#713 - Daniel Stähr über "Die Sprache des Kapitalismus"

  • Dienstag (18. Juni), ab 16 Uhr, LIVE



    Zu Gast im Studio: Daniel Stähr, Ökonom und Essayist. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FernUniversität Hagen, wo er zum Thema »Narrative Economics« promoviert.


    Zusammen mit Simon Sahner erschien vor Kurzem sein Buch "Die Sprache des Kapitalismus". Her mit euren Fragen!


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  • Bei dem Titel musste ich direkt an das Buch Tyranny of Merit denken.

    Was ich aus dem Buch mitgenonmmen habe ist wie sehr bestimmte Begriffe aus dem Politischen Wahlkampf kommen.

    Smart Solutions und Intelligenz spielen seit Obama eine erhebliche Rolle, wobei Sie als Kriterium zu Hinterfragen sind, welcher Vorschlag von zwei der bessere sei, wird selten an seiner grundlegenden Intelligenz entscheiden.

    Die verbindung des Kapitalismus zur (Christlichen) Religion und sprache wird auch nicht oft genug betrachtet.


    Zitat

    Ephesians 6:5-9 New International Version

    Slaves, obey your earthly masters with respect and fear, and with sincerity of heart, just as you would obey Christ. Obey them not only to win their favor when their eye is on you, but as slaves of Christ, doing the will of God from your heart. Serve wholeheartedly, as if you were serving the Lord, not people, because you know that the Lord will reward each one for whatever good they do, whether they are slave or free.

    Parallelen wo der verzicht auf steigenden Lohn gefordert wird, mit verweis auf den sozialstaat etc.


    Das ganze Buch Job und die sogenannte Prosperity Gospel, Wer viel hat dem wird mehr gegeben, stehen im Starken Dissens zu den Sozialen Vorderungen der Bibel. (Quasi mann nimmt was einem gefaellt, der Teil der Wohlstand legitimiert und ignoriert soziale verpflichtungen, spenden etc, man zahlt ja steuern.)


    Auch das Verhältnis Kapitalismus und Bildung ist wichtig, da ja oft suggeriert wird das Bildung das Instrument ist um soziale Ungleichheit zu überwinden, wobei vor allem an Universitäten schlagartig die Sprache sich verändert im Vergleich zum Abitur. Auf einmal sind alle Kommilitonen, Tutoren, etc etc, alles Instrumente die jemandem aus einem Universitaerfremden hintergrund neu anneignen muss um nicht aufzufallen.


    Vor allem wurde mich die Meinung vom Herrn Staehr zu volgendem Interessieren.

    Im Kapitalismus wird Erfolg mit fleiß verbunden, dementsprechend werden oft Buergergeldempfaenger als Faul diffamiert.

    Berufe die Uni Abschlusse mit Inteligenz verbinden, und gut bezahlten Jobs, suggerieren das schlecht bezahlte kein, oder wenig Intellekt erfordern.


    Welche Sprachlichen alternativen sieht Er hierzu? Und falls er Tyranny of Merit gelesen hat, Würde mich auch seine Meinung dazu interessieren.

    sorry fuer das chaos... Ich sollte an meiner Thesis arbeiten xD

  • Dein Punkt zu dem Wort "Faulheit" würde ich auch unterstützen.


    Was mich noch interessiert:


    Wie über Märkte und Marktwirtschaft gesprochen wird. Wenn es ein Wort gibt, das schon zu einer Art Kampfbegriff geworden ist vom Kapital gegen jede Form von staatlichen Eingriffen und Regulierung, dann ist es "der Markt".

  • Wie über Märkte und Marktwirtschaft gesprochen wird. Wenn es ein Wort gibt, das schon zu einer Art Kampfbegriff geworden ist vom Kapital gegen jede Form von staatlichen Eingriffen und Regulierung, dann ist es "der Markt".

    Vor allem der Preis als Instrument, und der Kapitalistische Markt als Intelligent, Kreativ und Innovativ.

    Ein schoenes gegenbeispiel ist ja das Internet, genau das wurde ja aus Staatlichen Bemühungen geschaffen, und Kreative Firmen wie SpaceX/Tesla sind ohne Staatliche Finanzierung nicht denkbar.

    Also eine Untersuchung warum der Staat nicht Intelligent, Kreativ und Innovativ sein kann waere Sinnvoll etc... Der Markt nimmt ja fast Mythische eigenschaften an, wobei eben das vom Nationalismus zum Faschismus führt, Mythos...

  • Zu der Anmerkung von Hans (wegen den Preisen):


    Wenn ich höre, wie Ökonomen in Talkshows reden, dann könnte ich schon den Eindruck gewinnen, dass die an einen automatischen, unpersönlichen Prozess glauben, der dazu führt, dass die Preise steigen und fallen.

    Bei der allgemeinen Bevölkerung würde ich aber sagen, dass es nicht so verstanden wird, als es ob es ein unpersönlicher Mechanismus ist. (Normale Menschen sind aber auch nicht so stark indoktriniert, wie die Ökonomen ;))

    Oft höre ich in meinen Bekanntenkreis sowas wie: "Die haben die Preise schon wieder erhöht!!!!", "Was hat denn Katzenfutter mit dem Krieg zu tun???" ect. Die verbinden schon eher die Preissteigerungen mit den Supermärkten und sehen dahinter eine Art agency. Was da aber mit reinspielt ist, glaube ich, dass man glaubt, man könnte nichts dagegen machen, fühlt sich hoffnungslos und muss es akzeptieren. Aber allgemein kann man sagen, dass trotzdem von Ökonomen, Politikern, Medien und Unternehmen versucht wird, wirtschaftliche Veränderungen darzustellen, als ob es Naturphänomene wären, bestes Beispiel dafür ist auch "Die Globalisierung" oder "Die Digitalisierung" ect.

  • Zur Erfindung des Teleskops und des Rades ;)

    Klar war da der Staat nicht dabei. Aber diese Dinge wurden mit Sicherheit nicht erfunden in der Erwartung von Profitmaximierung, und das ist ja der springende Punkt, weil bei staatlicher Forschung ist das genau so:)

  • Übrigens die Vorstellung, die Wirtschaft sei autonom und verhalte sich wie eine Naturwissenschaft gab es nicht immer. Im 18. und 19. Jahrhundert hat man von "Politischer Ökonomie" gesprochen (Beispiel Karl Marx: Kritik der politischen Ökonomie) und der Auffassung, dass die Wirtschaft immer auch in das politische Handeln einbezogen ist und es um Verteilung, Legitimität und Macht geht, also so wie man Wirtschaft eigentlich verstehen sollte. Mit dem Aufkommen der klassischen Liberalen wie Adam Smith, David Ricardo, Thomas Malthus usw. und des laisser-faire kam dann die Vorstellung auf, die Wirtschaft sei autonom und je freier von staatlichen Eingriffen, umso besser. Aus "Politischer Ökonomie" wurde "Ökonomie".


    In the late 19th century, the term "economics" gradually began to replace the term "political economy" with the rise of mathematical modeling coinciding with the publication of an influential textbook by Alfred Marshall in 1890. Earlier, William Stanley Jevons, a proponent of mathematical methods applied to the subject, advocated economics for brevity and with the hope of the term becoming "the recognised name of a science". Citation measurement metrics from Google Ngram Viewer indicate that use of the term "economics" began to overshadow "political economy" around roughly 1910, becoming the preferred term for the discipline by 1920. According to economist Clara Mattei, this shift was driven by the increasing consensus of classical liberalism as natural-law; and persisted despite evidence to the contrary during the First World War. Today, the term "economics" usually refers to the narrow study of the economy absent other political and social considerations while the term "political economy" represents a distinct and competing approach.


    https://en.wikipedia.org/wiki/Political_economy?wprov=sfla1



    Würde mich sehr wundern, wenn diese Entwicklung nicht damit zu tun hat, dass eine bestimmte gesellschaftliche Klasse (Kapitalisten) immer einflussreicher und mächtiger geworden ist und die Wirtschaftswissenschaft dann nur noch zum Steigbügelhalter für deren Freiheit zu tun und zu lassen, was sie wollen, geworden ist. Marx bezeichnete die klassischen Liberalen wie Ricardo als Vulgärökonomen:


    Marx verband mit dem Begriff „Vulgärökonomie“ die Einschätzung, dass ab einem bestimmten Punkt der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft die herrschende Klasse nicht mehr am Fortschreiten ökonomischer Erkenntnisse interessiert sei, sondern stattdessen nur noch an der Verbreitung wirksamer Ideologie zur Verschleierung und/oder Rechtfertigung des politischen und gesellschaftlichen Status quo.


    Zitat
    „Soweit sie bürgerlich ist, d. h. die kapitalistische Ordnung statt als geschichtlich vorübergehende Entwicklungsstufe, umgekehrt als absolute und letzte Gestalt der gesellschaftlichen Produktion auffaßt, kann die politische Ökonomie nur Wissenschaft bleiben, solange der Klassenkampf latent bleibt oder sich in nur vereinzelten Erscheinungen offenbart.“

    Für Marx fällt die Entstehung der klassischen Nationalökonomie, bei deren krönendem Abschluss David Ricardo in seiner Verteilungstheorie den Gegensatz der Klasseninteressen noch völlig unverblümt ausspricht, in die Periode des noch unentwickelten Klassenkampfs zwischen Lohnarbeit und Kapital. Hernach erfüllt die vulgärökonomische Literatur nach der Wirtschaftskrise 1830 und der Zuspitzung des Klassenkampfs der an die Herrschaft gelangten Bourgeoisie gegenüber dem erstarkenden Proletariat fast nur noch die Funktion der „Apologetik“.


    https://de.wikipedia.org/wiki/…%C3%B6konomie?wprov=sfla1



    Aber an dieser Entwicklung sieht man, dass nicht immer alles so grauenvoll in den Wirtschaftswissenschaften war und dass es ursprünglich tatsächlich die Auffassung gab, dass die Wirtschaft komplex und auch politisch ist (politische ökonomie). Nur wurde dann der Einfluß der Kapitalistenklasse stark, die dann alles versucht hat, um ihre Herrschaft zu legitimieren.

  • Aso, was ich auch noch sagen wollte:



    Oft wird einfach nur erwähnt, dass die extreme (Einkommens- und) Vermögensungleichheit schlecht ist, aber es wird nie erklärt, warum das schlecht ist. Da braucht man auch ein paar Punkte, um das zu erklären. Das einfach nur zu erwähnen, hilft den Leuten nicht viel, weil sich das nur indirekt in ihrem Alltag niederschlägt.

    Am besten wäre, sobald man Vermögensungleichheit erwähnt, immer auch gleich dazu sagt, warum sie schlecht ist.

  • Aso, was ich auch noch sagen wollte:



    Oft wird einfach nur erwähnt, dass die extreme (Einkommens- und) Vermögensungleichheit schlecht ist, aber es wird nie erklärt, warum das schlecht ist. Da braucht man auch ein paar Punkte, um das zu erklären. Das einfach nur zu erwähnen, hilft den Leuten nicht viel, weil sich das nur indirekt in ihrem Alltag niederschlägt.

    Am besten wäre, sobald man Vermögensungleichheit erwähnt, immer auch gleich dazu sagt, warum sie schlecht ist.

    Warum ist es schlecht?

  • Warum ist es schlecht?

    Mein post war schon bisschen ironisch, weil ich selbst nicht angegeben haben, warum es schlecht ist😅 Es ist vor allem schlecht wegen Machtkonzentration. Aber im Alltag ist das nicht so offensichtlich. Ich überlege schon die ganze Zeit, welche Beispiele man geben könnte, an denen man im Alltag die hohe Vermögenskonzentration erkennen kann🤔Aber das findet meistens alles in der Politik statt🤔

  • Ist doch nicht so kompliziert.

    • (Wohn-)Ghettoisierung unten wie oben
    • Interessensvertretung lässt sich mit Geld leichter kaufen organisieren
    • Chef bzw. Firmenbesitzer vs. abhängig Beschäftigte
    • unterschiedliche Einkommensarten (Lohn vs. Kapitalerträge) mit verschiedenen Steuersätzen
    • uswusf.
  • Ist doch nicht so kompliziert.

    • (Wohn-)Ghettoisierung unten wie oben
    • Interessensvertretung lässt sich mit Geld leichter kaufen organisieren
    • Chef bzw. Firmenbesitzer vs. abhängig Beschäftigte
    • unterschiedliche Einkommensarten (Lohn vs. Kapitalerträge) mit verschiedenen Steuersätzen
    • uswusf.

    Ja, da hast du natürlich recht. Aber als normaler Durchschnittsmensch ist es schwierig, da Verbindungen zu sehen, ohne dass man erst Recherchieren muss.

  • Übrigens die Vorstellung, die Wirtschaft sei autonom und verhalte sich wie eine Naturwissenschaft gab es nicht immer. Im 18. und 19. Jahrhundert hat man von "Politischer Ökonomie" gesprochen (Beispiel Karl Marx: Kritik der politischen Ökonomie) und der Auffassung, dass die Wirtschaft immer auch in das politische Handeln einbezogen ist und es um Verteilung, Legitimität und Macht geht, also so wie man Wirtschaft eigentlich verstehen sollte. Mit dem Aufkommen der klassischen Liberalen wie Adam Smith, David Ricardo, Thomas Malthus usw. und des laisser-faire kam dann die Vorstellung auf, die Wirtschaft sei autonom und je freier von staatlichen Eingriffen, umso besser.

    Adam Smith war vor Marx da.


    Und: Wirtschaftswissenschaften sollten eher als Engineering verstanden werden


    (timestamp)

    die anderen Folien davor sind auch sehr interessant, leider ist der Vortrag sehr akademisch im stil


    Bild

  • Ich denke btw. dass der Einstieg von Hans in die Beantwortung der Kommentare am Ende etwas zu naiv daherkommt: "Wer würde den annehmen, dass die Preise von selbst steigen?" Na Journalisten, die darüber so berichten und weder die Namen von Konzernen in den Mund nehmen, die diese Preise festsetzen und auch keine Fehlerabweichung abgeben bei der Inflation, obwohl es ein Durchschnittswert ist. Das Framing ist "das ist nun mal so". Genauso auch diese Fake-Mathematisierung, die sich Gleichgewichte und Kausalitäten hervorfantasiert und weitergibt, wo es sowas nicht gibt.


    Allein deswegen denk ich mir, vlt das Buch zu holen und in den Zeitungen all sowas rot anzustreichen, was dem entspricht und was Germanisten und Propagandisten da so verbrechen.

  • "Wer würde den annehmen, dass die Preise von selbst steigen?" Na Journalisten, die darüber so berichten und weder die Namen von Konzernen in den Mund nehmen, die diese Preise festsetzen und auch keine Fehlerabweichung abgeben bei der Inflation, obwohl es ein Durchschnittswert ist.

    So etwas ähnliches habe ich bei der Passage auch gedacht, plus einer Menge Leute, die deren Artikel lesen und solche Inhalte dann genau so übernehmen, weil sie mit, nennen wir es mal grob "Wirtschaftsthemen", nicht so viel am Hut haben.

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