#660 - Nahostexperte Michael Lüders

  • Wer gibt das denn nicht zu? Hast du das Interview gesehen?

    Ja klar hab' ich es gesehen. Ich verstehe bloß nicht, was an den Einlassungen von Höfgen et al, in diesem Video zur Klärung der Frage beitragen soll, wie sie wirken.


    Dass die Sanktionen aus Sicht der wertebasierten deutschen Außenpolitik nie dazu gedacht gewesen seien, ein möglichst schnelles Ende des Gemetzels in der Ukraine herbei zu führen, hat ja selbst Annalena Charlotte Alma schon letztes Jahr in Prag vor versammelter Mannschaft öffentlich zum Besten gegeben.


    Ihr hängt Euch halt daran auf, dass Lüders sich nicht entscheiden konnte, ob die Sanktionen nun gar nichts bewirken, oder ob sie nur nichts zur Beendigung des Krieges beitragen. Da habt ihr ihn sauber auflaufen lassen. Herzlichen Glückwunsch.

    Wie alle Sanktionen wirken die natürlich schon - aber halt nicht da wo sie eigentlich was bewirken sollten: bei Putin und seiner Mafia-Bande, und zwar dergestalt, dass die diesen scheiss Krieg endlich mal beenden.


    Die wirken halt so wie alle Sanktionen. Die Mächtigen, gegen die sie sich richten sind immer die letzten, die davon betroffen sind. Der Rest von den 140 Millionen BewohnerInnen der russischen Föderation bekommt sie hingegen schon recht schnell zu spüren. Aber das ist ja offensichtlich auch der Sinn der Sache.

  • Sobald die russische Artillerie mit Farbbeuteln schießt und die Ukrainer nur bis Ende des Krieges dann Zelten müssen wenn ihr Haus markiert ist, dann können wir das gern auseinander klamüsern.

    Bis dahin, tough luck.

    Ja, da ist er doch selbst schuld, der gemeine Russe, wenn er sich einen Autokraten zum Herrscher hält, der die Presse auf Linie bringt und die Opposition ausschaltet. Könnte ja auch mal eine Revolution machen, für die Freiheit. Aber er will ja lieber von einer mafiösen Bande regiert werden, die nicht davor zurück schreckt, ein paar hunderttausend Leute für ihren Machterhalt zu opfern. Da gibt's dann halt mal keine bezahlbaren Kartoffeln mehr für Dich, Iwan. Tough luck!

  • Warum die nicht nur für uns schmerzhaft sind, wurde schön raus gearbeitet.

    Jo Marner, die sind nicht ansatzweise so schmerzhaft, wie sie hätten sein sollen. Rückblickend hat die riesige Fehleinschätzung bzgl. Sanktionen letztlich UA den Kopf gekostet. Man ist davon ausgegangen, man verhängt diese, schaut ab da den Russen beim wirtschaftlichen Röcheln zu und der Krieg habe sich relativ kurzfristig erledigt.


    Die Sanktionen wurden langfristig vorbereitet und dass man sie vorbereite und wie unglaublich schmerzhaft die seien, wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit gross rausgehängt. Das war ein präventives Mittel um den Einmarsch zu verhindern, das russische Kalkül zu ändern. Dazu gehören auch die Drohungen in Sachen Nordstream: "one way or the other", "we will bring an end to it", "we will be able to do it". (und btw - denen fährt dann nicht und schon gar nicht unwissentlich ne ukrainische bestückte Bavaria-C50 in die Parade).


    Als vervollkommnendes Element wurde auch der als wirtschaftliche Nuklearoption gehandelte "SWIFT-Ausschluss" angedroht. Sanktionstechnisch also vermeintlich gut vorbereitet und schwer bestückt harrte man der Wirkung auf RU und musste zusehen, wie die trotzdem unbeeindruckt in die UA einmarschieren.


    Die Sanktionen wurden umgehehend in Kraft gesetzt, die Umsetzung SWIFT-Auschluss durchgezogen. RU verstolpert fremdschämwürdig und auch irgendwie lustlos seinen Glanz&Gloria-Ritt nach Kiev, trotzdem sitzt UA zum Entsetzen des Westens Ende März bereits zwecks Friedensverhandlungen mit RU zusammen. Die Sanktionen hatten innerhalb dieses Monats nach Plan zu wirken begonnen und man musste ihnen Zeit verschaffen, um sie zur vollen Blüte reifen zu lassen. Johnson->KIev->Ende der Friendensverhandlungen. RU reagiert mit Totalabzug von der Hauptstadt und beginnt im Osten den Abnutzungskrieg.


    Um die Reifezeit zu überbrücken, muss kurzfristig militärisch unterstützt werden. Es beginnt der Jammer: Helme, Haubitzen, Munition. RU schiesst weiter. Meine Linien, deine Linien, rote Linien - so tut doch jemand was. Himars. Charkov, Cherson. DIe Sanktionen...? RU mobilisiert. RU baut Befestigungen. RU schiesst weiter, auf Kerchbrücke folgt Infrastruktur.

    Marder, Bradley, Panzer - ja, nein, vielleicht - nur mit den Amis... AugenrollenDie Sanktionen wirken nicht. Munition wird knapp... RU schiesst weiter. Frühjahr- Sommer- Herbstoffensive. Massenhaft Tote. Katzenjammer, Blamegame ... und demnächst Wahlen bei uncleSam.


    Der Westen war auf die grössten Sanktionen aller Zeiten vorbereitet. Der Westen war nicht auf solche und solch langanhaltende militärische Unterstützung vorbereitet. Es war nicht zu wenig, zu spät, sondern auf Sicht und genau soviel, dass UA das Licht nicht ausgeht denn die Sanktionen sollten irgendwann aufblühen (oder notfalls Putin umkippen). Im August dann und nachdem man sich angesichts "leerer Regale überall" die Blösse gab, Clustermunition liefern zu müssen, erklärt sich Baerbock von den Sanktionen enttäuscht.


    Imo, wenn man sich die Sanktionen & deren Wirkung jetzt irgendwie schön säuft, verkennt man, dass sie das Herzstück der Eindämmungspolitik waren und das inständige Hoffen auf deren Entfaltung mit ein wesentlicher Grund dafür ist, warum UA da steht, wo sie steht.

  • Lüders baut Scheiße und Tilo soll Schuld sein. Unfair!

    Es folgt eine Replik.

    Das, was Lüders da als "zugespitzt" ablehnt, war für mich eher eine Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Auf dem hätte man aufbauen können.

    Ich höre gerade erneut den ersten Streitpunkt „Sanktionen“. Tilo fragt: „Ist Wirtschaftswachstum wichtiger als die Beendigung des Krieges?“ Damit tut er so als wären die Sanktionen Mittel, die zur Beendigung des Krieges in irgendeiner Form hilfreich wären. Lüders begründet warum diese Annahme offenbar nicht stimmt. Tilo fragt weiter: „Also sagst Du Sanktionen bringen nichts. Was sollen wir dann tun?“ Lüders: „Wir sollten Verhandlungen führen“ Tilo: „Geht nicht! Antworte doch mal auf meine Frage!“ Lüders: „Wir brauchen umfangreiche Verhandlungen, in denen auch eine neue Weltordnung verhandelt wird.“ Tilo: „Verhandlungen gehen nicht“… und sorry da will er Lüders einfach nicht zuhören. Wenn Tilo nicht verstehen will, dass es in diesem Krieg bei weitem nicht mehr darum geht ob Russland der Ukraine nun ein paar Quadratkilometer mehr oder weniger abnimmt, sondern eben um eine (neue) Multipolare Weltordnung und „der Westen“ Russland abseits der Ukraine viel interessantere Angebote machen könnte, als die die Russland auf dem Schlachtfeld erringen kann, ist diese Karussellfahrt nicht in den Antworten Lüders begründet sondern Tilos analytischer Schwäche geschuldet. Er hätte doch einfach mal fragen können: „Wenn es Russland/China um eine neue Weltordnung geht. Welche Angebote könnte der Westen Russland unterbreiten? Was würde das für uns bedeuten? Warum kommen diese Angebote nicht?“ So dreht sich das Ganze freilich im Kreis.

    Bezüglich der Anschläge auf die Nord-Stram-Pipelines auf eine Vermutung, die auf einer nicht nachvollziehbaren Quelle beruht, zu bauen, und das Ergebnis mehrerer renommierter Rechercheteams als eine Art Gesinnungsjournalismus abzulehnen? Das ist schon ein bisschen schwurbelig, oder?

    Die Frage „Wem nützt es“ ist nicht automatisch schwurbelig. Und ja, auch mir fällt es schwer der Theorie um der Andromeda zu folgen. Es ist am Ende die Einzeltäter-Theorie, die einem staatlichen Akteur noch am besten in den Kram passen würde. Mich überzeugt diese Geschichte nun wirklich nicht. Zumal diese Geschichte aus westlichen Geheimdienstkreisen an die Presse gegeben wurde… also von staatlichen Akteuren. Der Verdächtige lieferte die „Recherche“ oder gab Hinweise. Seriös oder renommiert ist das in meinen Augen nicht.

  • Die ganze Diskussion überrascht doch sehr. Lüders, soviel scheint nach dem Gespräch sicher, ist es nicht, der seine Haltung verändert hat.

    Das wird auch des Pudels der Kern der Vorwürfe gegen ihn sein. Andere, wie zum Beispiel Georg Restle, haben die 180°-Wende erfolgreicher vollzogen und das absolut überzeugend gleich mit Beginn des Krieges. Insoferns sind eine analytische Darlegung der Situation und eine ausführliche Rückschau auf die Dinge, die passiert sind und kommuniziert wurden, zwar wünschenswert, aber zwecklos, da sie auf taube Ohren stoßen, denn es geht um Haltung/Bekenntnisse. Ich vermute, das war auch der Grund für die salzige Interview-Führung.

  • Welche Angebote könnte der Westen Russland unterbreiten?

    Ja freilich, jeder Bulli bekommt ein Sahnehäubchen.

    Aserbaidschan, darf es ein Stück Armenien sein, sollen wir die Einwohner vertreiben? Bitte gern, bitte gleich.

    China, wer war dieses Taiwan nochmal? Welche Chipfabrik, ach das könnt ihr behalten.

    Serbien, welches Kosovo? Mach halt platt

    ...

  • Aserbaidschan, darf es ein Stück Armenien sein, sollen wir die Einwohner vertreiben?


    Da wir uns aktuell für die territoriale Integrität als Prinzip so stark machen, geht es hier vorallem um ein Stück Aserbaidschan.


    China, wer war dieses Taiwan nochmal? Welche Chipfabrik, ach das könnt ihr behalten.


    Da wir uns aktuell für die Souveränität als Prinzip so stark machen, ist mit unserer offiziellen Position, dass die Volksrepublik China den Alleinvertretungsanspruch hat, die Taiwan-Frage eine innerchinesische Angelegenheit.


    Serbien, welches Kosovo? Mach halt platt


    Da wir uns damals für territoriale Integrität und Souveränität nicht ganz so sehr interessiert haben, hätte man nun wirklich schon den Norden von Kosovo Serbien als Kompromiss anbieten können, um zu sehen, ob eine nochmalige Aufteilung des Gebietes den Konflikt zu einem Abschluss bringen kann.

  • Ja freilich, jeder Bulli bekommt ein Sahnehäubchen.

    Aserbaidschan, darf es ein Stück Armenien sein, sollen wir die Einwohner vertreiben? Bitte gern, bitte gleich.

    China, wer war dieses Taiwan nochmal? Welche Chipfabrik, ach das könnt ihr behalten.

    Serbien, welches Kosovo? Mach halt platt

    ...

    Es ist Dir hoffentlich klar, dass ich das nicht meine. Ich meine Abrüstungsverträge oder eine ehrliche Wiederbelebung eines NATO-Russland-Rates, oder die Reperatur von NS1 und NS2 mit langfristigen Abnahmeverträgen, die preislich eventuell höher liegen könnten als die alten. Wobei mit dem Delta die Ukraine wieder aufgebaut werden könnte. Man könnte hier sehr kreativ werden. Im Übrigen wurde die Cuba-Krise auch nicht "gelöst" in dem man Cuba zerteilte sondern Raketen aus der Türkei abzog. Wenn ich verhandeln wollen würde, müsste ich den Putin, der im Vorfeld des Krieges, in meinen Augen nicht ganz unberechtigt von verletzten Sicherheitsinteressen sprach, vielleicht versuchen zu adressieren und ihm auf dieser Ebene Angebote unterbreiten, die mir selber zwar nichts nutzen, aber auch nicht sonderlich wehtun. Das heißt natürlich nicht, dass andere Kriege "erlaubt" werden.

  • Ihr Lumpenpazifisten versteht halt nicht, wer hier den Anspruch verteidigt, die Weltpolizei zu sein, und allen anderen Nationen weiterhin vorschreiben zu können, wen sie mit Waffengewalt überfallen dürfen und wen nicht.


    Wo kommen wir denn da hin, wenn sich keiner mehr darum kümmert, dass der Rest der Menschheit die Regeln befolgt, in die wir sie eingeordnet haben?

  • Genau. Auch wenn Russland eine Invasion der Ukraine startet, ist irgendwie immer noch der Westen daran schuld. Ein Mann bleibt sich treu!!111

    Was soll der Strohmann? Auch dieser Einwurf bestätigt leider genau den beschriebenen Eindruck. Es gibt da ofensichtlich nur noch Gut und Blöse. Das blickte ja zuvor schon durch mit dem verteilten Etikett Antisemtismusamerikanismus.


    Das ist genau dieses Heiligtum, mit dem du dich leider selbst offenbart hast. Lüders tritt ja nicht mal als Pazifist auf, sondern als Opportunist, und man kann ja durchaus geteilter Meinung darüber sein, welche Konfliktpartei wie viel Verantwortung an der Situation trägt oder ob Sanktionen vielleicht noch irgendeinen nutzen haben. Aber darum gehts im öffentlichen Diskurs längst nicht mehr. Da darf ein Abweichler wie Lüders nicht so einfach davon kommen.


    Unter dieser Maßgabe ist die überschäumende Reaktion auf Kritik dann auch kein Wunder.

  • Was soll der Strohmann? Auch dieser Einwurf bestätigt leider genau den beschriebenen Eindruck. Es gibt da ofensichtlich nur noch Gut und Blöse. Das blickte ja zuvor schon durch mit dem verteilten Etikett Antisemtismusamerikanismus.


    Das ist genau dieses Heiligtum, mit dem du dich leider selbst offenbart hast. Lüders tritt ja nicht mal als Pazifist auf, sondern als Opportunist, und man kann ja durchaus geteilter Meinung darüber sein, welche Konfliktpartei wie viel Verantwortung an der Situation trägt oder ob Sanktionen vielleicht noch irgendeinen nutzen haben. Aber darum gehts im öffentlichen Diskurs längst nicht mehr. Da darf ein Abweichler wie Lüders nicht so einfach davon kommen.


    Unter dieser Maßgabe ist die überschäumende Reaktion auf Kritik dann auch kein Wunder.

    Tjo, mich verwundert dieses Interview und die Art und Weise wie Tilo auf Kritik im Anschluss daran reagierte („Antiamerikanismus“) genauso. Aber vielleicht, nur vielleicht, ist Tilo mit Ende 30 nun klar geworden auf welchen Zug er aufspringen muss um eines Tages dann doch einmal im ÖRR arbeiten zu dürfen oder zumindest weiterhin vorzukommen. Man darf einen Lüders, mit der Reichweite, die J&N mittlerweile hat, nicht verstehen oder konstruktiv interviewen, sondern muss, als Werte-Journalist, ihn permanent mit Strohmännern bewerfen, bis er wiederum entnervt das Handtuch wirft. Das wollen die Buddis G.Restle und Co. nicht anders sehen… Elitenrekrutierung läuft halt über Ähnlichkeit (Zitat D.Oschmann). Das wird Hans ihm auch erklärt haben.

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