforme Demokratie ist die eigentliche Staatsform.


    Desweiteren triffte man die Selbsttechniken ja heutzutage an in Optimierungswahn, man sollte Sport treiben, Achtsamkeit, Resilenz usw. Die Frage ist, was er dazu gesagt hätte. Wenn er dem Neolib neutral gegenüber war, dann dürfe er die Techniken und Diskurse, die er generiert auch neutral ansehen. Das Subjekt ist frei genug, sich im Markt diesem zu unterwerfen und zu anderen Nein zu sagen. Der Markt reagiert darauf entsprechend.


    Es gibt eben nur kaum Punkte, wo er sich gegen den Neolib. stellt. Man sagt meist, er wollte diesen nur analysieren und mehr nicht. Der Rest ist eher biografische Spekulation.

  • Ich hab mir die Mühe gemacht mich mit der Theorie auseinanderzusetzen weil es eben sinnvoll ist sich darauf zu stützen was Genies wie Foucault oder Marx gedacht haben. Man muss ja nicht immer alles neu erfinden.


    Auch wenn man die Theorie nicht immer in allen Teilen versteht ist es gut sich damit auseinanderzusetzen. Diskutieren hilft das Verständnis zu entwickeln. Können wir das tun bitte auch wenn das manchmal nicht allen Ansprüchen wissenschaftlicher Veröffentlichungen entspricht ohne dass man gleich runtergemacht wird wenn man mal in Teilen was falsches sagt? Kann Feedback nicht auch in Foren konstruktiv und höflich sein?


    Also zurück zur Sache bitte.

  • So rein empirisch zwischen-gefragt: Wo/wann hatten Wissenschaftler denn mal viel politische/gesellschaftliche Macht?


    Meinst Du jetzt wegen Macht/Wissen Komplexen? Ich versteh glaube nicht genau was deine Frage ist. Ich denke dass die Vorstellung von Macht/Wissen weit zynischer ist als du denkst.


    Was Foucault sagt ist das die Gesellschaft in Epistemen existiert die bestimmen was gewusst werden kann und was nicht. Wir können uns keine Welt ohne Kapitalismus vorstellen weil diese nicht zu userem allgemeinen Wissensschatz gehört.


    Stell dir einen Gefangenen Vor der nur aus bestimmten Büchern eine Vorstellung über die Welt entwickeln kann. Welche Bücher er zur Verfügung hat bestimmt vielleicht der Kerkerwächter, aber selbst wenn er freien Zugriff hat auf die Kerkerbibliothek hilft das nicht viel.


    Von all dem was nicht in den Büchern steht kann er nix wissen. Seine Vorstellung der Welt ist für den Gefangenen also auf das Wissen beschränkt das ihm zur Verfügung steht. Alles was er Denken, Sprechen und Wissen kann ist quasi das Epistem des Gefangenen.


    Der Verfasser der Bücher, der Wissenschaftler, der Die Bücher schreibt, sitzt im gleichem Kerker. Welche Bücher er schreibt und was darin steht ist massgeblich das was er in seinem Kerker erfahren kann.


    Der Kerkerwächter weiss auch nicht viel mehr aber er hat Gesetzestexte die erklären warum es Gefängnisse wie dieses Gibt, warum man darin sitzt und warum sie alternativlos sind. So ähnlich sieht das Macht/Wissen aus.


    Ein Fenster aufmachen und zu sehen wie es ausserhalb des Gefängnisses aussieht ist ziemlich schwer. Selbst wenn man das tut, könnte das allem Widersprechen was man an bisher glaubte zu wissen. Viele Fenster wurden deshalb geöffnet aber dann schnell zugenagelt weil das was man da draussen sah viel zu verstörend war.

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