Entwicklungen in Thüringen und Sachsen

  • Das ist interessant, danke!


    Also bleiben nach dieser Lesart für Sachsen nur die Punkte niedriger Bildungsstand und Zuwanderung, während wirtschaftliche Situation und räumliches Abgehängtsein nur "gefühlt" sind. Das überrascht mich ein bisschen, aber ich kenne mich mit Sachsen überhaupt nicht aus, ist auch schon viele Jahre her, dass ich zuletzt da gewesen bin.


    Edit: Wobei das Zuwanderungsproblem dort ja auch nur ein gefühltes ist.

    Naja, da gibt's schon Städtchen, in denen Hotels ihren Restaurantbetrieb eingestellt haben, weil ihnen der Mindestlohn für Küchenhilfen zu hoch ist. In Ortschaften ohne den üblichen Dorfmittelpunnkt Tanke bleibt den Durchschnittsglatzen also nix anderes, als sich ihr Feierabendbier beim Döner reinzuziehen.

  • Was wäre denn die Alternative? Das wäre so wie wenn du die Auswahl hast zwischen vier Mahlzeiten, du aber keine davon essen willst, aber du nur aus denen auswählen kannst. Dann schluckt man halt das kleinere Übel. Eigentlich schon lange bekannt, dass die meisten Wähler Parteien nach dem kleinsten Übel wählen.

    Das ist wirklich von vielen schlechten Vergleichen, die ich in letzter Zeit so gehört hab, ein erstaunlich schlechter. Soll ich erklären warum, oder kommst du selbst drauf?

  • Ja, so isses ja sogar hier (Kleinstadt in Westfalen) und ich suche seit Jahren erfolglos nach einem neuen Hausarzt.


    Ich wusste aber auch nicht, dass diese tagesschau-Grafiken bei Fragen wie nach der wirtschaftlichen Lage nach gefühlten Wirklichkeiten fragen.

    Oder gibt es evtl. die Option, dass bei der Berechnung der Kaufkraft pro Kopf geschönte Zahlen rauskommen (so, wie beim statistischen Warenkorb zB)? Inflation/Preisschock war ja eigentlich auch spürbar.

    Ich habe diese Grafiken immer als Basis für eine Argumentation hergenommen, in der es darum geht, dass man die Leute zur Vernunft bringen kann, indem man von oben nach unten umverteilt. Das kann ich mir aber leider von der Backe putzen, wenn das allesamt nur gefühlte Wirklichkeiten sind. Schade.

  • Image


    Find nur ich diese Grafik so verwirrend? Wie viele Informationen sind da jetzt alles visualisiert? Anteil der Personen ohne Akademischen Abschluss, je nach Gemeinte, Stimmanteil der AfD, der Zugewinn ... was sind die x-Achsen? und warum ist da so ein grauer Bereich umd die Linie?


    Das sieht einfach so aus, wie eine eigensinnig komplizierte Art und Weise "AfD-Wähler sind dumm" zu sagen

  • Ja, so isses ja sogar hier (Kleinstadt in Westfalen) und ich suche seit Jahren erfolglos nach einem neuen Hausarzt.

    Das ist mittlerweile selbst in Berlin nicht mehr so ganz einfach, weil die alle wegsterben und kein Nachwuchs kommt. Hier werden auch Praxen zusammen gelegt, zu Investionsobjekten für irgendwelche Anlagefonds o.ä. zusammengefasst etc. In diesem Fall schlägt der demografische Wandel einfach zu.

    Ich wusste aber auch nicht, dass diese tagesschau-Grafiken bei Fragen wie nach der wirtschaftlichen Lage nach gefühlten Wirklichkeiten fragen.

    Oder gibt es evtl. die Option, dass bei der Berechnung der Kaufkraft pro Kopf geschönte Zahlen rauskommen (so, wie beim statistischen Warenkorb zB)? Inflation/Preisschock war ja eigentlich auch spürbar.

    Ich habe diese Grafiken immer als Basis für eine Argumentation hergenommen, in der es darum geht, dass man die Leute zur Vernunft bringen kann, indem man von oben nach unten umverteilt. Das kann ich mir aber leider von der Backe putzen, wenn das allesamt nur gefühlte Wirklichkeiten sind. Schade.

    Das mit der "gefühlten" Wirklichkeit ist allerdings auch so eine Schein-Erklärung des liberalen (West-)Mainstreams für den "Rechtsruck". So kann man den mittlerweile gut 30% AfD-WählerInnen im Osten natürlich attestieren, dass sie einfach nur zu schlecht informiert, bzw. zu blöd zum Denken (oder von Putin indokrtiniert) sind, denn sonst müsste ihnen ja auffallen, dass sich die Fakten nicht für ihre Gefühle interessieren, und dass es ihnen in Wahrheit eigentlich ganz gut geht.


    Der springende Punkt ist die Angst vor dem Verlust dessen was man schon/noch hat. Das funktioniert in der bürgerlichen Gesellschaft, in der vor allem materieller Besitz definiert, auf welcher Stufe man in der sozialen Hierarchie steht, im Westen genauso wie im Osten.

    Im Osten haben die Leute aber statistisch gesehen deutlich weniger Eigentum, und dass dort nach der Wende erst ein großer Teil der früheren Industrie stillgelegt wurde, und dann die jungen, noch hoffnungsvollen Arbeitskräfte gen Westen verschwunden sind, wo die Arbeitsplätze waren ist kein Gefühl. sondern ein historisches Faktum.

    Man muss nicht zu den Verlierern der Gesellschaft gehören, um Angst davor zu haben, demnächst zu ihnen herab gestuft zu werden. Diese Angst wird nicht nur von der AfD eifrig geschürt, sondern auch von den Parteien des "demokratischen" Spektrums, denen der viel gescholtene "Populismus" auch überhaupt nicht fremd ist, so lange er dem eigenen Machterhalt dient.

    Die sprechen auch alle nicht die Leute an, die sowieso schon arm, arbeits- oder gar wohnungslos sind. Die werde von denen allesamt eher verachtet, und wurden als politisch relevante Masse sowieso längst abgeschrieben - auch von der sPD. Die gehen in der Regel auch nicht mehr wählen, oder wählen irgendwelche Kleinstparteien, wenn sie überhaupt noch einen Antrieb haben, sich aus der Resignation heraus zu bewegen.


    Den Parteien geht's schon immer und hauptsächlich um die breite bürgerliche Mittelschicht. Da wird eifrig gewählt und sich in der Staatsbürgerlichen Pflicht gesehen, sich am "Gemeinwesen" und an der "Zivilgesellschaft" zu beteiligen, und da ist man auch noch halbwegs genug politisch interessiert, um sich anzuhören, was die Qualitätsmedien täglich über die Sorgen und Nöte der politischen Klasse zu verlautbaren haben, und sich dann Gedanken darüber zu machen, wie eine bessere Herrschaft auszusehen hätte.

    Und genau dieser bürgerlichen Mitte sitzt grundsätzlich immer - aber in der jetzigen Dauer-Krise natürlich erst recht - permanent die Angst davor im Nacken, ihren bescheidenen Wohlstand jetzt auch noch zu verlieren.

    Und dafür müssen Schuldige her, die man schnell aus dem Verkehr ziehen muss - seien es die Grünen, die Rechts-, oder Linksextremen, ganz generell die "Altparteien", der Chinese, der Putin, oder eben die ganzen, mindestens potenziell kriminellen, religiös fanatisierten, und messermordenden Ausländer. Hauptsache es wird mal hart durchgegriffen, damit der Status Quo möglichst bald wieder hergestellt, und die Besitzstände wieder gewahrt werden können.


    So "einfach" ist das mit der bürgerlichen, "liberalen" Demokratie und ihrem repräsentativen Parteiensystem.

  • Als jemand, der gut 10Jahre lang (bis 2023) in Thüringen lebte und den ländlichen Raum (mein ehem. Wahlkreis hatte nun sogar 35% AfD gewählt) erlebte, will ich mal meinen Senf zur Spekulation dazugeben wieso und weshalb die Leute dort mitunter wählen, wie sie wählen.


    Vorbemerkung: Ich will die Wahl der AfD nicht rechtfertigen oder wohlwollend begründen. Gleichzeitig bin ich selbst sicherlich auch ein Teil derer, der sich potenziell bspw. vom BSW tatsächlich angesprochen fühlt und von daher wahrscheinlich von Haus aus Unterschiede zu vielen hier im Forum aufweist.


    Den Anfang einer recht starken Radikalisierung würde ich tatsächlich in der Coronapandemie sehen. Ich hatte zwei Kolleginnen, Anfang/Mitte 30, die sich über die Zeit ziemlich stark in dieses Thema hineinsteigerten und schließlich zu entsprechenden Montagsdemos gingen. Das war ein 100 bis 200 Mann/Frau starker Auflauf an Menschen in unserer kleinen Stadt. Mit dabei waren Mittelständler, Gastronomen, aber natürlich auch Spinner. Ein wichtiges Thema schien mir immer so etwas zu sein wie "Freiheit", "Selbstbestimmung" aber auch ein hohes Selbstbewusstsein dahingehend sich selbst zu informieren und sich eine eigene Meinung bilden zu können. Nun, gerade beim letzten Punkt versuchte ich anfangs natürlich auch zu argumentieren, dass Impfungen im Laufe der Geschichte schon sehr hilfreich waren und eine Pandemie zu Lebzeiten eigentlich als etwas völlig normales betrachtet werden muss... aber ich hatte es bei einer von beiden mit einer echten Impfgegnerin zu tun, die schon vor Corona relativ klar in dieser Sache war. Man kann sich vorstellen, dass für doch recht scharfe Impfgegner die Corona-Politik an Ungerechtigkeit und Lächerlichkeit kaum zu übertreffen war. Diese "Seelen" holt niemand der etablierten Parteien mehr zurück... und zwar NIE wieder. Trotzdem möchte ich behaupten, dass beide unter den Maßnahmen wahrscheinlich nur im geringeren Ausmaß gelitten haben. Beide hatten Häuser, besaßen starke soziale Umfelder, Familien etc., die mit Sicherheit dazu führten, dass Vereinsamung überhaupt nicht zu befürchten war. Ich vermute stark, dass in diesen Familien überproportional AfD gewählt wurde.

    Migranten spielten in all der Zeit so gut wie keine Rolle, außer sie erhielten irgendwie Geld vom Staat. Die sollten in deren Augen besser gar nichts bekommen oder arbeiten gehen. Das Thema Migration war in all der Zeit im Rahmen von Lebenswirklichkeit nicht oder nur kaum spürbar. Wenn überhaupt, dann wenn sich man auf den Weg in eine Großstadt gemacht hatte, für ein Wochenende oder im Urlaub. Sonst regte man sich eventuell mal darüber auf, dass auf dem Marktplatz mal 5 jugendliche Araber saßen, die vielleicht etwas lauter waren oder auch mal rumpöbelten. Von einer echten Sicherheitsbedrohung, wie sie in westdeutschen Großstädten mittlerweile ja auch tatsächlich festgestellt werden muss, konnte zu meiner Zeit dort nicht gesprochen werden. Wenn also Migration und Sicherheit bei der Wahl eine Rolle gespielt haben soll, muss dies eine Fiktion gewesen sein, die entweder auf "Hören-Sagen" beruhte, aus der Zeitung kam, oder im Rahmen von Ausflügen als Dystopie für den eigenen Ort erlernt wurden. Der (Ort) sollte besser bleiben wie er ist. Was sich auch in Form von latent rassistischen Busfahrern widerspiegelte. Wenn man nämlich mal Migranten sehen wollte, dann musste man dort Busfahren mit sehr unregelmäßigen Fahrplänen übrigens, weshalb dort wohl auch so gut wie jeder ein Auto hatte.

    Eines möchte ich in diesem Zusammenhang mal feststellen: Die Lebensqualität an diesem Ort, mit viel Wald, einem Theater, einem Kino, einem wunderschönen Freibad mit 50m-Becken, einer tollen Bäckerei,,,etc. habe ich immer als extrem hoch wahrgenommen. Man konnte dort uralt und glücklich werden, wenn man wollte. Was fehlte, war Jugend und... ich möchte es mal so sagen... bis auf das Theater... ein intellektuelles Milieu.

    Die Wahl der AfD, ich schätze 40% meiner ehem. Kollegen im Stadtwerk werden sie gewählt haben, kam für mich wenig überraschend. Man wollte die etablierten Parteien nicht mehr wählen. Bodo Ramelow hat seine Sache nicht schlecht gemacht, aber stand den etablierten vielleicht auch schon zu nah. (Lokal wurde und wird übrigens mit großer Mehrheit ein SPD-Bürgermeister gewählt! Weil man den kennt und weil er Wort hält, wenn er etwas ankündigt. Außerdem war er immer sehr nah an der Bevölkerung.)

    Die Landtagswahl wird also als etwas begriffen, dem lokal betrachtet wenig Bedeutung zugemessen wird und die gleichzeitig bundesweit Wahrnehmung erhält. Die Landtagswahl muss also als Kommentar zum Bundestag verstanden werden. Und hier überwiegt der Unmut. Man möchte keine westdeutschen Verhältnisse in Bezug auf Migration. Man möchte nicht noch einmal Einschränkungen wie zur Corona-Pandemie erleben, man möchte sich nicht vorschreiben lassen, welche Heizung ins eigene Haus kommt (und viele dort haben Häuser!). Das sind Gewissheiten an denen nicht gerüttelt werden kann... und man sollte es auch nicht weiter versuchen. Solche Orte werden eines Tages sehr alt und ohne Zuwanderung kaum noch zu bewirtschaften sein... aber das entzieht sich halt jeder Vorstellungskraft.

    Die Menschen im Osten haben (auch wenn man das hier vielleicht anders sieht, Stichwort Soli und so) subjektiv nichts geschenkt bekommen. Jede Biografie sieht sich als self-made-man or woman. Westpolitiker werden für deren Lebensstandard in keiner Form verantwortlich gemacht. Diese Politiker haben nach der Wende erstmal alles kurz und klein gehauen und was übrig blieb an Westdeutsche verscherbelt. Keiner der Parteien CDU/SPD/Grüne/FDP ist folglich auch nur einen Meter über den Weg zu trauen. Wenn eine dieser Parteien gewählt wird, dann nur um einem größeren Übel auszuweichen. (Was Kretschmer in Sachsen hinbekommen hat ist Positionen der AfD und BSW zu übernehmen und gleichzeitig in der Bundesrepublik hörbar zu bleiben).

    Zum Schluss: Was die Ukraine angeht, bin ich der Meinung, dass hier wieder einmal westdeutsche Politiker eine Politik betreiben, die nur wenige Ostdeutsche wirklich mittragen können. Schlimmer noch: Hier wird ostdeutsche (politische) Identität verraten. Was Israel für die westdeutsche politische Identität bedeutet, bedeutet Russland für die ostdeutsche politische Identität. Es ist für Westdeutsche sicher kaum vorstellbar, dass in einem Krieg zwischen Israel und dem Iran, der Iran bewaffnet wird um Israel zu besiegen und zwar völlig unabhängig davon ob Israel den Iran zuvor angegriffen hat oder nicht. Im Zweifel wird dort weggeschaut oder begründet warum dieser Angriff sein musste und in Wahrheit eigentlich eine Verteidigung war. Dieser Krieg und viele Kommentare eines R.Kiesewetters oder M.Roths machen die meisten Ostdeutschen absolut fassungslos, wütend und erzeugen Ohnmachtsgefühle und wieder einmal kann man nichts machen...außer es ist Wahltag!

  • https://twitter.com/Michael_Wgd/status/1830539797892419846



    So wird aus einem Berechnungsfehler ein Zählfehler und jetzt denken Leute, bei uns wird das Stimmergebnis software-optimiert.

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