Drei Dinge:
> Wann beginnt die Zukunft bzw. welche Bedingungen müssten erfüllt sein, dass ein BGE eingeführt werden könnte?
Ich sehe da zukünftig keine besseren Bedingungen. Im Gegenteil, zukünftig wird die Wirtschafts- und Finanzlage schlechter, alleine schon wegen der höheren Ausgaben für Schäden durch den Klimawandel. Auch nach Corona wird es immer irgendetwas geben, das gerade wichtiger ist als ein BGE. Schon jetzt ist es schwierig Menschen von einem BGE zu überzeugen, mit einer schlechteren Wirtschaftslage wird es eher unmöglich.
> Wer bestimmt, das sich ein angemessener Mindestlohn und BGE ausschliesst?
> Warum muss erstmal das Sanktionsregime abgeschafft werden, wenn das mit einem BGE sowieso sofort fallen würde?
Das sind sehr gute Fragen...
...für Leute, die ein BGE unter den gegenwärtigen Verhältnissen für eine sinnvolle politische Forderung halten.
Wie wir ja schon im anderen Forum ausdiskutiert hatten, gehöre ich allerdings nicht zu diesen Leuten.
Ich hielt - und halte eigentlich immer noch - hingegen ein europaweites, temporäres Grundeinkommen für besonders von den ökonomischen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen Betroffene für eine gute Idee.
Das hätte man als Regierung im Notstand auch einfach machen können, so wie man ja auch die ganzen Bailouts für Konzerne und das Kurzarbeitergeld beschlossen hat, ohne groß Umfragen zu machen, oder Volksentscheide abzuhalten, oder so wie man - ausnahmsweise sogar mal gegen den Willen der Wirtschaftsverbände - einen Teil des Einzelhandels, der Gastronomie- und Tourismusbranche, sowie praktisch den gesamten Veranstaltungssektor zum Stillstand gebracht, und damit gänzlich ohne (tatsächlichen oder behaupteten) Automatisierungsdruck eine Menge Arbeitsplätze vernichtet oder in Gefahr gebracht hat.
Zum Corona-(B)GE gab es zudem auch aus anderen EU-Ländern durchaus Vorschläge, welche das reichste EU-Land allerdings - genau wie die Einführung von Corona-Bonds die nicht mit zu geringem Volumen ausgegeben werden und mit der Option auf die nächste Runde harter Austeritätsprogramme für den europäischen Süden verbunden sind - offenbar aus ideologischen Gründen kategorisch abgelehnt, und sich dabei auch noch feige hinter einer Handvoll wesentlich kleinerer Überschussländer versteckt hat.
Deshalb stelle ich mal wieder meine ewige Frage:
Wer soll ein (nicht-neoliberales!) BGE in Deutschland durchsetzen? Wie bringt man dafür eine Mehrheit in der Bevölkerung zustande?
Wie lässt sich für eine so tiefgreifende Veränderung des kompletten Sozialsystems eine politische Mehrheit finden, die daraus keine weitere Fördermaßnahme für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft machen will, wenn es selbst mitten in einer globalen Wirtschaftskrise unter den meisten wichtigen OppositionspolitikerInnen niemand über sich bringt, wenigstens mal etwas grundsätzlicher öffentlich darüber nachzudenken, ob das Sozialsystem das wir jetzt haben mit dem neoliberalen Spätkapitalismus, den wir leider auch haben, überhaupt noch in Einklang zu bringen ist, und wenn der größte öffentlich wahrzunehmende demokratische Widerstand™ aus der Bevölkerung gegen das gegenwärtige Regime sich darauf beschränkt, lauthals nach der Widerherstellung des Status Quo vor der Krise zu rufen?
Wer soll mit welchen Argumenten die öffentliche und veröffentlichte Meinung davon überzeugen dass eine selbst von sogenannten SozialdemokratInnen seit Jahrzehnten propagierte, und in großen Teilen der Bevölkerung tief verinnerlichte Haltung welche besagt, dass sozial sei was Arbeit schaffe und dass man sich ein menschenwürdiges Einkommen mit harter Lohnarbeit zu verdienen habe, im Kapitalismus ein kolossaler Widerspruch ist, wenn man dabei diesen Kapitalismus überhaupt nicht in Frage stellen will, sondern - im Gegenteil - all jenen die ihn mit aller Macht am Laufen halten wollen auch noch eine offene Flanke bietet, um ihre neoliberale Version eines vollkommen vom möglichst reibungslosen und profitablen Ablauf der sozialen kapitalistischen Marktwirtschaft abhängigen Grundeinkommens in die öffentliche Debatte zu schleusen?
Butterwegge hat in seiner viel zitierten Diskussion mit Precht zu dem Thema sinngemäß gesagt, dass hinter linken Forderungen nach einem BGE im Prinzip der Irrglaube stehe, man könne damit quasi den Kommunismus im Kapitalismus einführen. Und ich befürchte leider, dass er damit recht hat.