Giftanschlag auf Nawalny

  • über deine sehr grundsätzliche these würde ich dann schon gern anhand von konkreten beispielen diskutierene. immer her damit.

  • zu den journalistischen/publizistischen grundregeln gehört, dass ereignisse und personen umso mehr aufmerksamkeit erfahren, je näher sie an den realen lebensorten des jeweils adressierten publikums zu liegen. das hat erstmal überhaupt nix mit ideologischer gewichtung zu tun, die hier permanent unterstellt wird. sorry, aber das offenbart unkenntnis über journalistische basics.

    (was in unserer nachbarschaft passiert, findet unser interesse mehr als ein vergleichbares (oder sogar gravierenderes ereignis in relativer ferne). ein "russischer patient", der in einer berliner klinik behandelt wird als offenkundiges opfer eines giftgasanschlags [...]

    Der "russische Patient" wurde allerdings erst auf das erstaunlich zeitnahe und engagierte Betreiben der Bundesregierung hin in die Nähe deutscher Lebensorte verbracht.

    Die eigentliche Vergiftung mit dem supertödlichen (aber furchtbar langsam wirkenden) aus hoch geheimen (aber eigentlich der halben Welt längst bekannten) chemischen Komponenten zusammengerührten Russenkampfstoff erfolgte offenbar, so weit uns das aus den umfangreichen Recherchen diverser Faktenfindungsnetzwerke bekannt ist, im sibirischen Tomsk, einer Stadt in Zentralasien, die - so Pi mal Daumen - ungefähr 4.000 Km vom östlichsten Punkt der deutschen Grenze entfernt liegt.


    Die Dauerberichterstattung über den Erz-Unhold und möglichen mandschurischen Kandidaten des Putinschen Terroregimes Donald j. Trump fand auch ihren nahezu täglichen Eintrag im veröffentlichten unserländischen Wertekanon, obwohl dessen Amtssitz sogar noch wesentlich weiter - so ca. 7.500 km (auch nur Pi mal Daumen) - von den diversen Lebensorten des hiesigen Publikums entfernt liegt.


    Jetzt fragt man sich vielleicht, was das eine denn mit dem anderen zu tun habe, bzw. ob hier nicht möglicherweise schon wieder eine dieser berüchtigten KGB-Taktiken angewendet werde, um vom eigentlichen Thema abzulenken.

    Tatsächlich ist die Berichterstattung - in den großen Leitmedien!!! - in beiden Fällen von einer absolut eindeutigen Fixierung und sehr stark auf Wertvorstellungen - sprich: hochmoralische Bewertungen - konzentrierten Darstellung zweier politischer Führungsfiguren geprägt, und beschäftigt sich eigentlich nur sehr oberflächlich mit den tatsächlichen politischen, ökonomischen und insgesamt gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb derer diese Anti-Lichtgestalten ihre Regierungs- und sonstigen finsteren Geschäfte machen.

    Sie erfolgt - nochmal: in den großen Leitmedien!!! - vielmehr eigentlich größtenteils unter großzügiger Aussparung einer tieferen Analyse zum Beispiel sonstiger politisch-oppositioneller wie privatwirtschaftlich-interessengeleiteter Bewegungen und Akteure in den jeweiligen, geografisch weit von unserer kleinen zentraleuropischen Insel der Glücksseeligen ExportüberschussweltmeisterInnen entfernten Lebensräumen.


    Wer kennt hierzulande irgendeinen russischen "Oppositionspolitiker" (also eigentlich ein Mitglied der außerparlamentarischen Opposition) außer Alexej Nawalny? Die zahlenmäßig größte Oppositionspartei in der Duma ist jedenfalls nicht die "liberale" LDPR, der Herr Nawalny mal zeitweise angehörte, bevor er von ihr wieder rausgeschmissen wurde, weil er es zeitweise für politisch opportun hielt, sich allzu offen mit ausländerfeindlichen und rassistischen Sprüchen an den ultranationalistischen Rand anzubiedern. Da wäre ich jedenfalls mal auf eine Umfrage in der deutschen Bevölkerung zur Kenntnis der politischen Landschaft in Russland gespannt.


    Und wer - wenn er oder sie nicht zufällig das Jung&Naiv-Forum liest - weiß, dass es neben den eisern die "Resistance" gegen Trump personifizierenden Demokraten um H. Clinton und den neuen Präsidenten Biden, in den USA auch noch eine Opposition gab und gibt, die sowohl den grenz-faschistoiden Trumpismus als auch den gnadenlos wirtschaftshörigen Korporatismus des nun wieder regierenden (neo)-liberalen demokratischen Establishments entschieden ablehnt, und dabei Positionen - wie etwa eine bezahlbare Krankenversicherung für alle - vertritt, die so fürchterlich "radikal" sind, dass eine Mehrheit der amerikanischen WählerInnen sie jenseits von Parteizugehörigkeiten unterstützen würde, während man - aus den großen deutschen Leitmedien!!! - eigentlich nur zu hören bekam, dass der "Sozialist" Sanders ohnehin niemals die Wahl hätte gewinnen können?


    Man kann sich auch nicht darauf hinaus reden, dass sich die veröffentlichte Meinung in Sachen Platzierung und Auswahl ihrer Recherche- und Berichterstattungsarbeit ja nur daran orientiere, woran die informationshungrige Öffentlichkeit gerade am meisten interessiert sei, weil es ohne die entsprechende rund-um-die-Uhr-Berichterstattung - außerhalb von Berufsgruppen die sich professionell damit beschäftigen - überhaupt keine öffentliche Meinung und auch keine tweets und Klickzahlen zu solcherlei Personalien und Ereignissen gäbe, die sich tausende von Kilometern entfernt von den eigenen Erfahrungshorizonten der allermeisten RezipientInnen hiesiger journalistischer Veröffentlichungen abspielen.


    Ich habe es schon mehrfach geschrieben, aber ich widerhole es gerne nochmal: die "ideologische Gewichtung" muss nicht Teil der jeweiligen Recherche sein. Sie ergibt sich aus dem größeren Kontext in dem sie dann veröffentlicht und mit anderen Recherchen in Verbindung gesetzt wird. Dafür muss man auch nicht die individuell recherchierenden JournalistInnen verantwortlich machen, denen ich gerne glaube, dass sie sich immernoch mehrheitlich den selben Grundsätzen verpflichtet fühlen und den selben Anspruch an eine möglichst ausgewogene Abwägung von Fakten an sich und ihre Arbeit stellen, wie Du, lieber hansj. sie ja auch immer wieder für Dich reklamierst.

    Die Ideologie manifestiert sich - wie eigentlich auch in allen anderen Bereichen von gesellschaftlicher Relevanz - eher in den (hier: publizistischen) Apparaten und Institutionen, die von angestellten oder freien JornalistInnen mit Inhalten für ihre 24/7 News-Cycles beliefert werden, und deren Präferenzen in puncto Gewichtung und Auswahl berichtenswerter Themen selbstverständlich schon allein aus ökonomischen Gründen strukturelle Rückwirkungen auf die journalistische Arbeit und die Themenauswahl haben, mit der sich professionell beschäftigt wird, um mit der Proffession auch einen Lebensunterhalt bestreiten zu können. (-> Materielle Verhältnisse. Sein und Bewusstsein - Wir hatten das ja schon.)


    Am Ende ist Journalismus im technifizierten neoliberalen Spätkapitalismus vor allem ein Geschäft und ein ziemlich gnadenloser Wettbwerb um Klickzahlen, Einschaltquoten und Werbeflächen. Die Verwertung der gehandelten Ware Information mag im Fall der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht so unmittelbar monetärer Natur sein, wie in der privat organisierten Print- bzw. online-Medienlandschaft, aber selbst die Deutsche Welle, der Deutschlandfunk, das ZDF, die ARD und ihre regionalen Ableger müssen ihre Investitionen von Gebührengeld gegenüber ihren Aufsichtsorganen mit quantitativen Daten zu Programmwahl und Einschaltdauer ihres Publikums rechtfertigen - also mit der Analyse eines Nachfrage- und Konsumverhaltens, welches sie mit ihrer immer noch starken Dominanz über den täglichen Fernseh- und Nachrichtenkonsum vor allem des älteren Teils der Bevölkerung selbst stark beeinflussen(!). Gegenüber den eigentlichen journalistischen Arbeitskräften auf dem "freien" Markt treten sie damit im Prinzip genau so als Kosten/Nutzen-orientierte Auftraggeber auf, wie die privaten Medienkonzerne.


    Und erschwerend - für eine tatsächlich ausgewogene Berichterstattung - kommt dann natürlich noch hinzu, dass auch durchkommerzialisierte social media-Plattformen zu einem großen Teil nur deswegen so rasend schnell als Meinungsverstärker dienen, und daher auch von allen großen wie kleinen traditionellen Medienapparaten, politischen Interessengruppen und privatwirtschaftlichen Warenanbietern weiter befeuert werden, weil sich über twitter, facebook etc. Medienberichte die sonst im daueraktualiserten Online-Schlagzeilengewitter vielleicht gar keine Sau wahrgenomnen hätte, mit ein bisschen Unterstützung durch reichweitenstarke InfluencerInnen in Windeseile zu einem Empörungsgenerator und Trendsetter aufbauen, und dann natürlich nicht nur von der öffentlichen, sondern auch von der veröffentlichten Meinung weiter in der Google-Rangliste nach oben gepusht werden.

    Und da muss man schon ein bisschen Alt&Naiv sein, wenn man ernsthaft glauben möchte, dass nur die Russen gleichsam durchtrieben wie genial genug seien, um diesen Mechanismus zu verstehen und ihn massiv zur Verbreitung von Propaganda zu nutzen.

    wenn allein die tatsache einer journalistischen kriterien folgenden intensität von berichterstattung als nachweis ideologischer voreingenommenheit dient, macht man den so kritisierten so oder so zum bösen: entweder tut ers ideologisch verblendet absichtlich - oder er erzeugt diese wirkung durch schiere häufigkeit.

    auch da erweist sich eine solche form von kritik als selbst geübte praxis genau dessen, was sie zu kritisieren behauptet.

    Und nein - das macht niemand zum "Bösen".

    Denn anders als Du es hier leider etwas wiedersinnig darstellst, bewirkt ideologische "Verblendung" ja eigentlich genau nicht die absichtliche, vorsetzliche Gewichtung des einen Faktums über das andere, sondern sie lässt die ideologisch "Verblendeten" glauben, nach bestem Wissen und Gewissen einen Dienst and der gänzlich ideologiebefreiten, nüchternen Aufklärung ihrer RezipientInnen zu leisten.


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    Aber nochmal: Das ist - jedenfalls von meiner Seite - im Grunde kein Vorwurf an Dich oder die Mehrheit Deiner KollegInnen, sondern an die Art und Weise, wie sich der Meinungsproduktionsprozess in einer hochgradig bis tief in die privaten, indivduellen Erlebnis- und Erfahrungshorizonte ihrer Mitglieder hinein vernetzten kapitalistischen Verwertungsgesellschaft abspielt. Der Vorwurf an die publizierende Zunft - oder zumindest an den sich selbst noch als irgendwie links der bürgerlichen Mitte™ verortenden Teil davon - wäre eher, dass sie sich vor dieser im Grunde schon seit langem bekannten Erkenntnis mit aller Macht verschliesst.


    Und das funktioniert im durch und durch kapitalistischen Russland genauso, wie in den USA oder in Deutschland.

  • Aber nochmal: Das ist - jedenfalls von meiner Seite - im Grunde kein Vorwurf an Dich oder die Mehrheit Deiner KollegInnen, sondern an die Art und Weise, wie sich der Meinungsproduktionsprozess in einer hochgradig bis tief in die privaten, indivduellen Erlebnis- und Erfahrungshorizonte ihrer Mitglieder hinein vernetzten kapitalistischen Verwertungsgesellschaft abspielt. Der Vorwurf an die publizierende Zunft - oder zumindest an den sich selbst noch als irgendwie links der bürgerlichen Mitte™ verortenden Teil davon - wäre eher, dass sie sich vor dieser im Grunde schon seit langem bekannten Erkenntnis mit aller Macht verschliesst.

    Exakt. Das hier ist ja prinzipiell der Vorwurf mangelnden Reflexionsvermögens. Angesichts solcher Nachfragen des deutschen Pendants zu Matt Lee(AP) in der BPK :), der immer sehr gekonnt versucht, über potentielle Schwachstellen die Argumentationsmauer der BReg abzuklopfen, kann man das höchstens mit ganz vielen Abstrichen gelten lassen.


    Übrigens: Es gibt noch mehr davon und ich meine mich erinnern zu können, das Hans sogar sinngemäss nachfragte, ob sich die BReg des Risikos bewusst sei, auf welches Pferd sie mit Nawalny angesichts seiner rechtslastigen Äusserungen setzt.


    Also mangelnde Reflexion...schwerlich, bleibt genau die Utan s Frage nach dem Verschliessen.

  • du weisst, dass ich jede - vor allem halbwegs gründliche - diskussion um strukturen von öffentlichkeit und erfahrung" ( rein zufällig ist dies der titel eines der wichtigsten bücher eines meine wichtigsten akademischen lehrer) schätze und gern führe. unter besonderer berücksichtigung der funktion von medien sowie der rolle von journalistInnen in diesem prozess führe. weil eine solche diskussion uns ziemlich schnell über die - zugespitzt formuliert- "willfährige und gekaufte systembüttel" - einordnung hinausführt- die im übrigen, bei allem anspruch auf jeweils eigene erkenntnis, die rezipienten der jeweiligen medienproduktion wesentlich in einer beliebig manipulierbaren opferrolle einbetoniert. da offenbart sich nicht nur eine mechanistische vorstellung der konstitution von erkenntnis und bewusstseinsbildung, sondern eine sehr tiefe unkenntnis des ziemlich komplizierten und vielschichtigen zusammenwirkens sozialer, politischer, ökonomischer strukturen auf kollektiver wie individueller ebene. einfacher ist das leider nicht zu entschlüsseln, was in unseren köpfen so passiert und unser handeln so oder so beeinflusst.

    was du (zu recht) dem journalismus mehrheitlich vorwirfst, nämlich verzicht oder verdrängung einer auseinandersetzung mit "tiefenstrukturen" der verhältnisse, gilt nun aber auch dann, wenn wir uns mit den strukturen journalistischer arbeit im engeren sinn befassen.

    dass journalismus - unter bedingungen, die themensetzung zumindest halbwegs frei von direkten herrschaftlichen vorgaben (vulgo: zensur und propagandaauftrag) ermöglicht - seine inhalte und darstellungsintensität wesentlich unter dem kriterium der relevanz für das jeweilige publikum diskutiert und umsetzt, ist eine der grundthesen, auf die ich immer wieder hinzuweisen versuche. dass der begriff der "relevanz" ein besonders schwieriger ist, weil nicht normativ fassbar, sondern einerseits vermutung der medienproduzenten, andererseits im rezeptionsverhalten messbare größe. diese beiden faktoren stehen in wechselwirkung zueinander, medien und ihre akteure befinden sich, so gesehen, in einem permanenten, täglich neu realisierten try-and-error prozess. medien, die sich entweder als kapitalistisch-privatwirtschaftlich verfasste oder als öffentlich-rechtlich beitragsfinanzierte durch kauf-klick-reichweitenzahlen legitimieren, müssen sich diesem try-and-error prozess bei strafe des eigenen untergangs kontinuierlich stellen. das unterscheidet sie strukturell und fundamental von staatsorganisierten und -finanzierten medien, vor allem, wenn diese staatsverflechtung sich auch noch in detaillierter inhaltlicher vorgabe ausdrückt.

    mit diesen systemischen bedingungen und ihren auswirkungen beschäftige ich mich seit einem halben jahrhundert, und zwar nicht nur theoretisch, sondern in sehr praktischer weise, kontakte und erfahrungsaustausch mit kollegInnen und analytikerInnen sowohl in der einen wie auch der anderen "systemrichtung" bestanden und bestehen dutzendfach.

    vor diesem hintergrund bedeutet der hinweis auf "nähe zum ereignis" als wesentliches kriterium jorunalistischer entscheidungen doch nicht allein geografische nähe, auch wenn die am sinnfälligsten ist. "nähe" ist gleichermaßen eine kulturelle dimension ( auf der basis eines sog. weiten kulturbegriffs, der einstellungen und wertsysteme einschliesst). weiterhin umfasst das kriterium nähe/relevanz auch historische erfahrungen sowie die möglichkeit von personen/strukturen, die realen verhältnisse des medialen publikums so oder so mitbestimmen zu können. wenn du dir - und du kannst das ja, daran besteht kein zweifel - dieses bündel von faktoren, die auf mediale prioritätensetzung einwirken, in seiner komplexität vor augen führst, dann ist relativ schlüssig nachvollziehbar, dass - und warum - sowohl die aktivitäten der "welthäuptlinge" trump/putin ( als führer und repräsentanten ihrer jeweiligen systeme) in deutschen medien permanente beachtung finden. navalny ist nicht aus sich selbt heraus eine für deutsche medien interessante figur, sondern wegen seiner rolle im politischen und gesellschaftlichen system der rf.

    diesen - aufschlüsselbaren-sachverhalt zu reduzieren darauf, dass der "russische patient" erst durch seinen aufenthalt hier oder/und durch deutsche aktivitäten bei der lebensrettenden medizinischen intervention zu verkürzen, wie du es in polemischer weise tust (nichts gegen polemik, übrigens, sie ist ein anerkanntes stilmittel im kommunikationsprozeß) wäre ein wirklicher rückschritt beim versuch von prozessanalysen inclusive von ideologischen einbindungen ihrer jeweiligen akteure. diese einbindung gilt, wenn man nicht den propagandistischen begriff von "ideologie" anlegt, übrigens für jeden teilnemer des diskurses, für mich genauso wie allerdings auch für dich. das wäre selbstanalytisch dann auch immer mit zu bedenken.

  • vor diesem hintergrund bedeutet der hinweis auf "nähe zum ereignis" als wesentliches kriterium jorunalistischer entscheidungen doch nicht allein geografische nähe, auch wenn die am sinnfälligsten ist. "nähe" ist gleichermaßen eine kulturelle dimension ( auf der basis eines sog. weiten kulturbegriffs, der einstellungen und wertsysteme einschliesst).

    Natürlich war das mit der geografischen Nähe - wie Du ja richtig diagnostiziert hast - eine polemische Zuspitzung. Du kennst mich doch. Ich kann leider nicht anders.

    Aber sie hat eben auch durchaus einen - wenn Du den Begriff "Kultur" schon einführen willst und Dir "Ideologie" zu ideologisch ist - "kulturellen" Aspekt. Und zwar insofern, als die Berichterstattung über unbestritten wichtige Themen - wie etwa das Verhältnis Deutschlands und EU-Europas zu den USA und deren neuem, altem Erzfeind Russland - mittlerweile schon einer ganz eigenen "kulturellen" (Selbst-)Prägung unterliegt.


    Die Berichterstattungskultur hat in diesem Fall - bei aller durchaus vorhandenen Kritik an den westlichen Alliierten - eine klare, und den Älteren unter uns noch durchaus vertraute, Freund/Feind Beziehung zur Grundlage, die dazu führt, dass sich auch dem, in seiner Wahrnehmung des Weltgeschehens außerhalb seines eigenen unmittelbaren Erfahrungshorizontes mehrheitlich zwingend auf jene Berichterstattung angewiesenen Publikum beim Schlagwort "Russland" in der Headline schon fast automatisch eine Ahnung sinistrer, ehrloser Machenschaften aufdrängt, während dem Akronym "USA" zwar vielleicht auch nicht mehr der leuchtende Nimbus der unbegrenzten Möglichkeiten anhängt, den zumindest der etwas ältere westliche Teil der deutschen Gesellschaft noch aus früheren Zeiten kennt, aber eben auch nicht der Makel eines antidemokratischen Unrechtsstaates, in dem sich eine kleine Gruppe von Oligarchen in die Regierungsgeschäfte einkauft, sich auf Kosten der restlichen Bevölkerung schamlos die Taschen vollstopft, sich edle Paläste baut, und ihrem bevorzugten Kandidaten durch geschickte Manipulation des Wahlsystems und einen ausgeklügelten Propagandaapparat zur Position des Staats- und/oder Regierungschefs verhilft.


    Was ich damit sagen will. ist, dass sich der mainstream(!!!)-Journalismus auch nicht damit aus der Kritik heraus reden kann, dass er sich bei Auswahl und Priorisierung seiner Themen schliesslich nur entlag einer bereits gegebenen kuturellen Nähe ausrichte, weil er - gerade in der heutigen Zeit, wo der von ihm selbst in Gang gebrachte und am laufen gehaltene Informationsfluss, wie ich ja oben schon erwähnte, eher einem nicht abreissenden Strom gleicht, als dem gemächlichen Plätschern früherer Zeiten, mit seinen Sendeschlüssen und Wartezeiten bis die neue Ausgabe gemacht, gedruckt und ausgeliefert war - selbst maßgeblich dafür verantwortlich ist, welche "Kultur" der Wahrnehmung sich unter seinen RezipientInnen etabliert.

    Und das gilt eben insbesondere bei Themen, Zusammenhängen und "Stories", die tatsächlich geografisch in anderen Ländern mit anderen Kulturen, Sprachen, Gepflogenheiten und durchaus anderen sozialen Verhältnissen verortet sind, und den allermeisten Menschen hierzulande nur durch die mediale Berichterstattung aus dieser kulturellen Ferne näher gebracht werden können.


    Welche andere Möglichkeit haben denn gemeine BürgerInnen, die keine langen, teueren Recherche-Reisen in ferne Länder unternehmen können und über keine entsprechenden Beziehungen verfügen, sich über solche Themen zu informieren, als durch die Medien? Was prägt für die meisten Menschen, die nicht zum kleinen, hochinformierten und international mit anderen hochinformierten Kreisen vernetzten Teil des Medien-, Politik- und Wirtschaftsbetriebes gehören, die "Kultur" des Umganges mit anderen Nationen? Wer erklärt, definiert und transportiert die "Werte" unserer Wertegemeinschaft?

  • Wenn wir dann hier mit dem kuscheln fertig sind und ausreichend festgestellt wurde, dass ja doch alle irgendwie nur gutes wollen und eigentlich nur Opfer unschöner - aber leider unvermeidbarer - Umstände sind, vielleicht kann uns hansj. ja dann doch nochmal Beispiele nennen, in der unsere meinungsbildenden Leitmedien direkt Politik gegen “Partner” machen, sie and den Pranger stellen und wirtschaftliche/politische Konsequenzen koordiniert und reichweitenstark fordern, wie es zB im Fall NS2 erfolgt? Anlässe gibt es ja genug und wurden auf den letzten drei Seiten hier genannt.

  • du weisst, dass ich möglichkeiten des netzes zur informationsgewinnung/-einbringung unter umgehung traditioneller medialer "bottlenecks" stets als große möglichkeit sehe, den vorstellungen aller progessiven medientheoretiker von brecht über benjamin bis zu mcluhan näher zu kommen. - unter gleichzeitiger benennung der in diesen möglichkeiten liegenden tendenzen des genau gegenteiligen effekts ( filterblasen und/oder propaganda) es geht, mal wieder, um kompetenz von mediennutzung und informationsverarbeitung. das ist aber eine eigene diskussion.

    zu deiner these der altbekannten feindbilder (böser russe vs. guter ami) : der wäre entgegenzuhalten, dass sie eben weder in der einen richtung so stringent abgelaufen ist wie es bei dir klingt: das ansehen der us-kultur ( im weitesten sinne ) war in den 60er und 70erff. jahreneinfach nur miserabel. nicht allein wegen des vietnamkriegs. umgekehrt war das ansehen der russischen reformer ( zu denen in seinen ersten jahren ja auch putin gerechnet wurde) sowohl gesllschagzlich, als auch politisch, als auch medial ziemlich hoch. beide wandlungen wären ja gegenläufig zur erbfeind/erbfreund these. vielleicht hat es ja doch auch etwas mit der realen praxis zeitweiliger hoffnungsträger zu tun, dass da nun die kritik wieder stärker im vordergund steht ?

    insofern also die "westmedien" eben doch nicht einfach in der ewigen ideologischen spur stehen, sondern sich sehr wohl in thematik und kommentierung auf beobachtbare realität beziehen? die möglichkeit sehe in deinen ausführunge kaum, die insofern, auch dort, wo sie im detail gar nicht bestreitbar wären, wegen des fehlens der anderen dimension eben die tatsächliche dynamik nicht erfassendes modell sind.

    zu den werten einer demokratisch verfassten, institutionalisierte rechte für nicht-herrschende gesellschaftliche und politische gruppen festschreibenden, diskursiv agierenden gesellschaft ( das ist in ein paar stichworten das, was mir an ein einer "freiheitlichen" gesellschaft, die sich in ihren entwicklungsprozessen wesentlich auch an selbstkritischer aufklärung orientiert, liegt, und woran ich mit meinen bescheidenen mittel zu arbeiten versuche. dass man damit zwangsläufig ziemlich häufig zwischen den stühlen zu sitzen kommt, weil die "großen" stakeholder in der verfolgung ihrer jeweiligen interessenlagen solche prinzipien eher selektiv anwenden, ist mir eigentlich recht. da fühle ich mich nicht unwohl.

  • Wenn wir dann hier mit dem kuscheln fertig sind und ausreichend festgestellt wurde, dass ja doch alle irgendwie nur gutes wollen und eigentlich nur Opfer unschöner - aber leider unvermeidbarer - Umstände sind, vielleicht kann uns hansj. ja dann doch nochmal Beispiele nennen, in der unsere meinungsbildenden Leitmedien direkt Politik gegen “Partner” machen, sie and den Pranger stellen und wirtschaftliche/politische Konsequenzen koordiniert und reichweitenstark fordern, wie es zB im Fall NS2 erfolgt? Anlässe gibt es ja genug und wurden auf den letzten drei Seiten hier genannt.

    ah, nun bewegen wir uns auf der meta-meta-ebene der "kuscheligen" umgangsformen ? na dann (warum fällt mir eigentlich beim symbol der proletarischen gereckten knackwurst der alte begriff des "gulaschkommunismus" ein, der eine zeittypische metapher für innergesellschaftlichen kuschelkurs war ? aber egal).

    ich finde es immer wieder faszinierend, welche macht den "meinungsbildenden leitmedien" immer wieder zugestanden wird, und zwar besonders von denjenigen, die sich gesellschaftliche gegenmacht wünschen. die betrachtung macht die eigenen kräfte kleiner als sie sind, es ist eine eigenartige mischung aus revolutionärem anspruch und gleichzeitiger verzagtheit in bezug auf die eigenen mittel. die "leitmedien" wirken ganz gewiss an der meinungsbildung mit - aber sie machen sie nicht in der mechanistischen eindimensionalität, die hier aufscheint. ( ich verweise gern nochmals auf die untersuchungen des medienwissenschaftlers kückenhoff, der in den 60er jahren, als die bild-zeitung geradezu exzessiv propagandablatt war gegen alles, was auch nur ansatzweise unter "linksverdacht" stand (incl. der damaligen spd) nachwies, dass die "opfer" dieser meinungsbildung sich in ihrem politischen verhalten ( ausgedrückt z.b. im wahlverhalten) sich mehrheitlich so gar nicht der leitmedienmeinungsbildung anschlossen)

    aber das nur am rande. gab es kritische berichterstattung gegenüber z.b. flüssiggas-terminals ( die besonders der anlandung us-amerikanischen frackinggases fienen sollen ?) ja, es gab und gibt sie. gab es kritische berichterstattung gegenüber der politik der britischen regierung ( großbritannien gehört ja doch auch noch , in deiner definintion, zum "eigenen lager") ja, es gab und gibt sie. gab es kritische berichterstattung gegenüber dem druck des lagerbruders macron, als er bei der beschaffung von impfstoffen sanofi besonders bedacht sehen wollte = ja, es gab und es gibt sie. gab es kritik an der lieferung z.b. von u-booten an isreal ? ja, es gab und es gibt sie und nochmals: gab es kritik an der abhörpraxis der us-geheimdienste in deutschland ? ja, es gab sie in ziemlicher haftigkeit. kann dir doch nicht alles verborgen geblieben sein.

    gab es - z.b. gegenüber den usa, forderungen nach sanktionen, die denen gegenüber der rf vergleichbar wären ? nein, die gab es nicht. weil sanktionsforderungen von der möglichkeit einer praktischen umsetzung abhängen, wenn man sich damit nicht lächerlich machen will.

    andere formen ökonomischer konsequenzen in form von importzöllen auf us-produkte gab es schon - wenngleich man sich über deren eher symbolische bedeutung auch keine illusionen machen sollte.

    werter genosse knackwurst, bei genauerem hinschauen findet man doch so einiges, was sehr fundamentalistische thesen zumindest mit einem fragezeichen versieht.

  • Okay hansj.

    du weisst, dass ich möglichkeiten des netzes zur informationsgewinnung/-einbringung unter umgehung traditioneller medialer "bottlenecks" stets als große möglichkeit sehe, den vorstellungen aller progessiven medientheoretiker von brecht über benjamin bis zu mcluhan näher zu kommen. - unter gleichzeitiger benennung der in diesen möglichkeiten liegenden tendenzen des genau gegenteiligen effekts ( filterblasen und/oder propaganda) es geht, mal wieder, um kompetenz von mediennutzung und informationsverarbeitung.

    Bevor wir jetzt beide weiter immer verschachteltere Schachtelsätze schreiben, und dabei möglicherweise komplett aneinander vorbei schachteln, wäre es - für mich - hilfreich, wenn Du mir folgende Frage beantworten könntest:


    Was, bzw. wer prägt - Deiner sozialwissenschaftlich geschulten und durch langjährige Journalistische Praxiserfahrung geprägten Ansicht nach - in unserer heutigen, hyper-medialisierten Welt, die "Kultur" einer Gesellschaft im Hinblick auf ihr Verhältnis zu anderen Nationen?


    Ich fürchte, ansosten den Eindruck zu bekommen, dass Du hier lediglich suggerieren willst, es gäbe da noch irgendwelche anderen gesellschaftlichen Mechanismen, die sich darauf deutlich prägender auswirkten, als die aktuelle Berichterstattung und ihre sozial-medialen Katalysatoren, es aber eigentlich gar nicht aktuell begründen kannst, weil unter den drei Namen die Du jetzt gedroppt hast selbst der jüngste, Marshal McLuhan, sein diesebzüglich wohl wichtigstes Werk zum Medium als Message bereits Ende der 60er Jahre verfassst hat - also in einer Zeit, in der der Russe noch Kommunist war, das Fernsehen im alten Westen nur drei Programme hatte, und jenseits einer winzigen Gruppe amerikanischer Wissenschaftler und Militärs noch niemand auch nur eine Ahnung davon hatte, was vielleicht irgendwann mal ein Internet werden würde.

  • gab es - z.b. gegenüber den usa, forderungen nach sanktionen, die denen gegenüber der rf vergleichbar wären ? nein, die gab es nicht. weil sanktionsforderungen von der möglichkeit einer praktischen umsetzung abhängen, wenn man sich damit nicht lächerlich machen will.

    Danke Hans. Du hättest dir das ganze rumgeplänkel in deiner Einleitung sparen können, aber vielleicht findet es ja jemand witzig. Der oben zitierte Absatz, ist auf jeden Fall der entscheidende, um den du dich die letzten Seiten so geziert hast.


    Es geht nicht um kulturelle Nähe, oder Werte. Es geht um Macht. Und die entscheidet, wo der moralische Kompass ausschlägt. Sicherlich nichts neues. Nichts bahnbrechendes. Aber um ein vielfaches entscheidender, als deine sonstigen Thesen hier. Unter diesem Aspekt ist auch die nawalny Show zu betrachten.


    Danke. Ich wollte es ja nur auch von dir mal lesen. ✌🏼

  • und warum - sowohl die aktivitäten der "welthäuptlinge" trump/putin ( als führer und repräsentanten ihrer jeweiligen systeme) in deutschen medien permanente beachtung finden. navalny ist nicht aus sich selbt heraus eine für deutsche medien interessante figur, sondern wegen seiner rolle im politischen und gesellschaftlichen system der rf.

    diesen - aufschlüsselbaren-sachverhalt zu reduzieren darauf, dass der "russische patient" erst durch seinen aufenthalt hier oder/und durch deutsche aktivitäten bei der lebensrettenden medizinischen intervention zu verkürzen, wie du es in polemischer weise tust (nichts gegen polemik, übrigens, sie ist ein anerkanntes stilmittel im kommunikationsprozeß) wäre ein wirklicher rückschritt beim versuch von prozessanalysen inclusive von ideologischen einbindungen ihrer jeweiligen akteure. diese einbindung gilt, wenn man nicht den propagandistischen begriff von "ideologie" anlegt, übrigens für jeden teilnemer des diskurses, für mich genauso wie allerdings auch für dich. das wäre selbstanalytisch dann auch immer mit zu bedenken.

    Bitte schlüssle es auf. These: Nawalny hat seine Rolle, die du nun anführst, im politischen System der Russischen Föderation erst durch die besondere Aufmerksamkeit durch westliche Medien bekommen.


    Utan hatte auch die Bedeutung und Entwicklung der Person im politische System des Landes sehr ausführlich dargelegt.


    Aber wir kommen der Sache wohl näher. Natürlich ist Nawalny nicht aus sich selbst heraus so interessant. Es ist diese spezielle Rolle als Putin-Gegner, die ihn für die Medien schon so interessant machte, als er eigentlich noch überhaupt keine nennenswerte Bedeutung hatte. Das allein macht schon deutlich, dass die Wirkung im Vordergrund steht. Und man muss sich schon stur stellen, um nicht zu erkennen, dass dieser Nawalny ein Produkt der westlichen Medienmaschinerie ist, die genau die Bestätigung für die einseitige Berichterstattung liefert, die man zur Rechtfertigung derselben braucht.


    ich finde es immer wieder faszinierend, welche macht den "meinungsbildenden leitmedien" immer wieder zugestanden wird, und zwar besonders von denjenigen, die sich gesellschaftliche gegenmacht wünschen. die betrachtung macht die eigenen kräfte kleiner als sie sind, es ist eine eigenartige mischung aus revolutionärem anspruch und gleichzeitiger verzagtheit in bezug auf die eigenen mittel. die "leitmedien" wirken ganz gewiss an der meinungsbildung mit - aber sie machen sie nicht in der mechanistischen eindimensionalität, die hier aufscheint.

    Ach so, na dann ist ja alles gut. Wen kümmert schon der messbare Vertrauensverlust, der sich ausgerechnet an der Eindimensionalität zu Russland-Berichterstattung festmachte. Ich glaube, die Ukraine-Krise brachte das Fass zum Überlaufen. Wird schon nichts passieren.

    Zitat

    gab es kritische berichterstattung gegenüber z.b. flüssiggas-terminals ... ja, es gab und gibt sie. gab es kritische berichterstattung gegenüber der politik der britischen regierung ... ja, es gab und gibt sie. gab es kritische berichterstattung gegenüber dem druck des lagerbruders macron, als er bei der beschaffung von impfstoffen sanofi besonders bedacht sehen wollte = ja, es gab und es gibt sie. gab es kritik an der lieferung z.b. von u-booten an isreal ? ja, es gab und es gibt sie und nochmals: gab es kritik an der abhörpraxis der us-geheimdienste in deutschland ? ja, es gab sie in ziemlicher haftigkeit. kann dir doch nicht alles verborgen geblieben sein.

    Und du meinst Ausmaß der Kritik, deren prominente Darlegung und die daraus resultierenden Forderungen seien annähernd vergleichbar. Denn ich glaube, darum ging.

  • das ansehen der us-kultur ( im weitesten sinne ) war in den 60er und 70erff. jahreneinfach nur miserabel. nicht allein wegen des vietnamkriegs. umgekehrt war das ansehen der russischen reformer ( zu denen in seinen ersten jahren ja auch putin gerechnet wurde) sowohl gesllschagzlich, als auch politisch, als auch medial ziemlich hoch.

    Redest Du da jetzt von der Stimmung innerhalb der Blase Medienschaffender oder von der Gesellschaft als Ganzem?

    Letzteres hielte ich nämlich, ausserhalb linker/studentischer Zirkel versteht sich, für ziemlich absurd.

  • ich sehe es eher so, dass die navalmy-berichterstattung in westlichen medien begann, als er eine überdurchschnittliche bedeutung in der russischen opposition erreicht hatte. medien werden aufmerksam, wenn sich etwas über das übliche hinaus entwickelt. selbstverständlich nützt dann berichterstattung auch der weiteren aufmerksamkeit im land, aber das ist etwas anderes als die krude these des "durch westmedien erst zu bedeutung gelangten "oppositionsführers". diese these wirst du durch analyse der berichterstattung auf einem zeitrahl kaum bestätigt finden.


    wo siehst du ( und auch: in welcher dimension ) einen "vertrauensverlust" wg. der ukraine-berichterstattung ? da wäre ich - über dein gefühl hinaus - auch mal an empirischen anhaltspunkten interessiert.

    ist nicht "vertrauensverlust" in ganz anderer dimension und anderer richtung eher dadurch entstanden, dass die krim annektiert wurde und im donez seitens der rf eine intervention in faktische bürgerkriegshandlungen erfolg(e), die das (kritikmürde) ausmass westlicher intervention deutlich übersteigt ?


    über das ausmaß an kritik läßt sich ja immer streiten - aber die these, der ich widersprochen habe ( mit gewünschten beispielen, deren existenz ja in der fragestellung implizit bestritten wurde) war ja, dass es so etwas überhaupt nicht gegeben habe. nach dem nachweis, dass es sie gab, das thema zu wechseln und die frage nach ihrer tiefe zu stellen, ist schlicht und einfach ein ausweichmanöver. lass uns mal ruhig bei der urspränglichen these bleiben.


    und mir formulierungen entgegenzuhalten wie: "na, dann ist ja alles gut" ist doch einfach nur doof. wo hätte ich das je gesagt, oder auch nur sinngemäß angedeutet ? wirst du nicht finden. nichts ist gut. ich erlaube mir lediglich, bei kritischer betrachtung von sachverhalten beide augen offen zu halten. willst du das wirklich verwechseln oder gleichsetzen mit: propagandist der falschen seite zu sein ? das täte mir leid. erkenntnisgewinn ist eigentlich wie räumliches sehen: funktioniert nur mit zwei funktionsfähigen augen.

  • Redest Du da jetzt von der Stimmung innerhalb der Blase Medienschaffender oder von der Gesellschaft als Ganzem?

    Letzteres hielte ich nämlich, ausserhalb linker/studentischer Zirkel versteht sich, für ziemlich absurd.

    ich rede von mehrheitsgesellschaftlichen einstellungen. wenn du das als "absurd" betrachtest, dann solltest du mal nachforschen, was empirisch belastbare demoskopie zu diesem thema über die jahre festgestellt hat. du würdest dich wundern.


    zum zweiten: wenn du diese wandel aber immerhin "in der blase medienschaffender" als gegeben ansiehst - was du ja tust - dann wäre erstens die frage an dich: wie konnte es dann eigentlich dazu kommen ? und weiterführend: wenn man schon von einem meinungsbestimmenden einfluss dieser "medienblase" ausgeht - dann hätte sich doch dieser wandel auch in der allgemeinen gesellschaftlichen einstellung bemerkbar machen müssen - was du aber als "absurd" abtust ?

    irgendwie geraten die annamen über wirkungsmechanismen von medien in deiner argumentation in widerspruch zueinander.

    (übrigens: auch wenn du es dir vielleicht nur schwer vorstellen kannst: die so genannte "medienblase" ist viel weniger ein abgeschlossenes system, als die, die den begriff verwenden, soch offenbar vorstellen. journalisten bewegen sich im wirklichen leben überraschend vielfältig. jedenfalls die, die ich kenne und schätze.

  • ich rede von mehrheitsgesellschaftlichen einstellungen. wenn du das als "absurd" betrachtest, dann solltest du mal nachforschen, was empirisch belastbare demoskopie zu diesem thema über die jahre festgestellt hat. du würdest dich wundern.

    Würde ich tatsächlich.

    Hast Du dazu irgendeinen Anhaltspunkt? Ich wüsste nicht, wo ich da jetzt zuerst suchen sollte.


    zum zweiten: wenn du diese wandel aber immerhin "in der blase medienschaffender" als gegeben ansiehst - was du ja tust - dann wäre erstens die frage an dich: wie konnte es dann eigentlich dazu kommen ? und weiterführend: wenn man schon von einem meinungsbestimmenden einfluss dieser "medienblase" ausgeht - dann hätte sich doch dieser wandel auch in der allgemeinen gesellschaftlichen einstellung bemerkbar machen müssen - was du aber als "absurd" abtust ?

    irgendwie geraten die annamen über wirkungsmechanismen von medien in deiner argumentation in widerspruch zueinander.

    (übrigens: auch wenn du es dir vielleicht nur schwer vorstellen kannst: die so genannte "medienblase" ist viel weniger ein abgeschlossenes system, als die, die den begriff verwenden, soch offenbar vorstellen. journalisten bewegen sich im wirklichen leben überraschend vielfältig. jedenfalls die, die ich kenne und schätze.

    Ich sehe diesen Wandel keineswegs als gegeben an, da [Medienblase] halte ich ihn - zumindest in Teilen - nur nicht für so absurd, wie in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht.

    Aus dieser Beurteilung ergibt sich aber keineswegs eine geschlossene Ideologiekohorte, der man dann eine geschlossen in eine Richtung "arbeitende" (wenn man ihnen mal kurzsichtig Intention unterstellt) Medienbranche anschließen könnte. Die BLÖD z. B. war nie auf Kuschelkurs mit dem Russen, egal ob man kurzfristig mal auch die Amis für ihr Getrampel im Porzellanladen kritisiert.


    Zudem handelt es sich bei diesem Zeitraum auch um eine Zeit gänzlich anderer Sozialisation von Journalisten, das weißt Du doch selbst. Die Untersuchungen, wonach der überwältigende Anteil aller Journalisten seit vielen Jahren schon aus dem gleichen (sozialen) Milieu stammen, was natürlich Auswirkungen auf ihre Sozialisation (und damit eben auch auf ihre journalistische Weltsicht und Arbeit) hat, muss ich dem Journalisten/Soziologen Hans doch wohl nicht erklären.


    Und damit schließt sich dann eben auch wieder der Kreis zur Journalisten"blase".

    Da sind Exkurse in die 60er/70er Jahre deshalb zwar interessant, aber eben nicht hilfreich für die aktuelle Problematik.

  • ich sehe es eher so, dass die navalmy-berichterstattung in westlichen medien begann, als er eine überdurchschnittliche bedeutung in der russischen opposition erreicht hatte.

    Wann soll das gewesen sein? Und nochmal auf Utans Beitrag von heute Morgen bezugnehmend, was charakterisiert denn diese besondere Bedeutung, wenn ihn lange Zeit weniger Russen kannten als Deutsche und gleichzeitig die breite Opposition bei uns medial nicht stattfindet.


    medien werden aufmerksam, wenn sich etwas über das übliche hinaus entwickelt. selbstverständlich nützt dann berichterstattung auch der weiteren aufmerksamkeit im land, aber das ist etwas anderes als die krude these des "durch westmedien erst zu bedeutung gelangten "oppositionsführers". diese these wirst du durch analyse der berichterstattung auf einem zeitrahl kaum bestätigt finden.

    Krude These, soso. Ist das jetzt so ein rhetorischer Stunt, wie du ihn zuvor angesprochen hast? Nur weil du es, aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer, nicht wahrnehmen kannst, wird es nicht automatisch absurd.

    Ob Betriebsblindheit, Eitelkeit, ideologische Sozialisierung in den Redaktionen, personelle Monotonie, falsch verstandener Berufsethos oder alles zusammen, aus irgendeinem Grund scheint ein Auge blind zu sein.

    wo siehst du ( und auch: in welcher dimension ) einen "vertrauensverlust" wg. der ukraine-berichterstattung ? da wäre ich - über dein gefühl hinaus - auch mal an empirischen anhaltspunkten interessiert.

    Meines Wissens, gabs da mehrere Studien im Auftrag des ÖRR. Da solltest du also näher an der Quelle sitzen. Allerdings muss man sich da wohl selbst die Daten anschauen, denn vermeldet wurde von Himmelhochjauchzend bis Tode betrübt.

    Ich nehme mal die Entstehung medienkritischer Podcasts und dem zugegebenermaßen nur in dieser Blase großen Widerspruch zu deiner Behauptung als Anhaltspunkt, wie auch das Feedback aus dem persönlichen Umfeld. Irgendwie gab es ja wohl auch so ein Hauptargument beim Aufstieg der AFD, das möglicherweise einen Nährboden hatte, wer weiß.

    ist nicht "vertrauensverlust" in ganz anderer dimension und anderer richtung eher dadurch entstanden, dass die krim annektiert wurde und im donez seitens der rf eine intervention in faktische bürgerkriegshandlungen erfolg(e), die das (kritikmürde) ausmass westlicher intervention deutlich übersteigt ?

    Ist das jetzt ein Whataboutism oder der Versuch, Ursachen einseitig zu suchen?

    Ich hab noch eine "Krude These" des Tages. Weil Russland interveniert und die Sezession der Krim anstrengt, erleidet der Journalismus Vertrauensverlust.

    Ok, den nimmst du nicht wahr. Dann versuch es mal alternativ mit dem Widerpsruch der dir gerade gegeben wird.


    Den Zusammenhang zwischen einseitiger Berichterstattung - inklusive Sprachregelungen für kontroverse Aspekte, dem Unter den Tisch kehren US-amerikanischer Einflussnahme im Vorfeld und die fehlende Einordnung in den geopolitischen Gesamtzusammenhang, während man gleichzeitig jene verachtungsvoll zu Putin-Verstehen erklärte, die darüber aufklärten - als notwendige Voraussetzung, damit das irgendwie Sinn ergibt, lassen wir einfach außen vor. (Zynismus!) Denn zum Streiten gehören nämlich in unserer heilen Welt nicht mehr zwei.


    Nicht vergessen wollen wir den seither zuverlässigen Reflex den Russlandsündenbock herbeizurufen, wenn man mit runtergelassenen Hosen erwischt wird, und die unkritische Haltung dazu auch im ÖRR.


    und mir formulierungen entgegenzuhalten wie: "na, dann ist ja alles gut" ist doch einfach nur doof. wo hätte ich das je gesagt, oder auch nur sinngemäß angedeutet ?

    Nennt sich Zynismus. Hab den Zwinkersmiley vergessen, weil ich dachte, das würde in dem Kontext klar und ein Emoji irgendwie unangemessen.

  • ... Beispiele nennen, in der unsere meinungsbildenden Leitmedien direkt Politik gegen “Partner” machen, sie and den Pranger stellen und wirtschaftliche/politische Konsequenzen koordiniert und reichweitenstark fordern, wie es zB im Fall NS2 erfolgt?

    Die Kommentierung und Berichterstattung die Regierungen in Polen und Ungarn betreffend wäre ein solches Beispiel.


    Der Witz an Partnern ist jedoch, dass die notwendigerweise milder bewertet werden als Konkurrenten. Schließlich gibt es notwendigerweise eine Korrelation zwischen der herrschenden (=veröffentlichten) Meinung und der Meinung der Herrschenden.


    Eine Medienlandschaft, deren Berichterstattung eine Äquidistanz zwischen z. B. den USA, China und Russland aufweist, ist nicht kompatibel mit der engster politischer, wirtschaftlicher und kultureller Verflechtung zu einem dieser Pole.

  • Zitat

    Beispiele nennen, in der unsere meinungsbildenden Leitmedien direkt Politik gegen “Partner” machen, sie and den Pranger stellen und wirtschaftliche/politische Konsequenzen koordiniert und reichweitenstark fordern, wie es zB im Fall NS2 erfolgt?

    Die Kommentierung und Berichterstattung die Regierungen in Polen und Ungarn betreffend wäre ein solches Beispiel.

    Griechenland, Italien, Portugal, Spanien in der Finanzkrise wären IMO auch Beispiele. Meinungsbildende Leitmedien? Check.

    Pranger? Check.

    Forderung nach Konsequenzen? Mindestens teilweise Check.

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